Читать книгу Taubenblut - Lutz Kreutzer - Страница 12
Gewerbesteuer
ОглавлениеDas Geschäft im ›Thailandeiland‹ lief prächtig. Nuh Poo Tubkim aber hielt sich am liebsten auf der Fraueninsel im Chiemsee auf. Er sah dem Treiben aus der Ferne zu. Er wusste, dass es besser war, ein Geheimnis aus seiner Person zu machen. Nur selten war er selbst Teil des Geschehens. Doch dann wurde ein wahrhaft imposanter Auftritt daraus.
»Da kommt er«, flüsterte der Waldmeier Sepp dem Moser Hansi zu. Sie saßen am Tresen in der Kneipe und beobachten, was draußen geschah. Ein Mercedes 600 Pullmann in metallic Gold fuhr vor und bog auf den Parkplatz hinter dem Haus ein. Der Sepp und der Hansi beobachteten, wie der Mercedes 600 auf einem Platz abgestellt wurde, der für VIPs reserviert war. Der Fahrer stieg aus und öffnete die Tür am Heck des Fahrzeugs. Dann stieg Nuh Poo Tubkim aus, in all seiner Üppigkeit.
In der Bar stoppte die Musik, und der Guru wurde über die Lautsprecheranlage angesagt wie ein Popstar. Die Gäste und Bediensteten begrüßten ihn mit Applaus und bewunderndem Gejohle. Als er den Raum durchschritt, bedachte er jeden einzelnen Gast mit einem Kopfnicken.
»Pass auf«, sagte der Sepp. »Jetzt setzt er sich hin. Lang bleibt er nie.«
Nuh Poo bestieg wie immer, wenn er das Lokal besuchte, ein kleines, aber schmuckvolles Podest am Kopfende des großen Raums, auf dem ein vergoldeter Sessel mit einem Baldachin thronte. Alle Besucher beobachteten gebannt, wie Nuh Poo Tubkim sich auf dem schweren Brokatstoff breitmachte, als ob er Hof halten würde.
»Jo spinnt der? Is des der Bummipoll?«, fragte der Hansi.
»Der Wer?«
»Na der König von Thailand, Bummipoll heißt der doch.«
»Du meinst den B…h…umibol. Vielleicht is des sein warmer Bruder?«, vermutete der Sepp und kicherte sich weg.
Nach einer Stunde Audienz, in der man mit ihm persönlich reden konnte, erhob sich Nuh Poo Tubkim wieder von seinem Sitz und ging winkend und lächelnd mit rollenden Augen zur Tür. Die Leute waren verzückt von ihm.
Das ›Thailandeiland‹ in Tuntenhausen war inzwischen ein Magnet für die gesamte Region. Die Katoeys animierten die Gäste zum Trinken, ließen sich zu Getränken einladen und waren überaus charmant zu ihnen. Der thailändische Koch war eine Sensation. Einige nahmen die Katoeys, die hier kurz Mädchen genannt wurden, mit in ihre Massageabteile im oberen Stock. Manche Besucher blieben über Nacht. Die Zimmer waren fast immer ausgebucht. Alles lief natürlich legal. Nuh Poo berief sich auf die thailändische Massagelizenz, die jeder Katoey hatte. Was danach war, konnte niemand wissen. Das Wort Prostitution war im Umfeld des ›Thailandeiland‹ tabu. Und was die Mädchen an Nuh Poos gemeinnützigen eingetragenen Verein zur Hilfe thailändischer Waisen und sozial Gestrandeter spendeten, das war freiwillig.
Es hatte Proteste gegeben, ein ortsansässiger Verein hatte eine Demonstration organisiert, zu der viele Menschen aus München angereist waren. Mit dabei waren ein paar Nonnen von der Fraueninsel, vornan marschierte Schwester Irmentrud, die lauthals betete und verbittert gegen den Teufel ins Feld zog. Außerdem hatte die Heilsarmee gesungen.
Als Nuh Poo Tubkim Schwester Irmentrud deshalb sprechen wollte und ihr lächelnd gegenübertrat, war sie ihm mit finsterem Blick begegnet, hatte ihn einfach zur Seite gedrängt und war laut betend weitermarschiert, ohne ein Wort zu ihm zu sagen. Nuh Poo hatte das gewundert. In Thailand ging man mit dem Thema toleranter um. Er fragte sich, warum das so war. In der darauffolgenden Nacht hatten ein paar Burschen dann ein paar Fensterscheiben im ›Thailandeiland‹ eingeworfen, wobei auch Wände, Fenster und der Garten beschädigt worden waren.
Für all die folgenden Reparaturen beschäftigte Nuh Poo ortsansässige Handwerker. Nachdem er den Glaser, den Tischler, den Gärtner und den Maurer bezahlt und mit einem üppigen Trinkgeld verabschiedet hatte, brachte ihn das auf eine Idee. Er wies seine Leute an, in Zukunft nicht mehr im Großhandel zu kaufen, sondern Gebäck nur noch beim Bäcker vor Ort und die Getränke über ortsansässige Getränkemärkte zu beziehen. So machte Nuh Poo Tubkim es mit allen möglichen Handwerkern und Händlern. Sie alle waren in Tuntenhausen und Umgebung beheimatet. Dazu schickte er jedes Mal Jeab und Muu vor. Sie sprachen zwar nur sehr wenig Deutsch, aber Charme und Aussehen waren auf ihrer Seite. Alle hielten sie für zwei zwar überdrehte, aber überaus süße Mädchen. Sie bezauberten und entzückten jeden, mit dem sie redeten. Die eigentlichen Geschäftsverhandlungen führte Charlie anschließend.
Schnell hatten die Leute gemerkt, dass ihnen das neue Lokal am Ortsrand Geld einbrachte. Die Feindseligkeiten ebbten ab. Der Bürgermeister hatte seine anfänglich starken Protestnoten schon längst zurückgezogen. Schließlich hatte der Laden die Gewerbesteuer für den Ort erheblich verbessert. Und so war es gekommen, dass das ›Thailandeiland‹ einfach als exotisches Institut gesehen wurde. Nicht aber als Bordell, wie einige übereifrige Einheimische immer noch hinausposaunten.