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Sommerkleidchen

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Nuh Poo Tubkim hatte in seiner Heimat eine Lücke geschlossen. Er hatte in Thailand eine Sekte gegründet, deren Jünger ausschließlich Katoeys waren. Und er war ihr Guru. Die Kombination aus seiner persönlichen Neigung, dem Geschäftssinn und seinem Charisma hatten ihn reich gemacht. Die Katoeys, wie man in Thailand Transsexuelle und Transvestiten nannte, lagen ihm zu Füßen. Seit jeher waren die Katoeys in Thailand zwar als dritte Geschlechtsform anerkannt, doch zunehmend waren sie wegen der westlich gesteuerten Sexindustrie in seinem Land in Bedrängnis geraten. Nuh Poo Tubkim aber hatte ihnen das gegeben, was die Weltreligionen ihnen beharrlich verweigerten, nämlich eine spirituelle Heimat.

Seine Sekte hatte Nuh Poo Tubkim aus Werten des Buddhismus einerseits und der Disziplin des Katholizismus andererseits erbaut. Die jeweilige Lehre über die Liebe hatte er zu seinen Gunsten umgedeutet. Das machte ihn so gut wie unangreifbar und äußerst erfolgreich. Jetzt saß Nuh Poo Tubkim in seinem neuen Haus auf der Fraueninsel und hielt Rat mit zehn seiner Katoeys, die um ihn herum auf dem Boden saßen.

»Wir brauchen also einen Ort in unserer Nähe, an dem wir das machen können«, sagte Guru Nuh Poo. »Ich plane eine große Bar mit Musik, schönen Getränken und außergewöhnlichen Speisen. Dort sollen sich alle wie zuhause fühlen. Es soll ein Ort sein, wohin unsere lieben deutschen und österreichischen Männer pilgern sollen. Sie können euch direkt hier in Deutschland verehren und sich von euch verwöhnen lassen. Wir holen noch mehr von uns hierher. Lauter liebe Katoeys.«

Ein Raunen ging durch den Raum, seine Jünger quiekten, freuten sich und klatschten in die Hände.

»Das wird wunderbar«, rief Nuh Poo und nickte begeistert mit dem Kopf. »Die Männer hier sind spendabel, fromm und lieben gern. Sie sind katholisch, so wie mein Vater es war. Und das heißt doch, dass sie das Lieben hier schon sehr früh lernen. Denn sie kommen zahlreich zu uns nach Thailand. Sie werden nun nicht mehr so weit zu reisen brauchen. Sie werden zu uns pilgern und teilhaben an unserem schönen Leben. Und Geld haben sie auch.« Nuh Poo sah jetzt zweien seiner Jünger besonders tief in die Augen. »Nun fehlt uns noch der richtige Ort«, sagte er zu den beiden.

Die zwei verneigten sich verschämt und geehrt zugleich. Alle wussten, dass sie in den Augen ihre Gurus etwas Besonderes waren. Thapakorn Kung und Boonipat Kosiyabong liebten sich ehrlich und innig. Seit sie sich über ihren Guru kennengelernt hatten, waren sie unzertrennlich. Sie stammten beide aus unterschiedlichen Provinzen. Thapakorn kam aus dem Osten an der Grenze zu Laos, Boonipat war im Norden in Lampang aufgewachsen. Als sie ihre Neigung entdeckten, wussten sie noch nichts voneinander. Schließlich kamen sie fast zur selben Zeit im Alter von etwa siebzehn Jahren nach Bangkok.

Sie gerieten schnell in die Prostitution und stürzten ab. Zwei sehr ähnliche Schicksale nahmen unabhängig voneinander ihren Lauf. Für wenig Geld sahen sich beide gezwungen, sich in einem billigen Bordell zahlungskräftigen Touristen hinzugeben. Italiener, Briten und Deutsche waren ihre Freier. Natürlich gab es auch Amerikaner, Franzosen und ein paar Österreicher.

Irgendwann hörten beide mit einem Abstand von einem halben Jahr von Guru Nuh Poo Tubkim, der sich um das Seelenheil der Katoeys kümmere. Sie gingen zu ihm, und Guru Nuh Poo schloss erst Thapakorn und später auch Boonipat in sein Herz.

Guru Nuh Poo hatte sie sogar auf eine Schule geschickt. Für sie war der Guru Retter, Vater und Gott zugleich. Und so ging es allen, die zu seinem engsten Kreis gehörten. Thapakorn war der Jüngste unter ihnen, weshalb er schnell von den anderen Jeab gerufen wurde, das Küken. Und Boonipat, der sich am liebsten frivol komisch ausdrückte und immer ein bisschen anzüglich wirkte, bekam den Rufnamen Muu, was so viel wie Schweinchen hieß.

Jetzt saßen Jeab und Muu mit verschränkten Beinen und in geblümten Sommerkleidchen vor ihrem Guru und hörten aufmerksam zu, was er ihnen zu sagen hatte.

Nuh Poo lächelte in die Runde. Direkt an Jeab und Muu gerichtet, sagte er: »Sucht nach einem richtigen Ort für unser Vorhaben. Es soll zwischen München und unserem Zuhause hier sein. Denn in München wohnen viele Männer, die uns besuchen möchten.« Nuh Poo sagte das sehr bedächtig. »Der Ort soll unserer würdig sein. Ich weiß, es muss diesen heiligen Ort geben. Er wartet auf uns und ist für uns vorbestimmt. Wir müssen ihn nur entdecken!«

Die anderen Katoeys applaudierten, warfen Jeab und Muu überschwängliche Handküsse zu und gratulierten den beiden Auserwählten. Sie umarmten und küssten sie. Jeab Thapakorn Kung und Muu Boonipat Kosiyabong hatten also von ihrem Guru den Auftrag bekommen, das Land zu erkunden und einen würdigen Ort zu finden, an dem der Guru seine Bar und sein heiliges Massageinstitut eröffnen konnte.

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