Читать книгу Somber Side of Love - Teil 2 Ungarn - M. B. Bolder - Страница 6
Kapitel 4
Оглавление„Es sieht alles sehr gut aus Mr. Bolder! Ich gehe derzeit zumindest nicht mehr von einer Lebensgefahr aus und morgen früh sehen wir weiter. Schwester Megan machen Sie bitte noch ein Blutbild und geben Sie ihr noch eine Bluttransfusion. Vergessen Sie insbesondere den Urin nicht und das alles möchte ich in einer Stunde auf meinem Schreibtisch haben.“ befiehlt er der Schwester.
„Sehr wohl, Dr. Spector. Wird gemacht!“ antwortet sie souverän.
„Würden Sie beide mich bitte in den Schleusenraum begleiten bis die Schwester soweit ist.“ sagt er und geht voraus, wobei ich Saundra noch einen Kuss auf die Handfläche hauche und mich kaum von ihrem Anblick lösen kann.
„Matt!“ drängelt mich Lázló und ich folge den beiden nur zögernd.
„Tja, meine Herren...“ räuspert sich Dr. Spector verlegen.
„… ich wollte heute Mittag nicht direkt von einem lebensbedrohlichen Zustand von Miss Dunaway sprechen, weil ich gemerkt habe wie sehr sie beide das mitnimmt, deshalb habe ich ihn nur als sehr ernst bezeichnet…“
Ich wusste es doch!
Kraftlos lasse ich mich auf einen Stuhl fallen und bedecke meine Augen mit einer Hand, kämpfe erneut aufkommende Tränen nieder und Dr. Spector spricht besonnen weiter.
„… es besteht zwar keine direkte Lebensgefahr mehr, aber sie ist immer noch nicht ganz über den Berg! Es könnten immer noch Komplikationen auftreten, einschließlich eines Hämatoms im Gehirn. Hier kann ich erst in achtundvierzig Stunden Entwarnung geben, wenn sich bis dahin keines gebildet hat.
Das heißt also wir sollten sie auch vorher nicht aus dem Koma holen, es wäre mir aber wichtig, wenn einer von Ihnen beiden bei ihr bleibt. Dem Bett nach zu schließen gehe ich davon aus, dass Sie sich bereits entschieden haben?“
Ich falte meine Hand zusammen, welche ich über die Augen geschlagen habe und halte meine Nasenwurzel zwischen Daumen und Zeigefinger fest.
„Ich werde auf jeden Fall hier bleiben, keine zehn Pferde bringen mich jetzt von hier weg.“ raune ich leise und sehe Dr. Spector kopfschüttelnd ins Gesicht, um danach mit fester Stimme zu sagen.
„Niemand wird mich davon abhalten bei ihr zu bleiben, außer sie selbst schickt mich weg.“
Dr. Spector lächelt mich kurz an und wendet sich an Lázló.
„Wäre es in Ordnung für Sie Sir, wenn Sie die Nacht dann außerhalb der Klinik zubringen? Wir würden Sie auch in jedem Fall benachrichtigen, falls sich der Zustand ihrer Tochter verändern sollte.
Für einen Komapatienten ist zwar sehr gut, wenn eine Bezugsperson fortwährend da ist, aber es sollte auf Dauer lieber nicht mehr als eine Person sein.“
„Kein Problem Dr. Spector! Im Moment halte ich es ohnehin für besser, wenn Matt … ähm … Mr. Bolder bei ihr bleibt, denn ich hatte nach einem heftigen Streit vor über zwei Monaten keinerlei Kontakt mehr zu meiner Tochter und wie sich im Moment der Sachverhalt darlegt, möchte sie ihn wohl lieber sehen als mich. Ich verbringe die Nacht sowieso lieber in einem Hotelbett als im Krankenhaus.“ führt Lázló fast sachlich aus.
„Sie können auch gerne in meiner Wohnung übernachten, wenn Sie möchten. Ich habe keine Geheimnisse und die Pari Le Petit Créperie ist gleich um die Ecke, wo man wunderbar frühstücken kann!“ biete ich ihm an.
„Aber natürlich nur, wenn Sie wollen.“ setze ich kleinlaut hinzu nachdem mir wieder eingefallen ist, dass es für ihn als Millionär ein Leichtes ist, in ein Fünf-Sterne-Hotel einzuziehen.
„Ich werde es mir überlegen!“ grinst er mich an, während er mit meinem Wohnungsschlüssel klimpert.
„Immerhin hat dort eine Waschmaschine ihren Dienst erledigt und möchte vielleicht noch ausgeleert werden.“ sagt er, wobei er sich wieder ernst an Dr. Spector wendet.
„Darf ich noch einmal kurz zu meiner Tochter, um mich für die Nacht zu verabschieden. Bitte!“
„Natürlich, Mr. Dunaway! Gehen sie ruhig!“ antwortet dieser sanft und sieht mich durchdringend an.
„Ihr Verhältnis zu Miss Dunaway scheint aber auch etwas problembehaftet zu sein, wenn ich das richtig sehe. Ich weiß zwar nicht, worum es geht und es geht mich auch nichts an, aber Ihnen scheint es gerade nicht sehr gut zu gehen.“
Betreten senke ich den Blick und ziehe die Luft scharf ein.
„Ja, so ist es! Aber das Ganze ist eine lange Geschichte und beginnt zum gleichen Zeitpunkt als Mr. Dunaway den Streit mit Saundra hatte … besser gesagt eine Nacht vorher.
Kurz gesagt wir hatten eine kurze, aber heftige Affäre. Ich habe mich hoffnungslos in sie verliebt und sie lies mich einfach fallen von jetzt auf dann, mitten beim…“ ich stocke kurz und wage es nicht das Wort ‚Sex‘ auszusprechen.
„… ach Sie wissen schon was ich meine … und das alles ohne Vorwarnung!
Das hat mich natürlich tief verletzt und nur deshalb habe ich sie abgewiesen, als sie auf einmal hier auftauchte und behauptete, dass sie mich ‚plötzlich’ liebt.
Ich wusste nichts von dem Zerwürfnis mit ihrem Vater, der mich einen Tag vor ihrem Erscheinen angerufen hatte und mich für ein neues Projekt einspannen wollte, was ich allerdings abgelehnt hatte … ihretwegen.
Ich wollte sie nicht mehr sehen, nur um über sie hinwegzukommen und ich dachte, dass ihr Vater sie geschickt hat, um mich zu dem Projekt zu überreden.
Ein Trugschluss!
Nur deshalb ist das Ganze passiert, weil ich ihr nicht zugehört habe und sie mir hinterher laufen wollte…“ sage ich traurig und unterdrücke abermals Tränen als ich an den dumpfen Schlag durch den Aufprall auf das Auto denke.
„Erst heute habe ich von ihrem Vater von dem heftigen Streit mit ihm erfahren, welcher erst stattgefunden hat nachdem wir uns so abrupt getrennt haben.
Somit hat sie mir gestern und heute Morgen offenbar doch die Wahrheit gesagt und sie liebt mich vielleicht tatsächlich!
Dr. Spector, meine Gefühle fahren schon den ganzen Tag Achterbahn und ich weiß nicht mehr wo mir der Kopf steht, ich möchte nur noch eines, nämlich dass sie wieder aufwacht und wir uns aussprechen können.
Bitte! Sir! So darf es einfach nicht zu Ende gehen! Ich würde meines Lebens nicht mehr froh werden und mir ewig Vorwürfe machen, wenn…“
In dem Augenblick erscheint Lázló wieder und Dr. Spector führt mich wortlos an ihm vorbei in Saundras Krankenzimmer, drückt mich auf das leere Bett und setzt sich vor mich auf den Stuhl, wobei er einen ernsten Gesichtsausdruck annimmt.
„Das hört sich aber gar nicht gut an, das heißt Sie leiden also schon seit über zwei Monaten unter heftigem Liebeskummer und nun fühlen Sie sich auch noch schuldig an ihrem Unfall?“ fragt er sanft.
Bekümmert zucke ich mit den Schultern und hauche nur „Ja!“
Dr. Spector strafft sich und seufzt tief.
„Das gefällt mir gar nicht! Sagen Sie, neigen Sie eigentlich zu Depressionen Mr. Bolder?“
„Nein eigentlich nicht, aber die ganze Sache mit Saundra nimmt mich irgendwie fürchterlich mit und jetzt auch noch dieser Unfall … bitte Dr. Spector, sie muss überleben. Ich liebe sie doch so sehr.“ flehe ich ihn an.
„Das kann ich Ihnen im Moment noch nicht versprechen, aber wir werden alles in unserer Macht stehende tun, dass Miss Dunaway wieder gesund wird und ihr derzeitiger Zustand sieht sehr vielversprechend aus.
Aber im Moment mache ich mir mehr Sorgen um Sie.“ sagt er mitfühlend, zieht die Augenbrauen nach oben und schaut mich erwartungsvoll an.
„Um mich? Das müssen Sie nicht!“ schüttle ich leicht den Kopf und seufze tief.
„Ich schaffe das schon ... irgendwie! Ich will nur, dass Saundra bald aufwacht und es ihr wieder gut geht. Das ist alles!“
„Es kommt mir nur leider nicht so vor! Ich werde Ihnen heute Abend ein Beruhigungsmittel geben, damit Sie besser schlafen können und ich wäre Ihnen im Übrigen sehr dankbar, wenn ich Sie dazu überreden könnte morgen Vormittag mit unserm Psychotherapeuten zu sprechen.“ sagt er sanft und macht eine abwehrende Handbewegung.
„Nur ein kurzes Gespräch, bitte! Ich möchte nicht, dass sich das Ganze bei Ihnen zu einer echten Depression auswächst, denn das ist wirklich keine schöne Krankheit und ich sehe bei Ihnen leider die ersten Anzeichen dafür!
Bitte, Mr. Bolder! Ich will Ihnen bestimmt nichts Böses und ich kann verstehen, dass Sie sich im Moment in einem totalen Gefühlschaos befinden, deshalb lassen Sie sich helfen. Bitte!“ sagt er einfühlsam und nach einem kurzem Nachdenken nicke ich zustimmend.
„Aber ich will keine Schlaftabletten, ich will bei Saundra sein und sie ansehen, sie streicheln und mit ihr reden! Ich will nicht schlafen, ich muss doch da sein, wenn sie wach wird.“ sage ich fast abwesend.
„Aber das können sie doch! Wie gesagt, es ist nur ein Beruhigungsmittel und falls Sie doch einschlafen sollten, was allerdings auch ganz wichtig wäre, dann wird eine Schwester die ganze Nacht ununterbrochen hier sitzen und auf ihre Saundra aufpassen, sie wird jede Regung mitbekommen.
Wach werden wird Miss Dunaway ohnehin erst, wenn ich den richtigen Zeitpunkt dafür für gekommen halte und der wird sicher nicht heute Nacht sein. Also entspannen Sie sich etwas und versuchen Sie wirklich etwas zu schlafen, das würde Ihnen sicher gut tun.
Wir sehen uns dann später noch einmal nach dem Dinner.“ führt er aus, erhebt sich und verabschiedet sich zunächst mit einem leichten Händedruck.
Verwirrt lege ich mein Gesicht in beide Handflächen, was war das jetzt?
Depressionen?
Ich doch nicht!
Alles was ich habe ist ein wenig Liebeskummer und ja, ich mache mir Vorwürfe wegen dem Unfall, aber das sind doch noch lange keine Depressionen.
Naja, wenn er unbedingt meint dann rede ich halt mit dem Psychoklempner damit er Ruhe gibt.
Während ich noch so überlege und wie verloren auf dem Bett sitze erscheint wieder ein Pfleger, der ein Tablett mit dem Dinner auf den kleinen Tisch stellt, mir aufmunternd zulächelt und wortlos wieder verschwindet.
Essen?!
Wehmütig denke ich an Miguel und sein Chilifass zurück und damit hat mich die Vergangenheit endgültig wieder eingeholt, aber das Chilifass wird mir hier bestimmt nicht begegnen.
Langsam lasse ich mich vom Bettrand rutschen und setze mich erst einmal auf den Stuhl neben Saundras Bett, nehme behutsam ihre Hand und hauche einen sanften Kuss darauf.
„Weißt du noch Saundra als du mit der fürchterlich scharfen Barbacoa in meinem Zelt aufgetaucht bist und ich mich zuerst völlig unbeholfen angestellt habe sie zusammenzustellen und dann das Gefühl hatte, Miguel will mich von innen her verbrennen mit seiner geliebten Chili …?“
Scheiße!
Wieder kommen mir die Tränen bei dem Gedanken daran, wie fröhlich sie an diesem Tag war und wie sie sich mit mir gefreut hat, dass es mir nach der Vergiftung etwas besser ging.
Sie war damals eigentlich in der gleichen Lage wie ich jetzt, nur wusste sie zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass sie möglicherweise echte Liebe für mich empfindet.
„Saundra! Bitte!“ flüstere ich und versinke in meinen Gedanken, als sich plötzlich eine Hand auf meine Schulter legt und ich mich erschrocken umdrehe.
„Dr. Spector?“
„Sie haben wieder nichts gegessen.“ stellt er tadelnd fest.
„Obwohl ich wohlwollend feststellen muss, dass Sie wenigstens vor Erschöpfung eingeschlafen sind.“
Überrascht reibe ich mir kurz die Augen.
„Was? Eingeschlafen? Das kann nicht sein?“ rufe ich entsetzt, sehe auf meine Armbanduhr und es ist tatsächlich mehr als eine Stunde vergangen.
„Sie setzen sich jetzt augenblicklich an diesen Tisch und essen unter meiner Aufsicht dieses verdammte Sandwich, damit Sie mir nicht auch noch zusammenklappen.
Danach wird Schwester Loredana die gesamte Nachtwache übernehmen, damit Sie sich ausgiebig ausschlafen können.“ befiehlt er regelrecht, so dass mir gar nichts anderes übrig bleibt als lustlos dieses mit Putenstreifen belegte Sandwich in mich hinein zu stopfen und mich danach auf dem Bett nieder zu lassen, wo Dr. Spector mir die angekündigte Spritze in den Arm rammt.
Es dauert kaum fünf Minuten als mir auch schon die Augen zufallen und die Dunkelheit wie eine riesige schwarze Hand nach mir greift.
Der Duft von frischem Kaffee weckt mich am nächsten Morgen und ich stelle fest, dass ich die ganze Nacht einen traumlosen Schlaf hatte, sehr ungewöhnlich nach so einem aufregenden Tag!
„Guten Morgen! Haben Sie gut geschlafen?“ begrüßt mich Schwester Loredana freundlich, doch ich hüpfe zunächst benommen aus dem Bett und sehe zuerst nach Saundra, aber sie liegt immer noch genauso da wie gestern Abend.
„Ja, danke!“ antworte ich der Schwester.
„Hat sich bei Saundra irgendetwas verändert?“ frage ich etwas taumelig und reibe mir die Augen.
„Es ist alles in bester Ordnung Mr. Bolder. Ihr Zustand ist weiter stabil, alle Vitalfunktionen sind in Ordnung und das Blutbild nähert sich langsam dem Normbereich. Sie müssen sich keine Sorgen machen.“ lächelt sie.
„Frühstücken Sie erst einmal in aller Ruhe und ich übergebe unterdessen den Dienst an meine Kollegin, die Sie ja gestern schon kennengelernt haben.“
„Ach!“ halte ich sie auf als sie das Zimmer eilig verlassen will.
„Sagen Sie, kann es sein dass mir Dr. Spector gestern Abend doch ein Schlafmittel gespritzt hat? Weil ich so schnell eingeschlafen bin und die ganze Nacht durchgeschlafen habe?“ frage ich sie neugierig und sie schüttelt mit dem Kopf.
„Nein, das hat er nicht. Es war wirklich nur ein Beruhigungsmittel, allerdings etwas höher dosiert als sonst und Sie waren einfach nur erschöpft, das ist alles.
Aber der Schlaf scheint Ihnen gut getan zu haben, Sie sehen heute schon viel besser aus als gestern.
Ach ja, fast hätte ich es vergessen, Ihr Termin bei Dr. Perez ist um zehn Uhr a.m.“ grinst sie mich noch einmal an und verschwindet dann nach draußen.
Ach! Den Termin bei dem Seelenklempner hätte ich schon fast wieder vergessen, denn eigentlich habe ich gar keine Lust da hin zu gehen. Ich weiß eigentlich gar nicht so Recht, was ich bei dem soll?
Im Großen und Ganzen geht es mir doch gut, außer dass ich mir immer noch Vorwürfe mache, wegen Saundras Unfall.
Im Bad mache ich mich etwas frisch und gönne mir eine Tasse schwarzen Kaffees und eine Scheibe Weißbrot mit Butter, setze mich wieder an Saundras Bett und halte ihre Hand auf der ich zarte Küsse verteile.
Doch schon nach kurzer Zeit vertreiben mich die beiden Schwestern, weil sie das Betttuch glatt streichen, Saundra notdürftig waschen und die Beutel mit Urin und Wundwasser austauschen wollen und ich sehe von meinem Bett aus zu.
Schwester Megan nimmt noch eine Blutprobe und entfernt zunächst den Bluttransfusionsbeutel, welcher wohl schon gestern Abend leer gelaufen ist.
Die Nachtschwester hat offensichtlich nur die Zufuhr zugedreht, um mich nicht zu stören.
Das entnehme ich zumindest der leisen Unterhaltung der beiden Schwestern.
Doch als die beiden schwatzend das Zimmer wieder verlassen haben, setze ich mich wieder an Saundras Bett und lasse unsere gemeinsamen Erlebnisse in Palenque und Veracruz Revue passieren, nachdem Dr. Spector gestern sagte, es wäre gut mit Komapatienten zu sprechen.
Aber es fühlt sich seltsam an, wenn man erzählt und ab und zu sagt ‚Weißt du noch?’ und es kommt keine Reaktion und keine Antwort und ich überlege was Saundra damals gemacht oder gesagt hat als ich mit der Vergiftung danieder lag?
Hat sie auch mit mir geredet?
Aber was hat sie gesagt?
Damals kannten wir uns ja gerade einmal ein paar Stunden.
Sie hatte einmal erwähnt, dass sie meinen athletischen Körper betrachtet hätte, der ihr sehr gut gefiel, aber hat sie wirklich nur das gemacht?
Ich habe sie nie danach gefragt, weil es mir etwas peinlich war, dass ich tagelang halbnackt vor ihr lag und nichts davon mitbekommen habe von dem was um mich herum geschah.
Plötzlich reißt mich die Stimme von Schwester Megan aus meinen Gedanken.
„Mr. Bolder, darf ich Sie an den Termin bei Dr. Perez erinnern? Ich denke es wird Zeit, dass Sie sich fertig machen!“ flüstert sie freundlich lächelnd, ich fahre mit beiden Händen durch meine braunen Wellen und streiche sie damit zurück.
„Ja, ich gehe ja schon!“ sage ich seufzend und sehe dabei in ihr lächelndes Gesicht.
„Ich hatte heute Morgen eigentlich Dr. Spector erwartet. Macht er keine Visite?“ frage ich vorsichtig.
„Doch in der Regel schon und gerade nach Intensivpatienten schaut er ganz besonders, aber heute gab es noch ganz früh am Morgen eine Massenkarambolage auf dem Delaware Expressway wegen Nebels, schlechter Sicht und plötzlich auftretendem Glatteis mit vielen Toten und Verletzten.
Dr. Spector ist leider noch im OP und es ist im Moment nicht abzusehen wie lange es noch dauert, aber solange bei Miss Dunaway keine Veränderung eintritt, brauchen wir uns keine Sorgen zu machen.
Glauben Sie mir, es ist derzeit alles bestens. Gehen Sie jetzt erst einmal zu Dr. Perez und ich werde auf ihre Freundin gut aufpassen!“ nickt sie mir augenzwinkernd zu.
„Sie wird es schaffen! Ganz sicher! Sie ist noch jung und stark und Sie sollten sich nicht so sehr grämen, denn der Unfall hätte auch ganz anders passieren können, auch ohne ihre Beteiligung!“
Ich ziehe die Luft tief ein und sehe sie zweifelnd an.
„Naja, wenn Sie meinen! Dann gehe ich eben zu Dr. Perez und höre mir einmal an was der überhaupt von mir will.“ sage ich aufgebend und hauche Saundra noch einen Kuss auf die Wange.
Langsam stehe ich auf und gehe in das Schleusenzimmer, um meine normale Kleidung anzuziehen und begebe mich auf den Weg zu Dr. Perez.
Da das Krankenhaus weit verzweigte Gänge hat und ich mich erst zurechtfinden muss, komme ich in allerletzter Sekunde in seinem Sprechzimmer an.
„Ach, Mr. Bolder! Dr. Spector hat Sie bereits angekündigt und ich freue mich Sie kennen zu lernen. Ich bin Dr. Guillermo Perez.“ begrüßt mich der freundliche, etwas karibisch aussehende Mittdreißiger und reicht mir freundlich lächelnd die Hand, welche ich vorsichtig zurücklächelnd gerne ergreife.
„Tja, hier bin ich! Ich weiß zwar nicht so genau was ich bei Ihnen soll, aber Dr. Spector meinte ich sollte einmal mit Ihnen sprechen.“ entschuldige ich mich.
„Ja, so ist es! Bitte kommen Sie erst einmal herein!“ lädt er mich warmherzig ein und führt mich gänzlich in sein ‚Sprechzimmer’, das so ganz anders aussieht als man es sich üblicherweise vorstellt.
Es ist weder steril mit weißen Wänden und Teak-Holz-Möbeln ausgestattet, noch findet man eine ‚Liegecouch’ von der immer gesprochen wird, wenn es in Gesprächen um Psychologen geht.
Ganz im Gegenteil!
Das Zimmer ist voller ansprechender größerer und kleinerer Grünpflanzen und es gibt vor allem eine gemütliche Sitzgruppe in der Mitte mit zwei bequemen Sesseln und einem kleinen sauberen Glastisch dazwischen, auf dem dekorativ zwei Gläser zusammen mit verschiedenen Mineralwasser- und Saftflaschen stehen.
An der Wand gegenüber der Eingangstür klebt eine eindrucksvolle 3-D-Fototapete mit einem Motiv, das durchaus meine Sinne anregt und trotzdem beruhigend wirkt.
Sie zeigt einen mit Moos bewachsenen Holzsteg, der sich in einem von bunten Vögeln bewohnten Dschungel verliert und an dessen Ende ein kleiner Wasserfall plätschert.
Das besänftigende Plätschern des Wassers wird durch einen Zimmerbrunnen simuliert, den man zwischen den Grünpflanzen versteckt hat und zudem eine angenehme Luftfeuchtigkeit hält.
Die ganze Darstellung des Zimmers erinnert mich augenblicklich sehr stark an Palenque und es berührt mich emotional gewaltig als ich es betrete.
„Bitte setzen Sie sich und dann fangen wir am besten mit dem Unfall an, den ihre Freundin gestern hatte…“ empfiehlt Dr. Perez und wir setzen uns fast gleichzeitig auf die beiden Sessel.
Zuallererst erzähle ich ihm stockend die Geschichte von dem Punkt an als Saundra mit ihrem Mercedes SLS die Auffahrt zur Farm meiner Eltern heraufbrauste und bei meiner Mum auftauchte.
Doch nach und nach kitzelt er behutsam immer mehr Details aus mir heraus und ich spüre, dass es mit gut tut mit jemand Fremden und vor allem Unbeteiligten über die ganze Sache zu reden und ich erzähle ihm zunächst zögernd, doch dann immer detaillierter die ganze Geschichte…
Beginnend an dem Punkt der Trennung von Faith über meine Ankunft in Palenque, meine Vergiftung und dem Hurrikan in Veracruz.
Vor allem aber über Saundra und ihr ungewöhnliches Sexualverhalten, welches mich zunächst völlig erschreckt und mich dann immer mehr in ihren Bann gezogen hat, bis hin zu meiner Entdeckung der Mumie und der Krone.
Zögerlich erzähle ich weiter von Saundras Entführung, dem Abenteuer im Urwald und letztendlich unserer letzten Nacht, in der sie mich emotional so sehr verletzt hat.
Dr. Perez macht sich zwischendurch immer wieder Notizen und schaut mir am Ende meines Berichtes offen ins Gesicht.
„Das ist eine ganze Menge, das Sie mir jetzt erzählt haben, sogar so viel, dass ich zunächst selbst darüber nachdenken muss und mir erst einmal ein Bild davon machen muss.
Ich möchte deswegen heute keine unbedachten Äußerungen dazu geben und bitte Sie, dass wir uns morgen auf jeden Fall noch einmal treffen sollten. Ich schlage den gleichen Zeitpunkt wie heute vor! Wäre das in Ordnung für Sie?“ fragt er selbstbewusst.
Etwas überrascht darüber, dass er mir nicht gleich einen besser wissenden Vortrag dazu hält und mir sogleich irgendeine Diagnose in die Hand gibt, bin ich fast schon überzeugt von seiner Kompetenz und ich stimme dem neuen Termin gerne zu, denn ich fühle mich gerade um einiges erleichtert.
Hoffnungsvoll kehre ich in den Schleusenraum zurück, ziehe mich um und mache alle Prozeduren der Desinfektion, denn ich will Saundra auf keinen Fall in irgendeiner Weise gefährden.
Somit betrete ich den Intensivraum und sehe, dass Lázló an ihrem Bett sitzt, welcher ebenfalls ihre Hand hält und leise mit ihr spricht, was ich aber nicht verstehen kann und er bricht augenblicklich ab als er mich bemerkt.
„Matt! Nanu? Sie waren aber lange weg?“ schaut er mich verwundert an und sucht meinen Blick.
Dabei sehe ich auf meine Armbanduhr und stelle fest, dass ich tatsächlich geschlagene drei Stunden bei Dr. Perez verbracht habe und bemerke erst jetzt, dass ein Tablett mit Lunch auf dem kleinen Tisch auf mich wartet.
„Ach, Dr. Spector wollte unbedingt, dass ich mit dem Psycho-Doc rede, weil er befürchtet ich könnte in Depressionen verfallen was natürlich Quatsch ist, aber ich bin halt hingegangen damit er zufrieden ist.“ sage ich mit einer abwehrenden Handbewegung.
„Psycho-Doc? Sie? Naja! Obwohl … mit Ihren Schuldgefühlen ist das bestimmt keine schlechte Idee von Dr. Spector gewesen. Hat es Ihnen wenigstens etwas gebracht?“ will er wissen.
„Ich weiß nicht! Zuerst wollte ich ihm eigentlich gar nicht so viel erzählen, aber mit der Zeit hat es mir richtig gut getan mir alles von der Seele zu reden und da Dr. Perez ein Unbeteiligter ist, fiel es mir viel leichter zu reden als mit Bekannten und morgen soll ich wieder hin.“ sage ich wahrheitsgemäß.
„Dann machen Sie das doch, wenn es Ihnen gut tut!“ pflichtet er mir bei und ich sehe, dass sich an Saundras Zustand immer noch nichts verändert hat.
„Wenn ich mit Saundra reden könnte wäre das noch viel besser, dann würde ich mich auch wieder gut fühlen, aber solange sie im Koma liegt…“ sage ich bedauernd und schüttle hoffnungslos mit dem Kopf.
„Lassen Sie den Kopf nicht hängen, in ein paar Tagen sieht die Welt wieder anders aus. Dr. Spector meinte vorhin, dass alles sehr gut aussieht und er sie vielleicht übermorgen schon aus dem Koma holen kann.“ tröstet mich Lázló.
„Das wäre schön!“ sage ich aufatmend.
Mein Gesicht erhellt sich etwas und ich mache es mir auf dem Stuhl bequem, von dem er gerade aufsteht und ihn mir anbietet.
Schnell esse ich noch den Lunch und Lázló und ich verbringen den ganzen Nachmittag damit, Saundra Geschichten aus Palenque zu erzählen, welche wir gemeinsam erlebt haben bis er sich gegen Abend wieder verabschiedet.
Die nächsten beiden Tage verlaufen nach dem gleichen Muster, ich gehe morgens zu Dr. Perez, während Lázló allein an Saundras Bett wacht und die Nachmittage verbringen wir gemeinsam bei ihr, wobei Lázló die Klinik am Abend immer verlässt und es sich in meiner Wohnung bequem macht.
Doch jetzt am fünften Tag nach dem Unfall will Dr. Spector sie endlich wieder aufwachen lassen und setzt die Medikamente nach und nach ab, weil die Gefahr eines Hirngerinnsels jetzt nicht mehr gegeben ist und auch alle anderen Werte sich weiter stabilisiert haben.
„Dann bleibe ich hier und gehe nicht mehr zu Dr. Perez.“ stelle ich fest.
„Mr. Bolder, Sie können heute ruhig noch einmal zu Perez gehen. Es wird auf jeden Fall noch Stunden dauern bis sie aufwacht, möglicherweise sogar Tage.“ sieht mich Dr. Spector stirnrunzelnd an.
„Aber Dr. Perez hat doch festgestellt, dass ich nicht unter Depressionen leide, also muss ich auch nicht mehr unbedingt hin.“ sage ich schmollend.
„Ich weiß, das hat er mir gesagt! Sie brauchten offenbar einfach nur einmal jemand Unbeteiligten zum Reden! Konnte er Ihnen wenigstens auch Ihre Schuldgefühle etwas nehmen?“ fragt er und ich fühle mich gerade etwas peinlich berührt.
Hat Dr. Perez ihm etwa alles erzählt, worüber wir gesprochen haben und räuspere mich kurz.
„Ähm! Naja, ein wenig. Was hat er Ihnen denn alles erzählt.“ frage ich vorsichtig.
Dr. Spector macht jedoch eine abwehrende Handbewegung.
„Nur, dass Sie offenbar jemanden zum Reden brauchten, mehr nicht! Keine Angst! Vom Inhalt Ihrer Unterredungen und über die Therapie darf er gar nicht sprechen und das würde er auch niemals tun.
Ich habe keine Ahnung, worüber Sie mit ihm gesprochen haben, aber ich freue mich für Sie, dass es Ihnen offenbar etwas geholfen hat, denn Sie wirken heute schon viel entspannter als noch am Montag.“ sagt er lächelnd.
„Naja, das ist ja auch kein Wunder! Am Montag musste ich noch Angst haben, dass Saundra durch meine Schuld stirbt und heute weiß ich, dass sie leben wird.
Die Gefahr eines Schlaganfalls ist so gut wie ausgeschlossen und sie wird sicher bald aufwachen, darüber bin ich sehr erleichtert.
Natürlich fühle ich mich da anders und es geht mir auch wirklich schon sehr viel besser. Denn jetzt ich habe auch die Hoffnung, dass wir beide doch noch zueinander finden, denn ich liebe sie wirklich sehr.“ gestehe ich ihm.
„Ja, das merkt man immer wieder wenn Sie an ihrem Bett sitzen und ihr Geschichten erzählen. Ich bin übrigens sehr beeindruckt davon, welche Ausdauer Sie an den Tag gelegt haben in der letzten Woche und seien Sie mir bitte nicht böse, dass ich Sie zu Perez geschickt habe, aber Sie haben mir am Montag wirklich Sorgen gemacht.“ sagt er bedauernd.
„Ich liebe Saundra über alles und ich würde auch alles für sie tun, aber ich erzähle ihr keine Geschichten Dr. Spector, sondern unsere Erlebnisse aus Palenque. Das alles haben wir selbst erlebt und durchgemacht.“ antworte ich und ziehe dabei meine Augenbrauen etwas nach oben.
„Ach! Verdammt! Jetzt fällt es mir gerade wie Schuppen vor den Augen! Dann sind Sie der Archäologe, der diese außergewöhnliche Entdeckung in Mexiko gemacht hat? Ich habe da am Rande etwas mitbekommen, mir aber keine Namen gemerkt.
Ich weiß nur, dass sich die Fachwelt seitdem darüber streitet, ob man die Geschichte der … ach, wie heißt das Volk da?“ fragt er die Augenbrauen zusammenziehend.
„Maya!“ antworte ich kurz.
„Ja genau! Ob man die Geschichte neu schreiben muss oder ob man den Fund lieber ignorieren soll. Ach, dann waren Sie das?“ stellt er bewundernd fest.
„Ja! Das war ich! Ein Zufallsfund eigentlich, aber die Lorbeeren gehören nicht mir, denn Mr. Dunaway hat die Unternehmung finanziert und ich war nur sein Angestellter, also gebührt ihm auch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit.
Ich brauche das nicht und will es auch gar nicht haben, ich will einfach nur meine Arbeit machen, mehr nicht.“ lächle ich ihn an.
„Nun seien Sie doch nicht so bescheiden, natürlich haben Sie den Fund gemacht! Das ging doch durch die gesamte Presse und auch das Fernsehen berichtete darüber, wo Mr. Dunaway ‚seinen Archäologen’ immer wieder hervorgehoben hat.
Aber wie gesagt, ich kann mir einfach schlecht Namen merken. Ich kann mir indessen aber gut vorstellen, nachdem Ihre Affäre mit Miss Dunaway so abrupt endete wie sie schon erwähnten, dass Sie dann nicht mehr vor die Kameras treten wollten.
Sehr schade eigentlich! Hat die Presse und das Fernsehen denn nicht permanent bei Ihnen angerufen, um ein Interview zu bekommen?“ fragt er mitfühlend.
„Doch natürlich haben sie das, aber ich habe einfach das Telefon aus der Steckdose gezogen, mein Mobile Phone ausgeschaltet und mich tage- und wochenlang in meiner Wohnung verkrochen, wo mich meine Mutter ab und zu mit Essen versorgte, bis die Presse endlich aufgegeben hat.
Ich wollte den Medienrummel nicht! Ich fühlte mich nach der Sache mit Saundra einfach nicht in der Lage dem Wirbel und meine Person Stand zu halten.“ gestehe ich erneut ein.
„Na, dann wundert mich auch Ihre Reaktion auf Miss Dunaway, als sie plötzlich wieder auftauchte und ihr Zustand am Montag nicht mehr, wenn Sie sich wochenlang verkrochen hatten.
Dann war es doch ganz gut, dass Sie Perez aufgesucht haben.“ stellt er fragend fest.
„Ja, doch!“ gebe ich knapp zu als Lázló das Zimmer betritt und ich ihn zunächst begrüße, mich dann aber sogleich wieder verabschiede weil ich kurzerhand beschlossen habe doch noch einmal mit Dr. Perez zu sprechen.
Dabei fällt mir ein, dass ich Lázló noch nicht einmal danach gefragt habe, was eigentlich aus der DNA der Mumie geworden ist, denn ich habe ganz bewusst die Presse und das Fernsehen gemieden.
In den letzten Wochen wollte ich einfach in keiner Weise an Saundra erinnert werden und jetzt ist sie mir plötzlich wieder so nah und ich kann meine Gefühle für sie nicht mehr bewusst steuern.
Ich liebe sie über alles!
Das ist eine Tatsache an der ich nichts ändern kann und ich werde mich ihr wieder mit Haut und Haaren hingeben, sobald sie wieder ganz gesund ist und in einer gewissen Art und Weise freue ich mich auch schon darauf.