Читать книгу Internationale Organisationen seit 1865. - Madeleine Herren - Страница 13
b) Personen: Epistemische Gemeinschaften und globale Zivilgesellschaft
ОглавлениеDie Vielfalt internationaler Organisationen soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kenntnisse über deren Anzahl und Organisationsstruktur historisch unbefriedigend sind. Michael Wallace und J. David Singer brachten diese Problematik bereits vor einiger Zeit auf den Punkt: selbst bei Regierungsorganisationen, denen eine gewisse Bedeutung und Stabilität zugeschrieben werden können, sagen Statistiken, die sich nach dem Gründungsdatum solcher Organisationen richten, sehr wenig aus. Das hat zum einen mit formalen Gründen zu tun – während sich die Entstehung einer Organisation fassen lässt, sterben internationale Organisationen leise und unbemerkt. Ob eine Organisation nicht mehr als eine Adresse ist, ob sie politisches und gesellschaftliches Potenzial besitzt oder nur aus ihrem Sekretär besteht, ist schwierig zu eruieren. Staaten hatten im 19. Jahrhundert ihren Administrationen eine Dokumentationspflicht auferlegt und bauten nationale Archive und Nationalbibliotheken. Internationale Organisationen haben dagegen keine vergleichbaren Archivierungspflichten. Erst in jüngster Zeit hat die UNESCO ein elektronisches Archivportal zugänglich gemacht, das in ersten Ansätzen versucht, das Quellenmaterial zu lokalisieren, das internationale Organisationen hinterlassen haben.
Bedeutung einer Sozialgeschichte der internationalen Ordnung
Eine Geschichte der internationalen Ordnung braucht Informationen über ihre gesellschaftspolitische Bedeutung, über die Charakteristik von Grenzgängern und die Ausprägung von personellen Netzwerken. Die Einbeziehung grenzübergreifender Netzwerke in eine Geschichte internationaler Organisationen hat mehrere Vorteile. Der Begriff des Netzwerks verbindet Institutionen und Personen, hat aber auch den großen Vorteil, dass er bereits im 19. Jahrhundert in der zeitgenössischen Literatur zur Beschreibung jener neuen internationalen Ordnung benutzt wird, die nicht auf Monarchen, Staatspräsidenten und Diplomaten begrenzt ist. Eine personenbezogene Geschichte internationaler Organisationen ermöglicht die Beschreibung der sich wandelnden Gruppe von Grenzgängern. Sie ist unabdingbar, um mit jenen Mengen von Literatur umzugehen, die seit dem 19. Jahrhundert zum Thema geschrieben wurden. Dabei ist ein auffallender Hang zur Selbstdarstellung festzustellen: internationale Organisationen beschreiben sich vorzugsweise selbst. Wortgewaltige Autoren und Autorinnen prägten bis 1945 das Bild einer um Deutungsmacht ringenden internationalen Gemeinschaft. Die Geschichten des Völkerbunds sind von Völkerbundsbeamten wie Francis Paul Walters und Egon Ranshofen-Wertheimer geschrieben worden.