Читать книгу Und Frösche können fliegen - Maja Christ - Страница 7
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ОглавлениеDer Wind hatte weiter nachgelassen und die Sonne schien weiterhin zu versuchen, die Erde aus dem Winterschlaf zu locken. Ich reckte die Nase ins Licht, ließ mich von den Sonnenstrahlen kitzeln und musste unweigerlich niesen. Wie gut die Sonne tat. Und wie befreiend so ein Nieser sein konnte. Lächelnd lief ich zum Café. Es war Dienstagmorgen. Sven war bereits seit einiger Zeit bei der Arbeit, einem Sportgeschäft in der Erlanger Innenstadt, und ich hatte bis eben mit meinem Bauprüfer telefoniert, um die nächsten Schritte mit meinem Doppeldecker zu planen. Meliha war bereits da, als ich durch die Hintertür des Cafés trat.
»Meli, wie geht es dir? Du siehst aber immer noch etwas blass aus.«
»Hanne!« Meine Freundin drückte mir links und rechts einen Kuss auf die Wangen. »Es geht mir viel besser. Die Kinder sind auch wieder im Kindergarten. Die sind ja zum Glück schnell wieder fit.«
»Und Sami?«
»Den haut so schnell nichts um. Jedenfalls hat er nichts abbekommen von unserem Infekt. Zum Glück!« Meli senkte ihre Stimme etwas und ergänzte dann mit einem gequälten Grinsen: »Wenn er allerdings doch mal krank wird, sollte man ihm aus dem Weg gehen. Dann ist er nicht auszuhalten.« Sie zeigte nach oben. Das Paar lebte in der Wohnung direkt über dem Café. Über ihnen in der Dachwohnung wohnte dann noch Samis Mutter.
Ich nickte wissend. Das kannte ich von Sven. Wenn der krank war, musste seine gesamte Umgebung mitleiden. Ich wusch mir die Hände und band meine Locken, die der Wind ganz durcheinandergebracht hatte, zu einem Pferdeschwanz zusammen. Während Meli hinterm Tresen herumwerkelte, machte ich mich daran, die Stühle von den Tischen zu räumen.
»Hanne? Hier, für dich!«, rief Meli und stellte einen Espresso auf den Tresen.
»Danke, Meli! Kannst du Gedanken lesen?«
Bald kam auch Melihas Ehemann Sami die Treppen herunter. »Grüß dich, Hanne!«, rief er und drückte mir, wie vorhin schon Meli, zwei Küsse auf die Wangen. »Danke nochmal, dass du am Wochenende eingesprungen bist.«
»Mach ich doch gerne«, sagte ich. Außerdem konnte ich das zusätzliche Geld gut gebrauchen. Nicht nur die Flugschule war gerade knapp bei Kasse. Ich auch. Die Ersatzteile, die ich kürzlich in England für mein Flugzeug ergattert hatte, hatten ein tiefes Loch in meinen Geldbeutel gerissen. Zum Glück teilte ich mir die Miete mit Sven. Sonst wäre es diesen Monat wirklich eng geworden …
»Deckst du auch draußen die Tische ab, Hanne?«, bat Sami. »Heute könnte es tatsächlich so warm werden, dass Gäste draußen sitzen möchten.«
»Gerne.« Ich nahm mir einen Lappen und einen Eimer, den ich mit Wasser füllte, und ging vor das Café, um die Tische und Stühle von den Planen und vom Staub des Winters zu befreien.
Die Sonnenstrahlen leisteten ganze Arbeit. Die Passanten trugen ihre Köpfe nicht mehr nach unten gesenkt, sondern liefen aufrecht durch die Fußgängerzone. Obwohl Dienstag war, füllte sich das Café immer mehr. Meli und ich verteilten Decken auf den Stühlen. Die Gäste nutzten sie dankbar, denn die Luft war immer noch kalt. Ich genoss es. Und ich konnte förmlich spüren, wie die Sonnenstrahlen direkt in meinen Kopf und mein Herz vordrangen und dort ihre geballte Kraft entfalteten. Frühlingsglücksstrahlen sozusagen. Die Gäste schienen sie auch zu spüren, denn sie waren auf einmal viel freundlicher und fröhlicher als noch vor ein paar Tagen. Und als ich am Abend nach Hause fuhr, hatte ich nicht nur Sonnenstrahlen, sondern auch eine ordentliche Menge Trinkgeld in meiner Tasche.
»Hallo, Schatz!«, rief ich in die Wohnung, nachdem ich die Tür aufgeschlossen hatte. »Bist du da?«
Sven kam aus der Küche getrottet. »Hey, hast du auch endlich Feierabend?« Er hatte eine Schürze um und kochte unser Abendessen.
»Hm, das riecht lecker!«, freute ich mich. Ich küsste Sven. »War das nicht ein wunderschöner Tag heute? So schön, ich habe richtige Frühlingsgefühle gekriegt. Guck, ich habe dir was mitgebracht.« Und mit diesen Worten hielt ich ihm meine leeren Hände entgegen.
Sven runzelte die Stirn. »Hä? Was hast du mitgebracht?«
»Ich habe dir ein paar Sonnenstrahlen gepflückt. Ganz frisch. Pass auf, dass sie dir nicht wegfliegen, die sind volatil.«
»Hä?«, machte Sven nur.
»Volatil. Flüchtig. Einmal nicht aufgepasst und weg sind sie.« Ich grinste, drückte ihm die Luft in die Hände, küsste ihn erneut und hüpfte in die Küche, um unter die Topfdeckel zu spickeln.
»Hanne, ich weiß, was volatil heißt!«, brummte Sven kopfschüttelnd und kam hinter mir her. »Wasch dir lieber die Hände, bevor du hier das Essen anfasst!«, schimpfte er.
Ich wollte noch etwas entgegnen, aber Sven schien meine gute Laune nicht zu teilen. Kein Wunder, in das Sportgeschäft kam nicht so viel Sonne. Die hätte ihm bestimmt auch gutgetan. Also schlich ich an ihm vorbei ins Bad, um mir die Hände zu waschen und deckte dann den Esstisch im Wohnzimmer.
Svens Pilz-Omelette schmeckte vorzüglich. Ich schob mir das letzte Stück von meinem Teller in den Mund und beobachtete meinen Freund. Er war mit seinen Gedanken weit weg, so weit weg, dass er zwischenzeitlich sogar zu kauen vergaß. Ich musste grinsen, aber nicht einmal das bemerkte er.
»Mann, war das lecker«, sagte ich irgendwann und schob meinen leeren Teller in Richtung Tischmitte. Jetzt hatte ich ihn aus seinen Gedanken zurückgeholt. Er sah mich an. »Entschuldige, wenn ich dich genervt habe«, murmelte ich.
»Ach, Hanne, nimm es bitte nicht persönlich.«
Ich rückte etwas vom Tisch ab, um es mir im Schneidersitz auf dem Stuhl gemütlich machen zu können und sah Sven erwartungsvoll an. Er war wirklich nicht besonders guter Dinge. »Was ist denn los?«, wollte ich von ihm wissen.
Sven brummte: »Ach, es war einfach viel los heute. Lauter blöde Leute mit blöden Wünschen. Ich bin müde. Und ich habe abends nach der Arbeit einfach nicht immer Nerven für … für deine gute Laune.«
Was sollte das denn heißen? »Soll ich lieber so miesepetrig sein wie du? Ich freue mich einfach, dass es wieder sonnig geworden ist nach all den kalten, dunklen Tagen. Ich dachte, ich könnte dich ein wenig damit anstecken«, sagte ich und leckte mir genüsslich die Finger ab.
»Mann, Hanne, wann wirst du endlich erwachsen?«
Ich schaute Sven verwundert an. »Wie meinst du das?«
»Hanne, immer benimmst du dich total kindisch und bist so gutgelaunt und … dann bist du vollkommen überdreht.« Sven holte kurz Luft und bevor ich etwas entgegnen konnte, fuhr er fort: »An Tagen wie heute bringt mich das echt auf die Palme. Du machst dir um nichts Gedanken, verteilst überall deine Kleidung, deine Bücher, dein Werkzeug. Ein bisschen Ordnung schadet doch niemandem, oder?«
Was für eine Laus war dem denn heute schon wieder über die Leber gelaufen? »Stört dich das so sehr?«, hakte ich nach.
»Heute schon. Und sonst auch, ja.«
»Aber am Wochenende habe ich doch aufgeräumt …«, setzte ich zu meiner Verteidigung an.
»Ja, endlich mal. Aber bevor ich kochen konnte, musste ich erst einmal das ganze Zeug vom Frühstück wegräumen. Das stand noch alles in der Küche.«
»Okay, ich versuche, an mir zu arbeiten«, murmelte ich. Ich hasste es, wenn Sven schlechte Laune hatte. Geheimnisvoll lächelnd stand ich auf, kam um den Tisch herum auf ihn zu und sagte: »Hm, ich weiß vielleicht, womit ich deine Laune heben kann.« Ich setzte mich auf seinen Schoß und fing an, ihm durch die Haare zu kraulen.
Doch Sven hielt meine Hände fest. »Hanne, ich habe gerade keine Lust.«
In dem Moment vibrierte sein Handy. Er schob mich von seinem Schoß, stand auf und ging mit dem Telefon am Ohr aus dem Zimmer. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihm nachdenklich hinterherzusehen und mich wieder auf meinen Stuhl zu setzen. Wie konnte man nur so schlechte Laune an einem so schönen Tag haben? Als Sven wieder ins Zimmer kam, schien seine Laune sich wieder etwas gebessert zu haben. Immerhin.
»Hanne, das war Joe.«
»Ja, okay, ist was passiert?«
»Nö, aber wir haben uns noch zum Zocken verabredet. Das ist doch in Ordnung für dich?«
»Ähm. Ja. Klar«, antwortete ich enttäuscht. »Jetzt gleich?«
Sven nickte. »Sonst wird es zu spät. Könntest du dann bitte den Tisch abräumen?« Sven drückte mir einen flüchtigen Kuss auf die Stirn, zog seine Jacke an und ging. Ich blieb erstaunt zurück, zog mein Bein hoch und stützte mein Kinn auf das Knie. Doch dann kam mir die Idee, dass ich ja mitzocken könnte. Das hatte ich schon länger nicht gemacht. Also sprang ich auf und rief: »Sven! Warte, ich komme mit!« Doch er war schon weg. Seufzend brachte ich das Geschirr in die Küche und räumte es in die Spülmaschine. Sven traf sich in der letzten Zeit ziemlich oft zum Zocken mit Johannes, wie Joe eigentlich hieß. Wenn er nicht ins Fitness-Studio ging, um an seinen Muckis zu arbeiten. In der Regel störte mich das nicht. Aber in der Regel wusste ich das auch etwas früher als fünf Minuten, bevor er ging. Und jetzt?
Ich beschloss, Meli anzurufen. Im Café war es so voll gewesen, dass wir nicht viel Zeit zum Reden hatten. Sie wusste immer etwas Aufmunterndes zu sagen. Ich wählte und ließ es mehrere Male klingeln. Gerade, als ich wieder auflegen wollte, nahm jemand ab.
»Hallo?« Das war Sami und er klang etwas abgekämpft.
»Oh, Sami, habe ich euch beim Kinder-ins-Bett-bringen gestört? Hier ist Hanne.«
»Hanne! Du störst doch nie!«, rief Sami überschwänglich. »Du willst sicher Meli sprechen.« Im Hintergrund hörte man lautes Kindergeschrei. »Nesrin, lass deinen Bruder in Ruhe und putz deine Zähne!«, hörte ich meine Freundin rufen.
»Ähm, wenn du sie entbehren kannst. Aber vielleicht ruft sie besser zurück, wenn die Kinder im Bett sind? Das hört sich bei euch so an, als ob ihr gerade gut beschäftigt seid.«
»Ja«, meinte Sami, »gib ihr 20 Minuten. Heute ist sie mit der Gute-Nacht-Geschichte dran.«
Es dauerte eine dreiviertel Stunde, bis Meli zurückrief. »Puh, heute wollten diese kleinen Monster gar nicht ins Bett. Ich bin vollkommen fertig.«
»Entschuldige, Meli. Sollen wir lieber ein andermal telefonieren?«
»Nein, nein. Jetzt sind sie im Bett und Sami schaut Fußball. Und wir hatten doch heute kaum Zeit zum Quatschen bei dem Trubel im Café. Alles in Ordnung bei dir? Ist was passiert? Sami meinte, du hättest eben schon so traurig geklungen.«
»Ach, hat man das gehört?« Ich schluckte. »Keine Ahnung. Sven ist gerade zu Joe gegangen. Ganz plötzlich. Und er ist in der letzten Zeit immer so schlecht gelaunt. Ich weiß nicht, was los ist.«
»Hanne, entschuldige, wenn ich das so sage, aber dein Sven ist fast immer schlecht gelaunt.« Meli sagte wie immer geradeheraus, was ihr durch den Kopf ging.
»Wenn du das so sagst, klingt es viel schlimmer, als es ist. Klar, er ist schon echt oft etwas miesepetrig, aber meistens nicht. Man muss halt wissen, wann man ihn besser in Ruhe lässt.«
»Du lässt dir viel zu viel von ihm gefallen, Hanne. Das habe ich dir schon immer gesagt. Du musst das nicht hinnehmen! Wie Sven manchmal mit dir redet, das würde Sami sich nie erlauben. Dem würde ich was erzählen!«, schimpfte Meli. Ich merkte, wie mir Tränen in die Augen traten und schluckte erneut.
»Hanne?«
»Hm?«
»Hanne, weinst du? Was ist denn überhaupt passiert?«
»Nein. Ach, Meli, wenn ich das wüsste! Ich bin nach Hause gekommen und Sven hat gekocht und ich habe mich über sein Essen gefreut. Nach dem Essen wollte ich ihn etwas aufmuntern, weil er von der Arbeit und seinen Kunden so genervt war. Und da meinte er, er hätte keinen Bock auf meine gute Laune! Und dass ich endlich erwachsen werden soll … Und dann ist er zu Joe …«
»Der hat sie ja nicht mehr alle!«
»Meli!«
»Was denn, ist doch wahr! Was hat er denn für ein Problem, dass er das an dir auslassen muss?«
Ich schwieg und auch Meli sagte eine Weile nichts.
»Soll ich vorbeikommen?«, unterbrach sie die Stille.
»Ach, quatsch. So schlimm ist das nicht. Ich wollte nur gerne mit dir sprechen. Ich muss einfach nochmal mit Sven reden, wenn er sich wieder etwas beruhigt hat. Auch wegen der Flugschule. Vielleicht kann er mir da helfen.«
»Läuft es immer noch nicht besser?«, fragte Meli.
»Schlimmer. Ich wollte Sven zumindest bitten, ob er mir helfen kann, die Homepage neu zu machen.«
»Ach, das schaffst du doch alleine! Wenn er so schlecht drauf ist … Wir haben die Seite für unser Café auch ganz einfach selbst gemacht. Da gibt es so Baukästen. Kannst du einfach googlen.«
»Okay, ich schaue es mir mal an.«
»Ich schicke dir in den nächsten Tagen eine Mail mit dem, was wir gemacht haben, okay? Was du auf jeden Fall brauchst, sind Fotos. Viele Fotos. Von den Flugzeugen und aus der Luft und vom Team und so.«
»Das haben wir massenweise.« Fotos hatte ich wirklich zur Genüge, auch von verschiedenen Ausflügen, bei denen wir uns gegenseitig in der Luft fotografiert hatten. »Danke schon mal, Meli.«
»Mach dir jetzt keine Gedanken mehr über Svens schlechte Laune. Morgen redest du mit ihm. Das wird schon.«
»Danke, Meli. Jetzt geht es mir wieder besser. Bis morgen, ja?«
»Warte mal!«, rief Meli in den Hörer. »Sollen wir am Freitag ausgehen? Mädels-Abend in Nürnberg?«
Ich lächelte. »Ja, das klingt perfekt. Also, bis morgen.«
»Prima. Schlaf gut, Süße! Das wird schon.«
***
»Hallo, Schatz, bist du schon zu Hause?« Keine Antwort. Ich kam gerade aus dem Café und vom Einkaufen. Sven hatte ich eine Nachricht geschickt, dass ich heute das Abendessen übernehmen würde. Ich schloss die Wohnungstür mit einem Hüftschwung, stellte meine Einkaufstaschen ab und warf meinen Schlüssel in das Körbchen auf der Flurkommode. Svens Schlüssel war nicht darin, mein Freund war also noch unterwegs. In der Nacht war er erst spät nach Hause gekommen und heute war er früh aufgebrochen, um vor der Arbeit noch ins Fitness-Studio zu gehen. Und er war extrem wortkarg gewesen.
Ich packte die Tüten aus und verteilte meinen Einkauf in der Küche. Ich wollte eine Pilzpfanne machen, weil wir noch Pilze vom Vortag übrighatten. Mit Semmelklößen. Das mochten wir beide gerne. Für die Klöße hatte ich allerdings auf eine Fertigpackung zurückgegriffen. Wenn ich versuchen würde, die Dinger selbst herzustellen, wäre ich wahrscheinlich noch morgen beschäftigt.
»Huch, wie sieht es denn hier aus?« Sven war, ohne dass ich ihn gehört hatte, in die Wohnung gekommen und stand nun in der Küchentür. Ich sah mich um. Auf dem Küchentisch lag der restliche Einkauf, den ich noch nicht weggeräumt hatte. Auf der Arbeitsplatte waren Zwiebelschalen verteilt. Daneben lag ein Haufen mit den nassklebrigen Beuteln der Klöße.
»Hallo, Schatz, ich bin gleich fertig«, rief ich ihm entgegen.
Sven grinste, kam in die Küche und küsste mich flüchtig auf die Stirn. »Danke, dass du das Essen machst. Aber die Küche hättest du nicht verwüsten müssten. Wie du das immer schaffst, ist und bleibt mir ein Rätsel.«
»Ich räume gleich wieder auf. Versprochen.«
Sven ging kopfschüttelnd aus der Küche. Während die Pilze fertig schmorten, räumte ich den restlichen Einkauf weg, beseitigte die Küchenabfälle und deckte den kleinen Küchentisch. Sven kam kurze Zeit später dazu und schnupperte. »Hm, riecht gut. Du kannst ja doch kochen. Und aufräumen.«
»Hey, klar kann ich das! Sei nicht so frech! Bloß, weil ich meine Prioritäten etwas anders setze als du.«
»Ja, das tust du wohl«, sagte Sven, aber diesmal klang es nicht vorwurfsvoll. Seine Laune schien wieder besser zu sein.
Ich verteilte das Essen auf den Tellern, während Sven sich setzte. Es roch richtig lecker und war, wie ich nach dem ersten Bissen feststellte, nur ein ganz klein wenig versalzen. Sven war hungrig genug, dass es ihn fast nicht zu stören schien. Fast. Er grinste erneut.
»Hanne, ich hoffe, dass wir noch Bier haben, ich habe einen fürchterlichen Durst. Warum nur?«
»Entschuldige, es ist ein bisschen salzig geworden. Im Kühlschrank sind noch zwei oder drei Flaschen.«
Sven stand auf und holte zwei Flaschen aus dem Kühlschrank hinter ihm. »Du auch?«
Ich nickte. »Puh, die Pilze sind wirklich salzig.«
»Halb so wild. Lecker war es trotzdem.« Sven öffnete die Flaschen, reichte mir eine und setzte sich wieder. Dann räusperte er sich. »Hanne, hör mal. Entschuldige, dass ich so schlecht gelaunt war in den letzten Tagen. Es war einfach viel los, ich hatte zu wenig Schlaf …«
Na ja, wohl auch zu viel Alkohol am Wochenende, dachte ich. Aber ich schwieg.
»Und seit du an diesem Flugzeug herumschraubst, hast du kaum noch Zeit!«
Daher wehte also der Wind. Sven war eifersüchtig auf einen alten Doppeldecker. »Ich möchte den halt gerne bald in die Luft kriegen«, sagte ich. »Es tut mir leid, wenn du dich vernachlässigt fühlst.«
Sven rückte seinen Stuhl vom Tisch ab, stand auf und sah mich einfühlsam an. Ich legte meinen Kopf an seine Hüfte, während er mir die Locken aus dem Gesicht streifte, die mir ständig vor die Augen fielen. Ich seufzte.
»Komm, heute wasche ich ab und du machst es dir schon mal im Wohnzimmer gemütlich. Ich komme gleich nach, okay?« Er räumte die Teller zusammen. Lächelnd ging ich aus der Küche. Ich hatte es gewusst: Svens schlechte Laune hielt meist nicht lange an. Auf dem Weg durch den Flur hörte ich das leise Brummen eines Handys und tastete nach meiner Hosentasche. Mein Telefon hatte nicht vibriert. »Sven, du hast eine Nachricht bekommen, soll ich dir dein Telefon bringen?«, rief ich.
»Was? Nee, lass mal«, ließ Sven aus der Küche vernehmen.
Ich hatte es mir zu früh mit meinem Bier auf dem Sofa bequem gemacht. Meine Blase drückte. Seufzend stellte ich die halbleere Flasche auf den Tisch und stand wieder auf. Es half nichts, ich musste aufs Klo.
Sven war noch in der Küche beschäftigt. »Ja, fand ich auch«, sagte er leise. Hatte er sich das Handy doch geholt. Kopfschüttelnd wollte ich weitergehen.
»Nein, aber vielleicht am Freitag? Ja. Ich auch.« Sven sprach immer noch leise. Seltsam, so sprach er garantiert nicht mit Joe. Aber mit wem dann? Seine Eltern riefen um diese Zeit nie an. Ich trat in die Küche. »Hey, Schatz, soll ich den Abwasch solange weitermachen, während du telefonierst?« Sven fuhr erschrocken herum.
»Hanne! Nein, nein, ich bin fast fertig.« Er nahm das Telefon wieder ans Ohr und sagte etwas lauter: »Also, Joe, bis dann. Ja. Ciao.«
Während Sven sein Handy in der Hosentasche verschwinden ließ, fuhr er mich an: »Musst du dich immer so anschleichen? Du hast mich schon wieder voll erschreckt!«
»’Tschuldigung«, entgegnete ich jetzt auch etwas gereizt, »Aber du musst ja nicht gleich so rummotzen. Ist ja wohl kaum meine Schuld, dass du gerade ständig schlecht gelaunt bist. Und wenn doch, dann rede mit mir darüber, aber nicht in diesem Ton. Das habe ich nämlich auch satt! Dass du wegen jeder Kleinigkeit an die Decke gehst!«
Sven funkelte mich böse an. »Na prima. Jetzt hast du …«
Den Rest hörte ich nicht mehr, weil ich ihn einfach stehen ließ und die Badezimmertür hinter mir zuknallte. Der hatte sie doch nicht mehr alle.
Als ich wieder aus dem Bad kam, war von Sven nichts zu sehen. Stattdessen lag ein Zettel auf dem Tisch. »Bin bei Joe.«