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Auf dem Weg nach Pucallpa
ОглавлениеClaudio und Luis drückten sich bequem in die geräumigen Sitze der ersten Klasse auf ihrem LAN-Peru Flug von Lima nach Pucallpa. Sie hatten die frühe 6.30 Uhr Maschine gewählt, um in der Amazonasmetropole noch den größten Teil des Tages miteinander verbringen zu können. Erst mit dem Nachtbus beabsichtigte Luis in Richtung Tarapoto und dann nach Chachapoyas weiterzureisen. Sie wollten dringend noch einmal ihre Unterlagen durchsehen, vor allem in Übereinstimmung mit den Luftaufnahmen, die ihnen Gilberto Leon persönlich am Flughafen Jorge Chavez ausgehändigt hatte.
Das unerwartete Ergebnis der Radiokohlenstoffmessung an der mysteriösen Urne hatten die beiden Freunde bereits am Vorabend in der Bar von Elias ausgiebig diskutiert. Die präzise Analyse hatte ergeben, dass die Urne in einem Wachsausschmelzverfahren hergestellt wurde. Aus der Zusammensetzung des verwendeten Materials und eben aufgrund der antiken Herstellungsweise lag ihr Alter bei mehr als dreitausend Jahren. Sogar das Land in dem sie hergestellt worden ist, hatten die Wissenschaftler im Labor des Museums bestimmen können. Es war der heutige Libanon. Die Legierung aus Bronze und Zinn stammte eindeutig aus Nordeuropa. Zu jener Zeit waren die Phönizier eine lose Ansammlung verschiedener Volksstämme, die sich mit Handel, Kunst und Schifffahrt beschäftigten.
Vorsichtiges Polieren hatte die steinalte Pampe aus dem Inneren der Urne gelöst und gab nun eine goldfarbene Statuette in Form einer Ziege frei. Nachdem die beiden Freunde den Bericht gelesen hatten, saßen sie über ihren Getränken und rätselten, wie solch ein antikes Objekt aus der Bronzezeit ausgerechnet bei Claudio vor der Haustüre landen konnte.
Luis erhaschte die Aufmerksamkeit einer Stewardess und bestellte zweimal Milchkaffee und Orangensaft, während er aufstand, um die Toilette aufzusuchen. Bei seiner Rückkehr warteten die Getränke bereits auf ihn. Nur das auf seinem angestammten Sitzplatz neben Claudio nun eine andere Person saß. Sharone Rosenbaum. Ein rätselhaftes Lächeln lag auf ihren provokanten Lippen.
„Ich hoffe, es stört Sie nicht?“
„Ich kann mir leider keinen Flug in der ersten Klasse leisten und sitze im hinteren Teil der Maschine. Zusammengekauert mit den restlichen Sardinen.
Claudio fragte sich, für wen sie eigentlich arbeitete? Leons Motive in dieser Angelegenheit waren leicht zu ergründen. Fanden sie etwas, so würde er neben einem finanziellen Vorteil auch sein berufliches Ansehen gehörig aufpolieren können. Aber Sharone Rosenbaum? Arbeitete sie für die israelische Regierung oder für diesen undefinierbaren Glaubensbund? „In jedem Fall ist es ein Vergnügen, Sie wiederzusehen Frau Rosenbaum. Das letzte Treffen mit Ihnen war ja nicht gerade besonders ergiebig.“
Sie schenkte ihm ein entwaffnendes Lächeln.
„Ich kann Ihnen nicht verübeln, dass Sie zuerst das Angebot von Leon abgelehnt haben. Überrascht hat mich dann eigentlich nur Ihr Meinungswechsel. Warum haben Sie letztendlich doch noch nachgegeben?“
Claudio tat so, als ob er die Frage überhört hätte. Stattdessen antwortete er mit einer Gegenfrage.
„Und warum haben Sie gerade mich für Ihre Unternehmungen ausgesucht?“
„Das ist sehr leicht zu beantworten“, entgegnete Sharone,
„in erster Linie, weil sie all unsere Kriterien erfüllen. Sie besitzen hervorragende geologische und archäologische Kenntnisse und haben schon manche extreme Situation gemeistert. Dazu sprechen Sie mehrere Sprachen und können als deutscher Staatsbürger frei in jedem Land ein- und ausreisen. Und Sie sind gerade abkömmlich. Reicht Ihnen das? Dann möchte ich Sie bitten, mir noch meine Frage zu beantworten. Warum haben Sie ihre Meinung geändert?“
„Danke für die Blumen. Nun gut, ich sag es Ihnen. Nachdem ich Leon abgesagt hatte, verbrachte ich den ganzen Nachmittag damit Hinweise zu finden, die seine Vermutungen doch noch unterstützen würden. Auch wenn ich bis zum späten Abend nichts Konkretes finden konnte, so beschlich mich doch eine gewisse Vorahnung.“
„Vorahnung? Soll das bedeuten, Sie vermuten, in Chachapoyas könnte wirklich etwas liegen?“
„Nicht unbedingt. In erster Linie bedeutet es nur, dass es mir nichts ausmacht, eine Weile im Dschungel auf Ihrer aller Kosten danach zu suchen.“
Die Sonne schien sichtbar durch das ovale Kabinenfenster und Sharone bestellte sich ebenfalls einen Kaffee.
„So leicht kommen Sie mir nicht davon, Herr Guerrero.“
„Also gut, vielleicht hege ich eine kleine Hoffnung, dass es dort etwas gibt. Mehr ist es aber bestimmt nicht.“
„Was unser Volk betrifft“, sagte Sharone plötzlich und Claudio konnte einen Anflug von Traurigkeit in ihren Augen ausmachen.
„Wir konnten den Frieden immer nur für einen kurzen Augenblick genießen. Bereits heute scheint uns der Fanatismus wieder auseinander zu drängen. Die Religion wird den zukünftigen Kurs bestimmen. Moslems und Christen rasseln bereist mit den Säbeln. Bereit, im Namen ihres Glaubens den anderen auszulöschen. Bewaffnete Banditen überfallen regelmäßig die Dörfer andersgläubiger. Eine alte Wahrheit besagt: Hass ist der Motor der Hoffnungslosen und Frieden die Frucht der Zufriedenen.“
Während Claudio ihre Gesichtszüge beobachtete, kam er zu dem Schluss, dass Sharones Zugehörigkeitsgefühl tief in ihrem Glauben verankert lag. Sicherlich arbeitete sie auch für das israelische Militär.
„Sind Sie in Ordnung?“, fragte Sharone Rosenbaum. „Sie schienen mir für einen Moment in Gedanken versunken zu sein.“
„Alles bestens“, entgegnete Claudio.