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Das Bündnis

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Tom badete im Licht. Für kurze Zeit wusste er nicht mehr, wer er war. Er konnte seine Augen nicht öffnen, fühlte aber seinen gesamten Körper durch die mollige Wärme, die ihn umgab.

Aber was war das? Wo war er?

Tom konnte sich diese Fragen nicht beantworten. Er konnte nicht einmal mehr normal denken, denn manchmal fühlte es sich an, als würde die Zeit nicht fließen, sondern ihm in kleinen Stückchen serviert werden.

Er strengte sich erneut an, wünschte sich, die Augen zu öffnen. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, gelang es.

Helles Licht umfloss seinen Körper und hielt ihn warm.

Tom hatte schneeweiße Kleidung an, sodass er nicht sehen konnte, wo sein Körper endete und wo der Raum um ihn begann.

Bin ich tot?

Diese Frage durchzog nur den Bruchteil einer Sekunde seine Gedanken, doch auf verzerrte Art und Weise konnte er den Nachhall der Worte durch diese Welt hören, wie ein Echo, das ihn verhöhnen wollte.

Wie eine Antwort erschütterte den Ort ein unheimliches Dröhnen und von einem Moment zum anderen durchzog den Platz, an dem er war, eine Veränderung. Das Licht formte Wände und einen Untergrund, hell und weiß wie Schnee.

Nach und nach wuchsen marmorne Säulen aus dem gerade entstehenden Boden empor in die Unendlichkeit, geräuschlos, als würden sie nur Schatten sein, bis Tom sich in einer riesigen Säulenhalle befand.

Dieser Ort war ganz und gar surreal und dennoch, irgendwie kam er Tom als das Natürlichste vor, was er je gesehen hatte. Er wollte zwischen den Säulen hindurchgehen, denn er hoffte, an der anderen Seite etwas zu finden.

Nein, er ahnte sogar, dass seine Suche nicht ergebnislos bleiben würde.

Doch immer noch konnte er sich nur schwer bewegen. Tom konzentrierte sich und plötzlich stand er am anderen Ende der Halle. Die Wand vor ihm war bedeckt mit seltsamen Zeichen und Symbolen, kleinen Zeichnungen und Formeln. Er versuchte, sie zu berühren, doch mit einem Mal spürte Tom etwas hinter sich. Er drehte sich um und suchte nach dem Ursprung dieses unheimlichen Gefühles. Dann sah er es.

Verborgen hinter einer Säule stand ein Schreibtisch. Tom rieb sich die Augen, doch es blieb dabei: Ein Tisch aus weißem Holz war ganz deutlich zu sehen. Er schritt um die Säule herum darauf zu. Jetzt konnte er noch etwas erkennen: Hinter dem Tisch saß ein Wesen, das die Form eines Menschen hatte, jedoch nur aus blauem Leuchten bestand, das flimmernd hinter dem Tisch auf und ab schwebte.

Tom konnte das Ding nicht einmal sehr lange direkt ansehen, da seine Augen nach ein paar Sekunden schmerzten. Er war sich sicher, dass das Geschöpf einem weit entfernten Ort entstammte. Dann begann es zu sprechen und es war, als ob die Worte aus der Ewigkeit selbst stammten. Obwohl es langsam redete, wirkte es keineswegs träge oder schläfrig, sondern strömte eine Vollkommenheit aus, die nicht einmal ein perfekter Kreis besaß.

„Wer bist du? Zu diesem Zeitpunkt wird niemand erwartet.“

Tom fragte sich, was das alles zu bedeuten hatte und entschied schließlich, dass er improvisieren sollte:

„Ich…ich bin ein wenig früher dran.“

„Nichts ist zu früh oder zu spät. Jeder hier weiß, wann es Zeit ist, vor mir zu erscheinen und wieder zu gehen, alles ist geregelt“, meinte das Ding hallend.

„Wenn ich unerwünscht bin, kann ich auch sofort wieder verschwinden“, schlug Tom vor und wollte sich umdrehen, doch er konnte sich keinen Zentimeter bewegen.

„Nein, ich wusste nicht, dass du kommen würdest. Also musst du hier bleiben. Ich muss wissen, wer du bist.“

Tom fing an, unruhig zu werden.

„Ich heiße Tom Becker. Aber ich will wieder dahin zurück, wo ich herkomme. Meine Eltern haben bestimmt schon Angst um mich.“

Er konnte sich noch immer nicht rühren und so beschloss er, vom Thema abzulenken.

„Haben Sie dieses Nebelwesen geschickt?“

Der Lichtfleck beachtete ihn nicht.

Tom kam der Gedanke, dass er vielleicht Gott persönlich oder einem ähnlichen Wesen gegenüberstand und beschloss, den Mund zu halten. Er hatte sich schon oft in schlechte Situationen gebracht, weil er zu vorlaut war.

„Nicht Gott“, kam es von dem Lichtwesen.

Tom sah das Wesen an und gab auf. Was sollte er schon tun? Wenn es Gedanken lesen konnte, waren Lügen zwecklos. Er konnte nur warten.

Nach einer Weile fragte er noch einmal:

„Wo bin ich?“

Plötzlich dröhnte das Wesen hochkonzentriert:

„Aus welcher Welt kommst du und wie ist dein Code?“

„Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich Tom Becker heiße! Was wollen Sie von mir?“, rief Tom panisch. Doch das Wesen fuhr ungerührt fort und jetzt mischte sich Ärger in seine Stimme.

Langsam wuchs es zur Größe eines Kleinwagens an.

„Ich muss wissen, welches Abstraktum du bist und aus welcher Welt du kommst, oder ich muss nachsehen.“

„Was…?“, stotterte Tom.

Plötzlich wurde ihm warm. Er sah das Lichtwesen, welches inzwischen zu vibrieren angefangen hatte, über den Holztisch schweben und in seine Richtung gleiten. Die Konturen seines Gegenübers verschwammen noch mehr, soweit das möglich war, und dann drang das Wesen in seinen Kopf ein.

Tom spürte einen stechenden Schmerz auf seiner Stirn, der langsam größer wurde und sich über seinen Körper ausbreitete. Für einen Moment dachte er, er würde ohnmächtig werden.

Dann war es vorbei.

Das Lichtwesen schwebte wieder vor ihm und als Tom sich die Schläfe massierte, sprach es, als würde man eine Kassette vorspulen, irritiert und eindeutig unzufrieden.

„Du gehörst nicht hierher, du musst hier verschwinden. Ich werde dafür sorgen, dass sich dein Bewusstsein vom Körper spaltet, dann bist du hier richtig, aber du bist noch in deiner Hülle, das ist unmöglich, wie kann das passieren, ist ein Fehler im System aufgetreten? Unmöglich, das System ist perfekt, durchgeplant, eingeteilt, deine Anwesenheit muss vorherbestimmt sein, sie muss, oder aber sie ist es nicht und es ist ein Fehler aufgetreten, dennoch sind Fehler unmöglich, oder ich wurde nicht informiert, dann wäre ich ein Teil des Kreislaufes, aber ich weiß, dass ich es nicht bin, diese Welt wurde ausgeschlossen, es ist unmöglich, es darf diese Anomalie nicht geben. Sie muss um jeden Preis vernichtet werden. Ich muss sie auslöschen, ich muss sie zerstören.“

Tom hatte aufgehört seine Schläfe zu bearbeiten. Das Wesen vor ihm lief Amok, wie ein Roboter, dessen Programmierung auf einmal keinen Sinn mehr ergab und das war eindeutig nicht gut.

Verzweifelt versuchte er, sich umzudrehen, bereitete sich aber auch auf die Kraft vor, die ihn an seinem Platz hielt.

Doch es war, als wäre diese einfach abgeschaltet und da Tom sich mit aller Macht herumriss, strauchelte er und schlug fast der Länge nach auf dem Boden auf.

Im letzten Moment fing er sich wieder und floh vor der irren Stimme des Wesens, die durch die Gegend tönte.

„Fehler! Anomalie! Was soll ich tun? Ich muss sie beseitigen, aber ich darf mich nicht einmischen, ich darf nicht, aber wieso bin ich auf einmal ein Teil des Kreises, das ist nicht möglich…“

Tom rannte und er wusste dass der Ausgang dieses Wettlaufes sein Schicksal bestimmen würde.

Er spurtete zwischen den Säulen hindurch, immer in eine Richtung, doch als er sich umdrehte, sah er, dass er gar nicht vorwärts kam; die Säulen flogen zwar an Tom vorbei, aber das Wesen blieb an gleicher Stelle schweben, keine fünf Meter weit weg.

Es schrie immer noch „Was ist das? Ich kann das nicht begreifen!“ hinter ihm, doch dann hörte Tom eine andere Stimme, eine Stimme, die nicht aus der Halle kam, sondern aus seinem Inneren. Sie klang merkwürdig verschwommen,

als würde sie aus einem alten Radio dringen:

Flieh, du musst verschwinden, sonst wirst du vergehen. Der Wächter wird sich gleich entschieden haben. Du musst zu mir kommen. Sofort.

Aber wie?, dachte Tom, erwartete aber nichts. Er vermutete, dass er wohl zu viel abbekommen hatte.

Doch die Antwort kam so schnell, dass es unheimlich war.

Du musst es wollen, mit jedem Gedanken. Du hast es schon einmal gemacht, als du in die Halle kamst, als du unbedingt die Augen öffnen wolltest.

Wie du willst, dachte Tom zurück, dann werde ich kommen.

Er begann sich zu konzentrieren und wie zum Ansporn hörte er das Wesen hinter sich brüllen, dass es nun kommen würde, um ihn aus der Existenz zu löschen.

Seine Gedanken begannen zu kreisen und auch die Welt um ihn herum drehte sich, verschwamm und wurde wieder klar.

Tom blieb stehen und fiel keuchend auf die Knie. Dann sah er sich um. Er befand sich nahezu in der gleichen Umgebung wie noch vor ein paar Momenten, doch einige Sachen hatten sich verändert:

Seine Kleidung war immer noch weiß, doch nicht mehr die Welt um ihn herum. Sie war schwarz wie die Nacht, vom Boden bis in die Unendlichkeit über ihm. Und dennoch konnte er alles erkennen, weil noch immer ein wenig Licht vorhanden war, doch auch das war düster. Es erinnerte ein wenig an die Abenddämmerung.

Die Säulen hier waren aus einem dunklen Material gefertigt, glatt und eine Kälte ausstrahlend, die Tom frösteln ließ.

Er blickte sich suchend um, während er nach der Ursache für die Stimme in seinem Kopf fahndete.

Tom bemerkte, dass sich Schemen um ihn herum bewegten. Sie hielten Abstand, so als könnten sie nicht zu ihm vordringen. Er wanderte durch das Licht, das durch diese Welt rann, als wäre es nur auf der Durchreise, konnte aber immer noch nichts entdecken, außer den Schatten um ihn herum. Eine namenlose Angst befiel ihn. Was, wenn das hier eine Falle war? Was, wenn hier niemand auf ihn wartete, wenn das alles nur ein verzwickter Plan des Lichtwesens war, ihn auszulöschen? Aber wozu?

Am Rand seines Sichtfeldes wurden immer wieder Gestalten sichtbar. Zu Toms Furcht gesellte sich nun auch Unruhe. Er sah sich noch einmal suchend um und wollte resigniert aufgeben, als er die Stimme wieder hörte, diesmal kräftiger und klarer.

Du bist nahe. Ich bin hier, doch du kannst mich noch nicht sehen. Wenn du weiter voranschreitest, wirst du mich bald treffen. Du brauchst keine Angst zu haben. Genau betrachtet bist du das einzige Wesen, das sich hier nicht zu fürchten braucht.

Tom fühlte neuen Mut in sich aufkeimen und schritt energisch durch den Säulenwald voran.

Er spazierte schon seit einer geschätzten Viertelstunde, als er

endlich an seinem Ziel ankam.

Zwischen vier der gigantischen Säulen schwebte eine Nebelwolke, ebenfalls schwarz wie die Umgebung, doch sie kam ihm bekannt vor. Es war dieselbe dicke Suppe, die vor einiger Zeit Toms Straße geflutet hatte, die Suppe, die Walter

getötet hatte.

Die Nebelschwaden erhoben sich, stoben zusammen und

beugten sich zu Tom vor.

Gleich darauf erschienen auf seiner Augenhöhe zwei rote, pulsierende Schlitze, die ihn erregt musterten.

Der Junge rechnete damit, dass der Nebel sich ausbreiten würde wie ein schnell wucherndes Geschwür, dass ein Graukobold oder etwas Schlimmeres erscheinen würde, den er hier, in einer Welt der Finsternis, nicht vernichten konnte. Doch nichts dergleichen geschah.

Das Wesen schwebte einfach an derselben Stelle vor sich hin. Dann öffnete es seinen Mund und sprach mit einer dröhnenden Stimme.

„Du bist also gekommen, Tom Becker. Ich hatte gehofft, dass du die Chance ergreifen würdest.“

Tom wich einen Schritt zurück und hob die Fäuste. Dann sagte er trotzig:

„Ich werde, wenn es sein muss, bis zum Tode kämpfen. Und welche Chance ich auch ergriffen habe, sollte dir egal sein.“

Die Kreatur lachte und Tom wich noch weiter zurück, seine Angriffshaltung aufgebend und bereit, die Flucht zu ergreifen. Doch das Wesen rührte sich nicht.

„Ich erkläre es dir, wenn du gestattest. Aber du musst versuchen, mich zu verstehen.“

„Dich zu verstehen? Du hast Walter ermordet, auch mich zu töten versucht und wir waren wahrscheinlich nicht die einzigen Opfer.“

„Du hast diesen Jungen gehasst, du wärst sogar bereit gewesen, ihn zu ermorden“, erwiderte das Wesen.

„Nein, das wäre ich nicht“, entgegnete Tom bestimmt.

Das Wesen grinste, sein Mund war genau so rot wie seine Augen.

„Ich weiß. Ein kleiner Spaß meinerseits. Entschuldige. Aber

du hast eben genau den Punkt getroffen, den Punkt, wegen dem das alles hier jetzt passiert, warum wir beide hier sind.“

„Und der wäre?“

„Ich habe nicht geschafft, dich zu töten.“

„Und was soll das heißen? Dass du elendig versagt hast?“, zischte Tom.

„Ja, genau das“, erwiderte die Kreatur.

„Aber ich hätte dich töten müssen, verstehst du? Das hier hätte nicht passieren dürfen.“

„Jetzt hörst du dich schon an wie das Wesen von vorhin“, spottete Tom.

„Ja, das ist richtig, aber ich werde es dir, wie gesagt, erklären. Es war die Bestimmung, dass ich dich töte.“

„Bestimmung? Was für eine Bestimmung? Du redest wirres Zeug!“

„Nein. Du musst es dir so vorstellen, Tom Becker. Alles besteht aus einem Kreislauf. Jede Welt hängt mit den anderen Welten zusammen. Und jedes Leben durchläuft denselben Kreis. Geboren werden, leben, sterben, immer und immer wieder von vorn. Deine Seele wohnte schon in vielen Körpern, tausende Male.“

„Meine Seele, so etwas gibt es? Mein Lehrer sagte mir immer,

dass es, wissenschaftlich gesehen, keine Seelen gibt. Das sei nur irgendein Firlefanz, mit dem die Kirche Gläubige auf ihre Seite ziehen will“, entgegnete Tom, doch er glaubte nicht wirklich an sein Argument.

Er hatte auf einen Schlag vergessen, dass das Wesen vor ihm ihn vor einiger Zeit noch töten wollte und auch sonst so ziemlich das schlimmste Geschöpf war, was er je gesehen hatte. Aber er fühlte auch, dass diese Einschätzung nicht mehr stimmte.

„Wenn ich mir die Geschichte eurer Welt angucke, wird mir ziemlich klar, wie gut es geklappt hat. So viel Leid. Es ist armselig, was deine Rasse in deiner Welt getrieben hat. Auch wenn ich mir anschaue, was sie einmal war und eigentlich noch ist“, meinte das Wesen fast mitleidig.

„Ich wollte den Sachverhalt nur so schildern, dass du ihn verstehst. Das, was ihr Seele nennt, heißt hier ‚Abstraktum‘.“

„Moment, das hat dieses Vieh vorhin doch auch gesagt.“

„Der Wächter? Ja, das hat er. Es ist normalerweise die übliche Prozedur: Der Wächter weist den gerade gestorbenen Seelen ihre neuen Körper zu. Er kennt den Todeszeitpunkt jedes einzelnen Wesens.“

Langsam verstand Tom.

„Ich glaube, ich verstehe. Er wusste, dass keine Seele kommen würde, aber trotzdem erschien ich. Deshalb die Verwirrung. Aber es sterben doch andauernd Leute und wenn du sagst, ich hätte sterben müssen, hätte der Wächter doch eine Zeit lang auf mich gewartet und schon dann Lunte gerochen.“

„Zeit verläuft hier anders als bei euch“, sagte das Nebelwesen nur.

„Aber jetzt wurde die Bestimmung durcheinander gebracht. Will der Wächter mich deshalb töten, um die Bestimmung wieder irgendwie ‚einzurenken’? Kann ich überhaupt noch einmal sterben?“

Das Wesen sah ihn nur seltsam an.

Die Erkenntnis traf Tom wie ein Hammerschlag.

„Ich bin nicht tot, oder?“, fragte er langsam.

„Nein. Und der Wächter wollte dich nicht töten. Er will deine

Seele aus der Existenz löschen.“

Als das Wesen Toms fragenden Blick bemerkte, fügte es hinzu: „Die Existenz ist der Überbegriff für alles, was existiert, alle Welten. Aber ich möchte jetzt dazu kommen, warum ich dich gerufen habe.“

„Das wäre wohl angebracht. Ich frage mich ohnehin schon die ganze Zeit: Warum zum Teufel hast du mir geholfen?“

„Als es dir gelang, mich zu vernichten, wurde ich aus der Existenz hinausgeschleudert.“

„Das geht?“

„Offensichtlich. Ich weiß nicht wie und warum es geschah, aber Fakt ist, dass es passierte. Bevor dies hier geschehen ist, war ich ein durch und durch böses Wesen. Doch nachdem ich zurückgekommen bin, habe ich mich verändert. Ich bin kein Teil der dunklen Welt mehr.“

„Du bereust also, was du getan hast?“, bohrte Tom.

„Ja, auch wenn ein Teil von mir nicht begreift, wieso. Wir sind jetzt beide aufeinander angewiesen. Du musst dem Wächter entkommen und ich möchte hier auch nicht gerne bleiben.“

„Du kannst doch einfach gehen. Ich werde immer vor dem Wächter davonlaufen müssen“, sagte Tom unsicher.

„Irrtum. Ich kann hier nicht weg. Im Gegensatz zu dir bin ich gestorben. Das hier ist die Unterwelt, dir wahrscheinlich besser bekannt als „Hölle“. Außerdem kann der Wächter dir außerhalb dieser Orte nichts mehr antun. Seine Macht reicht nicht aus. Aber es gibt einen Weg, wie uns beiden geholfen werden kann“, flüsterte die Nebelkreatur.

„Wie? Wie können wir beide entkommen?“, fragte Tom mit einem mulmigen Gefühl im Bauch.

„Ich werde mich in deinem Kopf niederlassen. Dann bringe

ich uns hier heraus.“

„Wie bitte? Willst du mich irgendwie übernehmen oder was?“

„Nein. Aber ich werde dir Ratschläge geben können“, erklärte das Geschöpf.

„Ratschläge? Wofür? Und wie lange?“, fragte Tom.

„Das, was die Bestimmung verändert hat, ist mächtiger als alles, was du dir vorstellen kannst. Wir müssen die Restlichen meiner Art aus deiner Welt vertreiben, sie gehören dort nicht hin. Ich werde wahrscheinlich immer in deinem Kopf sein. Aber du wirst nach der Verschmelzung besondere Fähigkeiten haben. Dir sollte klar sein: Wenn wir uns nicht verbünden, werden wir beide übel enden“, antwortete das Wesen.

„Da stimme ich dir zu. Aber erst will ich noch wissen, wie du heißt.“

„Ich habe viele Namen. Aber ich würde es vorziehen, wenn du mich Pharasen nennst. Doch du solltest wissen, dass ich mein Wissen über alles jenseits der Existenz verlieren werde. Ich werde alles vergessen, was sich zwischen meinem Rauswurf bis zur Ankunft in der Unterwelt ereignet hat. In einer Hinsicht kann ich dich aber beruhigen, ich werde nicht wieder böse werden“, erklärte Pharasen.

„Habe ich denn eine Wahl?“, seufzte Tom.

„Nein“, stellte sein neuer Begleiter fest und fügte dann hinzu: „Ich werde nun beginnen.“

„Halt, ich möchte wissen, wer diese Schatten sind“, rief Tom

neugierig.

„Das sind Seelen, die bestraft werden. Sie müssen hier bis in

alle Ewigkeit verweilen. Aber jetzt fange ich an.“

Tom schloss die Augen, er fühlte, wie sein Gehirn zu pochen begann, als der Schatten in ihn eindrang. Dann hörte er Pharasens unverkennbare Stimme in seinem Kopf.

Bist du bereit, zurückzukehren?

Ja, bin ich, entgegnete Tom.

Dann merkte er, wie sein Körper sich in die Unendlichkeit löste, mit der Umgebung verschmolz und schließlich durch eine unbeschreibbare Wandlung in seine Welt zurückwich. Während er fühlte, dass sein Körper äußerst glücklich darüber schien, wieder zurückzukommen, verlor er erneut das Bewusstsein.

Weißschwarz

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