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Der Krieg geht zu Ende

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ein gewaltiger Flüchtlingsstrom ergießt sich …

Das Jahr 1945 war heran gekommen, und damit mehr oder weniger alle Hoffnungen auf ein für unser Volk glückliches Ende des zweiten großen, ja größten aller bisherigen Kriege geschwunden.

Von Osten und Westen drängten die Gegner auf unsere nur noch tapfer abwehrenden Truppen ein. Aber gegen den gewaltigen Aufwand von Material und Menschenmassen nützte auch der starke Widerstand nichts. Immer wieder wurden unsere Armeen zurückgedrängt, und bald standen die Feinde in Ost und West auf deutschem Boden.

Nun begann ein gewaltiger Flüchtlingsstrom sich in das Innere des Vaterlandes zu ergießen. Zwar hatte man immer noch auf das von der Propaganda erwähntes Wundergeschoß gehofft, das bei seinem Einsatz sofort einen Umschwung herbeiführen würde, aber es blieb aus. Der Zustrom an Flüchtlingen und Vertriebenen aus den Ostgebieten war gewaltig und kaum unterzubringen. Unendlich viele zogen auch weiter nach der englischen und amerikanischen Zone, so daß Schleswig-Holstein und die anderen Westgebiete von ihnen überschwemmt waren. Deshalb wurden überall Wohnungen beschlagnahmt.

Ende August kam plötzlich der Bescheid der Schulbehörde, daß wir das Schulgebäude verlassen müssen. Wohin nun? Aber Gott hat vorgesorgt auf wunderbare Weise. Einige Zeit vorher war der Büdner gestorben und kurz darauf auch seine Frau. So wurde das Haus für uns frei.

Die Flüchtlingskolonnen kamen auch nach Mecklenburg und bald hatten wir sie in unserem abgelegenen Dorf Darss. Das Elend in diesen großen Trecks, mit de- nen die Geflüchteten ihr wenig mitnehm bares Gut weiterschafften, war grenzenlos. Viele der alten gebrechlichen Leute, kleine Kinder, hilflose schwache Frauen waren schon am Wege liegen geblieben und niemand hatte sich um sie gekümmert, weil jeder mit sich selbst zu tun hatte.

Die Pferde waren abgejagt, waren kraftlos und konnten oft nicht weiter, starben am Wege, und wenn kein Ersatz war, mußte auch das bisschen Hab und Gut liegen bleiben. Nun galt es, diese Flüchtlinge aufzunehmen, unterzubringen und zu versorgen. Aber der gute Wille unserer Bauern bewältigte auch diese Aufgabe. Die Schulstube wurde auch ausgeräumt und mit Stroh belegt als Massenquartier. Meistens zogen die Leute dann noch am nächsten Tage weiter.

Nun lagen die Russen vor Berlin und die Seitenflügel ihrer Armeen drangen im Süden und im Norden der Großstadt weiter vor. Schon konnte man bei günstigem Wind das Donnern der Geschütze vernehmen. Noch war Mecklenburg frei, aber auch vom Westen drängten die Engländer und Amerikaner stark heran. Anscheinend mußte es dazu kommen, daß beide Parteien sich in Mecklenburg die Hand reichen würden. Wer wird es zu-erst gewinnen?

Nur nicht in die Hände der Russen fallen‘

war die Losung.

Außer mir hatte schon vor einem Jahr auch meine Schwiegertochter Lissy mit ihren Kindern vor den Bombenangriffen auf Kiel und Umgebung hier Zuflucht gesucht und gefunden. Denn in dem abgelegenen Darss hatten die feindlichen Flieger keine Angriffsziele.

So hatten wir die Kriegszeit, abgesehen von manchen Einschränkungen, hier fast wie im Frieden verlebt. Als nun aber die Sache brenzlig wurde, fragte man sich: ‚Was tun wir?‘ Lyssi wollte mit ihren Kindern nachkommen, wollte aber Anne-Marie mithaben, weil sie glaubte, die Flucht nicht allein mit ihren Kindern bewerkstelligen zu können.

Aber Anne-Marie konnte sich nicht entschließen, alles im Stich zu lassen. So verzögerte sich die Abreise, bis es schließlich zu spät war, denn unsere Truppen sprengten unnützerweise alle Brücken.

Ich hätte mich sonst bereit erklärt, allein hier zu bleiben um Haus und Sachen und Viehzeug zu bewahren. Trotzdem entschloß sich Anne-Marie hier zu bleiben, weil auch sonst niemand von den Einheimischen sich auf den Weg machte. So blieb also nur übrig, als Entwicklung der Dinge im Vertrauen auf Gottes Beistand in die Augen zu sehen.

Flucht

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