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Die Melitianer1

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Ihren Namen verdanken die Melitianer dem Bischof Melitius von Lykopolis. Wenn Athanasius ihn verwendet, dann will er dieser Gruppierung |43|den Christennamen absprechen. Die Parteigenossen des Melitius „heißen nicht mehr Christen, sondern Melitianer“. An anderer Stelle spricht Athanasius einmal von Briefen, die nicht von Bischöfen stammen, sondern von Melitianern, „jene ganz fluchwürdigen Männer, die ganz verkommenen und verruchten Melitianer nämlich, die nunmehr von Verrücktheit strotzen und nur aus Missgunst unter Lärm und Getöse unsinnige Dinge treiben und ihren lasterhaften Sinn an den Tag legen“.2 Ich halte die Bezeichnung bei, um die – aus heutiger Sicht – christlichen Gemeinden Alexandrias unterscheiden zu können.


Mosaik des Heiligen Markus auf der Fahrt nach Alexandria im Markusdom von Venedig.

Der Konflikt zwischen Melitius und dem damaligen Bischof Petrus von Alexandria führt uns zurück in die Zeit der diocletianischen Verfolgungen. Diocletian und seine Mitkaiser hatten versucht, die Christen zum Abfall von ihrem Glauben zu bewegen. In mehreren Edikten wurde verboten, Gottesdienste abzuhalten. Kirchengebäude mussten |44|abgerissen werden, heilige Schriften und liturgische Geräte waren auszuliefern und wurden vernichtet; Geistliche, die dieser Anordnung nachkamen, wurden später als ‚Verräter‘ gebrandmarkt. Sämtliche Christen verloren ihre bürgerlichen Rechte, wer allerdings das heidnische Opfer vollzog, dem geschah nichts, auch eine allgemeine Fahndung nach Christen gab es nicht. Allerdings musste jeder, der aus irgendeinem Grund vor Gericht erschien, opfern, so dass hier Christen sofort ausgemacht werden konnten. Auch die weiteren Edikte hatten das Ziel, Christen zum Opfer zu bewegen. Mit ihren Maßnahmen waren die Kaiser erfolgreich, ohne dass wir allerdings Größenordnungen nennen können.

Der Streit, der die Christen Alexandrias wie ihren neuen Bischof lange Zeit beschäftigen sollte, brach aus, als es im Jahre 306 zu einer Atempause bei den Verfolgungen kam. Christen, die aufgrund der staatlichen Strafmaßnahmen geopfert hatten, wollten zurück in die kirchliche Gemeinschaft. Wie sollte man mit ihnen verfahren? Abfall von Gott, so hatte es beispielsweise der karthagische Bischof Cyprian um 250 gelehrt, war die „schwerste und schrecklichste Sünde“, die der Mensch begehen konnte; denn diese Sünde richtete sich gegen Gott selbst.3 Konnte eine solche Sünde überhaupt vergeben werden? Hatten die abgefallenen Christen für alle Zeiten ihr Seelenheil verspielt oder sollten sie eine neue Chance erhalten? In Ägypten vertrat Bischof Melitius von Lykopolis die rigorose Richtung, Bischof Petrus von Alexandria die mildere, wobei der Dissens lediglich um die Länge eines Bußverfahrens ging. Niemand wollte die ‚Abgefallenen‘ auf Dauer von der Eucharistiefeier ausschließen, niemand wollte sie ohne Buße aufnehmen. In dem daraus aufbrechenden Konflikt spielten ferner Eitelkeiten und machtpolitische Rivalitäten beider eine Rolle. Es ging daher nur vordergründig um den rechten Umgang mit den ‚Abgefallenen‘, vor allem aber, wie in Karthago ein halbes Jahrhundert zuvor,4 um die Sicherung der eigenen Macht. Theologische Traktate, die der Widerlegung der Position des Gegners dienten, sucht man daher vergebens.5

Als sich im Jahre 306 Petrus noch versteckt hielt, kam Melitius nach Alexandria, exkommunizierte einige Priester und Gläubige und vollzog auf der anderen Seite neue Priester- und Bischofsweihen. Daraufhin kam Petrus aus seinem Versteck zurück, regelte das Bußverfahren zur Wiederaufnahme der ‚Abgefallenen‘ nach seinen Vorstellungen |45|und exkommunizierte Melitius. Melitius gewann enorm an Prestige, als er im Laufe der bald wieder einsetzenden antichristlichen Maßnahmen zur Bergwerksarbeit in Palästina verurteilt wurde. Er nannte dort seine Gruppierung „Kirche der Märtyrer“.6Auch in diesen Bergwerken gab es zwei Gruppen christlicher Gefangener aus Alexandria, die jeglichen Kontakt untereinander vermieden. Dann kam das Duldungsedikt des Galerius im Jahre 311, das im Osten zwar nicht sofort, aber schließlich auf Dauer die christlichen Kirchen zu Einrichtungen des öffentlichen Rechts machte. Nun konnten die unterschiedlichen christlichen Gemeinden Alexandrias in ganz anderer Weise gegeneinander vorgehen. Seit 311 schuf Melitius durch zahlreiche Bischofsweihen eine parallele Hierarchie zu den späteren Athanasianern. So kam es, dass sich das Konzil von Nicäa auch mit dieser Thematik beschäftigen sollte.

Auf dem Konzil von Nicäa setzte sich der alexandrinische Bischof Alexander in allen Belangen, die sein Bistum betrafen, durch. Sein Patriarchat wurde in dem bisherigen Umfang voll anerkannt (S. 21). Diese besondere Machtstellung Alexandrias basierte auf der Tatsache, dass die Kirchenorganisation Ägyptens eine andere war als in den meisten Gebieten des Reiches. Der Bischof Alexandrias beanspruchte auch in der Zukunft die höchste pastorale Gerichtsbarkeit in den drei ägyptischen und den beiden libyschen Provinzen sowie der Pentapolis. Hier behauptete er den Anspruch, sämtliche Bischöfe zu ordinieren.

Arius wurde verurteilt und die Synode war ferner bereit, die Melitianer weitgehend aus der Kirchengemeinschaft herauszudrängen. Bei dieser Regelung wird das Schicksal des Melitius von dem jener unterschieden, die er geweiht hat. In einem Synodalbrief teilen die Konzilsväter der Kirche von Alexandria mit, dass sie Nachsicht gegenüber Melitius gezeigt haben.7

Melitius darf in seiner Stadt bleiben, seinen Bischofstitel behalten, die damit verbundenen Rechte aber nicht länger ausüben und vor allen Dingen an keiner Weihe mehr teilnehmen, selbst in seiner eigenen Diözese nicht. Dies wird allein dem dortigen athanasianischen Bischof zugestanden. Geistliche, die von Melitius in ein Amt eingesetzt worden sind, können zur Kirchengemeinschaft mit den ‚Rechtgläubigen‘ zugelassen werden, nachdem sie eine „heiligere Handauflegung“ erhalten haben.8 Dies kann nur bedeuten, dass sie nochmals ordiniert werden müssen. In dem Fall behalten sie Titel und Amt, besitzen |46|aber einen minderen Rang und sind denen nachgeordnet, die von Alexander ordiniert worden sind. Und nun wörtlich: „Im Übrigen aber haben sie keinerlei Recht, ihrerseits Namen von Persönlichkeiten vorzuschlagen oder zu benennen, die sie gern ordiniert sehen möchten, noch sonst irgendetwas zu unternehmen ohne die vorherige Erlaubnis des zuständigen katholischen Bischofs, der Bischof Alexander untersteht.“ Die hier genannten Rechte haben nur diejenigen uneingeschränkt, die „in der katholischen Kirche ausgeharrt haben“. Wenn einer der Würdenträger der hier katholisch genannten Kirche stirbt, kann ein ehemaliger Melitianer nachrücken, wenn das Volk ihn wählt und der Bischof von Alexandria seine Zustimmung gibt.


Arius unter dem Konzil von Nicäa auf einer Ikone im Mégalo Metéoron Kloster in Griechenland.

Die Entscheidung des Konzils von Nicäa ist deshalb so ausführlich dargelegt, weil die Kirche der Melitianer einen beachtenswerten Faktor in Alexandria und Ägypten darstellte, den die Synode eigentlich |47|nicht völlig vor den Kopf stoßen konnte und wollte. Erfolgreich war diese Strategie aber keineswegs. Es scheint sicher, dass nicht alle Bischöfe, die sich zu Melitius bekannten, von diesem selbst geweiht worden waren, sondern einige auch durch Petrus oder andere Bischöfe, welche das Konzil von Nicäa zur ‚katholischen‘ Kirche zählte; dies erlaubte eigentlich keinen Zweifel an ihrer Ordination.

Während des Konzils von Nicäa besetzten Melitianer über die Hälfte aller ägyptischen Bischofsstühle. Aus des Athanasius „Apologie gegen die Arianer“ erfahren wir etwas über die Größenordnungen der melitianischen Kirche.9 Sie umfasste 35 Bistümer den Nil entlang; in Alexandria selbst waren es vier Priester und drei Diakone sowie ein Priester im Militärlager bei Nicopolis. Bei 65 Bischöfen insgesamt in Ägypten bedeutete dies, dass die Melitianer in der Mehrheit waren. In manchen Orten gab es zudem mindestens zwei Gemeinden mit jeweils einem eigenen Bischof. Das Konzil von Nicäa hatte dem Bischof Alexandrias eine Führungsrolle über ganz Ägypten zugesprochen. Dagegen erhob sich Widerstand, der sich, vor allem in Oberägypten, den Melitianern anschloss. Hier vor allem war die ‚katholische Kirche des Melitius‘ stark verbreitet.

Nach dem Kirchengeschichtsschreiber Sozomenus sahen viele melitianische Bischöfe nicht ein, dass ihre Weihe zwar gültig war, sie aber ihr Amt nicht ausüben durften. Während nur vier Bischöfe die Vereinigung mit den Katholiken akzeptierten, waren mindestens zwölf strikt dagegen; allerdings wissen wir von den übrigen, der Mehrheit, nichts. Die Melitianer waren der festen Überzeugung, christlichen Grundsätzen eher gerecht zu werden als alle diejenigen, die immer und immer wieder auch die schlimmsten Sünden vergaben. Melitianer sahen sich als die besseren Christen, vielleicht auch als die einzig wahren Christen. Es ist verständlich, dass sich solche Gruppen nicht an diejenigen anschließen wollten, die des ewigen Heils eigentlich für alle Zeit verlustig gegangen waren.

Zu Beginn des Jahres 328 verstarb Melitius. Auf dem Totenbett ernannte er Johannes Archaph, Bischof von Memphis, zu seinem Nachfolger. Damit hatten die Melitianer die Leitung ihrer ägyptischen Kirche vom Bischofsstuhl in Alexandria getrennt. Da einer der Gründe des Schismas für die Melitianer die Vollmachten des alexandrinischen Bischofs waren, die das Konzil von Nicäa bestätigt hatte, wollten sie ihrem Bischof in Alexandria nicht dieselben Rechte zusprechen.10 |48|Johannes Archaph begann sofort damit, die Melitianer in Ägypten hinter sich zu bringen; damit waren alle Versuche zu einer Einigung, die auch der Kaiser immer noch anstrebte, zum Scheitern verurteilt. Archaph begab sich sogleich zu Konstantin, um für seine Gemeinden das Recht zugesichert zu erhalten, sich ungehindert versammeln zu dürfen. In dieser Situation starb der Patriarch Alexander am 17. April 328.

Athanasius der Große

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