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|13|2 Alexandria zur Zeit des Athanasius Die Krone aller Städte

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Alexandria, die bedeutendste der vielen Städtegründungen Alexanders des Großen (356–323 v. Chr.), war zu Beginn des 4. nachchristlichen Jahrhunderts hinter Rom die größte Stadt des römischen Reiches. Mit der Übernahme Ägyptens nach dem Tod der Kleopatra (69–30 v. Chr.) in den Privatbesitz des Augustus (43 v. Chr.–14) und aller folgenden Kaiser gelangt, bildete das Land am Nil eine immense Einnahmequelle für Rom. Neben Nordafrika war Ägypten während der Kaiserzeit der wichtigste Getreidelieferant der Hauptstadt. Nach der Gründung Konstantinopels durch Kaiser Konstantin liefen die Getreideströme Ägyptens in diese neue Metropole. Die Schifffahrtsroute von Alexandria in den Bosporus bildete die Lebensader Konstantinopels. Jeden, der an der Getreideversorgung rüttelte, traf die volle Wucht staatlicher Sanktionen.

Lassen wir uns mit der Schilderung eines Geschichtsschreibers des 4. Jahrhunderts, Ammianus Marcellinus, die charakteristischen Teile und Gebäude der Stadt in Erinnerung rufen: „Alexandria ist die Krone aller Städte … In ihr wehen gesunde Brisen, und die Luft ist ruhig und mild.“ Erreicht wurde Letzteres durch die vielen Straßen, die vom Meer aus Alexandria durchzogen.

Der antike Autor erwähnt den Hafen, die Insel Pharos, den Leuchtturm und das Heptastadion, einen sieben Stadien (etwa 1 250 Meter) langen Damm, der das Festland mit der Insel Pharos verband. Wenn der römische Geschichtsschreiber Sueton (70–130) davon spricht, der Kaiser Vespasian (69–79) habe sich unmittelbar nach seinem Regierungsantritt |14|nach Alexandria begeben, um die „Schlüssel Ägyptens“ in die Hand zu bekommen,1 dann beschreibt er damit die verschiedenen Häfen in und um Alexandria sowie das umfangreiche Kanalsystem, das sie verband.2 Der „Große Hafen“ Alexandrias, des „größten Handelsplatzes der Welt“,3 stellte Ägyptens Tor zum Mittelmeer dar. Ebenso wichtig waren allerdings auch die Häfen im Süden der Stadt. Die Karte zeigt die nähere Umgebung Alexandrias mit seiner Lage zwischen zwei Meeren, wie es der griechische Geschichtsschreiber und Geograph Strabo (63 v. Chr.–23) beschreibt4. Während das Mittelmeer den Kontakt zur Welt eröffnete, ermöglichte der Mareotis-See, der in der Antike weitaus größer war, als er sich heute präsentiert, über verschiedene Kanäle die Verbindung ins Landesinnere. An ihm lagen die drei wichtigsten Häfen: Iuliopolis, direkt im Süden Alexandrias, Chaireou im Osten am Nil und Philoxenite am westlichen Arm des Mareotis-Sees. In Chaireou wurde Getreide von großen Nilschiffen auf Kanalboote umgeladen und in die Speicher Alexandrias transportiert. Nach Beendigung seines dritten Exils hielt sich Athanasius in Chaireou auf und wurde von hier in einem Triumphzug, wie er berichtet, |15|von seinen Gläubigen nach Alexandria begleitet (S. 156). Die christlichen Schriftsteller waren an Alexandria als Anlaufstation für die südlich des Sees gelegenen Klosteranlagen interessiert. So berichtet der spätantike Hagiograph Palladius (363–um 430), dass er anderthalb Tage benötigte, um von Alexandria, also wohl Iuliopolis, aus mit dem Boot über den Mareotis-See zu den Klöstern der Nitria zu gelangen. Andere kamen, um den berühmten Schrein des heiligen Menas zu besuchen, dem gewaltige Wunderkräfte, vor allem Heilkräfte, nachgesagt wurden. Ebenfalls von Iuliopolis aus brachen die Pilger mit dem Schiff auf, um über den westlichen Arm des großen Sees zum Hafen Philoxenite zu gelangen; von dort war es dann nur noch eine Tagesreise bis Menas.


Blick über das heutige Alexandria.


Plan des antiken Alexandria.

Die Insel Pharos hatte dem vor ihr liegenden Leuchtturm den Namen gegeben, eines der sieben Weltwunder der Antike. Die Küste Ägyptens war für die antike Schifffahrt äußerst gefährlich, nicht so sehr wegen der Riffe, die sich unter oder nur wenig über Wasser befinden, sondern vor allem, weil die Küste außergewöhnlich flach ist. Man erkennt sie erst, wenn man dem Land so nahe ist, dass man jenen |16|Riffen nicht mehr ausweichen kann. Auf die nordafrikanische Küste fuhr man praktisch ‚blind‘ zu. Hier schuf der große Leuchtturm Abhilfe. Drei Stockwerke und 130 Meter hoch war er ebenso ein unentbehrlicher Wegweiser an der flachen Mittelmeerküste wie das Symbol der Stadt Alexandria.

Ammianus Marcellinus fährt fort: „Hinzu kommen Tempel mit hochaufragenden Giebeln, unter denen das Sarapeion hervorsticht, das zu beschreiben die Worte fehlen. Weitläufige Säulenhallen, lebensechte Statuen und eine Masse weiterer Kunstwerke schmücken es so, dass außer dem Kapitol, mit dem sich das verehrungswürdige Rom zur Ewigkeit erhebt, die Welt nichts Großartigeres kennt.“5

Genauere Angaben über Tempel oder Säulenhallen in Alexandria verdanken wir dem Werk des Patriarchen Michael bar Elias aus Antiochia, der von 1166 bis 1199 eine umfangreiche Weltgeschichte verfasste. Darin finden wir eine Zusammenstellung der Kultstätten Alexandrias (2 478), der Höfe (6 152), der Häuser (24.296), der Bäder (1 561), der Kneipen (845) und der Säulenhallen (456). Alexandria ist, so das Fazit der Aufzählung, „die größte der Städte der bewohnten Welt“.6 Vieles spricht dafür, dass diese Liste in der Mitte des 4. Jahrhunderts entstand und folglich das Alexandria zur Zeit des Athanasius beschreibt. Die ungewöhnlich hohe Zahl von Kultstätten ist wohl nicht nur darauf zurückzuführen, dass Alexandria eine Hochburg des Heidentums war, sondern ergibt sich auch daraus, dass hier neben Tempeln aller Art offenbar kleine und kleinste öffentliche und private Schreine und Kapellen an größeren Heiligtümern, eventuell sogar Altäre, mitgezählt worden sind.

Dass solche Listen durchaus auf Erhebungen basieren konnten, wie sie in Alexandria selbst durchgeführt wurden, lässt sich einer Erzählung entnehmen, die Eusebius (264–340) überliefert. Der Kirchenschriftsteller nahm in sein Werk einen Brief des alexandrinischen Bischofs Dionysius (248–265) auf – er wird uns im Zusammenhang mit den theologischen Überlegungen des Athanasius noch beschäftigen –, der über die Auswirkungen einer Epidemie in der Mitte des 3. Jahrhunderts berichtete: „Da wundern sie sich …, dass durch die große Pest … die größte Stadt nicht mehr eine so große Menge Einwohner hat – von den unmündigen Kindern bis ins höchste Greisenalter –, als sie vorher an sogenannten ‚Halbalten‘ ernährte. Denn die Leute vom 40. bis zum 70. Lebensjahr (dies sind die Halbalten) waren |17|früher so zahlreich, dass man dies jetzt nicht mehr erreichen kann, selbst wenn man Personen vom 14. bis zum 80. Jahr in das Verzeichnis für die öffentliche Getreideeinteilung eintrüge. Und diejenigen, die dem Aussehen nach noch sehr jung sind, sind gleichsam Altersgenossen derer geworden, die sonst die betagtesten Männer waren.“7 Es gab in Alexandria, so können wir diesem einzigen derartigen Hinweis entnehmen, eine genaue Einwohnerstatistik im Zusammenhang mit kostenlosen Getreideabgaben. Die Verluste an Menschen aufgrund der großen Pest führten dazu, dass die Getreidespende nun auch auf die ganz jungen Bürger ausgedehnt werden konnte, weil so wenige Empfänger insgesamt übriggeblieben waren; dies sicherte zudem die Chancen der Überlebenden, deren Ernährung deutlich verbessert werden konnte.


Das Umland Alexandrias in der Antike.

Wer waren die Nutznießer der Verteilung? Kaiser Diocletian (284–305) sprach einmal von den einfachen Leuten, die nicht genug zum Leben hatten. Solche gab es sicherlich genug, selbst in einer so reichen |18|Stadt wie Alexandria, in der viele Tagelöhner wohnten, für die keineswegs dauernd Arbeit vorhanden war, vor allem dann nicht, wenn im Winter die Schifffahrt ruhte. Allerdings kamen nicht nur die Besitzlosen in den Genuss staatlicher Brotspenden. Das Anrecht auf sie war vererbbar, denn bei Erbstreitigkeiten in der Stadt ging es einmal um die Aufteilung eines Grundstücks, an dem eine halbe Brotration hing. Möglicherweise war die Brotverteilung in Alexandria nicht an die Person, sondern an Hausbesitz gebunden, weshalb es mit der Erbteilung des Hauses eben auch zur Teilung des Brotrechts kommen konnte; die häufige Behauptung der Kirchenschriftsteller, die Armen seien versorgt worden, war sicherlich ein gutes Stück Propaganda. Von der parallel zur staatlichen Versorgung laufenden kirchlichen mit Brot und Öl hören wir eigentlich nur etwas, wenn es Schwierigkeiten gab, weil die unterschiedlichen christlichen Konfessionen, deren Streit die gesamte Amtszeit des Bischofs Athanasius prägte, keine feindlichen Christen bedachten. Dies wiederum führte zu der ungewöhnlich hohen Zahl staatlicher Eingriffe in die karitativen Belange der alexandrinischen Kirche.

Und auch die folgende Bemerkung des Ammianus Marcellinus weist auf eine lange Tradition hin: „Auch jetzt schweigen die verschiedenen Wissenschaften in dieser Stadt nicht. Denn die Lehrer der Künste leben, und der mathematische Zeichenstab bringt ans Licht, was verborgen ist. Auch ist bei ihnen die Musik nicht gänzlich versiegt, noch die Harmonie verstummt, und einigen – so wenige sie auch sein mögen – ist die Bewegung der Welt und der Sterne vertraut. Andere sind bewandert in den Versmaßen. Wenige verstehen sich darüber hinaus auf die Wissenschaft, welche die Wege des Schicksals weist. Vor allem aber die Studien der Medizin, deren Hilfe in unserem weder sparsamen noch mäßigen Leben oft verlangt wird, wachsen von Tag zu Tag derart, dass dem Arzt anstelle eines Ausweises (die Bemerkung) genügt, er sei in Alexandria ausgebildet, um die Autorität seiner Kunst zu empfehlen.“8 Alexandria besaß nicht nur den größten Handelsplatz der Welt, sondern die bedeutendste Universität mit der größten Bibliothek ihrer Zeit. Neben dieser alten berühmten Bibliothek entstand seit der Zeit des Origenes (182–253) eine christliche, in der ebenso versucht wurde, die wichtigsten Werke zu sammeln. Wer die christliche Literatur studieren wollte, musste nach Alexandria gehen. Zur Zeit des Athanasius war Didymus der Blinde (313–398) für |19|fast 50 Jahre Leiter der Bibliothek. Er war in jungen Jahren erblindet. Durch Zuhören und ständiges Memorieren eignete er sich ein Wissen an, das die Zeitgenossen verblüffte. Seine Autorität festigte er durch öffentliche Vorträge, die von Stenographen aufgezeichnet und verbreitet wurden.

Athanasius der Große

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