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Die Wahl des Athanasius

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Wahrscheinlich war in Alexandria die Bischofswahl lange Zeit so geregelt gewesen, dass die Presbyter einen aus ihrer Mitte wählten und weihten. Vielleicht hatte Alexander dieses Verfahren geändert, um den Presbyter Arius und andere außen vor zu lassen. Möglicherweise wollte er auch seinem Diakon Athanasius zur Nachfolge verhelfen. Beides war möglich, wenn man eine Bischofswahl für Alexandria durch Amtsbrüder aus Ägypten durchführen ließ.11 Alexander hatte dieses neue Verfahren durch das Konzil von Nicäa bestätigen lassen. Dies könnte erklären, weshalb es von Anbeginn an Widerstand im Klerus gegen Athanasius gab und unsere Quellen derart Widersprüchliches über die Wahl schildern.

So berichtet Sozomenus, dass nach dem Tod des Bischofs Alexander 54 Amtsbrüder aus ganz Ägypten zusammengekommen seien, um die Nachfolge Alexanders zu bestimmen. Sie vereinbarten unter Eid, in gemeinsamer Abstimmung den neuen Bischof Alexandrias zu wählen. Sie verpflichteten sich gleichfalls eidlich dazu, vor der Wahl eine sorgfältige Prüfung der Kandidaten vorzunehmen. Dabei muss es zu Problemen gekommen sein, von denen wir nichts erfahren. Auffällig ist aber der lange Zeitraum von fast zwei Monaten, der zwischen dem Tod Alexanders und der Weihe des Athanasius lag. Von dem genannten Beschluss, so wird berichtet, seien sieben12 Bischöfe abgewichen und hätten heimlich und schnell Athanasius geweiht. Die Siebenzahl taucht interessanterweise auch in einem Schreiben auf, das Athanasius selbst zitiert, um zu zeigen, wie böswillig seine Gegner argumentieren: „Nach dem Tod Alexanders war es nur eine kleine Zahl von Bischöfen, die an Athanasius dachte; sechs oder sieben von ihnen weihten ihn heimlich an einem geheimen Ort.“13

|49|Gelegentlich ist auch nur von zwei Bischöfen die Rede, welche die Weihe vollzogen haben sollen. Der Kirchengeschichtsschreiber Philostorgius, ein Gegner des Athanasius, beschreibt dessen Weihe wie folgt: Nach dem Tod Alexanders waren die Stimmen für den neuen Bischof geteilt und der Ausgang der Wahl war für einige Zeit offen. Spät am Abend brach dann Athanasius in die Kirche des heiligen Dionysius ein, wo er auf zwei ägyptische Bischöfe traf. Mit Hilfe seines Gefolges versperrte er die Kirchentür und zwang die Bischöfe, ihn gegen ihren Willen zu weihen. Daraufhin verurteilten die anderen Bischöfe Athanasius.14 Athanasius habe dann allerdings seine Wahl und Weihe dem Kaiser mitgeteilt, woraufhin dieser ihn als Bischof bestätigt habe. Auch solche Erzählungen wurden in Alexandria und außerhalb seit der Wahl des Bischofs verbreitet. Was wirklich geschah, ist nicht mehr zu ermitteln. Dies alles dürfte dem Akt einiges der sonst üblichen Feierlichkeit genommen haben.

Offenbar hatte die Wahl eines Melitianers im Bereich der Möglichkeit gelegen,15 und so schufen die hinter Athanasius stehenden Bischöfe vollendete Tatsachen. Zwar waren vermutlich mehr als die für Notfälle erforderlichen drei Bischöfe bei seiner Weihe anwesend, doch verzichtete man sicherheitshalber darauf, die Zustimmung der übrigen Amtsbrüder einzuholen und ordinierte Athanasius. Als die Melitianer keinen der Ihrigen als Bischof aller Christen in Alexandria durchsetzen konnten, wählten sie sich auch für die Hauptstadt einen eigenen Bischof. Dieser hatte zwar innerhalb der melitianischen Kirche eine untergeordnete Rolle, das Haupt war der Bischof von Memphis, aber schon seine bloße Existenz war den Athanasianern ein Dorn im Auge.

Von der Athanasius-freundlichen Kirchengeschichtsschreibung erfahren wir über ihren Helden das für berühmte Bischöfe Übliche: Athanasius sei durch göttliche Offenbarung seinem Vorgänger angezeigt worden und habe sich gegen die Übernahme des Amtes gewehrt.16 Hierhin gehören auch die Erzählungen über seine frühkindlichen ‚bischöflichen‘ Tätigkeiten (S. 55). Es sind dies Geschichten, die Athanasius wohl wie manch andere selbst in Umlauf setzte, um entsprechenden Vorwürfen, deren Kern nicht zu bestreiten war, zu entgegnen. Das Konzil von Nicäa hatte festgelegt, dass der Bischof Alexandrias von der Gesamtheit der ägyptischen Bischöfe gewählt werden sollte. Weil dies bei Athanasius überhaupt nicht der Fall war, kämpfte er gegen dieses Odium sein ganzes Pontifikat lang.

|50|Da Athanasius die Probleme im Zusammenhang mit seiner Weihe ohne jede Frage bewusst waren, wandte er sich an den Kaiser, um die Bestätigung seiner Wahl zu erhalten und damit seine innerkirchlichen Gegner zu überwinden. Als Beweis für die, wie er es nannte, einmütige Wahl durch das Volk von Alexandria ließ er sich eine Bescheinigung des Stadtrats ausstellen, von der wir gerne wüssten, wie sie ausgesehen hat, dürften doch die Mitglieder in der Mehrzahl Heiden gewesen sein. Die Bescheinigung schickte er an Konstantin und zeigte auf diese Weise seine Wahl an. Der Kaiser musste zweifellos die Wahl der Patriarchen sowie der großen Bischofsstühle, vielleicht sogar alle Bischofswahlen, bestätigen. Darüber hinaus hatte Athanasius allen Grund, derartige staatliche Rückendeckung zu suchen. Bald konnte er ein Glückwunschschreiben Konstantins an die Alexandriner vorlegen, in dem der Kaiser seiner Freude über die von ihm sehnlich gewünschte Eintracht Ausdruck verlieh – offensichtlich hatte der Bischof die Tatsachen in seinem Brief an den Kaiser stark geschönt. Erst als Konstantin die Wahl des Patriarchen anerkannt hatte, war die Angelegenheit entschieden: Athanasius war rechtmäßiger Bischof Alexandrias. Nun erst stimmten viele der übrigen Bischöfe Ägyptens der Wahl nachträglich zu; allein die Melitianer versagten Athanasius die Anerkennung und wählten wie erwähnt einen Gegenbischof. Athanasius erwies sich bereits in diesen Anfängen seiner bischöflichen Tätigkeit als politisch skrupellos agierender Kopf, wenn es um die eigene Person – und den aus seiner Sicht rechten Glauben – ging.

Athanasius der Große

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