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1. Kapitel

Jamima Kerr starrte verblüfft das Schott in der Stahlwand an. War es schon früher hier gewesen? Sie warf einen Blick auf die Skizze, die sie angefertigt hatte. Nein, definitiv nicht! Als sie vor zwei Monaten zuletzt durch diesen Gang schwebte, hatte es hier keinen Durchgang gegeben. Die Reparaturmechanismen des Jahrtausende alten Wracks funktionierten nach wie vor. Sie ergänzte das Schott auf ihrem Plan und schrieb das Datum daneben.

Es war eine umständliche Art, das Innere des riesigen Raumschiffes zu dokumentieren, dem sie aus einem Impuls heraus den Namen Uruvela gegeben hatte. Aber alle hochwertigen elektronischen Hilfsmittel versagten hier drinnen. Deshalb trug Jamima einen uralten, klobigen Raumanzug, der nur über die einfachsten Funktionen verfügte. Bei ihrem ersten Versuch, in dieses Wrack einzudringen, wäre sie beinahe umgekommen. Ihr moderner Schutzanzug hatte von einem Moment zum nächsten alle lebenserhaltenden Systeme abgeschaltet. Eine Ursache dafür hatte sie bisher nicht finden können.

Sie schwebte zu dem Schott und drückte mit der Hand leicht dagegen. Selbst durch die dicken Handschuhe glaubte sie zu spüren, wie etwas auf den Druck reagierte. Vermutlich prüfte ein Kontrollmechanismus, ob sie befugt war, die Räume dahinter zu betreten. Nur die wenigsten Schotte im Schiff öffneten sich für sie. Anhand ihrer Skizze wusste Jamima, dass sie nur Zugang zu den Außenbereichen hatte, aber nicht ins Innere. Dort befanden sich wahrscheinlich die Zentrale und die Energieversorgung.

Das Schott glitt auf und gab den Weg frei in einen Hangar von gewaltigen Ausmaßen. Anders als in den Gängen gab es hier kein Licht. Nur die Scheinwerfer an Jamimas Raumanzug beleuchteten die bizarre Szene.

Dutzende kleiner Beiboote und Shuttles lagen durcheinander, alle mehr oder weniger stark beschädigt. Die Decke der Halle wies ein unregelmäßiges Muster auf. Treffer von Energiewaffen waren hier durchgeschlagen, aber das Schiff hatte die Löcher in seiner Hülle wieder verschließen können.

Langsam schwebte Jamima zwischen den Überresten hindurch. Manche der Fahrzeuge sahen quaderförmig aus wie das Wrack selbst, andere glichen geflügelten Pfeilspitzen und dürften für Flüge in der Atmosphäre von Planeten geeignet gewesen sein. Diejenigen, die zu Klumpen aus Metall und Schlacke zerschmolzen waren, nutzten ihr mehr. Aber einige wenige schienen so weit intakt, dass Jamima sie als mögliche Fundorte für Geräte und wertvolle Legierungen in ihre Skizze eintrug. Bei denen lohnte es sich, sie später genauer anzusehen.

Falls das Wrack es ihr erlaubte, würde sie das Material zu bergen versuchen. Das war immer ein Glücksspiel. Manchmal, wenn sie nach stundenlanger Arbeit ein Stück Altmetall freibekam, öffnete sich einfach das Schott zum Ausgang nicht mehr. Ließ sie das Metall zurück, so konnte sie den Fundort problemlos verlassen. Auf diese Weise gab ihr die Uruvela zu verstehen, was erlaubt war und was nicht.

Weil die starken Scheinwerfer ihres Raumanzugs immer wieder Reflexe auf dem Metall erzeugten, bemerkte Jamima erst nach einiger Zeit ein blinkendes Licht.

Es erschreckte sie. Noch nie hatte sie hier ein Signal gesehen! Sie stieß sich mit den unförmigen Stiefeln ab und schwebte langsam auf die Lichtquelle zu. Die war nahtlos eingelassen in die Mitte einer großen, kreisförmigen Vertiefung in der hinteren Wand des Hangars. Es sah aus, als würde das Metall selbst das Licht ausstrahlen.

Jamima drückte ihre Handfläche in die Vertiefung. Als sie eine angenehme Wärme spürte, zuckte sie zurück. Die Sensoren im Handschuh dieses alten Raumanzugs konnten gar keine Temperaturempfindungen vermitteln! Was ging hier vor?

Das blinkende Licht erlosch. Ein langsam größer werdender Bereich der Wand begann, stetig zu leuchten. Die Struktur des Metalls veränderte sich von einer Art porösem Stahl, aus dem das ganze Riesenschiff gebaut war, in so etwas wie selbstleuchtende Bronze.

Jamima hatte das noch nie erlebt. Wieder einmal ärgerte sie sich darüber, dass sie hier drinnen nicht mit modernen Messgeräten arbeiten konnte. Zwar besaß ihr Raumanzug ein Warngerät für die üblichen Bedrohungen im freien Raum, also harte Strahlung, Überhitzung, große Kälte. Mehr aber auch nicht.

Als die leuchtende Fläche einen Durchmesser von beinahe drei Metern erreicht hatte, wuchs sie nicht weiter. Noch einmal erstrahlte sie in hellem Licht - dann entstand an dieser Stelle eine runde Öffnung. Seltsam, dachte Jamima, alle anderen Durchgänge im Wrack sind quadratisch. Diese Form schienen die Erbauer zu bevorzugen. Rund waren nur die Krater in der Außenhülle, die von Treffern ihr unbekannter Waffen stammten. Die Uruvela musste vor vielen tausend Jahren während eines Kampfes schwer beschädigt worden sein. Ihre Oberfläche glich stellenweise der eines von Meteoriteneinschlägen gezeichneten Mondes.

Jamima schwebte vor der neu entstandenen Öffnung. Allzu waghalsig durfte sie nicht sein, denn sie war wie immer alleine. Draußen neben dem Wrack wartete ihr eigenes Schiff auf sie, die Darong. Aber die KI der Darong konnte ihr hier drinnen nicht helfen. Schon deshalb, weil es keine Möglichkeit gab, über Funk Kontakt aufzunehmen. Auch sonst würde ihr niemand zu Hilfe kommen, falls etwas schief ging. Kein Mensch wusste, wo sie war. Sie hatte das Wrack vor fünf Jahren entdeckt und kehrte seitdem immer wieder zu ihm zurück, um es weiter zu erforschen und auszubeuten.

An wertvollen Legierungen und seltsamen Geräten konnte sie bei ihren Besuchen nur vergleichsweise wenig davonschleppen. Aber selbst das hatte sie fast schon reich gemacht. Außer bei ihrem allerersten Versuch, hier einzudringen, war sie nie in eine lebensgefährliche Situation geraten. Trotzdem war sie sich jederzeit der Gefahren bewusst, die ihr drohten. Und sei es nur, dass irgendein Schott sich nicht mehr öffnete und sie erstickte, sobald sich ihr Sauerstoffvorrat erschöpfte.

Bei genauerem Hinsehen erkannte sie ein leichtes Flimmern in der Öffnung. Offenbar schützte sie ein Energiefeld. Jamima holte ein kleines Metallstück von einem der zerstörten Beiboote und warf es in die Öffnung. Es flog durch das Flimmern hindurch und landete in dem Korridor dahinter.

Ein Blick auf ihre Skizze bewies Jamima, was sie sich gleich hätte denken können: Der röhrenförmige Gang führte auf das Zentrum des Wracks zu. Dorthin zu gelangen war es schon wert, ein gewisses Risiko einzugehen.

Sie wollte gerade durch die Öffnung schweben, als ihr klarwurde, was sie gesehen hatte. Das Metallstück war im Gang gelandet! Folglich herrschte dort Schwerkraft. Bisher war sie nirgendwo im Schiff auf Bereiche gestoßen, in denen die Schwerkraftaggregate noch funktionierten.

Der Übergang von Schwerelosigkeit in Schwerkraft war immer problematisch. Schon so mancher Raumfahrer hatte dabei Verletzungen erlitten. Jamima drehte sich so, dass ihre Füße dorthin zeigten, wo drinnen das Metallteil lag. In diese Richtung wirkte die künstliche Gravitation, dort war also unten. Dann winkelte sie die Knie an und streckte die Arme aus. So schwebte sie langsam durch das flirrende Energiefeld. Ihre Vorsicht zahlte sich aus. Sie konnte sich abfedern, als sie in das Schwerefeld kam, landete aber trotzdem heftig mit einem lauten Knall auf allen vieren. Vermutlich hatte sie sich einige blaue Flecke zugezogen, doch der Anzug verhinderte Schlimmeres.

Die Außenmikrofone des Raumanzugs übertrugen das Geräusch. Das bewies, dass in dem Gang Atmosphäre vorhanden war. Leider konnten ihre Messgeräte nur den Druck feststellen, aber nicht die Zusammensetzung. Jamima riskierte es daher nicht, den Helm abzunehmen.

Sie richtete sich auf und machte einige vorsichtige Schritte. Wenn sie die Masse des klobigen Raumanzugs berücksichtigte, so befand sie sich in einem Schwerefeld, das deutlich schwächer war als ein Gravo. Ob das dem entsprach, was die Erbauer des Riesenschiffs angenehm fanden, oder eine Folge von teilweise defekten Aggregaten, wusste sie nicht. Der Gang war mit drei Meter Durchmesser sicherlich für den Transport von Lasten ausgelegt. Die üblichen quadratischen Schotte im Schiff hatten eine Höhe von etwas über zwei Meter. Also waren sie für Wesen ähnlich groß wie Menschen gedacht gewesen.

Der Gang führte rund fünfzig Meter geradeaus. Dort mündete er in einen Quergang, der ebenfalls röhrenförmig war, aber einen noch größeren Durchmesser hatte. Überall herrschte das gelbliche Licht, das Jamima aus manchen anderen Bereichen des Schiffes kannte. Es ließ einige Farben seltsam wirken, war aber nicht unangenehm. Auch seine Helligkeit entsprach dem, was ihre menschlichen Augen gewohnt waren.

Nach zwanzig Minuten schweißtreibenden Fußmarschs in dem schweren Anzug erreichte Jamima einen großen Raum. Sofort drückte sie den Auslöser der einfachen Kamera, die sie an ihrem Helm befestigt hatte. Mehrmals. Hier standen schalenförmige Gebilde, die man mit ein wenig Fantasie als Sitze erkennen konnte. Diese Sitze waren alle so ausgerichtet, dass jemand, der darauf saß, direkt auf eine leere Metallwand blickte. Es gab weder Instrumente noch andere technische Geräte. Und doch vermittelte der Raum den Eindruck, hier sei einst gearbeitet worden. Aber von wem und wie?

Nachdem Jamima jeden der sechs Sitze inspiziert hatte, ohne Unterschiede zu erkennen, setzte sie sich auf einen davon.

Ihr Raumanzug wog unter normaler Schwerkraft fast sechzig Kilo und auch bei den Verhältnissen hier war er noch ziemlich schwer. Der Sitz gab spürbar nach. Ob das zu seinen Funktionen gehörte oder durch das Gewicht bedingt war, wusste sie nicht.

Wer waren die Wesen, die einst hier saßen? Ihre Technologie war der menschlichen um Jahrhunderte voraus - mindestens. So ein gewaltiges Raumfahrzeug hatte die Menschheit noch nicht gebaut. Das Wrack war quaderförmig, ungefähr drei Kilometer lang, zwei breit und einen hoch. An einem Ende befanden sich die Überreste von Antriebsaggregaten.

Das Alter des Schiffs lag jenseits von zehntausend Jahren. Wie weit darüber, das hatte man aus den Metallresten nicht entnehmen können, die Jamima zurückgebracht und auf dem Schwarzmarkt verkauft hatte.

Zehntausend Jahre alt, in einem Kampf zu einem Haufen Schrott geschossen - und doch funktionierte noch erstaunlich viel hier drinnen. Das sprach für autonome Einrichtungen für die Selbstreparatur. Sie arbeiteten weiter, solange sie mit Energie versorgt wurden..

Während Jamima sich erholte, veränderte sich die Metallwand. Als es ihr auffiel, war ihr erste Impuls, aufzuspringen und zu fliehen. Aber dann erkannte sie, dass es sich nur um eine Art Bildschirm handelte. Er wies eine Diagonale von gut drei Metern auf und zeigte die Halbkugel eines von einer Sonne beschienenen Planeten. Es war ein Gasriese, der keine Besonderheiten aufwies. Das Bild wanderte weiter in den leeren Raum hinein, wobei aber der Planet immer am Rand des Blickfelds blieb. Es war eindeutig nicht das Sonnensystem, im dem sich dieses Wrack befand.

Dann erschien etwas anderes. Im ersten Moment dachte Jamima an eine Störung. Bläulich glitzernder Staub verdeckte eine Hälfte des Bilds. Innerhalb dieser Staubwolke entstanden Ballungen, die seltsame Formen annahmen und dann wieder zerfielen. Mangels eines Maßstabs konnte Jamima nicht erkennen, wie groß diese Elemente waren.

Die fotografisch genaue Darstellung auf dem Bildschirm verschwand wieder, eine Zeichnung erschien. Linien und unleserliche Angaben wurden in eine Draufsicht des Sonnensystems eingeblendet, ebenso das Gebiet mit dem bläulichen Staub.

Ein kleiner Punkt kam dazu. Er erschien aus dem Nichts und wurde langsam größer. Sein Bewegungsvektor wurde als Strich dargestellt und streifte die Staubwolke.

Gebannt sah Jamima zu, wie dieser Punkt allmählich Konturen annahm. Erregt sprang sie auf. Das war ein Raumschiff! Im ersten Moment hielt sie es für einen interstellaren Frachter, wie ihn die Trader gerne nutzten. Aber es war größer und offenbar schneller. Vielleicht handelte es sich um einen der neu entwickelten Explorer.

Falls die Darstellung auf dem Bildschirm in Echtzeit erfolgte, würde das Schiff noch einige Stunden benötigen, bis es das Gebiet mit dem Staub erreichte.

Die Grafik schien Jamimas Gedanken zu kennen, denn sie stellte nun eine verkleinerte Zeichnung des Schiffes dar. Diese bewegte sich schnell auf das blaue Gebiet zu. Dort erschienen erneut Zusammenballungen, doch diesmal wirkten sie deutlicher. Sie rasten dem gezeichneten Raumschiff entgegen, durchschlugen seine Hülle und zerstörten es.

Immer wieder lief diese Sequenz über den Bildschirm wie eine Warnung.

Jamima wäre am liebsten losgerannt, um die Besatzung des Explorers zu warnen. „Wo?“, schrie sie verzweifelt. Noch einmal änderte sich wie auf ihren Wunsch hin die Grafik. Eine Übersichtsdarstellung mehrerer Sonnensysteme erschien. In einem davon war ein Quader eingezeichnet, neben dem ein länglicher Fleck schwebte - das Wrack, in dem sie sich befand, und ihre Darong! Von der Darong aus entstand eine Wellenlinie, die mehrere Sonnensysteme weiter in einem Kreis endete. Deutlicher konnte eine Ortsangabe nicht sein.

Jamima fotografierte das Bild und hastete zum Ausgang, so schnell es der Raumanzug zuließ. Sie würde versuchen, von ihrem Schiff aus den Explorer per Hyperfunk zu warnen. Und sie musste natürlich ebenfalls in dieses Sonnensystem fliegen. Selbst wenn sie den Angriff nicht mehr verhindern konnte - vielleicht gelang es ihr ja, Überlebende zu bergen.

Mehr als eine halbe Stunde benötigte Jamima, bis sie in der Darong war. Sie setzte sich ans Funkgerät, doch niemand antwortete auf ihre warnenden Sendungen.

Die KI der Darong berechnete den Sprungvektor, das Schiff beschleunigte und verschwand im Hyperraum.

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