Читать книгу PERSEUS Achat-Seele - Manfred Rehor - Страница 7

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4. Kapitel

Über der Ortungskonsole der Jool drehte sich langsam die dreidimensionale Karte eines Randbezirks der Perseuskolonie. Sie zeigte Dutzende von Sonnen, neben denen nur bei wenigen ein Name eingeblendet war.

„Dorthin“, sagte Brendan und deutete auf einen gelben Stern mit der Bezeichnung Tukayi. Warum ihm gerade dieser aufgefallen war, wusste er selbst nicht. Ein Gefühl sagte ihm, dahin zu fliegen sei die einzig richtige Entscheidung.

Die Jool befand sich auf dem Weg zu einem der äußersten von Menschen besiedelten Planeten, Arion III. Es gab verschiedene Sprungpunkte, die sie nutzen konnte. Wegen der vergleichsweise großen Zahl von Hyperkristallen in ihrem Triebwerk war die Raumyacht nicht gezwungen, im Zickzack dem offiziell freigegebenen Kurs zu folgen.

Koumeran runzelte die Stirn. „Gibt es etwas Besonderes an dieser Sonne?“

„Ich weiß es nicht“, gab Brendan zu. „Mir ist so, als würde sie anders aussehen als die übrigen.“

Jool, gibt es Unterschiede in der Projektion?“

„Nein, Koumeran“, antwortete die KI mit der ihr eigenen rauen Frauenstimme. „Die Farbe und Leuchtkraft der Sonnen in dieser Darstellung habe ich so gewählt, dass reguläre Sprungpunkte weiß sind, von Prospektoren gemeldete gelb und alle anderen rot. Es gibt zwischen hier und dem Arionsystem acht gelb markierte Sonnen, die in dieser 3D-Karte absolut identisch dargestellt werden.“

„Also bildest du dir etwas ein, Brendan“, folgerte Koumeran.

„Möglich. Aber warum sollte ich nicht auf die Eingebung hören? Was spricht gegen diesen Sprungpunkt, Jool?“

„Er ist wie alle, die von den Prospektoren in die Karten eingetragen wurden, unsicherer als die von der Regierung geprüften. Aber das Risiko, beim Sprung schwer zu havarieren, dürfte unter einem Promille liegen.“

„Eins zu tausend?“ Koumeran runzelte die Stirn. „Wieso sollten wir uns darauf einlassen? Wir haben Zeit genug. Niemand zwingt uns, den kürzesten Weg nach Arion III zu nehmen.“

„Trotzdem, wir tun es“, entschied Brendan. „Jool, berechne den Sprungvektor.“

Koumeran schwieg und Brendan nahm das als Zustimmung zu seiner Entscheidung. Drei Stunden später erreichten sie das Sonnensystem Tukayi.

„Empfange Notruf über normalen Funk“, meldete die Jool. „Unsere Ortung ist teilweise gestört. Hyperraumfunk ist ausgefallen. Ich empfehle euch, die Raumanzüge anzulegen und euch auf einen Notfall vorzubereiten.“

Brendan hatte ebenso wie sein Freund schon so oft in schwierigen Situationen erlebt, dass er über die notwendigen Handgriffe nicht mehr nachdenken musste.

„So viel zu deinen Eingebungen!“, rief Koumeran, während er den leichten Raumanzug überstreifte, und ergänzte das noch durch einige Flüche.

Brendan nahm es ihm nicht übel. Er entschuldigte sich aber auch nicht für seinen Einfall. Denn die Alarmmeldung der KI bewies, dass hier jemand ihre Hilfe benötigte.

„Kontakt mit dem Erkundungsschiff Seeker“, meldete die KI. „Der Kapitän behauptet, dass das Schiff angegriffen wird. Seine Erklärung kann ich aber nicht nachvollziehen; ... Funkverbindung soeben wieder abgerissen. Es gibt Störungen im elektromagnetischen Bereich hier im System.“

„Ari ist an Bord der Seeker!“, rief Brendan. Jetzt war das kein gewöhnlicher Notfall mehr für ihn. „Jool, nimm Kurs auf das Schiff. Wir müssen helfen. Aber wer sollte es angreifen? Die H'Ruun haben uns doch bisher nichts getan. Ist eine Fregatte der Söldner hier im System? Es könnte sein, dass die sich wegen der Vorfälle auf Wolkental an Ari rächen wollen.“

„Ich kann kein weiteres Raumfahrzeug orten. Aufgrund der Störungen ist jedoch nicht auszuschließen, dass trotzdem eines vorhanden ist. Wir erreichen die Seeker in einer Stunde. Jetzt ist eine optische Erfassung möglich. Ich lege das Bild auf den Schirm.“

Erschrocken sah Brendan die Einschläge in der langgezogenen Struktur des Erkundungsschiffs. Kleine Teile trieben von dem Schiff weg, Trümmerstücke offenbar. Aber der Bug, in dem sich gewöhnlich die Besatzung und die Wissenschaftler aufhielten, war unbeschädigt. Brendan atmete erleichtert auf.

„Ich konnte soeben einen Treffer beobachten, der einen der Container streifte“, meldete die KI. „Die Art des Aufpralls spricht für einen festen Körper als Angriffswaffe. Aber es war keiner zu erkennen.“

„Wir müssen mit der Seeker reden“, sagte Koumeran. „Steht die Verbindung wieder?“

„Nein. Ich versuche laufend, erneut Kontakt mit ihr zu bekommen. Das Schiff sendet auch keine Notrufe mehr.“

Brendan konnte die Augen nicht von dem Bild der Seeker abwenden. Er sagte: „Wir müssen andocken und nachsehen. Vielleicht können wir Verletzte an Bord nehmen.“

„Damit geraten wir in das Schussfeld des unbekannten Gegners“, wandte die KI ein. „Die Jool ist zwar besser geschützt als das Erkundungsschiff, aber solange wir nicht wissen, mit welchen Waffen es angegriffen wird, sollten wir uns nicht zu weit annähern.“

In diesem Moment spürte Brendan eine Bedrohung, die unbestimmt blieb, aber überall um ihn herum zu sein schien. Er horchte in sich hinein. War das eine Warnung? Er verfügte über seltsame Fähigkeiten, auch wenn er selbst sie meist nicht gezielt einsetzen konnte. Aber falls er Commander Vendaar vom militärischen Geheimdienst auf Gaia Glauben schenkte, dann ermöglichten ihm diese Fähigkeiten in eine gewisse Verbindung mit anderen Wesen. Das hatte er bei den magischen Kristallen auf Chenderra ebenso erlebt wie bei der Begegnung mit der intelligenten Ökosphäre des Planeten Wolkental. Hatte er jetzt einen Kontakt auf geistiger Ebene mit den Angreifern?

Er wollte gerade etwas darüber zu Koumeran sagen, als das Gefühl deutlicher wurde. Nun empfand er die Bedrohung nicht mehr allgemein; sie galt ihm persönlich. Jemand machte sich bereit, ihn anzugreifen. Brendan fühlte sich, als gehe er durch eine dunkle, leere Straße und spüre plötzlich, dass irgendwo jemand mit einer Waffe auf ihn lauerte. Aber wie sollte er darauf reagieren?

Eine kurze Erschütterung ging durch die Struktur der Jool.

„Treffer an einem der Triebwerksausleger“, meldete die KI. „Nur geringe Schäden. Herkunft und Art des Gegenstandes, der uns getroffen hat, sind nicht feststellbar.“

„Weg hier!“, rief Koumeran. „Solange unklar ist, wer mit welchen Waffen auf uns schießt, sind wir hilflos.“

Brendan wusste, dass sein Freund Recht hatte, denn eine beschädigte Jool würde der Seeker nicht helfen können. Aber etwas in ihm widersprach dieser logischen Schlussfolgerung. Etwas sagte zu ihm, dass er gegen den unbekannten Angreifer kämpfen konnte. „Nein!“, rief er. „Wir gehen näher an die Seeker heran!“

Ein zweiter Treffer riss ein Loch in die Hülle der Raumyacht, doch die KI meldete, dass die Selbstreparatureinrichtung den Schaden schnell beheben würde. Es waren keine wichtigen Systeme zerstört worden.

Dann verkündete sie: „Immer noch keine konventionelle Funkverbindung mit der Seeker, aber man hat dort die Lage erkannt und uns per Laser kontaktiert. Aufgrund der Entfernung tritt eine Verzögerung von sechzehn Sekunden ein, bitte berücksichtigt das, wenn ihr redet. Ich lege das Gespräch auf die Lautsprecher.“

„Hier Seeker, Kapitän Moo Bramard. Hören Sie mich, Jool?“

„Klar und deutlich, Bramard“, antwortete Koumeran. „Wer greift euch an?“

Sechzehn Sekunden später kam die Antwort: „Eine elektromagnetische Wolke, die sich irgendwie durch Gedanken beeinflussen lässt. Ich übertrage parallel alle Daten, die wir gesammelt haben, über die Laserfunkstrecke an eure KI.“

„Gibt es Verletzte an Bord?“, fragte Brendan und wartete in höchster Spannung auf die Antwort.

„Bisher ein Toter, keine weiteren Opfer. Arianna Bold versucht, die Angriffe mit Hilfe ihrer Vorstellungskraft abzuwehren, aber es gelingt ihr nicht immer. Ich habe offen gesagt keine Ahnung, was hier eigentlich vor sich geht. Es widerspricht alles dem gesunden Menschenverstand.“

Die KI der Jool meldete: „Daten erhalten und ausgewertet. Ich verfüge über einige Hintergrundinformationen bezüglich der Vorfälle in der Nähe von Wolkental, die die Seeker nicht in ihren Datenbanken hat. Deshalb kann ich jetzt definitiv sagen, dass es sich bei dem Phänomen um dieselbe Art von elektromagnetischen Feldern handelt, die auftraten, als die Flotte der H'Ruun dort aktiv war.“

„Die Praan-Saat!“, rief Brendan überrascht. „Der intelligente Planet Wolkental konnte sie abwehren. Aber wir haben nicht herausgefunden, um was es sich dabei handelte.“

„Was auch immer es sein mag“, sagte Koumeran, „wir können es jetzt nicht mehr ignorieren, wir müssen es bekämpfen. Wie macht Ari das genau?“

Moo Bramard fühlte sich angesprochen. Da die Jool in der Zwischenzeit näher bei der Seeker war, hatte sich die lästige Zeitverzögerung merkbar verringert. Er sagte: „Sie hat das Gefühl, jemand will sie mit einer Waffe töten. Also stellt sie sich vor, wie sie diesen Angriff abwehrt, indem sie sich umwendet und den Arm des Angreifers beiseite drückt. Das scheint zu bewirken, dass ein virtuelles Geschoss, das auf die Seeker zurast, ebenfalls abgelenkt wird. Ari kann nicht selbst mit euch sprechen, weil dieser Vorgang ihre ganze Konzentration beansprucht. Unter uns gesagt fürchte ich, dass sie das nicht mehr lange durchhalten wird.“

„Unsere Anwesenheit verteilt die Angriffe auf zwei Ziele“, sagte Brendan. „Das sollte der Seeker Luft verschaffen und Ari entlasten.“

„Leider wissen wir nicht, wie ausdauernd das Phänomen ist. Es scheint keine Energiequelle zu besitzen und funktioniert trotzdem. Was ist, wenn es unbegrenzt lange diese Projektile gegen uns schicken kann und weiterhin den Hyperfunkverkehr stört, so dass wir keine Hilfe herbeirufen können?“

„Könnt ihr fliehen?“

„Nein. Die Sprungtriebwerke funktionieren ebenfalls nicht. Einmal ganz davon abgesehen, dass ein Sprung ohne korrekten Kursvektor uns erst recht ins Verderben reißen könnte.“

Brendan horchte in sich hinein. Das Bild, das Bramard eben beschrieben hatte, passte nicht zu dem, was er fühlte. Die Bedrohung war für ihn weniger konkret, als Ari sie offenbar empfand - eher unbestimmt, lauernd, heimtückisch. „Ich versuche, Ari zu helfen“, sagte er zu Koumeran. „Geh noch näher an die Seeker heran. Vielleicht ist es abhängig von der Position, wie man diese elektromagnetische Wolke wahrnimmt.“

„Erneut ein Treffer an der Jool“, meldete die KI. „Wieder nur geringe Schäden. Offenbar fällt es dem Phänomen wesentlich schwerer, uns zu treffen als die Seeker. Dabei könnte die Größe der Raumyacht eine Rolle spielen. Ebenso die Tarnausstattung, die auf Anweisung von Commander Vendaar eingebaut wurde. Dank der Angaben der Seeker bin ich jetzt ebenfalls in der Lage, den Angreifer anhand von Störungen der optischen Erfassungsgeräte zu identifizieren.“

Sekunden bevor die KI mit dieser Durchsage begann, hatte Brendan einen Stich gespürt. War das seine Reaktion auf den Treffer, der das Schiff beschädigt hatte? Er horchte in sich hinein und versuchte, sich so genau wie möglich an das Gefühl zu erinnern. Ja, da war etwas. Ein Bild entstand vor seinem inneren Auge. Eine Unwetterwolke, aus der dicke Hagelkörner auf ihn herunterregneten. Er konnte sich vor den meisten schützen, aber eines hatte ihn getroffen.

Brendan hielt an diesem Bild fest und versuchte, mit Hilfe seiner Fantasie eine Gegenmaßnahme zu ersinnen. Er war sicher, dass sein Unbewusstes dann die nötigen Schlüsse daraus ziehen würde und erkannte, auf welchem Wege auch immer man den Angreifer abwehren konnte.

Erst dachte er an einen Regenschirm, aber das war zu profan. Dann stellte er sich vor, wie die Hagelkörner ihre Flugbahn verließen und rund um ihn herum zu Boden fielen, ohne dass er getroffen wurde. Dieses Bild fühlte sich gut an und er baute die Vorstellung weiter aus. Er hörte das Prasseln der Körner und zitterte in dem eiskalten Wind, der sie vor sich hertrieb.

Wie lange er sich schon mit geschlossenen Augen konzentrierte, wusste er nicht. Aber er hörte schließlich Koumerans Stimme.

„Brendan, was auch immer du tust, es scheint zu wirken. Die Seeker wird zwar in größeren Zeitabständen noch getroffen, aber die Jool nicht mehr. Weiter so!“

Die Seeker wird weiterhin angegriffen, dachte Brendan. Konnte er die Hagelkörner auch von ihr fernhalten? Nein, denn er sah sie nicht in dem Bild, das er sich machte.

Während er noch darüber nachdachte, veränderte sich seine Vorstellung von der Unwetterwolke. Sie wurde dunkler und mächtiger - und sie sank langsam, aber erkennbar, auf ihn herab.

Eine neue Art des Angriffs, dachte er, und stellte sich vor, wie die Wolke wieder höher stieg. Ihre Geschwindigkeit konnte er dadurch aber nur ein klein wenig beeinflussen.

„Das Phänomen bewegt sich auf uns zu und wird gleichzeitig dichter“, meldete die KI. „Seine Geschwindigkeit steigt exponentiell an. Zusammentreffen in drei bis fünf Minuten.“

Verzweifelt kämpfte Brendan gegen die Unwetterwolke, die seine Fantasie ihm ausmalte. Doch er konnte sie nicht zurückdrängen. Da fuhr ein Blitz aus ihr heraus und schlug neben ihm ein.

Seeker schwer getroffen“, meldete die KI. „Zusammenstoß mit dem Phänomen in zwanzig Sekunden.“

Im nächsten Moment spürte Brendan die Wolke rund um sich herum. Sie versuchte, ihm die Luft abzuschnüren und ihn zu erdrücken. Er wehrte sich mit allen Mitteln, aber erfolglos.

Als er schon glaubte, den Kampf zu verlieren, kam ihm die rettende Idee. Er stellte sich vor, er sei sehr viel größer als die Unwetterwolke. Als sie so klein schien, dass er sie mit beiden Händen greifen konnte, nahm er sie und versuchte, sie zu zerquetschen. Die Wolke fühlte sich an, als wäre sie aus scharfkantigen Sandkörnern zusammengesetzt. Es schmerzte, gegen sie zu drücken, aber Brendan gab nicht nach. Er würde sterben, wenn er unterlag.

Unvermittelt spürte er die Nähe einer Frau, die bisher nicht da gewesen war. Brendan hatte das Gefühl, sie zu kennen, ohne zu wissen, woher. Die Fremde stellte keine Gefahr dar, deshalb ignorierte er sie und kämpfte weiter gegen die Wolke.

Es dauerte nur noch Augenblicke, bis deren Widerstand brach. Er konnte sie zusammendrücken, bis aus ihr ein kleines festes Objekt wurde, das keinerlei Gegenwehr mehr leistete.

Der Angriff war abgewehrt.

Brendan öffnete die Augen und wollte Koumeran sagen, es sei alles vorüber. Aber in der Jool war es dunkel. Nur dank der Reflexionen der Signallichter von Koumerans Raumanzug konnte er erkennen, dass er sich überhaupt noch in der Zentrale seiner Raumyacht befand.

Ihm wurde übel. Er spürte, wie er zu Boden fiel, dann verlor er das Bewusstsein.

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