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3. Kapitel

Über das Panoramafenster der Seeker, durch das Ari eben noch die fremden Sternenkonstellationen bewunderte, schob sich eine schützende Stahlblende. Die Schotte der Zentrale schlossen sich automatisch. Farbige Warnleuchten wiesen den Weg zu den Spinden mit den Raumanzügen für den Fall, dass die Energieversorgung zusammenbrechen sollte oder ein Leck auftrat.

„Meteoriteneinschlag in Container drei“, meldete die KI. „Oder ein vergleichbarer Treffer. Der Container wurde versiegelt.“

„Ich denke, hier gibt es keine Meteoriten“, sagte Ari.

„Etwas hat unseren Schutzschirm durchdrungen und ist mit hoher Geschwindigkeit gegen den Container geprallt“, erklärte die KI. „Näheres ist noch nicht bekannt.“

„Spielen unsere Ortungsgeräte jetzt auch verrückt?“, fragte Moo.

Wieder war ein dumpfes Dröhnen zu hören, das durch die Struktur des ganzen Schiffes drang.

„Zweiter Treffer“, meldete die KI. „Weder messtechnisch noch optisch ließ sich ein Gegenstand erkennen, der sich uns näherte. Trotzdem ist ein Leck ins Heckteil der Mittelspindel gerissen worden. Es ist nicht groß und wird in wenigen Minuten durch die Selbstreparatur wieder verschlossen sein. Ich empfehle, das Schiff auf Notfälle vorzubereiten, da der nächste Treffer lebenswichtige Aggregate beschädigen könnte.“

„Okay, Alarm für das ganze Schiff.“

Ari wusste, was jetzt vor sich ging: Kleine Fusionsreaktoren, die überall verteilt standen, wurden hochgefahren, um bei Bedarf sofort den Ausfall eines der großen Reaktoren im Heck kompensieren zu können. Redundante Lebenserhaltungssysteme in den einzelnen, nun voneinander abgeschotteten Sektoren der Seeker nahmen ihre Arbeit auf.

„Legt die Schutzanzüge an und bereitet die Beiboote für eine Evakuierung vor“, befahl Moo. „Solange wir nicht wissen, von was wir getroffen werden, müssen wir auf alles vorbereitet sein.“

Die Spinde mit den leichten Raumanzügen standen in einem Nebenraum der Zentrale. Ari zwang sich abzuwarten, bis die übrigen Besatzungsmitglieder fertig waren. Da sie keine offizielle Funktion an Bord hatte und in den Notfallplänen für keine Station eingeteilt war, ließ sie ihnen den Vortritt.

Erst, als die letzten den Nebenraum verlassen hatten, ging sie hinein und griff sich einen Anzug. Es gab drei Standardgrößen, die sich flexibel dem Körper des Trägers anpassten. Das schnelle Anlegen solcher Schutzanzüge gehörte zu den immer wieder geübten Alarmroutinen an Bord jedes Raumschiffes. Sie saßen bequem genug, um lange getragen zu werden. Trotzdem boten sie umfassenden Schutz und stellten ausreichend Sauerstoff bereit, um mehrere Stunden im freien Raum zu überleben.

Gerade als Ari die Funktionsfähigkeit des eingebauten Servicepacks überprüfte, überkam sie ein seltsames Gefühl. Jemand Fremdes lauerte hier, genau hinter ihr! Sie sah sich um, aber sie war alleine. Doch der Eindruck blieb. Wohin sie sich auch wandte, es kam ihr immer so vor, als stehe jemand hinter ihr und ... Ja, was? Holte mit einer Waffe aus, um sie zu töten? Das war der erste, instinktive Eindruck, den sie hatte. Aber das konnte nicht sein. Niemand außer ihr befand sich in dem Raum. Außerdem, wer an Bord sollte schon die Absicht haben, sie zu ermorden, und warum?

Dann begriff sie, dass der unsichtbare Fremde gar nicht auf der Seeker war. Er lauerte draußen im Weltraum. Und sein Angriff galt nicht nur ihr, sondern alle Menschen an Bord.

Ein Schlag ging durch den Schiffsrumpf. Sirenen tönten auf, aber nur kurz. Dann kam die Durchsage der KI: „Treffer im zweiten Beiboothangar. Lieutenant Binger ist tot. Die Überwachungskamera hat den Vorfall aufgezeichnet. Ich lege die Bilder auf den großen Monitor!“

Ari rannte zurück in die Zentrale. Dort starrten alle auf die riesige Bildwand. Sie zeigte das Innere des Beiboothangars im unteren Teil des Bugs der Seeker. Ein Mann, der ebenfalls einen der bordeigenen Schutzanzüge trug, hantierte an einer Schalttafel. Vermutlich war es Lieutenant Binger, zu dessen Aufgaben es im Alarmfall gehörte, das Beiboot startbereit zu machen. Etwas durchschlug mit einem scharfen Knall die Schiffswand und drang in den Hangar ein. Es streifte das Beiboot und riss dabei ein großes Metallstück mit sich, das gegen den Mann prallte und ihn zerschmetterte. Eine Wolke aus Blut bildete sich, die im nächsten Moment wieder verschwand, zusammen mit herumwirbelnden Wrackteilen und dem Körper des Menschen. Alles wurde mit der Atmosphäre hinaus ins Vakuum des Alls gesogen. Was auch immer die Seeker getroffen hatte, es verließ den Schiffsrumpf auf der gegenüberliegenden Seite wieder.

Ari musste schlucken, weil sie einen Kloß im Hals spürte. Der unheimliche Angriff hatte ein erstes Menschenleben gefordert - aber was hatte den Mann getötet?

„Ich konnte nicht erkennen, was die Seeker getroffen hat“, sagte Moo. „KI, Einzelbildaufnahmen ab dem Moment des Einschlags.“

Es war beklemmend. Ari musste sich zwingen, diese Bilder anzusehen. Sie zeigten in allen Details den Vorgang, aber es war immer noch keine Ursache für den angerichteten Schaden zu erkennen. Es war jedenfalls kein materieller Gegenstand mit dem Schiff kollidiert.

„Gibt es Messwerte?“, fragte Moo.

„Nein“, erwiderte die KI. „Aber ich glaube, ich habe einen Hinweis entdeckt. Es sind winzige Störungen in dem Bild, das die Kamera im Beiboothangar aufgezeichnet hat. Ich überzeichne sie und projiziere sie in die Aufnahme hinein.“

Nun konnten es alle sehen. Eine kegelförmige Wolke aus glitzernden Teilchen durchbrach die Bordwand der Seeker. Diese Wolke entwickelte dabei eine Wucht, als handle es sich um einen massiven Gegenstand. Sie streifte das Beiboot und schlug Teile aus ihm heraus, die durch den Raum wirbelten und Lieutenant Binger trafen. Ohne ihre Form nach dem Aufprall zu verändern, flog die kegelförmige Wolke weiter, durchschlug die gegenüberliegende Bordwand und verschwand.

„Aus was bestehen diese Teilchen?“, fragte Ari. „Sie sehen aus wie Staub.“

„Das sind sie aber nicht“, sagte die KI. „Ich wiederhole, keine Materie und keine messbare Energieform sind mit dem Phänomen verbunden. Was zu sehen war, sind Bildstörungen der Kamera, die ich verstärkt habe. Es lässt sich vermuten, dass diese Störungen durch etwas hervorgerufen wurden, das wie ein Pfeil in unseren Schiffsrumpf eindrang. Aber es war nichts Materielles.“

„Bleibt die Frage, ob es sich um ein Naturphänomen handelt oder um einen Angriff“, sagte Moo.

„Dazu kann ich keine Aussage machen, solange mir nicht weitere Informationen vorliegen“, antwortete die KI.

Ari spürte, wie sie eine Gänsehaut bekam. Wieder hatte sie den Eindruck, jemand stehe hinter ihr und wolle sie töten. Sie sah sich um. Keines der Besatzungsmitglieder befand sich in ihrer unmittelbaren Nähe. „Habt ihr auch das Gefühl, jemand Unsichtbares bedroht euch?“, fragte sie laut.

Sie erntete nur Kopfschütteln und mitleidige Blicke.

„Das ist der Stress, Mädchen“, sagte Moo. „Du brauchst dich dafür nicht zu schämen. Wir kennen das alle. Wenn man einige Jahre Erfahrung in der Raumfahrt hat, dann gibt sich das.“

„Ich habe auf Wolkental viele gefährliche Situationen erlebt, ohne dieses Gefühl zu haben“, sagte Ari. Sie merkte, dass ihre Stimme trotzig klang und redete nicht weiter.

Dafür meldete sich die KI: „Ich habe die Kameras der Teleskope überprüft, die in den Forschungscontainern installiert sind. Die Astrophysiker haben damit in den letzten Stunden das ganze Sonnensystem abgesucht. Auch auf einigen dieser Bilder gibt es winzige Störungen, die normalerweise von der Elektronik kompensiert werden. Aber wenn man all die kleinen Bildfehler kombiniert und verstärkt, zeigt sich ein seltsames Phänomen. Ich projiziere jetzt eine dreidimensionale Darstellung des Systems, allerdings nicht maßstabsgerecht.“

Über einer der Konsolen entstand eine Kugel von etwa einem Meter Durchmesser. In ihrem Zentrum schwebte ein gelber Fleck, neben dem „Tukayi“ stand. Ein Symbol zeigte die Position der Seeker an. Der einzige Planet der Sonne, Tukayi I, zog in einiger Entfernung von ihr seine Bahn. Das, was die KI entdeckt hatte, war um ein Vielfaches größer als dieser Gasriese. Es war ein Feld aus glitzernden Punkten, in dem es verschiedene Zusammenballungen gab.

„Ich zoome näher heran“, kündigte die KI an und zeigte einen Ausschnitt am Rand dieses Gebiets. Ein kegelförmiger Teil der Wolke, deutlich dichter als der Rest, war dabei, sie zu verlassen. „Ich habe den Zeitpunkt der Aufnahme und den Kurs dieses Objekts berechnet. Es war für den ersten Treffer verantwortlich, den die Seeker erhielt. Daher gehe ich jetzt von einer feindseligen Handlung aus. Wir werden angegriffen.“

„Aber von was?“, fragte Moo Bramard. „Woraus besteht dieses staubähnliche Zeug?“

„Ich kann nur sagen, woraus es nicht besteht“, entgegnete die KI. „Selbst wenn es Staubteilchen von der Größe eines Zehntelmillimeters wären, müssten wir sie in dieser gigantischen Menge orten können. Wenn also dort überhaupt etwas vorhanden ist, dann sind die einzelnen Bestandteile noch wesentlich kleiner.“

„Aber wenn sie sich zusammenballen, sind sie massiv genug, um den Meteoritenschild der Seeker zu durchdringen und ihre Bordwand zu zerschlagen.“

„So ist es.“

„Welche Abwehrmöglichkeiten haben wir?“

Die kurze Pause, die nun bis zur Antwort der KI folgte, erschreckte Ari. Wusste dieser hochentwickelte Computer etwa auch nicht weiter?

„Ich konfiguriere bereits alle Außenkameras und die Teleskope um. Die winzigen Störungen in den Aufnahmen werden nun sofort registriert und von mir ausgewertet. Eventuell gelingt es so, sich nähernde Objekte dieser Art rechtzeitig genug zu erfassen, um mit den kleinen Railguns Plasmakugeln auf sie zu schießen. Ob sie sich dadurch zerstören lassen, ist fraglich. Aber möglicherweise können wir sie vom Kurs ablenken.“

„Gute Idee. Mynard, alle Energie auf die Waffensysteme. Feuern Sie, sobald es ein Ziel gibt.“

„Das wird nicht genügen“, wandte die KI ein. „Zwischen der Entdeckung und dem Abfeuern einer Railgun dürfen nur Sekundenbruchteile liegen. Ich benötige Feuererlaubnis und Zugriff auf die Bordwaffen.“

„Voller Zugriff auf die Waffensysteme wird erteilt“, sagte Moo ohne lange zu überlegen. Das war etwas, das er bei einer normalen KI niemals tun dürfte und was ihn sogar sein Kapitänspatent kosten könnte, wenn es herauskäme. Doch für den Testflug der Seeker hatte man ihm diese Befugnis erteilt, um die neue KI zu prüfen.

Keine halbe Minute später hörte Ari das erste Mal, wie eine der Waffen in Aktion trat.

„Treffer“, meldete gleich darauf die KI. „Es kommt aber nur zu einer minimalen Kursabweichung des anfliegenden Objekts. Ich würde sagen ... Augenblick bitte, Auswertung läuft ... Auswertung beendet. Die Kursabweichung ist nicht auf das Plasmaprojektil zurückzuführen, sondern auf das elektromagnetische Feld der Railgun. Beides zusammen lässt die Schlussfolgerung zu, dass es sich bei dem Projektil aus der Wolke nicht um ein materielles Phänomen handelt.“

Erneut hatte Ari das Gefühl, jemand stehe mit einem Dolch hinter ihr. Diesmal glaubte sie sogar zu spüren, wie das Gespenst ausholte und sie mit der Waffe zu treffen versuchte. Aber nun verstand sie, was ihr Unbewusstes ihr mitteilen wollte. „Jetzt!“, sagte sie laut. „Gerade ist wieder eines dieser Kegeldinger aus der Wolke gekommen und rast auf die Seeker zu.“

Alle wandten sich erstaunt nach ihr um. Als dann die KI auch noch meldete: „Ich bestätige die Aussage von Arianna Bold“, glomm sogar Misstrauen in den Augen einiger Besatzungsmitglieder auf.

Doch die KI ließ sich von solchen Eindrücken nicht beeinflussen. „Arianna, Sie sagten vorhin, Sie fühlten sich von jemandem bedroht. Man hat Sie auch wegen ihrer latent vorhanden magischen Fähigkeiten an Bord dieses Schiffes beordert. Möglicherweise können die in dieser Situation hilfreich sein. Bitte stellen Sie sich vor, Sie würden die Waffe abwehren, indem sie den erhobenen Arm des Angreifers beiseite drücken. Stellen Sie es sich so intensiv wie möglich vor!“

Arianna tat es. Sie fühlte eine gewisse Erleichterung durch dieses Bild. Sie versuchte, sich gegen den unsichtbaren Angreifer zu wehren, sie war ihm nicht mehr hilflos ausgeliefert.

„Vielen Dank!“, sagte die KI. „Das auf die Seeker zielende Objekt ist von seinem Kurs abgelenkt worden. Und zwar deutlich stärker als das vorherige durch den Beschuss mit der Railgun. Es wird unser Schiff knapp verfehlen.“

Moo sah Arianna mit großen Augen an, während er sagte: „Du kannst diese Dinger alleine durch deine Gedanken beeinflussen? Was bist du? Ein Mensch oder ...?“

Wieder hatte Ari das Gefühl, der unsichtbare Angreifer hole mit dem Dolch aus. Statt Moo zu antworten, schloss sie die Augen und konzentrierte sich.

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