Читать книгу Korpusgestützte Textanalyse - Manfred Stede - Страница 14
2.2.1 Kohäsionsmittel
ОглавлениеWelche sprachlichen Mittel gibt es, um solcherlei Kohäsion herzustellen? Nach Bußmann (2002) handelt es sich „im Wesentlichen um Erscheinungen der Wiederholung, Ersetzung und Verknüpfung.“ Die nachfolgende Liste ist eine Kombination und Ergänzung aus ähnlichen Listen von Halliday u. Hasan (1989), Linke u.a. (1994) und Bußmann (2002). Die Phänomene werden hier nur kurz erwähnt, und die meisten werden in späteren Kapiteln dann ausführlicher behandelt.
RekurrenzRekurrenz bezeichnetKoreferenz nachKohäsion Linke u.a. (1994) die „materielle Wiederaufnahme eines einmal eingeführten Textelements im nachfolgenden Text.“ Dies kann durchgehende Koreferenz (Bezugnahme auf denselben Gegenstand; s.u.) einschließen wie in Beispiel 2.2 mit Vogel oder auch nicht, wie in Beispiel 2.3 (Mutter); der letztgenannte Fall wird häufig als weniger kohäsiv angesehen als der erste.
(2.2) Gestern habe ich einen Vogel beim Nestbau beobachtet. Der Vogel war ganz klein, hat aber trotzdem ziemlich große Zweige angeschleppt. Als Nistplatz hatte sich der Vogel ausgerechnet die Nische über unserem Rollladenkasten ausgesucht.
(2.3) Meine Mutter ist sehr ängstlich und denkt immer gleich das Schlimmste. Annas Mutter ist da viel pflegeleichter: Die lässt ihre Tochter abends auch allein weggehen. So eine Mutter wäre mir ja auch lieber.
Rekurrenz liegt auch vor, wenn zwei Wörter in unterschiedlichen Flexionsformen gebraucht werden, also zum Beispiel zwischen Mutter und Mütter.
SubstitutionSubstitution ist die Wiederaufnahme eines Textelements mit identischem Referenzobjekt, aber unterschiedlicher lexikalischer Realisierung. Typisch für Substitution sind die lexikalischen Relationen der (Quasi-) Synonymie, Hyponomie (Unterbegriff) und Hyperonymie (Oberbegriff). Typischerweise wird bei der späteren Wiederaufnahme ein Hyperonym gewählt: Gegen 19 Uhr trat ein Damhirsch aus dem Wald. Nachdem er die Hasen verscheucht hatte, knabberte der Hirsch genüsslich an den Kleeblättern. Ausnahmen von dieser Tendenz gibt es aber beispielsweise in Nachrichtentexten, wo mit referierenden Ausdrücken bei der Wiederaufnahme auch noch neue Information übermittelt wird, wodurch sich insgesamt kurze, verdichtete Texte erstellen lassen: Ein 43 Jahre alter Mann überfiel die Sparkasse. Der Facharbeiter war mit einer Schreckschusspistole …
(In-)DefinitheitDefinite ArtikelArtikel werden benutzt, um die ‚Zugänglichkeit‘ (engl. accessibility) eines Referenzobjekts zu markieren. Eine Faustregel lautet, dass mit indefiniten Artikeln neue Gegenstände in den Diskurs eingebracht werden, während definite Artikel Anweisungen darstellen, im Kontext nach einem bereits eingeführten Gegenstand zu suchen: Ein Auto kurvte um unser Haus. Nach drei Metern fuhr das Auto gegen eine Ampel. Eine ganz ähnliche Situation, jedoch ohne exakte Referenzidentität, liegt vor, wenn der Gegenstand unmittelbar aus einem im Text bereits eingeführten Gegenstand abgeleitet werden kann, z.B. durch Meronymie (Teil-Ganzes-Relation): Ich habe ein neues Auto. Das Dach ist undicht.
Außerdem ist der definite Artikel angemessen, wenn der Gegenstand im Hörerwissen als eindeutig identifizierbar vorausgesetzt werden kann, wie der Papst oder die Bundesregierung. Auch hier handelt es sich um eine Such-Anweisung, allerdings ist der Suchraum nicht der Text, sondern das Weltwissen des Rezipienten. Ähnlich kann der definite Artikel, verbunden mit einer Zeigegeste, im Gespräch auf einen „real“ vorhandenen Gegenstand verweisen: DEN Vogel habe ich gestern schon mal gesehen! Nun ist der Suchraum die außersprachliche Situation. – Diese beiden Fälle werden mitunter bei der Diskussion von Kohäsion mit behandelt, was aber nicht recht angemessen scheint, eben weil die Verbindung nicht im Text besteht, sondern ein Verweis aus dem Text heraus erfolgt. Den Begriff ‚Kohäsion‘ wollen wir hier allein auf textinterne Verweise beschränken.
Pro-FormenPro-Form sind die verschiedenen Arten der eingangs bereits genannten Pronomina (Personal-, Demonstrativ-, Possessiv-), dazu Pronominaladverbien und einige andere Adverbien wie dort oder da. Die Bezugselemente (oder ‚Antezedenten‘) können einzelne Wörter, Konstituenten, ganze Sätze oder auch Satzgruppen sein: Das war eine kurze Beschreibung des Phänomens ‚Pro-Formen‘. Wir unterscheiden zwischen anaphorischem Gebrauch, bei dem die Pro-Form dem Bezugselement im Text nachfolgt, und kataphorischem Gebrauch, in dem die Pro-Form dem Bezugselement vorausgeht: Bevor sie ins Seminar ging, putzte Maria sich noch einmal die KohäsionNase.
EllipsenEllipse ähneln den Pro-Formen, wobei aber das anaphorische Element hier eine „Leerstelle“ ist. Soll eine Ellipse zu Analysezwecken im Text markiert werden, ist dafür das Symbol ∅ gebräuchlich. Zu unterscheiden sind Substantiv-Ellipsen (Maria trinkt Kaffee mit Milch. Mir schmeckt schwarzer ∅ besser.) und Verb-Ellipsen (Maria trinkt Kaffee mit Milch, und ich ∅ einen Tee.). Im Deutschen ersetzt Elision auch die im Englischen gebräuchliche ‚one-anaphora‘, wobei dann keine Referenzidentität zwischen den Objekten besteht: Diese Kekse sind hart. Wir brauchen frische ∅.
Bußmann (2002) weist darauf hin, dass nicht alle Ellipsen kohäsionsstiftend sind, weil bestimmte Typen syntaktisch motiviert sind. Dazu zählen lexikalische Ellipsen, in denen ein Argument des Verbs qua Weltwissen vom Rezipienten ergänzt wird (Er isst gerade / Die Hühner legen gerade), Infinitivkonstruktionen (Luise hat aufgehört zu rauchen) und Subjekt-Elision in Imperativsätzen (Geh nach Hause!).
Referenzunabhängige lexikalische Assoziation: Die zuletzt besprochenen Phänomene beruhen auf Koreferenz, also auf identischem Bezug der kohäsiv verbundenen Ausdrücke zur „Welt“. Zwischen Lexemen können aber auch referenzunabhängige Assoziationen bestehen, wie oben mit Beispiel 2.3 für den Fall identischer Wörter illustriert. Dies lässt sich zunächst ausdehnen auf Wörter unterschiedlicher Wortart, die aber morphologisch und semantisch eng verwandt sind, wie Mensch und menschlich.
Ein nächster Schritt der Ausweitung führt zu den Synonymen, also nahezu bedeutungsgleichen Wörtern oder Phrasen wie etwa sehr groß / riesig. Synonym-Verwendung kann mit Koreferenz einhergehen (s.o. Substitution), muss es aber nicht tun. Kohäsion entsteht des Weiteren auch durch den Gebrauch von Wörtern mit gegensätzlicher Bedeutung, die sog. Antonyme. Diese können einander morphologisch ähnlich sein (gesund / ungesund), müssen es aber nicht (laut / leise).
Der am schwierigsten abgrenzbare Bereich lexikalischer Assoziation umfasst schließlich eine Verwandtschaft, wie sie manchmal mit dem Begriff Wortfeld umschrieben wird. Es lässt sich etwa argumentieren, dass zwischen Lehrer und Klasse eine kohäsive Verbindung geschaffen wird, oder zwischen Konzert und Dirigent, ohne dass eine der bisher genannten (klarer zu bestimmenden) lexikalischen Relationen vorliegt. Für die Zugehörigkeit zu einem Wortfeld lassen sich kaum präzise Kriterien angeben; hier ist man auf subjektive Beurteilung angewiesen.
Metakommunikative Verknüpfung besteht dort, wo der Produzent im Text über den Text spricht, z.B. in Überschriften, Gliederungshinweisen und formelhaften Rückverweisen: im Folgenden; vgl. Abschnitt 3; wie oben bereits angedeutet; wie soeben dargelegt; …
TempusTempus und ModusModus werden von Zifonun (2000, S. 315) so charakterisiert: „Die Tempora situieren oder lokalisieren die Proposition im Zeitablauf […]. Die Modi tragen dazu bei, die Proposition in einer ‚Welt‘ zu lokalisieren; sie signalisieren also, ob die Proposition bezogen auf die […] wirkliche Welt interpretiert werden soll oder nur auf eine ‚mögliche Welt‘, wie wir sie zum Beispiel in unseren Hoffnungen, Befürchtungen, Wünschen und Plänen konzipieren.“ Gemeinhin wird diesen Merkmalen nur eine geringe kohäsive Kraft zugeschrieben, doch ist die Einhaltung der Regeln der zeitlichen Abfolge (als Ausweitung der consecutio temporum im komplexen Satz) durchaus ein auf der Textebene angesiedeltes, die Kohärenz sicherndes Instrument.
KonnektorenKonnektor gelten neben Pro-Formen als KohäsionsmittelKohäsion „par excellence“, da sie ganz explizit eine Verbindung zwischen Texteinheiten herstellen. Die Art der Verbindung kann dabei recht klar (obwohl) oder auch nur vage (und) sein. Syntaktisch sind Konnektoren keine homogene Klasse, sondern teilen sich in subordinierende und koordinierende Konjunktionen, einige Präpositionen (trotz, wegen), Konjunktional- und andere Adverbien. Auch die Abgrenzung der Gruppe der Konnektoren ist nicht immer ganz einfach, etwa zur metakommunikativen Verknüpfung in Fällen, wo ein Konnektor nicht textexterne Sachverhalte verknüpft, sondern textinterne Objekte. Halliday u. Hasan (1989) nennen das Beispiel He is really a good fellow. First, he‘s honest; next, he‘s generous.
Formgebende strukturelle Mittel sind verschiedene rhetorische Figuren im Satzbau, die kohäsiv wirken; ein bekanntes Beispiel ist die bewusste Wahl paralleler Satzstrukturen, z.B. um Gegensätze herauszustellen: Vor zwei Wochen hat Susanne aufgehört zu rauchen. Und in vier Monaten wird sie wohl anfangen zu joggen.
Zu beachten ist, dass die aufgelisteten kohäsiven Mittel nicht alle im gleichen Sinne ‚Mittel‘ sind, d.h. von der Autorin bewusst eingesetzte ‚Mittel zum Zweck‘. Auf der einen Seite wird beispielsweise eine parallele Satzstruktur oder eine andere rhetorische Figur bei der Textproduktion im besten Sinne des Wortes gewählt, denn es gäbe auch alternative Formulierungsmöglichkeiten, die auf einen solchen rhetorischen Effekt verzichten. Auf der anderen Seite sind Phänomene wie die Koreferenz oder die lexikalische Assoziation quasi unvermeidliche Resultate, sobald ein thematisch zusammenhängender Text bearbeitet wird: Die Sätze des Textes behandeln verwandte Gegenstände, und dazu verwenden sie zwangsläufig Wörter, die in bestimmten semantischen Relationen zueinander stehen. In dieser Weise wären die verschiedenen genannten Kategorien noch einmal daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie jeweils aus einer Auswahlentscheidung der Autorin hervorgehen oder nicht.
Diese Auswahl betrifft häufig auch die Frage, inwieweit eine bestimmte semantische Relation durch lexikalische Wahl (aus den offenen Wortklassen) oder durch kohäsive Mittel markiert ist. Das Spektrum der Möglichkeiten wird von (Kunz u.a., 2017, S. 275) mit diesen englischen Beispielen für den Ausdruck einer temporalen Abfolge zweier Ereignisse illustriert:
(2.4) The performance was followed by a round of applause.
(2.5) After the performance, there was a round of applause.
(2.6) After the performance ended, there was a round of applause.
(2.7) The performance ended. Afterwards, there was a round of applause.
(2.8) [There was the performance.] After the event, there was a round of applause.