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2.2.2 Der Wirkungsbereich der Kohäsion

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Das Wort ‚Kohäsion‘ legt es bereits nahe, aber wir wollen noch einmal betonen, dass es sich um ein relationales Phänomen handelt: Kohäsion wirkt nicht dadurch, dass an bestimmten Stellen des Textes ein bestimmtes Merkmal auftritt, sondern dadurch, dass dieses Merkmal eine Verbindung zu einer früheren Textstelle schafft. Ganz offensichtlich ist dies bei Pronomen und Ellipsen, aber ebenso gilt es für die anderen besprochenen Phänomene. In den Worten von Halliday u. Hasan (1989, S. 11): „Where the interpretation of any item in the discourse requires making reference to some other item in the discourse, there is cohesion.“ Dieses sehr allgemeine „making reference“ haben wir im vorigen Abschnitt in eine Reihe von Kategorien aufgegliedert und damit bereits etwas genauer beschrieben. Neben dieser Sortierung der unterschiedlichen Mittel wird sich unser Interesse später darauf richten, was genau mit all diesen Mitteln im Text erreicht wird, d.h. welche Effekte Kohäsionsmittel für die Wahrnehmung des Textes als strukturiertes Gebilde haben.

Dazu müssen wir vorab noch die Frage stellen, wo genau die Kohäsion zu verorten ist, beziehungsweise: in welchen strukturellen Einheiten die beiden kohäsiv verbundenen Elemente angesiedelt sind. Gelegentlich war hier bereits die Rede von der Satzverknüpfung, die fraglos auch im Zentrum des Interesses steht: Sätze als abgeschlossene Informationseinheiten werden miteinander kohäsiv verbunden, wodurch ein Text dann am Ende eben mehr als nur eine Menge von isolierten Sätzen ist. Natürlich können Sätze aber komplex sein, und dann können die oben besprochenen kohäsiven Verbindungen ebenso zwischen den Einheiten von Teilsätzen auftreten: Wenn im Herbst die Beeren geerntet werden, müssen diese umgehend gekühlt werden, damit sie nicht verderben. Konnektoren verbinden hier die Teilsätze, die zusätzlich auch durch pronominale Koreferenz verbunden sind. Nun ließe sich das Argument zwar fortsetzen und konstatieren, dass (zum Beispiel) pronominale Beziehungen auch innerhalb einer Verbalphrase auftreten können; hier macht es allerdings keinen Sinn mehr, von einem kohäsiven Mittel zu sprechen, denn das Verb und seine Mitspieler sind strukturell so eng verbunden, dass ein textstiftender, kohäsiver Zusammenhalt nicht erforderlich ist. Wir halten daher den Teilsatz als die relevante Einheit für das Etablieren kohäsiver Relationen fest (und werden die Frage nach seiner Definition später in Abschnitt 9.1 noch genauer beleuchten).

Neben der Entscheidung für die kleinste Untersuchungseinheit muss für eine präzise Analyse von Kohäsion (wie sie bei der Korpus-Annotation erforderlich ist) auch festgelegt werden, wie groß die Distanz zwischen den beiden Elementen sein darf, die in einer kohäsiven Verbindung stehen sollen. Die Antwort lässt sich kaum allgemeingültig für alle Kategorien kohäsiver Mittel geben. Unterstellen wir einen verständlich formulierten Text, so wird etwa die Verbindung zwischen Pronomen und Antezedens gelingen, auch wenn einmal eine Reihe von Sätzen „überbrückt“ werden muss. Für eine Ellipse ist der Spielraum aber deutlich geringer. Und von einer parallelen Satzstruktur wird man nicht sprechen wollen, wenn zufällig zwei Sätze, die weit voneinander entfernt sind, analog aufgebaut sind. Umgekehrt kann es aber durchaus bedeutsam (und vom Autor beabsichtigt) sein, wenn zum Beispiel der erste und der letzte Satz eines Textes dieselbe womöglich etwas ungewöhnliche Form tragen. Eine präzise Anweisung zur Kohäsionsanalyse muss für all diese Fälle Festlegungen treffen, wenn reproduzierbare Ergebnisse erzielt werden sollen.

Abbildung 2.1:

Skizzierung lexikalischer/referenzieller Ketten in einem Text

Sind diese Festlegungen getroffen, kann schließlich beobachtet werden, dass durch kohäsionsstiftende Mittel nicht immer nur jeweils zwei Textstellen miteinander in Verbindung gebracht werden, sondern oft auch mehr – in diesem Fall sprechen wir von Kohäsionsketten. Dies kann durch Rekurrenz geschehen, durch bestimmte formgebende strukturelle Mittel, vor allem aber durch Koreferenzbeziehungen und durch referenzunabhängige lexikalische Assoziation. Eine Illustration liefert (für einen früheren Absatz dieses Buches) Abbildung 2.1. Koreferenz untersuchen wir in Kapitel 4 im Detail, und die Hinweise, die uns sowohl referenzielle als auch lexikalische Kettenlexikalische Kette auf die thematische Gliederung des Textes geben können, werden in Kapitel 5 in den Blick genommen.

Die Kohäsion ist ohne Frage ein zentrales Merkmal von Texten, doch es erweist sich bei näherer Betrachtung als nicht hinreichend. Das eingangs genannte Beispiel des stand-up commedian hat bereits illustriert, dass ein Text zwar kohäsiv klingen, aber dennoch nicht funktionieren kann. Linke u.a. (1994, S. 224) geben für dieses Argument folgenden Beispieltext an:

 (2.9) Wir haben sehr gute Sängerinnen und Sänger an unserer Oper. Die Sopranistin ist besonders umschwärmt. Mozart liegt ihr sehr. Mir ist von den Mozart-Opern die Zauberflöte am liebsten. Diese neuen plump-deutlichen Ausdeutungen der Tempelgemeinschaft als männerbündische Freimaurerloge scheinen mir allerdings eine sehr fragwürdige Interpretation des Werkes. Aber die heutigen Opernleute schrecken ja vor nichts zurück. Bei Wagner-Inszenierungen ist das oft noch schlimmer, obwohl ich ja für solche pathetische Musik sowieso nicht viel übrig habe.

In diesem Text finden sich vielfältige kohäsionsstiftende Mittel, doch bleiben wir nach der Lektüre unzufrieden: Der Text ergibt keinen rechten Sinn – er reiht Sätze aneinander, die paarweise irgendwie auch zueinander passen, doch sie fügen sich nicht zu einem stimmigen Gesamtbild. Dem Text mangelt es an Kohärenz.

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