Читать книгу Das Germania-Komplott - Manfred Wolf - Страница 8
Sonntag, 26.7.2009
ОглавлениеDie Wunde heilte gut und die Schmerzen ließen langsam nach. Auf der kahlrasierten Stelle wuchsen schon wieder ansehnliche Stoppeln. Nach dem Fäden ziehen, würde ich zum Friseur gehen und den restlichen Schopf anpassen lassen.
Unser Sohn Nikolaus hatte für zwei Tage Landurlaub bekommen und Thea, unsere Tochter, nutzte die Gelegenheit, zu einem Familientreffen dazu zu stoßen. Thea studierte Französisch und Italienisch im 1. Semester in Brüssel. Sie habe oft Heimweh, beichtete sie. Aber sie hatte viele neue Freunde gefunden und ihren Erzählungen nach zu urteilen, musste das Studium mehr Fest als Arbeit sein. Nun ja, sie machte mir keine Sorgen. Mein Sorgenkind war Nikolaus. Ich erinnere mich, wie er dem Abitur entgegenfieberte. Endlich raus aus dem RAD und rein in den Wehrdienst. Was er nicht wusste, war, dass ich frühzeitig dafür gesorgt hatte, dass er unter die Fittiche von Onkel Jens Achenbusch kam. Onkel Jens war der jüngste Stiefbruder meines Vaters, Admiral der Kriegsmarine und Befehlshaber der Mittelmeerflotte. Die Marine war schon lange nicht mehr in irgendwelche Scharmützel einbezogen gewesen. Ihre Aufgabe lag eher in der Prävention und der Beförderung von Truppen und Nachschub. Ich war der Meinung, mein Sohn wäre hier besser aufgehoben als in der Infanterie, die zum Los vieler junger Männer wurde. Die Seestreitkräfte des Reichs, Italiens und Japans stellten derzeit etwa 70 % der gesamten Hoheit zur See dar. Das war für einen jungen Wehrpflichtigen fast eine Lebensversicherung. Niko aber wurde nicht müde, sich bei mir über seinen Dienst zu beklagen. Langeweile, Putz- und Wartungsarbeiten, lange nutzlose Deckwachen. Ab und zu mal eine Übung. Das war’s. Die Marine sei ein fauler und verlodderter Sauhaufen, schimpfte er. Sein größter Wunsch sei es, wenn man den Blödsinn, den er so von sich gab richtig interpretierte, sich für Volk, Führer und Vaterland in möglichst kleine Stücke hacken zu lassen und als ruhmreiches und heldenhaftes Fischfutter zu enden. Den gleichen Bockmist hatte man uns seinerzeit in der Schule eingetrichtert. Nur, dass ich meinen Vater als lebendes Beispiel der Zerhackkunst vor Augen hatte – für Volk, Führer und Vaterland hatte er das linke Auge und den rechten Arm verloren, eine riesige Hautfläche war von Brandbomben bis zum 3. Grad verbrannt, sein gesamter Organismus aus dem Lot. Als ich 10 Jahre alt war, starb er den Freitod. So entschloss ich mich, dem Vaterland lieber im Inneren zu dienen und meldete mich zum Polizeidienst.
Ich war des Diskutierens müde und verbat mir weitere Gespräche über dieses Thema für die Dauer seines Besuches.
„Lass den Jungen doch in Frieden, Manne“, tönte es von hinten.
„Frieden?“, bäumte ich mich auf, „Frieden, was bitte soll das sein? Seit mehr als 70 Jahre befindet sich dieses Land nun schon im Kriegszustand. Wie soll es jemals Frieden geben, wenn diese Kinder schon in der Schule auf ihre Rolle als Kanonenfutter eingeschworen werden? Schau doch mal nach Persien. Da wär’s das Beste, den Hosenscheißern gleich eine Zielscheibe auf die Uniform zu pinseln, damit sie besser zu treffen sind…“
Ich hatte mich in Rage geredet. Nikolaus schien vor Wut zu platzen, Evelyn schaute betroffen und Thea rann eine Träne über die Wange.
„Schon gut, Kinder“, beruhigte ich sie. „Lasst uns ein schönes Fläschgen entkorken und uns freuen, dass wir mal wieder zusammen sein können. Und kein Wort mehr vom Barras, klar Filius!?“
Ich grinste breit und die Spannung löste sich allmählich.