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c) Frankfurter Testament
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Mit dem Tod des Unternehmens-Erblassers entsteht bei mehreren Erben kraft Gesetzes eine Mitunternehmerschaft in Bezug auf das Betriebsvermögen, § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Jede Erbauseinandersetzung über Betriebsvermögen stellt folglich eine mitunternehmerische Auseinandersetzung dar (vgl. hierzu ausführlich Rn. 1072 ff.). Dies gilt auch dann, wenn der Erblasser sein Betriebsvermögen mittels Teilungsanordnung einem bestimmten Miterben zugewiesen hat.[240] Eine unmittelbare wirtschaftliche Zuordnung des Unternehmens an den Unternehmensnachfolger ohne Entstehen einer Mitunternehmerschaft findet auch bei einer Teilungsanordnung nicht statt.[241] Damit drohen einkommensteuerliche Risiken: Erhält der Erbe, dem das Unternehmen kraft Teilungsanordnung zugewiesen wird, mehr als ihm nach seiner Erbquote zusteht, und leistet er hierfür einen Ausgleich (sog. „Realteilung mit Spitzenausgleich“), so führt die Ausgleichszahlung beim Unternehmensnachfolger zu Anschaffungskosten und beim Empfänger zu einem Veräußerungserlös. Vor diesem Hintergrund wird der Erblasser versuchen, dass der Unternehmensnachfolger eine Erbquote erhält, die exakt dem Wert des Unternehmens entspricht.
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Kautelarjuristisch lässt sich dieses Ziel durch das sog. „Frankfurter Testament“ erreichen:[242] Der Erblasser weist die verschiedenen Nachlassgegenstände, u.a. sein Unternehmen, seinen Erben mittels Teilungsanordnung zu. Die Erbquoten der Miterben bestimmen sich dabei nach dem Wert der ihnen zugeteilten Nachlassgegenstände zueinander im Zeitpunkt des Erbfalls. Der Ausgleich unter den Miterben erfolgt durch entsprechend prozentuale Geldvorausvermächtnisse. Durch die dynamische Einsetzung nach Wertquoten und die prozentuale Berechnung des Vorausvermächtnisses muss der Erblasser sein Testament nicht mehr an künftige Wertveränderungen seines Nachlasses, insbesondere seines Unternehmens, anpassen. Da mit dem Tod des Erblassers gleichwohl eine Mitunternehmerschaft entsteht, haften alle Erben, nicht nur der Unternehmensnachfolger, für etwaige Steuernachzahlungen, die noch aus der Zeit des Erblassers stammen. Der Erblasser sollte den Unternehmensnachfolger daher testamentarisch verpflichten, die anderen Miterben von solchen Ansprüchen freizuhalten. Entscheidender Nachteil des Frankfurter Testaments ist freilich, dass das Nachlassgericht (streitanfällig) das Betriebs- und Privatvermögen bewerten muss, um überhaupt einen Erbschein mit Ausweis entsprechender Erbquoten ausstellen zu können. Darüber hinaus ist das dem Ausgleich unter den Miterben dienende Geldvorausvermächtnis eine reine Privatschuld des Unternehmensnachfolgers, mit der Konsequenz, dass Finanzierungskosten nicht als Betriebsausgabe abgezogen werden können.[243] Dies gilt auch dann, wenn die Geldmittel dem Betriebsvermögen entnommen werden.
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Formulierungsbeispiel:[244]
Ich setze meine beiden Kinder … und … zu Miterben im Verhältnis der Werte ein, welche die ihnen nachstehend durch Teilungsanordnung zugewiesenen Vermögensteile im Zeitpunkt meines Ablebens haben. Mein Sohn … erhält mein einzelkaufmännisches Unternehmen …, meine Tochter … mein Privatvermögen … Der Testamentsvollstrecker … hat nach freiem Ermessen, orientiert an den Grundsätzen ordnungsgemäßer Unternehmens- und Grundstücksbewertung, das Betriebs- und das Privatvermögen zu bewerten.
Meine Tochter … erhält aus dem Anteil des Sohnes ein nicht anrechnungspflichtiges Vorausvermächtnis in Höhe der Hälfte der Bewertungsdifferenz in bar, erfüllbar in drei gleichen Jahresraten und ab dem zweiten Jahr mit . . ... % nachträglich zu verzinsen.
Meine Tochter … hat gegen meinen Sohn … vermächtnisweise den Anspruch auf Erstattung derjenigen Steuernachzahlungen, die – etwa aufgrund einer Betriebsprüfung – aufgrund von Gewinnen und Vermögen des Einzelunternehmens während der Eigentumszeit des Erblassers nachzuzahlen sind.
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Praxishinweis:
Aus ertragsteuerlichen Gesichtspunkten kann das Frankfurter Testament ein durchaus taugliches Gestaltungsinstrument sein. Dem stehen zivilrechtliche Unwägbarkeiten gegenüber. Insbesondere ist die Ermittlung der Erbquoten streitanfällig, da sie abhängig vom Wert des Unternehmens sind. Darüber hinaus schwebt über der gesamten Konstruktion das Damokles-Schwert des § 2306 Abs. 1 HS 1 BGB. Jeder Miterbe kann demgemäß bei Anordnung einer Teilungsanordnung – nach neuer Rechtslage unabhängig von der Erbquote – ausschlagen, seinen Pflichtteil verlangen und damit das sorgsam austarierte Nachfolgekonzept unterminieren. Entscheidet sich der Erblasser für ein Frankfurter Testament, sollten vor diesem Hintergrund die späteren Miterben (erbvertraglich) mitwirken und insbesondere auf etwaige Pflichtteilsansprüche verzichten.