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a) Vermächtnisweise Zuwendung eines einzelkaufmännischen Unternehmens

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Das einzelkaufmännische Unternehmen stellt kein eigenes Rechtssubjekt dar. Es besteht vielmehr aus einzelnen Vermögensgegenständen, die im Erbfall im Wege der Gesamtsrechtsnachfolge auf den Erben übergehen. Der Vermächtnisnehmer hat demgemäß lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Herausgabe der einzelnen dem Unternehmen zugehörigen Vermögensgegenstände, nicht auf das Unternehmen als solches.[102] Der Erblasser muss also die Vermögenswerte, welche der Vermächtnisnehmer erhalten soll, sehr detailliert beschreiben. Alle Aktiv- und Passivposten müssen einzeln bezeichnet werden. Werden bestimmte Vermögensgegenstände nicht aufgeführt, droht eine steuerliche Entnahme, bei wesentlichen Wirtschaftsgütern sogar eine Betriebsaufgabe. Die Bezugnahme auf die Bilanz reicht nicht aus, da nicht alle Wirtschaftsgüter, die einem Unternehmen zuzuordnen sind, aus einer Bilanz ersichtlich sind.[103]

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Soll der Vermächtnisnehmer auch Verbindlichkeiten und Vertragsverhältnisse übernehmen, kann dies nur durch die Anordnung eines entsprechenden Untervermächtnisses zulasten des Vermächtnisnehmers erreicht werden. Die Übernahme der Vertragsverhältnisse und Verbindlichkeiten setzt die Zustimmung der Gläubiger und Vertragspartner voraus. Wird die Zustimmung verweigert, verbleiben die Verbindlichkeiten beim Erben, obwohl dieser die Aktivpositionen auf den Vermächtnisnehmer übertragen muss. Für diesen Fall sollte der Vermächtnisnehmer verpflichtet werden, den Erben im Innenverhältnis freizustellen.[104]

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Führt der Vermächtnisnehmer das Unternehmen unter der bisherigen Firma fort, kann die handelsrechtliche Haftung des § 25 HGB eingreifen.[105] Der Vermächtnisnehmer kann also für alle im Betrieb begründeten Altverbindlichkeiten haften, sofern er seine Haftung nicht beschränkt (vgl. Rn. 14 ff.).

Weiter stellt die vermächtnisweise Übertragung des einzelkaufmännischen Unternehmens einen Betriebsübergang i. S. d. § 613a BGB dar.[106] Sofern das Einzelunternehmen in der Regel mehr als 100 ständig beschäftigte Arbeitnehmer aufweist, haben die Erben als vorübergehender Unternehmer zudem den Wirtschaftsausschuss nach Maßgabe des § 106 Abs. 1 und 2 BetrVG zu informieren. Falls die Größe des Unternehmens keinen Wirtschaftsausschuss erfordert, ist zumindest der Betriebsrat entsprechend zu beteiligen.[107]

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Nicht zuletzt können etliche Vermögensgegenstände rechtsgeschäftlich überhaupt nicht übertragen werden, so z.B. Urheberrechte (§ 29 UrhG), Nießbrauchsrechte (§ 1059 S. 1 BGB), beschränkt persönliche Dienstbarkeiten (§ 1092 Abs. 1 S. 1 BGB) oder dingliche Vorkaufsrechte (§ 1098 Abs. 3 BGB).

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Formulierungsbeispiel:[108]

Vermächtnis

Meine Tochter T erhält im Wege des Vermächtnisses mein einzelkaufmännisches Unternehmen …, vorgetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Memmingen unter HRA …, derzeit betrieben in … Gegenstand des Vermächtnisses sind die nachfolgend beschriebenen Aktiva und Passiva:

1. Aktiva

a) Sämtliche zu dem Geschäftsbetrieb gehörenden Forderungen, insbesondere Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, geleistete Anzahlungen, Forderungen aus Darlehen, Forderungen gegenüber dem Finanzamt, sowie Schadensersatzforderungen, jeweils mit sämtlichen Zins- und sonstigen Nebenforderungen und allen eventuell zur Sicherung dieser Forderungen bestellten Rechten.
b) Sämtliche Bankguthaben bei allen Banken und Kreditinstituten mit Bezug zu dem Geschäftsbetrieb mit ihrem jeweiligen ausgewiesenen Bestand.
c) sämtliche gewerblichen Schutzrechte, insbesondere folgende Marke …, sowie die Internetdomain …
d) Sämtliche immateriellen Vermögenswerte des Geschäftsbetriebs, insbesondere die Firma, das Know-how und der gesamte Kundenstamm.
e) Sämtliche sonstigen Vermögensgegenstände, die zum Unternehmen gehören, auch wenn sie hier nicht aufgeführt sind.

Mit diesem Vermächtnis werden, soweit nicht ausdrücklich anders bezeichnet, sämtliche Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten des Unternehmens einschließlich der nicht bilanzierten sowie der nicht bilanzierbaren Vermögensgegenstände und Vermögensvorteile sowie sämtlicher Schulden und Verpflichtungen des Inhabers übertragen, auch soweit diese nicht ausdrücklich bezeichnet sind.

2. Übernahme der Verbindlichkeiten

a) Der Vermächtnisnehmer übernimmt im Wege der befreienden Schuldübernahme mit wirtschaftlicher Wirkung zum Stichtag sämtliche Verbindlichkeiten des Unternehmens. Dies gilt auch für Steuerverbindlichkeiten einschließlich solcher, welche aufgrund von Betriebsprüfungen entstehen.
b) Der Erbe und der Vermächtnisnehmer werden gemeinsam die für die Übernahme der Verbindlichkeiten erforderlichen Zustimmungserklärungen der Gläubiger einholen.
c) Sollte eine Zustimmung nicht erteilt werden, gilt die die Übernahme der Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Vollzugs des Vermächtnisses als wirksam vollzogen. Der Vermächtnisnehmer stellt den Erben im Innenverhältnis von einer Verpflichtung zur Leistung und von jedweder Haftung in diesem Zusammenhang frei.
d) Erbe und Vermächtnisnehmer haben alle Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, die zur Durchführung der Übernahme der Verbindlichkeiten und der Übertragung der Passiva erforderlich sind. Soweit der Erbe formal Partei eines Verfahrens (einschließlich steuerrechtlicher Verfahren) ist, hat er dieses Verfahren auf Weisung des Vermächtnisnehmers zu betreiben. Der Vermächtnisnehmer trägt die Kosten des betreffenden Verfahrens.

3. Überleitung der Vertragsbeziehungen

a) Der Erbe überträgt mit wirtschaftlicher Wirkung zum Vollzug des Vermächtnisses im Wege der Vertragsübernahme sämtliche Rechte, Ansprüche und Verbindlichkeiten aus den zu dem Unternehmen gehörenden Verträgen auf den diese Übertragung annehmenden Vermächtnisnehmer.
b) Der Erbe und der Vermächtnisnehmer werden gemeinsam die für die Übertragung der Verträge erforderlichen Zustimmungserklärungen der dritten Vertragsparteien einholen.
c) Sollte eine Zustimmung nicht erteilt werden, gilt die Übernahme der Vertragsverhältnisse zum Vollzug des Vermächtnisses als wirksam vollzogen. Der Erbe wird im Innenverhältnis aber ausschließlich für Rechnung und auf Weisung des Vermächtnisnehmers unentgeltlich tätig. Der Vermächtnisnehmer verpflichtet sich, alles zu unternehmen, um dem Erben die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen zu ermöglichen. Der Erbe tritt dem Vermächtnisnehmer für diesen Fall mit Wirkung zum Zeitpunkt des Vollzugs des Vermächtnisses alle Ansprüche und Rechte aus den übernommenen Vertragsverhältnissen ab.
d) Der Erbe muss spätestens zum Vollzug des Vermächtnisses alle Unterlagen und Informationen betreffend das Unternehmen an den Vermächtnisnehmer übergeben.

4. Arbeitnehmer

a) Der Vermächtnisnehmer wird nach § 613a BGB in alle Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Vollzugs des Vermächtnisses bestehenden Arbeitsverhältnisse mit den Arbeitnehmern des Unternehmers eintreten.
b) Der Erbe und der Vermächtnisnehmer werden in geeigneter Form die Arbeitnehmer gemäß § 613a Abs. 5 BGB unterrichten. In diesem Schreiben sind die Arbeitnehmer schriftlich aufzufordern, gemäß § 613a Abs. 6 BGB gegenüber dem Erben oder dem Vermächtnisnehmer innerhalb eines Monats nach Zugang des Unterrichtungsschreibens zu widersprechen, falls ihre Arbeitsverhältnisse nicht auf den Vermächtnisnehmer übergehen sollen.

5. Testamentsvollstreckung

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Praxishinweis:

Insgesamt ist die vermächtnisweise Zuwendung eines einzelkaufmännischen Unternehmens mit zahlreichen Nachteilen verbunden: Der Erblasser muss alle Gegenstände des Aktiv- und Passivermögens genau bezeichnen. Diese Aufstellung wird sich aber regelmäßig zwischen Testamentserrichtung und Todesfall noch ändern und löst damit einen ständigen Anpassungsbedarf aus. Weiter bedarf die Übernahme von Verbindlichkeiten bzw. Vertragsverhältnissen der Zustimmung der jeweiligen Gläubiger/Vertragspartner. Schließlich sind auf eine vermächtnisweise Übertragung eines Einzelunternehmens die haftungsträchtigen §§ 25 HGB, 613a BGB anwendbar.

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