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Ein Mann sieht blau

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von Anna Reeling

„Hach, diesen Urlaub hab ich wirklich gebraucht!“, seufzte Blue-Man und ruckelte seinen 2 Meter großen, mit fleischigen, prallen Muskeln bepackten Körper im Liegestuhl zurecht. Er schielte über den Rand seiner Sonnenbrille und beobachtete seine Freundin Karma dabei, wie sie sich mit Sonnencreme einschmierte und dabei nicht bemerkte, dass ihr Bikinioberteil nicht mehr alles verdeckte, was es eigentlich verdecken sollte - sehr zu seiner Freude. „Den hast du dir ja auch hart verdient, Baby“, zwitscherte sie und hielt ihm auffordernd die Tube vors Gesicht. „Kannst du mal eben?“, fragte sie und drehte ihm den Rücken zu. Sie hatte Recht. In der letzten Zeit hatte er hart gearbeitet und der Stadt nicht zum ersten und sicher auch nicht zum letzten Mal den Arsch gerettet. Gerade letzte Woche hatte er die Bewohner von Moon-City vor einer Killer-Mumie gerettet, die des Nachts ihr Unwesen in den Straßen getrieben hatte. Er hatte sie verfolgt und ausgeräuchert und ihr am Ende mit seinem Markenzeichen, dem One-Hand-Skullcracker den Schädel sauber abgetrennt. Und was war der Dank? „Blue-Man schändet Pharaonengrab“, hatten die Zeitungen getitelt und ihm vorgeworfen, zu unachtsam mit den Wahrzeichen der Stadt umzugehen. Die konnten ihn alle mal. Wut schoss in ihm hoch und er musste sich zügeln, um sein Blut vom Kochen abzuhalten. Er war im Urlaub, es gab keinen Grund, sich hier und jetzt in das blaue Monster zu verwandeln, das er werden konnte, wenn die Natur es verlangte. „Au, Vorsicht, Baby!“, Karma zuckte zurück, und er erschrak sich ebenso. Einmal kurz nicht aufgepasst und schon war die Kraft mit ihm durchgegangen. Mit extra-vorsichtigen Bewegungen cremte Blue-Man ihr weiter die Schultern ein. Schon viel zu oft war er einen Moment unvorsichtig gewesen und hatte auf der zarten Haut seiner Liebsten unschöne Hämatome hinterlassen. Eine Bürde, die sie, wie Karma immer wieder betonte, nur zu gern auf sich nahm - blaue Flecken vom Blue-Man verpasst zu bekommen. Die Sonne stand hoch am Himmel und das Meer funkelte in einer Farbpracht, dass es beinahe in den Augen schmerzte. Aus dem nahen Urwald war ein Gemisch aus exotischen Vogelstimmen und wütendem Affengebrüll zu hören. Die Palmen wehten im leichten Wind und es duftete nach etwas Süßlichem, was er am ehesten mit dem Geruch von Chrysanthemen in Verbindung bringen konnte. Es war das Paradies und er fühlte sich, als seien er und Karma die letzten Wesen auf der Erde.

Er küsste Karma auf die Schulter. Sie schmeckte nach Sommer. „Danke, dass du mich überredet hast, ne Auszeit zu nehmen“, murmelte er und rückte näher an sie heran. Karma kicherte leicht und schlug seine Hand weg, die sich daran machte, ihr Bikini-Oberteil zu lösen, das eh nur noch dekorativen Zwecken diente. Er ließ nicht locker. „Hab dich nicht so. Wir sind allein. Und du siehst zum Anbeißen aus. Meine kleine Strandperle.“ Er küsste ihren Nacken. „Als wäre alles an dir aus Zucker. Zuckerrücken.“ Ein Kuss. „Zuckerarm.“ Noch ein Kuss. „Zuckerhut“. Er griff nach dem Strohhut und warf ihn in den Sand, um in einen langen, hollywoodreifen Abspannkuss zu versinken, als er aufgeregtes Fußgetrappel und ein Stimmengewirr näher kommen hörte. „Was zur Hölle...“, begann er, als eine Touristen-Familie um die Ecke der Bucht bog und interessiert in ihre Richtung schaute. Karma kreischte auf und suchte hektisch nach ihrem Bikini Oberteil, während Blue-Man sich zu seiner vollen, bemerkenswerten Größe aufbaute. Das hätte er mal lieber nicht getan. „Er ist es wirklich“, quietschte eine kugelrunde, kleine Frau und watschelte aufgeregt in seine Richtung. Ihre Bauchtasche wippte auf und ab, während sie sich näherkämpfte und den Rest ihrer Familie hinter sich herzog. „Oh nein!“, Blue-Man stöhnte auf. „Karma. Das hat uns gerade noch gefehlt.“ „Mr. Blue-Man, Mr.-Blue-Man“. Keuchend kam die dicke Frau vor ihm zum Stehen und nestelte an ihrer Bauchtasche herum, um einen antiquierten Fotoapparat zu Tage zu bringen. „Wir hatten schon Gerüchte gehört, dass Sie sich hierher verzogen haben, aber dass wir Sie wirklich treffen, nein, das hätte ich nicht gedacht.“ Aufgeregt winkte sie ihrem Mann, der unglücklich hinter ihr hergetrabt war und einen pubertären Bengel mit dem Gesicht voller Pickel hinter sich herschleifte, der lustlos auf einem Kaugummi herumkaute. „Da seid ihr ja! Mach ein Foto, schnell!“ Sie drückte dem Mann den Fotoapparat in die Hand und schmiegte sich strahlend an Blue-Man, dem ein unangenehmer Schweißgeruch in die Nase fuhr. „Ähm“ Blue-Man rückte ein kleines Stück zur Seite und lächelte gequält in die Kamera. Klick. Karma hatte sich in einigem Abstand mit verschränkten Armen aufgebaut und beobachtete die Szene halb belustigt, halb besorgt. „Haste dich hierher verkrochen, nachdem du mal wieder die Stadt in Schutt und Asche gelegt hast?“, pöbelte der Mann und ließ die Kamera sinken. „Herbert“, tadelte die Frau schockiert, während sich die Wut erneut ihre Bahnen durch Blue-Mans Adern suchte. „Wie bitte?“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Karma machte einen Schritt auf ihn zu. „Hast mich schon ganz richtig verstanden, Blauschimmelkäse-Fresse!“ Der Typ stieß seinem Sohn feixend in die Seite, was dieser mit einem gelangweilten Achselzucken kommentierte. Blue-Man spürte ein Zittern durch seinen Körper gehen. „Ganz ruhig!“ befahl er sich selbst, wusste aber im selben Moment bereits, dass es zu spät war. Der Prozess, den ihm ein Gen-Defekt schon in die Wiege gelegt hatte, war bereits in vollem Gange. Sein Herz pumpte das Dreifache an Blut durch seinen Körper, als es für einen normalen Menschen gut war. Seine Pupillen weiteten sich, Schweiß trat ihm auf die Stirn, während seine Muskeln sich spannten und weiteten und seine Haut sich bläulich verfärbte, um ihn zu der Kampfmaschine zu machen, die ihm seinen Namen eingebracht hatte. „Wie kannst du es wagen!“, schnaufte er und schüttelte Karma ab, die sich ihm beruhigend an den Arm hängen wollte.

Mit ein paar Schritten war er bei dem Mann, den er um beinahe einen halben Meter überragte und der nun seinerseits ins Schwitzen zu kommen schien.

„Sie dürfen mir nichts tun“, stammelte er und schaute sich hilfesuchend nach seiner Frau um. „Sie sind ein Superheld. Sie sind für unseren Schutz zuständig.“, er schluckte schwer.

„Ich habe Urlaub!“ brüllte Blue-Man und hob den eben noch so aufmüpfigen, jetzt eher winselnden Kerl kurzerhand über seinen Kopf.

Die Frau schrie auf und hängte sich an Blue-Mans Beine, ließ aber schnell wieder los, als sie bemerkte, dass ihn das zusätzliche Gewicht nicht daran hindern konnte, durch den Sand Richtung Meer zu stapfen. Der Teenager stand weiterhin gelangweilt in der Gegend rum, als würde das Schicksal seines Vaters ihn nicht betreffen. „Hören Sie, Mr. Blue-Man. Oder darf ich Blue sagen?“

„Nein, das dürfen Sie nicht“, knurrte der Superheld und hielt weiter Kurs auf die Brandung. „Lassen Sie mich runter! Wir können das doch wie zwei zivilisierte Menschen regeln. Was wollen Sie? Geld?“, er zappelte auf Blue-Mans Armen herum.

„Ich will meinen Frieden von euch Parasiten!“, brüllte Blue-Man und warf den kreischenden Mann einige Meter weit ins Meer. Dann rieb er sich zufrieden die Hände und drehte sich zum Rest der Familie um, die ihn mit offenem Mund anstarrten. „Und jetzt zu euch!“ Doch bevor er noch etwas sagen konnte, hatte die Frau schon ihren Sohn am Arm gepackt und zog ihn so heftig in Richtung seines Vaters, der prustend und fluchend in den Wellen stand, dass er sich an seinem Kaugummi verschluckte. „Verpisst euch“, brüllte Blue-Man vergnügt, während er spürte, wie sich sein Körper langsam wieder beruhigte und auch seine Haut wieder eine normale Farbe annahm.

Als er sich neben Karma stellte und ihr über den Rücken streichelte, beobachtete er, wie die Familie sich zeternd und hinkend zurück über den Strand kämpfte.

„Wir müssen dringend etwas gegen dein Temperament unternehmen, Baby“, sagte Karma und nahm sein Gesicht in beide Hände. „Dafür ist Urlaub ja da.“, erwiderte er und zog sie an sich.

Reizworte: Strandperle, Zuckerhut, Blauschimmelkäse, Pharaonengrab, Chrysiantheme

Genre: Superhelden

Erlebnisschaumbad

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