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Der frühe Peter
Оглавлениеvon Joka Lion
Der schlanke Peter war frühreif und das in so ziemlich allem. Er war der Erste, der sich aus seiner Klasse für Mädchen interessierte und sich das Balzverhalten der Erwachsenen ganz genau abgeschaut hatte, um bei ihnen zu landen. Er war in der musikalischen Früherziehung gewesen, ja, bekam schon im Kindergarten eine Frühförderung in den Sparten Sprachen und technisches Verständnis. Seine Mutter behauptete, dass sei alles schon abzusehen gewesen, denn er war eine Frühgeburt, genau wie sein Vater und seinerzeit dessen Vater. Peter war nicht nur ein enthusiastischer Frühaufsteher, er übernahm auch früh Verantwortung für sein Leben: Mit 16 Jahren machte er - gegen den Willen der Eltern - ganz wie es seinem frühen Aufstehen zu Pass kam, eine Lehre als Bäckergeselle. So konnte Peter nach Herzenslust so früh aufstehen wie niemand anderes im Ort. Bald fand sich ein passendes Eheweib, Viktoria, die gerne mit ihm, um halb vier in der Früh, aus dem Bette sprang und mit ihm die Backstube teilte, denn Peter war frühzeitig Bäckermeister geworden. Peters Glück hätte nicht vollkommener sein können. Bis die dralle Viktoria mit den dicken Zöpfen - und das war gerade, als sie das Schmalzgebäck rollten - missmutig und mit verdrießlichem Gesichte, die Fäuste ballte und den Teig wieder zu einem rohen Klumpen formte: "Ach, mir will es heute einfach nicht gelingen!“, rief sie wütend. Viktoria lief trampelnd in die eheliche Wohnung hinauf und schlug die Türen hinter sich zu. Peter hatte nicht die geringste Ahnung, welchen Anlass die dralle Viktoria für solch eine Missstimmung haben konnte. In den nächsten Wochen der jungen Ehe, wurde es nicht besser. Im Gegenteil. Viktoria, die einst fleißig für zwei buk und Teig kneten konnte, war schlechtester Laune. Und der Peter wurde immer verzweifelter, denn er konnte den Grund dafür nicht finden. Eines Tages kam ausgerechnet der Küster in die Bäckerei, bezahlte sein Pumpernickel und fragte wie es denn mit der jungen Ehe und der Gemahlin Viktoria stehe. Peter machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. „Ach, seit wir vermählt sind, ist sie schrecklich verdrießlich und will kaum noch arbeiten! Ich weiß wirklich nicht was ihr fehlen könnte!" Der Küster legte die Stirn in Falten, wiegte den Kopf hin und her, kratze sich am Kinn und meinte: "Das kommt mir aus eurer Familie sehr bekannt vor, mein Junge. Du solltest auf ein ernstes Wort zu deinem Großvater gehen, der wird Rat wissen!" So machte der Peter es denn und vereinbarte am Sonntag in der Frühmesse, dass die Viktoria und er nachmittags zu den Großeltern zu Besuch kommen würden.
Nach höflicher Begrüßung gesellte sich die Viktoria zur Großmutter, die in der Küche am Ofen saß und an einem Schal strickte. Sie gab der Viktoria Nadeln und Wolle und bat sie üppige Fransen zu häkeln.
Im Wohnzimmer tranken der Großvater und der Peter einen Schnaps, der stets nachgegossen wurde, sobald das Glas abgestellt war. Als der Abend schon weit vorangeschritten war - die Viktoria in der Küche mit funkelnden Augen schon beim vierten Schal angelangt war und den Anekdoten der frühen Ehe der Großeltern gelauscht hatte - sagte der Großvater im Wohnzimmer: “Mein Junge, ich weiß was der Viktoria fehlt. Denn deinem Vater ging es ganz genauso, als er mit deiner Mutter früh verheiratet war. Und mir ging es ebenfalls so, als ich mit der Großmutter früh verheiratet war." Peter war neugierig geworden. "Die Männer in dieser Familie sind geborene Frühaufsteher und auch sonst verlieren sie scheinbar keine Zeit im Leben. Das ist eine Tugend! Gottlob! Doch, wie es auch mit dem Aufgehen von Sämereien so ist, manches braucht seine ZEIT! Und da ist Zeitverschwendung das beste Rezept!" Peter hatte andächtig gelauscht und machte nun große Augen. "Indem ich überall flink wie ein Wiesel bin, bin ich immer und überall sehr früh fertig. Ich habe nämlich ständig Muffensausen irgendwo zu spät zu kommen!" Erklärte der Peter. "Nun, wenn du willst, dass die Viktoria wieder backt und knetet, dann musst du ab jetzt deine Geschwindigkeit von der eines Wiesels auf die einer hundertjährigen Schildkröte drosseln, wenn du bei der Viktoria die eheliche Pflicht erfüllst." Der Peter nickte ernst und kratzte sich am Kopf. Er bedankte sich und holte seine Viktoria aus der Küche.
Zum Dank für ihre Hilfe, durfte sich die Viktoria den Schal, der ihr am besten gefiel, mitnehmen. Sie suchte sich einen orange-roten Schal mit violetten Fransen aus und hüllte sich gleich darin ein.
Nachdenklich ging der Peter mit ihr nach Hause.
„Sieh nur, wie üppig und dick diese Fransen sind!“, rief sie und ließ die wollenen Bommel über ihre Finger und Handgelenke streifen.
Als sie zu Hause waren, nahm sich der Peter die Worte des Großvaters zu Herzen. Es fiel ihm wirklich nicht leicht sich Zeit zu lassen.
Doch nach einem halben Jahr, war er ausdauernd wie ein Kamel und die Viktoria hatte wieder rosige Bäckchen und buk und knetete für vier.
Reizworte: frühreif, Schmalzgebäck, Pumpernickel