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Der Junge mit dem Apfel

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Der Junge rang um Atem. Die beiden Hünen waren ihm dicht auf den Fersen. Hastig blickte sich das Kind um. Es konnte in der engen Gasse aber keine Nische erspähen. Die Marktleute mit ihren Körpern hinderten den Jungen daran, schneller zu laufen. Seine Verfolger schienen sich davon weit weniger aufhalten zu lassen. Deutlich war ihr Geschrei zu vernehmen. Aufgeregt und um ihre Waren besorgt, beugten sich die meisten überstürzt über ihre Stände und bildeten einen kleinen Durchlass kurz nachdem sich der zehnjährige Junge durchgekämpft hatte. Seinen Verfolgern konnte es nicht schnell genug gehen. Mit ihrer Masse pflügten sie sich hindurch und liefen nicht wenige der Händler über den Haufen. Obwohl die beiden Männer für einiges an Wirbel in der Gasse sorgten, blieb es vergleichsweise still. Nur ihre Schreie und der Lärm umstürzender Gegenstände waren zu hören. Keiner der Händler wollte die Aufmerksamkeit der Wachsoldaten erregen. Sie beschränkten sich darauf, ihr Hab und Gut zu schützen und schweigend Umgestürztes aufzurichten und die Scherben mit stummen Flüchen auf den Lippen zusammenzukehren. Kunden, die sich über dieses rücksichtslose Geschubse aufregen konnten oder wagen würden, gab es in diesem Teil der Stadt ohnehin kaum. Denn für den offiziellen Markt waren diesen Händlern die Standgebühren zu hoch. Wer sich hierhin verirrte, besaß nicht mehr als seine Hoffnung. Diese war es auch die die Händler dazu veranlasste ihr Gerümpel feilzubieten – einen Wert besaß kaum einer der Gegenstände.

Das einzige, was für einen Kunden von Interesse gewesen wäre, hielt der Junge fest in seinen Händen und versteckte sich in seiner Jackentasche. Nicht nur deshalb rannte er, als ginge es um sein Leben. Er kannte sich in diesen Gassen aus. Sein ganzes Leben hatte er in dieser Stadt verbracht. Hastig warf er seinen Blick von einer Seite zur anderen. So viele Nischen kannte er, die ihn retten könnten. Doch eine jede war verstopft. Eigentlich war die Gasse viel zu eng für einen Markt. Doch die Not ließ viele Hindernisse überwinden. Kleine Karren versperrten dem Jungen jeden Fluchtweg.

„Haltet ihn.“ Schreie überschallten die Gasse.

Keiner dachte daran, sich zu bewegen.

Einer der Hünen riss in seiner Wut einen Karren um. Lange schepperten die rostigen und verbeulten Töpfe über die Pflastersteine.

Erschrocken blickte sich der Junge um. Sie waren näher als er es für möglich hielt – viel zu nah. Angst verlieh dem Kleinen neue Kraft. Er riss seinen Blick widerwillig nach vorne. Nur im letzten Moment konnte er einer Frau ausweichen. Panisch sprang er ein wenig zu weit zur Seite. Sein Mantel verfing sich an einem Widerhacken eines alten Karrens. Seine Manteltasche riss auf. Taumelnd lief er weiter. Doch schon nach wenigen Schritten verlor er zwei Äpfel aus seiner Tasche. Am ganzen Leib zitternd blieb er stehen. Starrte ungläubig auf die beiden Äpfel, die dabei waren unter einen Stand zu rollen. Blickte auf. Sah seine Verfolger. Blut schoss ihm in den Kopf und es wurde ihm heiß. Sein Herz schlug ihm gegen die Kehle. Hastig bückte er sich und griff nach einem der Äpfel. Erleichtert umfassten seine Finger die Frucht. Ein heftiger Tritt traf den Jungen in die Seite und er stürzte gegen eine Hauswand. Bewusstlos blieb er liegen, während der Apfel aus seiner schlaffen Hand rollte.

Im Schatten der Dämmerung

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