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PROLOG BRENDA
ОглавлениеEin weithin vergessener Fernsehsketch, »Rock Against Yeast«, der am 17. Februar 1979 in der amerikanischen Comedyshow Saturday Night Live gezeigt wurde, bildet den Ausgangspunkt für dieses Buch. Er bringt das Mick-Jagger-Dilemma auf den Punkt: Wie können wir noch immer einen Mann verehren und begehren, den wir eigentlich gar nicht mehr mögen? Das Mick-Jagger-Dilemma wirft natürlich auch die Frage auf, ob wir ihn überhaupt jemals gemocht haben. Und sollte die Antwort darauf negativ ausfallen, stellt sich die Frage, wie es möglich ist, dass er in der Popkultur der letzten fünfzig Jahre permanent präsent sein konnte, ohne dass er so etwas wie ein Kumpel für uns wurde? Immerhin ist sein Co-Songwriter, sein Geschäftspartner und sein gelegentlicher Gegenspieler Keith Richards seit Ewigkeiten unser aller cooler großer Bruder.
In besagtem Sketch mimt Gilda Radner Candy Slice, eine verhinderte Patti Smith mit wilder schwarzer Mähne, weißem Tanktop, spindeldürren Beinen in schwarzen Strumpfhosen, Turnschuhen, unrasierten Achselhöhlen und einem augenscheinlich auf Drogenkonsum zurückführbaren Mangel an innerer Ausgeglichenheit. Sie tritt im Rahmen eines Benefizkonzerts auf, an dem auch andere Superstars teilnehmen, darunter Bob Marley (dargestellt von Garrett Morris), Dolly Parton (Jane Curtin), Olivia Newton-John (Laraine Newman), eine unter dem Namen Elvii auftretende Elvis Tribute Band (John Belushi und Dan Ackroyd), die sowohl den fetten als auch den mageren Elvis präsentierte, und natürlich Rick Nelson höchstpersönlich (der die TV-Show moderierte). Bill Murray, der mit Jerry Aldini von »Polysutra Records« die Rolle eines schmierigen, Satin-Baseballjacke tragenden Musikindustriebosses spielt, scheucht die aus einer Bierpulle saufende und rülpsende Candy unter ihrem Sauerstoffzelt hervor. Sie soll bei dem Benefizkonzert, bei dem sie mit ihrer Candy Slice Group ihr Debüt gibt, wenigstens für die Dauer der Garagenrocknummer »Gimme Mick« durchhalten. Der Song ist ziemlich vertrackt, denn er handelt sowohl davon, wie sehr sich Candy von dem seinerzeit sechsunddreißigjährigen Mick Jagger angezogen fühlt, als auch davon, wie abstoßend sie ihn findet. »Mick Jagger, if you’re out there, this is for you«, nuschelt sie.
»Gimme Mick! Gimme Mick! Baby’s hair, bulgin’ eyes, lips so thick! Are you woman? Are you man? I’m your biggest funked up fan. So rock and roll me till I’m sick«, singt Candy im Refrain. Die Band spielt kurz darauf die Bridge, während der Candy, nachdem sie gestanden hat, Mick Jagger verfallen zu sein, nun in einen Sprechgesang übergeht und in einem geradezu patti-smithesken Gedankenstrom räsoniert: »You, Mick Jagger actually continue to perform at a concert where someone get knifed and killed during the sixties.« Sie erinnert sich plötzlich wieder an die Tragödie von Altamont. Bei dem Konzert auf dem Altamont Speedway in der Nähe von San Francisco wurde der achtzehnjährige Fan Meredith Hunter von einem Hells Angel ermordet, während die Stones gerade »Under My Thumb« spielten. Hier wurde wohl das Ende der Love-and-Peace-Ära eingeläutet (mehr dazu später).
»You, Mick Jagger, are English and go out with a model and get an incredible amount of publicity!« Jagger hatte unlängst das gertenschlanke texanische Model Jerry Hall seinem Kollegen, dem Roxy-Music-Sänger Bryan Ferry ausgespannt (auch hierzu später mehr). »You, Mick Jagger, don’t keep regular hours!« Es war die große Zeit der New Yorker Diskothek Studio 54, als tanzbarer New Wave und Discomusik gerade schwer angesagt waren. Mick kreuzte dort seinerzeit häufiger spätnachts auf, übernächtigt und umflort von einer etwas dekadenten Aura. Ein willkommenes Objekt für Paparazzi wie Ron Galella. Und schließlich wettert Candy: »You, Mick Jagger, have the greatest Rock’n’Roll band in the history of Rock’n’Roll and you don’t even play an instrument yourself!«
Genau hier ist der Punkt, wo sich das Mick-Jagger-Dilemma verselbstständigt. Der Witz verfängt natürlich beim Studiopublikum, was sich in der Hauptsache Gildas Charisma, ihrer schauspielerischen Begabung und ihrer Überzeugungskraft verdankt, doch der Vorwurf an sich könnte nicht haltloser sein. Der Witz funktioniert, weil er zu einer Sichtweise auf Mick Jagger passt, die sich vor rund zweiunddreißig Jahren wie ein Tumor auszubreiten begann. Und es dauerte gerade einmal ein halbes Jahrzehnt, bis diese fast vollständig die Art und Weise bestimmte, wie wir Mick Jagger wahrnehmen und dabei viele Tatsachen verdrehen. Er spielt natürlich Musikinstrumente. Er ist der Harmonikaspieler der Rolling Stones seit er den Wettstreit um diese Position mit Brian Jones 1962 für sich entschied. Man muss sich nur einmal das famose Solo am Ende der Liveversion von »Midnight Rambler« auf Get Yer Ya Ya’s Out anhören, um den Sound eines Instruments zu vernehmen, das von jemandem gespielt wird, der ganz offensichtlich dazu geboren wurde und ohne Frage ein begnadeter Musiker ist. Selbst Keith Richards lobt Mick als Naturtalent auf der Bluesharp in den höchsten Tönen. »Er denkt nicht nach, wenn er Mundharmonika spielt«, sagte Keith einmal. »Es kommt aus seinem Inneren. Er hat schon immer so gespielt, seit unseren Anfangstagen.« Und mit dem Riff zu »Brown Sugar«, dem Nummer-eins-Hit für die Stones aus dem Jahr 1971, leistete Jagger einen weiteren und alles andere als geringen musikalischen Beitrag. Wer den Titel gerade gelesen hat, hat den Song wahrscheinlich sofort im Ohr und kann ihn mitsummen. Für mich ist das einer der fünfzig besten Songs, die je geschrieben wurden. Und Mick hat ihn sich ausgedacht. Selbst Keith, der unvergessliche Riffs förmlich im Schlaf erfindet, gibt zu, dass es dieser Riff war, der im Rock’n’Roll-Kosmos herumgeisterte und sich in den Köpfen der Leute einnistete. Nebenbei bemerkt, glauben ohnehin die meisten Leute, dass Keith dafür verantwortlich zeichnet. Mick gilt als viel zu intellektuell und zu anspruchsvoll, als dass man ihm zutrauen würde, so etwas Elementares, Primitives und Raues zu schaffen.
Wenn man sich über die Rolling Stones Gedanken macht, dann denkt man gewöhnlich an das Herz und an die Weichteile. An das Gehirn denkt man eher weniger. »Keith ist das Herz«, konstatierte der Musikjournalist Keith Altham mir gegenüber in einem frühmorgendlichen Telefoninterview, »und Mick ist das Gehirn.« Das Herz und das Hirn. Beides zusammen muss funktionieren, doch ob in der Poesie oder sonst wo, wir rühmen das Herz. Das Herz pumpt. Das Hirn plant. Es ist genau diese Vorstellung vom nüchtern planenden Mick Jagger, die dazu führt, dass wir mit dem Finger auf ihn zeigen und ihm die künstlerischen Fehltritte in der langen, dunklen Geschichte der Rolling Stones anlasten. Sicher war Mick derjenige, der sich damit einverstanden erklärte, den Text von »Let’s Spend the Night Together« in »Let’s Spend Some Time Together« auf Geheiß von Ed Sullivans hasenfüßigen Lakeien zu ändern. Gewiss hat Mick den kranken, verwirrten, aufgedunsenen Brian Jones aus der Band rausgeworfen und ihn ertrinken lassen. Er schob den Hells Angels, die er selber angeheuert hatte, die Schuld für Altamont in die Schuhe. Er hat seine Brüder und Schwestern im Rock’n’Roll für eine Horde Euro-Trash-Grafen und -Gräfinnen an der französischen Riviera im Stich gelassen … und für Andy Warhol. Er besudelte das Ansehen der Stones, indem er mit Paul Young und Nick Rhodes in den frühen 80ern gemeinsame Sache machte, als er in seiner Midlifecrisis steckte und sein Heil in einer Solokarriere als Popstar suchte. Er zog uns für das Ticket für den Film Freejack das Geld aus der Tasche. Und er war es auch, der von den armen Jungs von The Verve Geld dafür sehen wollte, das sie für ihr »Bitter Sweet Symphony« eine Orchesterversion von »The Last Time« als Sample verwendeten. Letztlich ist er auch schuld an so manchem Debakel bei der Fußball-WM 2010, denn alle Teams, mit denen er mitfieberte, schieden überraschend früh aus.
Genau umgekehrt verhält es sich mit Keith, bei dem es, egal was er macht – selbst wenn er an seiner Heroinsucht die Rolling Stones fast zerbrechen lässt –, am Ende darauf hinausläuft, dass das alles nun mal unseren größten Anti-Helden ausmacht. Keith verdient nicht einen Cent weniger und er hat nicht einen Geschäftstermin versäumt, bei dem wichtige Entscheidungen getroffen wurden. »Keith saß in Genf in einer altehrwürdigen Schweizer Bank mit am Tisch und ritzte mit einem Bowie-Messer seine Initialen in die Platte, während Mick, (der frühere Finanzberater der Stones) Rupert Prinz zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg und ich beisammen saßen und ein Steuerkonzept ausarbeiteten. Doch nicht ein einziges Mal hat Keith den Raum verlassen«, erinnert sich der ehemalige Stones-Manager Peter Rudge. Dieses Bild von Mick als der Zyniker und Geizkragen in der Band erhärtet Keith bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Es war während der Phase ihrer größten Entfremdung Mitte der 80er, als Keith ein Buch von Brenda Jagger entdeckte, einer in Yorkshire geborenen Autorin von historischen Romanen. Seither nennt Keith ihn – hinter Micks Rücken – Brenda, wenn dieser nach seiner Ansicht mal wieder auf Abwege gerät.
Brenda. Ihre Majestät Brenda. Oder einfach »die Zicke«. Das blieb nicht lange ein Insiderwitz. »Keiths Kritik an Mick ist manchmal ein bisschen kindisch«, sagt Altham. Mick ist nicht darauf eingegangen. Er hat nie wirklich etwas dagegen unternommen, hat die Beleidigungen einfach ertragen. Als er sich 1995 mit dem Rolling Stone-Herausgeber Jann Wenner, mit dem er eng befreundet ist, zusammensetzte, war es das letzte Mal, dass er sich auf ein tiefschürfendes Interview eingelassen hat, das überdies länger als die üblichen zwanzig Minuten dauerte, die er gewöhnlich gewährt. Entsprechend kurz fiel die Coverstory aus, die Zoë Heller im Herbst 2010 für das Style Magazine der New York Times schrieb.
»Interviewt zu werden ist für Jagger alles andere als ein angenehmer Zeitvertreib«, schreibt Wenner im ersten Absatz, bevor er das relativ ausführliche Interview folgen lässt. Doch nicht nur darin, sondern auch in den Kurzgesprächen mit weniger namhaften, inquisitorischen Journalisten kommt Jagger argwöhnisch, widerspenstig und herablassend rüber. Als der britische Musikjournalist Nick Kent 1973 den damaligen Stones-Gitarristen Mick Taylor für den New Musical Express (kurz NME ) interviewte, besaß er die Frechheit, sich beim ebenfalls anwesenden Sänger der Band kurz zu erkundigen, ob in der Zukunft mit einem Soloalbum von ihm zu rechnen sei. Jagger, gerade intensiv mit dem Verzehr einer Wurst beschäftigt, erwiderte: »Das ist nicht mein Interview!«
Weniger Wurst und mehr Zucker hätten vermutlich geholfen, Mick bei denen beliebter zu machen, die ihm hätten helfen können, ein freundlicheres Bild von ihm zu vermitteln und vor jenen Schmähungen zu bewahren, denen er sich in den Jahren nach »Rock Against Yeast« ausgesetzt sah. Ein Beispiel dafür lieferte im Jahr 2003 das mitunter großartige Magazin Blender (für das auch ich später geschrieben habe), das eine Liste der fünfzig schlimmsten Rockstars aller Zeiten veröffentlichte, in der Mick Jagger als Solokünstler Rang dreizehn einnahm. Er lag damit unmittelbar vor dem langhaarigen New Ager Yanni und dem skurillen schwedischen Gitarren-Shredderer Yngwie Malmsteen. »Angesichts der Top-Musiker, die Mick Jaggers Ruf gefolgt sind und bei seinen vier Soloalben mitgewirkt haben, hätte sogar ein gänzlich unmusikalischer Sechsjähriger etwas produziert, das man sich auch ein zweites Mal würde anhören mögen«, war im Blender zu lesen, wo es weiter hieß: »Nur scheint es so, dass leider gerade kein gänzlich unmusikalischer Sechsjähriger zur Verfügung steht, wenn man ihn einmal braucht.« Ein vernichtendes Urteil, und das von einem Musikmagazin, das sogar Tila Tequila aufs Cover brachte. Man ist (so wie ich) versucht, Mick zu verteidigen, weil aus dem Jagger-Lager nichts zu hören ist. Keith und seinesgleichen haben einige von uns zu einer Art Schulhofaufsicht gemacht. Zwei Jahre zuvor veröffentlichte der New York Observer eine von Ron Rosenbaum verfasste Kolumne mit dem Titel: »Mick Jagger: unser am meisten unterschätzter Songwriter«. Rosenbaum ist der Ansicht, dass Jaggers Jetset-Lifestyle und seine manisch exhibitionistische Rolle, die er auf der Bühne spielt, viel zu sehr den Blick darauf verstellen, welche umwerfenden, ergreifenden Balladen er geschrieben hat. Man braucht nur an »Angie«, »Time Waits for No One« und das etwas scheppernde, wunderbar traurige »Blue Turns to Grey« zu denken. Rosenbaum führt die »sparsame, Beckett-hafte Sprache in ›No Expectations‹ an« und fühlt sich bei der Art der Charakterzeichnung in »Till the Next Goodbye« an Graham Greene erinnert. 2001, als Rosenbaums Kolumne erschien, kam Micks viertes Soloalbum, Goddess in the Doorway, heraus und ging in der ersten Woche in Großbritannien nur rund neunhundertmal über die Ladentheke. Und das trotz einer enormen PR-Kampagne, zu der auch eine einstündige, zur Primetime ausgestrahlte BBC-Doku mit dem Titel Being Mick und eine Reihe Interviews gehörten, die der Musikpresse ansonsten nur äußerst selten gewährt werden. Diese Maßnahmen trugen ebenso wenig dazu bei, dem Album einen kommerziellen Erfolg zu bescheren, wie die Mitwirkung von Popstars wie Wyclef Jean, Rob Thomas und Lenny Kravitz, Micks wichtigster Stütze bei seinen Solo-Projekten. Es schien sogar eher so, als würde sich das Mick-Jagger-Problem noch weiter verschärfen. Über Being Mick schrieb Ron Rosenbaum: »Und einmal mehr zeugte das Image, das er bei den Leute hat, davon, dass sie ihn völlig unterschätzen, dass sie ihn als einen Jetset-Promi abschreiben, anstatt ihn als den ernsthaften Künstler wahrzunehmen, der er immer war und bis heute ist.« Keith Richards konnte der Versuchung, noch einen oben draufzusetzen, nicht widerstehen, indem er sich öffentlich über Goddess in the Doorway lustig machte, das er »Dogshit in the Doorway« nannte.
Kurz nachdem im Herbst 2010 Keiths Autobiografie Life auf den Markt gekommen war, veröffentlichte das Webzine Slate eine geistreiche Replik, die ein gewisser »Mick« im Gespräch mit einem Journalisten namens »Bill Wyman« formuliert haben soll. Es ist eine Antwort, in der zweifellos verschiedene Brenda-Eigenschaften durchschimmern; sie ist kratzbürstig, witzig, clever, ein bisschen zickig, aber dennoch völlig angemessen: »[Keith] hat ein Buch geschrieben, in dem im Wesentlichen steht, dass ich einen kleinen Schwanz habe. Dass ich ein schlechter Freund bin. Dass man mich nicht wirklich kennen kann. Die Rezensenten, die Keith mögen, fragen nicht, warum das alles da steht. In der Öffentlichkeit haben wir über diese Dinge nur sehr selten gesprochen und sie dann auch nur gestreift. Privat reden wir auch nicht darüber; und, nein, er ist in den letzten zwanzig Jahren nicht in meiner Garderobe gewesen. Ich dachte, wir hätten beide gelernt, dass es nichts bringt, die Presse an irgendwas teilhaben zu lassen, abgesehen davon, den Journalisten ein paar Zückerchen hinzuwerfen für einen jener euphorischen ›Die Stones sind zurück und rocken in Topform‹-Artikel, die alle unserer Tourneen begleiteten.«
Natürlich war das alles nur erfunden; diesen Schlag hat Mick nie ausgeteilt. Er scheint einfach nicht daran interessiert zu sein, seinen Ruf aufzupolieren oder uns in einer Weise an ihn ranzulassen, die über so artifizielle Promotion-Projekte wie das Cinéma-Vérité-Filmchen Being Mick hinausgeht. Er blickt nicht zurück, solange es sich für ihn nicht lohnt. Anders als viele Journalisten, die über ihn geschrieben haben (mich selbst eingeschlossen), braucht Mick keinen besonderen Kontext, um sein Leben wertzuschätzen oder es zu genießen. Seine Haut ist so dick und zäh wie Keiths Leber. Nick Kent, der die Geschichte der Stones seit den frühen 70ern verfolgt und dabei tiefe Einblicke gewonnen hat, schreibt in Apathy for the Devil, seiner Autobiografie aus dem Jahr 2010: »Im schmierigsten Showbusiness-Sinne des Wortes war er immer smart genug zu begreifen, dass Künstler, die sich aktiv um die Zuneigung des Publikums bemühen, oft ausgebrannt und hilfsbedürftig enden wie Judy Garland … dennoch steht er letztendlich immer als Bösewicht da, wenn irgendjemand die Saga der Rolling Stones erzählt – als Kontrollfreak, kalter Fisch, gerissener, herzloser Geizhals. Es ist ein einziges großes Märchen geworden – die Rolling Stones in den Augen der internationalen Presse – und Jagger spielt darin den bösen Kobold.« Im Spätsommer 2010, als Kent gerade die Werbetrommel für Apathy for the Devil rührte, führte ich ein Telefoninterview mit ihm für die Website von Vanity Fair, auf der ich blogge. Ich hatte sein Buch gelesen und befragte ihn gezielt zu diesem Thema. Ich bat ihn, mir die Sache genauer zu erklären, und wieder lief es auf Micks Verhältnis (oder den Mangel an Verhältnis) zu den Leuten hinaus, die ihre Brötchen auf dieselbe Weise verdienen wie Kent und ich.
Marc: Seit wann ist Mick nicht mehr der rebellische Held? Keith ist es immer noch. Dabei bekommt Keith dieselben Gagen wie Mick. Und Keith hat die Band mit seinen Drogenproblemen fast kaputt gemacht. Trotzdem gilt er als der einzig Wahre, die Seele der Band. Was steckt dahinter?
Nick: Jeder, der schon einmal ein Jagger-Interview gelesen hat, weiß wie ausweichend er sich ausdrückt. Er ist einfach nicht entgegenkommend.
Marc: Ist ihm das einfach egal?
Nick: Er spielt mit Journalisten gerne Spielchen. Er gibt jetzt seit fünfzig Jahren Interviews. Er ist der ganzen Sache zwangsläufig etwas überdrüssig, sagt sich aber auch: »Ich mache das Ganze, um eine Platte oder eine Tour zu promoten. Ich gebe euch drei oder vier Sätze, meistens aber auch nur einen.« Aber wenn man sich mit Keith Richards hinsetzt, redet er so lange, bis man das Gefühl hat, an ihn als Menschen heranzukommen und ihn ein wenig kennenzulernen. Er hält mit seinen Ansichten nicht hinterm Berg, er fragt sich nicht: »Sollte ich das einem Journalisten wirklich erzählen? Wie wird das rüberkommen? Wird das womöglich negativ aufgefasst werden?« Er legt einfach los. Er schert sich nicht wirklich darum, wie das, was er sagt, bei anderen ankommt. Er nimmt die Konsequenzen in Kauf, ob er nun über Elton John herzieht oder erzählt, wie er die Asche seines Vaters geschnupft hat – was natürlich empörend und völlig daneben ist. Wie auch immer, Keith spielt mit den Medien wie auf einer Mundharmonika.
Als ich Marianne Faithfull, die in den 60ern Micks berühmte Freundin und Muse war, ebenfalls während eines Interviews für die Vanity Fair-Website eine ganz ähnliche Frage stellte, schien sie irgendwie amüsiert über die Bemerkung. »Ich glaube, die Leute wissen, das er ziemlich cool ist.«
Marc: Aber sie haben sich mit der Zeit von ihm abgewendet. Seine Coolness war mal gewaltig, aber heute ist davon nur noch wenig geblieben. Von Keith oder Ihnen hat sich hingegen niemand abgewendet. Anders als Mick sind Sie immer cool gewesen. Warum, glauben Sie, ist das so?
Marianne: Ich weiß nicht. Ich habe einfach eine Menge Glück. Ich glaube, die Leute wissen, dass ich gute Absichten habe. Ich bin nicht aus niederen Beweggründen dabei. Ich bin nicht dabei, um flachgelegt zu werden. Auch nicht des Geldes wegen. Ich habe andere Gründe.
Marc: Und die junge Generation kann das erkennen? Und respektieren?
Marianne: Sie wissen, dass ich niemand bin, der nimmt. Sie können es fühlen. Sie wissen, dass ich jemand bin, der gibt.
Ich glaube kaum, dass wir, wenn wir an Mick denken, auch an Großzügigkeit denken – wie auch immer geartete. Anders als Marianne Faithfull oder andere ewig coole, alternde Musiker (Leonard Cohen, Lou Reed, Iggy Pop, David Bowie, Scott Walker, Lee »Scratch« Perry), steht Mick nicht mehr auf der Liste der Idole, die jede neue Generation für sich entdecken möchte und in ihren Reihen willkommen heißt; er gehört nicht mehr zu den Ewigjungen.
Wir, die interessierten Journalisten, die wir wie Candy Slice besessen sind von dem jungen Mick, den wir geliebt haben, der uns gerockt hat, wir wollen eine Stunde. Doch wir kriegen nur zwanzig Minuten. Was sollen wir mit den restlichen vierzig tun? Wir denken über Brenda nach. Jedes Vakuum muss gefüllt werden, also saugen wir uns was aus den Fingern. Mick ist so etwas wie ein unsicherer Peter Pan. Ein Bob Hope oder ein Dick Clark des Rock’n’Roll, jemand, der nicht weiß, wann man es gut sein lässt mit der Karriere und einen ebenso würdevollen wie selbstbestimmten Abgang macht. Ein Geizkragen, besessen von jedem geschäftlichen Detail, mit dem die Rolling Stones AG Geld scheffelt: das Logo mit der herausgestreckten Kali-Zunge auf Kreditkarten, Krawatten, Kaffeebechern und Schlüsselbändern. Wir wünschen uns einen Mick mit einem wärmeren Naturell, weil die Musik der Stones – vor allem auf dieser perfekten Viererserie von Beggars Banquet 1968 über Let It Bleed 1969 und Sticky Fingers 1971 bis hin zum 72er Doppelalbum Exile on Main Street – so erdig und locker, rauchig und wahrhaftig klingt. Sie bringen uns dazu, dass wir uns verschwitzt und sexy fühlen – und dass uns warm ums Herz wird. Wie kann der Kerl, der diese Lieder singt, nur so ein kalter Fisch sein? Wurde er unserer Zuneigung überdrüssig? Unserer Großmütter und Mütter und Tanten, die sich seinetwegen in den frühen 60ern die Seele aus dem Leib schrien und ihm ihre Schlüpfer auf die Bühne warfen? All dieser schmierigen Plattenbosse, der Jerry Aldinis dieser Welt, der Dealer und Schmarotzer, der Verräter der späten 60er, die nicht aufhörten, ihm Honig um den Mund zu schmieren? Hat er da die Schotten dicht gemacht? »Jeder wollte ein Stück abhaben«, erinnert sich Keith in Life an eine Zeit Mitte der 60er, als Mick und nicht er selbst oder der immer stärker abbauende Brian Jones der einzige Blitzableiter der Gruppe war. »Man beginnt nach und nach, jedem gegenüber diese abwehrende Haltung einzunehmen, nicht nur Fremden, auch Freunden. Er war früher viel warmherziger, aber das ist viele, viele Jahre her. Er hat sich selbst in einen Kühlschrank zurückgezogen.« Es gibt tatsächlich Personen, die, vor allem in den 70er- und 80er-Jahren, zum engeren Umfeld der Stones gehörten und diese Distanziertheit bestätigen. »Zwanzig Minuten in sechs Jahren«, mailte mir einer von ihnen auf die Frage, wie viel direkten Kontakt er tatsächlich mit Mick hatte.
Nehmen wir einmal an, Mick Jagger hat sich tatsächlich emotional abgekapselt. Ist nur noch Kopf, ganz ohne Herz. Wann genau kam es dazu? Wann hat Mick den Kontakt zu uns verloren? Wann hörte er auf, einer von uns zu sein? War es in Altamont? Wenn man sich Gimme Shelter anschaut, den Dokumentarfilm von Albert und David Maysles und Charlotte Zwerin über die 69er US-Tour der Stones, erlebt man tatsächlich einen Augenblick, in dem man zu sehen können glaubt, wie Mick Jaggers rebellische Seele seinen Körper für immer verlässt. Einen Moment lang ist er noch offen, im nächsten verschlossen und ernst. Mick sieht sich zusammen mit Albert und David Maysles in einem Schnittraum Filmaufnahmen vom Altamont Free Concert an. Er ist damals gerade siebenundzwanzig, ein Alter, in dem eine Reihe großer Rockstars den Löffel abgaben. Er wirkt verstört. Seine Fingernägel sind dreckig. Ein Jahr zuvor hatte er fast noch an die Revolution geglaubt (auch dazu später mehr). Die Bilder von den Gewaltausbrüchen, zu denen es während des Konzerts kam, laufen noch einmal vor ihm ab; dann zeigt der Monitor, auf den Mick starrt, nur noch Weiß. Er steht auf, stammelt ein knappes, kaum hörbares »Danke«, und der Teil von ihm, nach dem wir uns noch heute sehnen, hat sich möglicherweise für immer verabschiedet. An die Stelle dieses Teils von ihm trat ein Privatleben, das aggressiv verteidigt wurde, und das schlechteste öffentliche Image in der Geschichte des Rock’n’Roll, an diese Stelle trat Brenda.
Oder war es doch nicht so? Der einzige Grund, aus dem wir über den besagten Augenblick hier überhaupt sprechen können, ist, weil Mick Jagger es erlaubt hat. Zusammen mit Keith hat er das gesamte Filmmaterial, das für Gimme Shelter verwendet wurde, freigegeben – Material, das ihn in Altamont auf der Bühne an dem Punkt zeigt, an dem er so ohnmächtig, verschreckt und desillusioniert war wie wohl noch nie zuvor in seinem Leben. Er hätte auch einfach all das verbrennen können. »Von einem Moment auf den anderen habe ich meinen Respekt vor Jagger verloren«, sagte mir der Musiker, Autor und Aktivist Mick Farren während eines Telefonats. Bevor wir überhaupt offiziell mit dem Interview begonnen hatten, hatte Farren mich vorgewarnt, dass er Mick Jagger für »den Fredo Corleone« der Stones hielt. In Der Pate wollte Fredo gerne der große Boss sein, aber er war so korrumpierbar, das er letztendlich tragischerweise etwas tat, wodurch er die ganze »Familie« verriet. Farren glaubt, dass man in Gimme Shelter alles Entscheidende sehen kann. »Angesichts einer echten satanischen Macht verwandelte sich Mick im Grunde genommen in eine aufgeschreckte alte Tunte. ›Oh, Leute, warum kämpfen wir? Oh, Brüder und Schwestern.‹ Das war ein Moment, in dem man seine Autorität behaupten muss. In einem gewissen Maße hat Keith das getan. ›Hey, ihr Arschlöcher, wenn das nicht aufhört, machen wir uns vom Acker.‹ Ganz der routinierte alte Rocker. Verdammt nochmal. Genau so etwas habe ich von Jagger erwartet, und genau das habe ich nicht bekommen. Es war wie eine Szene aus Des Kaisers neue Kleider.«
Trotzdem gilt es zu bedenken: Wir würden von diesem Moment, auf dem unsere Meinungsbildung basiert, überhaupt nichts wissen, wenn Mick, das »Gehirn« der Stones, es nicht gewollt hätte.
Vielleicht findet sich dieser Punkt, von dem viele glauben, dass Mick Jagger an ihm aufhörte, einer von uns zu sein, selbstlos und warmherzig zu sein, in seinen sorglosesten und schnörkellosesten Darbietungen. Wenn ein Rock’n’Roll-Star seine coole Pose aufgibt, dann bleibt ihm manchmal nichts mehr. Wenn wir uns mit Mick Jagger beschäftigen, beschäftigen wir uns mit einer riesigen Grauzone: Er ist eine komplexe, schwierige, verstörende Person, die nur allzu oft schwarz-weiß gezeichnet wird. »Als wir den Film fertiggestellt und ihm vorgeführt hatten, konnte er sich zuerst nicht dazu durchringen, ihn freizugeben«, erzählte mir Albert Maysles, einer der Regisseure. »Das dauerte noch einmal sechs Monate. Glücklicherweise verlangten weder er noch die anderen Stones irgendwelche Veränderungen. Daher blieb der Film voll und ganz so, wie wir ihn haben wollten. Sie baten uns, die Gewaltszenen nie aus dem Kontext des Films herauszureißen, wobei wir auch diesbezüglich völlig einer Meinung waren.«
Ohne Gimme Shelter wäre Meredith Hunter möglicherweise inzwischen weitgehend vergessen. Seine sterblichen Überreste ruhen in einem nicht gekennzeichneten Grab auf einem Friedhof in Vallejo, Kalifornien. Es gibt eine traurige, kurze Dokumentation von Sam Green aus dem Jahr 2006 mit dem schlichten Titel Lot 63, Grave C, die sich mit Hunters Tod und seiner sehr abgeschiedenen, letzten Ruhestätte beschäftigt.
»Für mich war das ein wichtiges Zeichen dafür, wie mitfühlend und rücksichtsvoll Mick auf das Geschehne reagiert hat«, sagte Maysles.
»Die Leute haben förmlich danach verlangt«, sagte Keith später einmal über Altamont. »Sie hatten diese Opferminen.« Aber auch Micks Gesicht ist das Gesicht eines Opfers, wie es für immer eingefroren in die Kamera starrt, nachdem er sich vom Schnittpult erhoben hat. Keith mit seiner simplen Schwarz-Weiß-Sicht auf die Dinge ist – und das ist entscheidend – nie das Opfer. Er investierte Millionen in pharmazeutisches Heroin, in Anwälte und Berater, die einen undurchdringlichen Schutzwall um ihn herum errichteten, während er sich an einen Rest Herzenswärme klammert, die manchmal von einem aufrichtigen, jungenhaften Lächeln befeuert wird. Das ist, so sehr wie alles andere, der Grund, warum junge Leute heute noch so sein wollen wie er. Es erscheint uns einfacher, sauberer, spaßiger und nicht zuletzt sicherer zu sein – obschon wir nicht über die Millionen verfügen, die man braucht, um das auch garantieren zu können. Während ich noch an diesem Buch schrieb, machte in meinem Umfeld eine Frage die Runde, so etwas wie ein Rorschachtest für Kneipengänger, ein Gesellschaftsspiel für meine snobistischen Rockkumpels und Bekannten. Es ist eine einfache Frage, aber die Antwort verrät alles (glaube ich; andere mögen sagen: überhaupt nichts) darüber, wo man selbst im Leben steht.
Diese Frage lautet: »Wer würdest du lieber sein, Mick oder Keith?«
Kaum jemand wird sich für Mick entscheiden. (Wann sah man ihn das letzte Mal lächeln?) Wenn Popsternchen Ke$ha 2009 in ihrem Hit »TiK ToK« davon singt, Typen von der Bordsteinkante zu schubsen, »solange sie nicht wie Mick Jagger aussehen«, gehen wir davon aus, dass sie den jungen Mick meint (wohingegen sie sich bei dem »P. Diddy«, den sie zu Beginn des Songs erwähnt, auf den gegenwärtigen bezieht). Wenn Ghostface Killah allerdings gar nicht erst auf den Reim gestoßen wäre und Kanye West ihn in seinem Hit-Duett mit Jay-Z und T. I. »Swagga Like Us« 2008 nicht bekannt gemacht hätte, wäre er bei Ke$ha wohl kaum aufgetaucht. Jenseits der britischen Boulevardzeitungen und der Seite sechs der New York Post (wo man sich immer wieder wundert, wie jugendlich er noch das Tanzbein auf irgendeiner Fashion Event Party schwingt) wird Micks Name in den USA nämlich überhaupt nicht erwähnt. Vergessen ist die Tatsache, dass Mick bereits einen diamantenbesetzten Zahn hatte, lange bevor der Begriff Bling-Bling überhaupt in aller Munde war. Zugegeben, vor einigen Jahren hätte auch ich spontan noch »Keith« sein wollen, aber wenn man sich einmal mit den tatsächlichen Sachverhalten und den Geschichten hinter den öffentlichen Images beschäftigt hat, entscheidet man sich ohne zu zögern für Mick. Mick Jagger ist derjenige, der man gerne wäre, wenn man erwachsen ist. »In welchem Maße ich die Rolle spielte, die man mir zugeschrieben hatte, kann ich heute nicht mehr sagen«, gibt Keith in seiner Biografie unumwunden zu. »Ich meine solche Sachen wie den Totenkopfring, den kaputten Zahn, das Kajal. Halb und halb vielleicht? Die öffentliche Person, das Bild, das jeder von einem hat, ist wie eine Sträflingskette mit Bleikugel.«
Das hier ist kein Anti-Keith-Buch. In den Briefen, die ich geschrieben, und den Anfragen, die ich zu einigen Themen gestellt habe, habe ich das auch immer betont. Ich für meinen Teil liebe den Mythos Keith noch immer. Ich habe den größten Respekt für die Unbeugsamkeit und den Stolz, mit denen er dieses verbrauchte Dandy-Antlitz seiner Endzwanziger trägt, ich bin sogar der Meinung, Keith trägt es mit einer bemerkenswerten, sagenhaften Würde. Ich bin fasziniert von Keiths deformierten Fingern, den geschwollenen Gelenken, den verhornten Fingerspitzen und dem bereits erwähnten Totenkopfring, von den ewig qualmenden Zigaretten und den Unmengen an Wodka-Orange, die er konsumiert und mit denen er dem Tod förmlich ins Gesicht lacht. Ich verehre ihn dafür, dass er Fans wie Johnny Thunders, die es ihm gleichtun wollten, überlebt hat und dass er sich über jede neue, morbide Prominenten-Todesliste mit der Überschrift »Das sind die Nächsten« amüsieren kann, auf denen er an erster Stelle steht. Jedes weitere Jahr, das Keith durchhält, jeder verstorbene Fan, den er überlebt, jede astronomische Gage, die er einsackt, ist wie ein Tusch für den gewöhnlichen Sterblichen.
Mick Jagger ist dieser gewöhnliche Sterbliche – trotz all seines Jetset-Gehabes: verwundbar, auf der Suche, skeptisch, etwas so Monolithischem wie dem Rock’n’Roll niemals ganz und gar verpflichtet. Die Rolling Stones sind eine Verpflichtung für Keith und eine Verpflichtung für uns. Was Mick betrifft, so unterstützen sie seine philosophische Sinnsuche ebenso wie sie sie manchmal verhindern. »Ian Stewart sagte einmal zu mir: ›Falls Mick irgendwann einmal seine wahre Identität finden sollte, ist das das Ende der Rolling Stones‹«, erzählte Keith Altham. Er sprach hier vom Mitbegründer, Pianisten und dem eigentlichen Gewissen der Band, dem Schotten »Stu«, den der einstige Stones-Manager Andrew Loog Oldham zum Roadie degradierte und der der zweite Rolling Stone war, der von uns ging (1985 im Alter von siebenundvierzig Jahren). »Dieses ganze Rolling-Stones-Ding ist für ihn in gewisser Weise eine Suche nach sich selbst«, so Altham. Solange Mick noch mitmacht, ist er noch auf der Suche, und wenn er immer noch überlegt, wer er ist, dann sollte es für uns selbstverständlich sein, der Versuchung zu widerstehen, mit so einfachen Antworten wie »Brenda« aufzuwarten. Es gibt ein berühmtes Foto, das Mitte der 70er-Jahre geschossen wurde, darauf ist Mick Jagger zu sehen, wie er vor einem T-Shirt mit der Aufschrift »Who the Fuck Is Mick Jagger?« steht. Sein Gesichtsausdruck ist unergründlich. Falls die Stones während der Lektüre dieses Buchs tatsächlich wieder auf Tour sein sollten (eine Überraschung zum fünfzigsten Bühnenjubiläum ist ja angeblich geplant), dann geistert die Antwort da draußen immer noch irgendwo rum und wird wahrscheinlich niemals wirklich entdeckt werden. Ich hoffe, dieses Buch kann wenigstens ein paar neue Denkanstöße bieten.
Marc Spitz
New York, im Mai 2011
© Ken Regan /Camera 5
»Gimme Mick!«: Gilda Radner mit dem von ihr parodierten Rockstar, 1978.
© Redferns