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5 Mekka, die Götter, die Kaaba

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Wir sind die Nachkommen Ibrahim’s, die Männer der Ehrfurcht.

Ibn Ishaq

Die Stadt Mekka, in einem bergigen Gebiet entlang der Westküste, dem Hedschas, gelegen, datiert schon aus der Zeit vor unserer Zeitrechnung. Man vermutet, dass die Stadt rund um ein Heiligtum herum entstanden war, das von den Sabäern, den Bewohnern von Saba, einem der frühen Königreiche im heutigen Jemen, erbaut wurde. Der Name Mekka ist aller Wahrscheinlichkeit nach abgeleitet von Mokarib, was im Sabäischen so viel bedeutet wie „Haus des Almaka“. Almaka war der wichtigste sabäische Gott. In einer Darstellung des Geografen Ptolemäus (87–150 n. Chr.) finden wir einen gleichlautenden Namen. Ptolemäus nennt überhaupt insgesamt 218 Orte, darunter sechs große Städte, und in einer langen Liste kleinerer Orte steht „Makoraba“. Dieses Mokarib/Makoraba war demnach keine bedeutende Stadt, eher ein Dorf. In späteren Dokumenten griechischer Kaufleute werden für Westarabien die Orte Khaibar, Yathrib und Taʾif genannt, aber nicht Makoraba. Dieser Ort, der in einem heißen, unfruchtbaren Tal lag und über wenig und zudem noch schlechtes Trinkwasser verfügte, war unter ausländischen Händlern unbekannt.

Islamischer Überlieferung zufolge kam Mekka um das Jahr 500 n. Chr. in den Besitz des Stammes Quraisch. Höchstwahrscheinlich handelte es sich um einen verhältnismäßig neuen und noch nicht gefestigten Bund von Clans. Zum Beispiel gab es speziell ausgewiesene Vermittler (die Hukkam), die interne Konflikte lösen mussten. Auffallend ist, dass innerhalb der Quraisch offenbar ein strenger Unterschied gemacht wurde zwischen Clans, die in der Umgebung der Stadt lebten (den sogenannten Quraisch al-Zawahir, den „äußeren Quraisch“), und den Clans in der Stadt, den Quraisch al-Bataʿin (den Stadt-Quraisch). Traditionell wird betont, die verschiedenen Clans hätten einen gemeinsamen Stammvater gehabt, Qusaiy, der die Eroberung von Mekka geleitet habe und verantwortlich gewesen sei für eine große Anzahl von Verbesserungen in der Stadt. Bevor Qusaiy Mekka eroberte, so wird behauptet, gab es kaum mehr als ein Zeltlager unter Bäumen, in der Mitte die stark heruntergekommene Kaaba. Qusaiy ließ die Bäume fällen und Häuser bauen. Auch soll er den Bau des Dar al-Nadwa, des Sitzungssaals von Mekka, veranlasst haben, in dem die Clanältesten zur Beratung zusammenkamen. Qusaiy soll auch der Erste gewesen sein, der für den Besuch der Kaaba Geld von den Kaufleuten verlangte. Die Überlieferung verschweigt nicht, dass es Spannungen gab und dass es nach Qusaiys Tod zwischen den Nachkommen seines ältesten Sohnes, Abd al-Daar, und den Nachkommen seines anderen Sohnes, Abd Manaaf, zu Streit kam. Die friedliche Zeit der weisen Vermittler war also schnell vorbei.

Nach Ibn Ishaq, Mohammeds Biografen, war Abd Manaafs Sohn Haschim ibn Abd Manaaf der Erste, der von Mekka aus Karawanenzüge nach Syrien organisierte. Er oder seine Brüder sollen auch die ersten wirtschaftlichen Kontakte zum Königreich Aksum in Afrika und auch zum Byzantinischen Reich gelegt haben. Somit hätte Haschim, der Stammvater des Haschim-Clans, also die Grundlage geschaffen für ein weitverzweigtes Handelsnetzwerk, wodurch die Quraischiten bereits vor dem Aufkommen des Islam den Handel auf der Arabischen Halbinsel beherrscht haben. Die Behauptung, die Quraischiten seien berühmte Kaufleute gewesen, ist von westlichen Wissenschaftlern nie angezweifelt worden und wird in vielen Mohammed-Biografien noch immer als Tatsache hingestellt. In Wirklichkeit gibt es dafür keinen Beweis. Keine vorislamische Quelle nennt quraitische Kaufleute, der ganze Stamm wird nirgendwo genannt. Es gibt auch keinen Hinweis auf Mekka als wichtiges Handelszentrum. Sicher werden die Quraischiten einen bescheidenen Anteil am innerarabischen Handel gehabt haben; dass sie aber eine Hauptrolle gespielt hätten, ist sehr unwahrscheinlich. Der Mythos von den unternehmenden Quraischiten muss später entstanden sein, als sie bereits die unangefochtenen Machthaber Arabiens waren. Und als Beweis dient die sehr kurze Sure 106, in der von den Quraischiten die Rede ist:

„Dass die Quraisch zusammenführen, dass sie die Winter- und die Sommerkarawane zusammenführen, dass sie den Herrn von diesem Haus verehren, der ihnen Speise gab, sodass sie keinen Hunger leiden, und ihnen Sicherheit verlieh, sodass sie keine Furcht empfinden.“

(Sure 106,1–4)

Die Bedeutung dieser Sure blieb bereits den ersten Kommentatoren dunkel. Das Wort Rihla („die Reise“) erscheint nur einmal im Koran, nämlich hier in Sure 106: die Rihla des Winters und des Sommers. (Dasselbe gilt übrigens für Quraisch.) Keiner der Kommentatoren wusste so recht, was es bedeutete: „Rihla des Winters und des Sommers“. Man vermutete, dass es sich um zwei große Karawanen handelte, die den Norden (Syrien) und den Süden (Jemen) zum Ziel hatten. Doch ist über solche Karawanen nichts bekannt. Die Interpretation ist daher auf Vermutungen angewiesen.

Eine andere mögliche Quelle für den Mythos eines quraischen Handelsnetzwerks waren vielleicht die Geschichten über Mohammed als Karawanenhändler. Er soll als kleiner Junge seinen Onkel Abu Talib nach Syrien begleitet haben. Als Erwachsener soll er Karawanen für seine erste Frau Khadischa organisiert haben. Doch diese Geschichten haben wahrscheinlich keine historische Grundlage; es sind vor allem Wundergeschichten, wie wir noch sehen werden. Der Koran selbst spricht jedenfalls von keinen Besonderheiten im Karawanenhandel. Ein solcher Handel erforderte eine gründliche Kenntnis von Routen und Rastplätzen, von den Beziehungen der verschiedenen Stämme untereinander und von den vielerlei Sorten Handelsware. Über all diese Dinge berichtet der Koran nichts. Es wird kein einziger Name eines Stammes genannt; die Quraischiten werden nur einmal (in oben genannter Sure) erwähnt. Dromedare werden nur fünfmal genannt und auch dann nicht als Lasttier, sondern – dreimal – als Nahrung. Allerdings benutzt Gott häufig Metaphern, die auf den Handel weisen. Gläubige, die vom wahren Glauben abirren, sind wie dumme Händler, „sodass ihr Handel kein Gewinn war“ (Sure 2,16). Die aber, die am Glauben festhalten, „haben ihren Lohn bei ihrem Herrn“ (Sure 2,62). Weiter werden gute Taten verglichen mit Darlehen, die Gott belohnt und um ein Vielfaches vermehrt (Sure 2,245; 5,12). Das hört sich an, als werde zu einem Publikum von Händlern und Kaufleuten gesprochen, doch müssen wir uns klarmachen, dass derartige ‚kommerzielle‘ Metaphern für das Verhältnis zwischen Gott und dem Menschen zum festen religiösen Repertoire gehörten. Auch in der christlichen Literatur, man denke an die Parabeln im Neuen Testament, finden wir oft Metaphern wie Verträge, Arbeit und Lohn.

Alles weist darauf, dass Mekka vor dem Erscheinen des Islam keine wichtige Rolle im arabischen Handelsverkehr gespielt hat. Die Stadt musste wahrscheinlich vorliebnehmen mit Märkten, die in Nachbarstädten abgehalten wurden, und dann vor allem von Händlern und Kaufleuten profitieren, die dorthin zogen. Der Handel auf der Arabischen Halbinsel selbst und in ihrer Umgebung bestand aus zwei weitgehend unabhängig voneinander operierenden Systemen. Erstens war es die Schifffahrt rund um die Halbinsel. Dabei flossen Gold und Silber aus Byzanz und dem Persischen Reich südostwärts zum Erwerb kostbarer Waren (Elfenbein, Edelsteine, wertvolle Holzarten, Gewürze und Sklaven) aus Indien und Afrika. Arabien selbst produzierte nur ein einziges Luxusexportprodukt, den Weihrauch. Aber wir sahen bereits, dass die arabischen Stämme davon nicht mehr profitieren konnten, nachdem dieser Handel sich einmal aufs Meer verlagert hatte und die Produktion sich zu einem großen Teil nach Afrika verschob. Neben diesem Handel übers Meer gab es den Handel im Binnenland. Hierbei ging es nicht um kostbare Produkte, sondern um Güter wie Getreide, Wein, Datteln, Kupfer und Felle. Diese wurden von den Arabern selbst produziert und meist untereinander gehandelt, aber auch an die Bewohner der Grenzgebiete zum Byzantinischen und Persischen Reich verkauft. Dort lagen große Städte, wo Reiter und Soldaten ausgerüstet wurden, um die Grenzen zu kontrollieren oder als Söldner zu dienen. Da wurden Nahrungsmittel benötigt, aber auch Waffen, Riemen, Sättel, Wollkleidung, Schuhwerk: Dinge, die von den arabischen Händlern geliefert werden konnten.

Die Güter wurden von Karawanen über die Halbinsel befördert. Das waren in einer Karawane Dutzende, manchmal 2000 Lasttiere, vor allem Dromedare. Diese Tiere können nicht nur schwere Lasten tragen, sondern legen mit etwas Glück 100 Kilometer am Tag zurück und können, wenn sie genug getrunken haben und es nicht zu heiß wird, einige Wochen aushalten, ohne zu trinken. Aber Karawanentreiber verlangten ihren Tieren nicht solche extremen Herausforderungen ab. Pro Tag legten Karawanen meistens nur einige Dutzend Kilometer zurück, am liebsten von Trinkplatz zu Trinkplatz. Man reiste vor allem des Nachts; bei Tage suchte man möglichst Abkühlung. Keinem Händler wäre es jemals eingefallen, die großen Entfernungen quer durch Arabien allein zurückzulegen. Karawanen konnten das Opfer von unerwarteter Dürre oder von Sandstürmen werden und sie konnten von Beduinen überfallen werden. Um diese Risiken zu vermeiden, taten Kaufleute sich zusammen. Händler, die an einer Karawane teilnehmen wollten, trafen Verabredungen über das, was sie mitnahmen, was sie wo verkaufen wollten, welche Halteplätze sie wählen wollten und so weiter. Eine solche Planung war eine heikle Angelegenheit. Karawanen, die Stämme, Oasen oder Städte ausließen, gingen das Risiko ein, überfallen zu werden. Und was die Lasttiere betraf, so gab es einige Händler, die eigene Dromedarherden besaßen, aber meistens kaufte oder mietete man die benötigten Tiere von Beduinen. Diese lieferten auch Reiter, Bewacher und Führer – und sie hatten ihre eigenen Forderungen bezüglich der Waren, Routen und Halteplätze. Mit den Stämmen, denen man entlang der Routen begegnete, wurden iilaaf-Verabredungen getroffen, in denen die Stämme versprachen, die Karawanen (gegen Bezahlung) ungehindert durchziehen zu lassen oder sie zu „beschützen“. Man musste auf jeden Fall vermeiden, dass bestimmte Stämme sich übergangen fühlten, denn auch das konnte Probleme nach sich ziehen.

Der Karawanenhandel war also eine komplizierte Unternehmung, die viel Vorbereitung und Überlegung erforderte. Gute Kontakte und aktuelle Informationen über Preise und Mangelwaren hatten große Bedeutung. Das System beruhte vor allem auf Vertrauen. Familien- und anderen Banden kam also große Bedeutung zu. Händler aus demselben Clan (Familie) arbeiteten per definitionem zusammen. Kontakte mit Händlern aus anderen Stämmen waren am lukrativsten, aber schwer durchzuhalten. Stämme, die über lange Zeit eng und zu beider Zufriedenheit zusammenarbeiteten, entwickelten oft gemeinsame Erzählungen von einem fernen gemeinsamen Vorfahren – Erzählungen, die das gegenseitige Band festigen und stärken sollten. Und ebenso konnten Konflikte dazu führen, dass Clans von einem zum anderen Stamm wechselten.

Karawanen und lokale Kaufleute, Nachfrage und Angebot trafen einander während großer Märkte, die zu festen Zeiten in den Städten oder bei großen Oasen abgehalten wurden. Die Märkte fanden in einem festen Rhythmus statt, sodass die Händler sich lange im Voraus darauf einstellen konnten. (Ibn Ishaq benutzt für Markt das Wort Mawaasim, was auch Jahreszeiten bedeutet.) Die großen Märkte fanden verteilt über die ganze Halbinsel statt, doch immer mehr am Rande und nicht weit entfernt von Hafenstädten und dicht besiedelten Gebieten. Die Organisation lag meistens in den Händen des lokalen Stammes oder der Stammeskoalition. Sie hatten die Aufsicht über das für den Markt abgesteckte Terrain. (Dieses Gebiet wurde oft Haram genannt, doch gab es auch andere Ausdrücke.) Innerhalb des Terrains war jede Form von Gewalt verboten, sodass im Prinzip jeder mit jedem Handel treiben konnte. Die Lokalgötter wachten über den guten Verlauf.

Ein wichtiger Markt war der von Dumat al-Dschandal (oder auch Duma, das jetzige al-Dschauf im Norden Saudi-Arabiens), der meistens unter Aufsicht der Ghassaniden organisiert wurde. Der Markt in Suhar (Oman) war traditionell ein freier Markt, was bedeutet, dass kein Stamm dort wirklich der Herr war. Weiterhin gab es große Märkte in Aden und Sanaa, im Jemen (beide auch unter persischer Aufsicht) und im Südwesten, zum Beispiel in Dho al-Majaz und Ukaaz, beide nicht weit entfernt von Taʾif und Mekka.

Ein solcher Markt erforderte eine recht große Organisation. Beim Betreten des Haram müssen die Waffen abgegeben werden, damit Kämpfe (Streit zwischen Händlern oder das Austragen von Fehden) verhindert werden. An den Zugängen wurde oft Zoll erhoben, meistens abhängig von dem, was ein Händler mit sich führte. Bei freien Märkten war der Eintritt zwar gratis, aber oft gab es dann auch keine Waffenkontrolle. Der organisierende Stamm bezeichnete die Einkünfte als Geschenk für ihren Gott oder ihre Götter, die Schützer des Haram. Wenn der Markt ein Erfolg gewesen war und nach Abzug aller Unkosten (wozu eine eventuelle Abgabe an einen fernen Fürsten wie den persischen König oder den byzantinischen Kaiser gehörte) noch Geld übrig war, organisierte dieser Stamm oft ein Festmahl, an dem alle Stammesmitglieder teilnahmen.

Mekka hatte keinen eigenen Markt. Händler und Kaufleute tätigten ihre Geschäfte in Taʾif, dem Zentrum eines großen Landbaugebietes, und dann gab es den freien Markt in Ukaaz. Was jedoch diese beiden nicht hatten, Mekka aber sehr wohl (so meinten die Mekkaner selbst), war ein wichtiges Heiligtum: die wieder aufgebaute Kaaba, umgeben von einem eigenen Haram. Die Stadt kannte auch vier ‚heilige Monate‘, in denen der Haram vorübergehend ein viel größeres Gebiet umfasste. Händler, Prediger und Pilger, die zu den nahe gelegenen Märkten gekommen waren, konnten in diesen Monaten unbehelligt und sicher in die Stadt reisen. Die meisten Händler besuchten sie, um ihren persönlichen religiösen Pflichten nachzukommen, oft aber auch aus kommerziellen Gründen. Von einem Händler, der eine erfolgreiche Reise gehabt oder viel Geld verdient hatte, wurde erwartet, dass er den Göttern dafür dankte. Wer die Rückreise antrat und Sorge hatte, unterwegs beraubt zu werden, bat die Götter um Schutz. Und nicht zu vergessen: Händler, die einen Vertrag unterschreiben wollten, einander aber nicht gut kannten und nicht ganz vertrauten, konnten den Vertrag in Mekka unter den Augen Gottes feierlich bestätigen, der dann dafür sorgen würde, dass alle Seiten sich an die Verabredung hielten. Indem die Mekkaner diese religiösen Dienste zu bieten hatten, profitierten sie indirekt vom Handelsverkehr in der arabischen Region. Außerdem hat der lokale Bergbau zum Wohlstand der Stadt beigetragen. In der Umgebung Mekkas hat man Hunderte kleiner Schächte gefunden, in denen vor allem Silber, aber auch Kupfer, Eisen und Gold gewonnen wurden. C14-(Radiokarbon-)Datierungen von Holzresten zeigen, dass diese Minen vor allem im 6. und 7. Jahrhundert in Gebrauch waren. Die Erträge müssen beträchtlich gewesen sein. Solche Minen waren (wie die Karawanen) Eigentum mehrerer Investoren. Eisen und Kupfer wurden zur Herstellung von Gebrauchsgegenständen, Waffen und Speerspitzen gebraucht; das Silber wurde vermutlich als Tauschoder Zahlungsmittel für Luxusgüter eingesetzt. Dank dieses Edelmetalls waren die Mekkaner weniger stark von den Pilgern abhängig. Somit hat der Bergbau bestimmt eine starke Stimulanz und Stabilisierung der mekkanischen Wirtschaft bedeutet.

Das zentrale Heiligtum Mekkas war die Kaaba. Dieses Heiligtum wurde im Laufe der Jahrhunderte ein paar Mal umgebaut, doch wir können davon ausgehen, dass die bemerkenswerte Form (Kaaba bedeutet so viel wie ‚Block‘ oder ‚Kubus‘) die ganze Zeit über dieselbe geblieben ist. Die Kaaba datiert aus einer vor dem Islam liegenden Zeit. Die Form ist fast einmalig; sie erinnert an uralte persische Tempel in der Ruinenstadt Naks-i Rustam wie die Kaʾbah i-Zardusht (ein später entstandener Name: „Kaba des Zoroaster“). Auch da handelt es sich um ein kastenförmiges, an allen Seiten geschlossenes Bauwerk mit (genau wie bei der Kaaba) einer einzigen Öffnung: einer Tür hoch über dem Erdboden. Welche Funktion dieses Bauwerk gehabt hat, ist unbekannt. Wenn Mekka von den Sabäern gegründet wurde, wie der Name nahelegt, ist die Form vielleicht auf ein sabäisches Heiligtum für Almaka zurückzuführen, doch man hat keine vergleichbaren sabäischen Bauwerke gefunden. Und weshalb sich die Sabäer von persischen Bauwerken haben inspirieren lassen, ist auch ein Rätsel.

Um den Besuch der Kaaba zu fördern und die Pilger zufriedenzustellen, boten ihnen die Mekkaner Wasser, Nahrung und Unterkunft. Die Besucher erwarteten, dass sie dort neben dem lokalen Gott der Mekkaner auch ihre eigenen Götter verehren konnten. Jedenfalls war das an anderen ‚heiligen Orten‘ gebräuchlich: Alle Götter bekamen dort einen eigenen kleinen Tempel, heiligen Stein oder Altar. Es ist gut möglich, dass es in Mekka auch so war. Der Überlieferung zufolge (die davon ausgeht, dass solche Abgötter dort nicht hineingehörten) sind im Laufe der Jahre rund um die Kaaba viele Heiligtümer für Abgötter entstanden. Nach Ibn Ishaq begann das schon zur Zeit des Stammvaters Qusaiy. Der soll aus Syrien Standbilder der Göttinnen Manaat und al-Uzza mitgebracht haben. Sie wurden außerhalb Mekkas verehrt: Das Heiligtum von Manaat befand sich im nahe gelegenen Kudaid und das von al-Uzza in Nakhla. Die Kaaba selbst war Ibn Ishaq zufolge GOTT geweiht. Aber gemäß anderen Überlieferungen war die Kaaba vor Ankunft des Islam Gott Hubal geweiht (ein Gott, der in den vorislamischen Quellen nicht erwähnt wird). Diese Vorstellung leitet sich vermutlich aus der Geschichte her, die auch von Ibn Ishaq berichtet wird, dass der mekkanische Führer Abu Sufyan, nachdem er in der Schlacht bei Badr von Mohammed geschlagen war, den Gott Hubal angerufen haben soll. Das legt nahe, dass Hubal eine Art ‚Kriegsgott‘ der Quraischiten gewesen ist. Spätere Kommentatoren behaupten (und einige Historiker sind ihnen darin gefolgt), dass die Kaaba vor der Ankunft Mohammeds also diesem Hubal geweiht war. Diese Vorstellung muss nach der Zeit von Ibn Ishaq populär geworden sein. Das ergibt sich aus einer späteren Bearbeitung folgender Passage aus Ibn Ishaqs Sira (seiner Biografie Mohammeds). Es handelt sich um Mohammeds Großvater, der zusammen mit seinem Enkel die Kaaba besucht hatte. Ibn Ishaq schrieb nach der ältesten überlieferten Version von Ibn Hischam (der 830 starb):

„Man sagt, Abdullah ibn al-Muttalib habe ihn in die Kaaba mitgenommen, wo er stehen blieb und zu Gott betete und ihm für diese Gabe dankte.“

Als al-Tabari (839–923) später die Sira von Ibn Ishaq zitiert und bearbeitet, wird daraus:

„Man sagt, Abdullah ibn al-Muttalib habe ihn mit zu Hubal in die Mitte der Kaaba genommen, wo er stehenblieb und zu Gott betete und ihm für diese Gabe dankte.“

Al-Tabari hielt es hundert Jahre später offenbar für notwendig, Hubal hinzuzufügen. Im Koran wird Hubal nirgends erwähnt. Die Kaaba (‚das geweihte Haus‘) wird darin eindeutig als das Heiligtum Gottes bezeichnet. Die Mekkaner wurden immer wieder aufgerufen, den ‚Gefährten‘ (Abgötter), die sie Gott geschenkt hatten, abzuschwören, doch nirgends wird berichtet, dass diese Gefährten die Kaaba besetzt gehalten hätten. Später mehr hierzu.

Welche Götter man auch in Mekka gefunden haben mochte, es steht fest, dass die Mekkaner an den vielen Besuchern gut verdienten. (Am freien Markt in Ukaaz wurde dagegen vermutlich kein Zoll erhoben.) Wer in die Stadt wollte, musste zahlen. Das war ein uraltes Recht der Quraischiten. In der Überlieferung wird behauptet, Stammvater Qusaiy habe bereits damit angefangen. (Eine solche Tradition bedeutete selbstverständlich, dass seine Nachkommen – also alle Quraischiten – von diesen Einkünften profitieren durften.)

Mekka war natürlich nicht die einzige Stadt, die religiöse Dienste anbot. Viele Städte übten eine Anziehungskraft auf die Pilger aus. Und in all diesen Städten fand man auch Priester und Wahrsager, die religiöse Dienste verrichten konnten. Die Wahrsager, Kahaneh (Singular: Kaahin, diese Bezeichnung ist verwandt oder sogar abgeleitet vom jüdischen Cohen, Priester), konnten auf viele Fragen Antwort geben. Wenn es sich um einen Konflikt handelte, konnten sie Gottesurteile erbitten. Und wenn zwei oder mehr Händler einen Vertrag schließen wollten, taten sie dies gern bei einem Heiligtume in Anwesenheit eines Kaahin. Er konnte höhere Mächte bitten, als Zeugen aufzutreten. Wenn einer der Beteiligten später den Vertrag schändete, hatte er damit nicht nur seinen Geschäftspartner, sondern auch einen oder mehrere Götter beleidigt, und das konnte unangenehme Folgen haben. Die Kahaneh gehörten oft einem bestimmten Heiligtum an; andere gehörten zu einem Clan oder Stamm und wieder andere, so scheint es, führten ein Wanderleben. Sie zogen von Stadt zu Stadt, von Markt zu Markt und lebten vom Ertrag ihrer religiösen Dienste. Den größten Einfluss und die größte Macht genossen die Kahaneh, die als offizielle Wahrsager, eine Art Propheten, zu einem bestimmten Stamm gehörten und offizielle Mittler der Botschaften des Stammesgottes oder der Stammesgötter waren. Sie legitimierten so die Macht des Stammesführers. Doch in dem Augenblick, da ein solcher Stammesführer sich als unfähig erwies, konnten diese Propheten mit ihrem direkten Draht ‚nach oben‘ eine gefährliche Gegenmacht darstellen. Wir werden noch sehen, wie in Krisenzeiten, wenn ein Stamm ernsthaft bedroht wurde, der Prophet als Sprachrohr der Götter die Macht an sich ziehen konnte.

Neben den Kahaneh fand man in den Städten und während der Märkte auch immer eine Anzahl Madschanin (Singular: Madschnun), Besessene. Sie waren, wie der Name sagt, „von einem Dschinn getroffen“, von einem Geist. Madschanin erkannte man daran, dass sie schwere Anomalien zeigten. Wahrscheinlich ging es in vielen Fällen um Menschen, die behaupteten, über besondere Gaben zu verfügen. Aber auch Geisteskranke, Outcasts und Freidenker, die die traditionellen Gesetze und Gebräuche ignorierten und (nach der Meinung anderer) gotteslästerliche Reden führten, wurden wahrscheinlich Madschnun genannt.

Die größten Konkurrenten der Kahaneh von Mekka waren vermutlich ihre ‚Kollegen‘ in Taʾif, dem Wohnort des Stammes Thaqiif, etwa 60 Kilometer östlich von Mekka. Taʾif war das Zentrum einer fruchtbaren Gegend und aus dem Grunde ein angenehmer Halteplatz für Karawanen. In Taʾif stand ein Heiligtum der populären Göttin al-Lat („die Göttin“). Die Überlieferung äußert sich herablassend über dieses Heiligtum. Es soll nicht viel mehr gewesen sein als ein Felsen in einem Wald:

„Al-Lat war eine Abgöttin, die von den Arabern verehrt wurde. Man sagt, es sei eine große, aus weißem Stein gehauene Figur gewesen. Die Araber kamen von nah und fern, um sie anzubeten. Die Menschen vom Stamme Thaqiif hatten sie zu einer Rivalin der Kaaba gemacht. Sie hatten einen Wohnsitz für sie gebaut, umgeben von einem Hof und mit Tüchern bedeckt. Sie hatten sie zu einem Heiligtum erhoben, das sie mit dem von Kaaba verglichen. Innerhalb der Umzäunung war es verboten, Bäume zu fällen und Tiere zu jagen, und sie gewährten den Menschen Schutz, den sie verglichen mit dem innerhalb der Ummauerung der Kaaba.“

Die Beziehung zwischen Mekka und Taʾif (zwischen den Quraischiten und den Thaqiifiten) war kompliziert, denn viele reiche Quraischiten, so erzählte man sich, besaßen auch ein Haus in Taʾif, wo es im Sommer viel angenehmer war. Doch während der Märkte in Ukaaz kam es regelmäßig zu Raufereien zwischen Mitgliedern der Stämme. Händler, die eine sich hinziehende Fehde und wirtschaftlichen Schaden fürchteten, versuchten dann so schnell wie möglich zu beschwichtigen. Es gab aber auch schwerere Zusammenstöße. So ist eine Geschichte von Harb ibn Umaiya, einem quraitischen Händler, überliefert, der in Taʾif lebte und dem „verdorbenen Saufbold“ al-Barrad, Mitglied der Kinaana (mit denen die Quraisch ein Bündnis geschlossen hatten), Schutz anbot. Dieser al-Barrad reiste zu den Lakhmiden, um eine Karawane vorzubereiten, aber die Führer vor Ort entschieden sich für einen gewissen Urwa ibn Utba von den Hawazin, einem Stamm, der mit den Thaqiif verbunden war. Urwa, so wird überliefert, garantierten dem König „Sicherheit der Karawane in dem gesamten Gebiet, durch das sie bis Ukaaz reisen würden, während al-Barrad das nur für einen Teil dieses Gebiet tun konnte“. Ein wütender al-Barrad verfolgte Urwa und ermordete ihn. Als diese Nachricht die Stadt Taʾif erreichte, konnte Harb ibn Umaiya gerade noch rechtzeitig nach Mekka entkommen. Die unvermeidliche Fehde zwischen den Quraisch und den Hawazin dauerte einige Jahre, und die Beziehungen zwischen den Quraisch und den Thaqiif blieben dadurch lange Zeit äußerst angespannt.

Neben dem Gott der Mekkaner (al-Ilaah, Allah) und der ‚Göttin‘ (al-Lat) der Thaqiif kannten die Araber noch viele Dutzend anderer Götter. Spätere Kommentatoren nennen diese Epoche missbilligend die Zeit der Dschahiliya, der Unwissenheit. Die Araber wussten zwar, dass es GOTT gab, so die Überlieferung, aber sie wussten nicht, wie sie ihn anbeten sollten, und sie hatten sich außerdem neben Gott verschiedene Abgötter, ‚Gefährten‘, ausgedacht. Und da sie Gottes Gesetze nicht kannten, begingen sie die abscheulichsten Verbrechen. So haben sie nur an sich selbst gedacht. Sie kümmerten sich nicht um die Schwachen in der Gesellschaft, so töteten sie kleine Kinder und hatten dauernd Streit miteinander. Doch dank Mohammed (so noch immer der Überlieferung zur Dschahiliya zufolge) lernten die Araber, dass sie nur einen einzigen Gott anbeten sollten.

Zur Zeit Mohammeds waren die traditionellen arabischen Götter jedoch bereits auf dem Rückzug. Von allen Seiten breiteten sich die monotheistischen Religionen aus. Im 3. und 4. Jahrhundert hatten sich große jüdische und christliche Gruppen in Himyar niedergelassen. Die Stadt Nadschran verwandelte sich in ein christliches (monophytisches) Bollwerk. Ende des 4. Jahrhunderts bekehrten sich die Himyariten zum Judentum. Nicht nur in Süd-, auch in Ostarabien rückte der Monotheismus heran. Vom 3. Jahrhundert an entstanden christliche Klöster in Katar, Bahrain und Oman. Es ist anzunehmen, dass die Mönche christlichen Missionaren und Kauleuten auf dem Weg nach Indien Unterkunft boten. Mehrere arabische Stämme der Region bekehrten sich zum Christentum.

Das nördliche und westliche Arabien wurde im 1. Jahrhundert v. Chr. dominiert von den Nabatäern (heutzutage vor allem bekannt wegen der aus Felsen gehauenen Hauptstadt Petra). Ihre wichtigsten Götter waren Duschara, „Herr der [Bergkette] Schara“, und Dhu l-Hulasa. Die Nabatäer hatten ein umfangreiches Handelsnetzwerk aufgebaut, daher sind an vielen Orten Heiligtümer für diese Götter zu finden. So stand ein Dhu-l-Hulasa-Heiligtum in Tabala, etwa 200 Kilometer südlich von Mekka. Dieses war bis zur Ankunft des Islam ein berühmtes Heiligtum. Neben diesen beiden Göttern verehrten die Nabatäer auch die Göttin al-Uzza, „die Mächtige“. Sie wurde nicht nur in Petra, sondern zum Beispiel auch in der großen Oase al-Ula verehrt, die zwischen Medina und ʿAqkaba liegt, und in Naka unweit von Mekka. Übrigens gab es in der kosmopolitischen Stadt Petra auch Heiligtümer für ‚fremde‘ Götter, die von nicht-nabatäischen Händlern verehrt wurden, wie für die ägyptische Göttin Isis.

Eine andere berühmte nordarabische Göttin war Manat. Sie war die Göttin des Schicksals und wurde von den Römern deshalb mit Fortuna gleichgesetzt. Manat wurde unter anderem in Kudaid, 15 Kilometer entfernt von Medina, in Form eines großen Steins verehrt. Ihren Namen hat man sogar in einer rumänischen Inschrift gefunden – wahrscheinlich von einem arabischen Sklaven angefertigt. Eine andere Göttin, die von vielen Stämmen (auch von den Nabatäern) verehrt wurde, war die bereits genannte al-Lat, die wahrscheinlich als Spenderin der Fruchtbarkeit betrachtet wurde. Auch der männliche al-Lah war kein Unbekannter. Er wurde nicht nur in Mekka verehrt: Ein bedeutendes Heiligtum für Allah stand in Rawafa, 300 Kilometer südlich von Petra an der großen Karawanenroute von Petra über Tema und Tabuk nach Medina und Taʾif.

Die Araber des Nordens machten schon sehr früh Bekanntschaft mit dem Monotheismus. Im 5. Jahrhundert v. Chr. zur Zeit des alten Persischen Reichs der Achämeniden-Dynastie gab es eine kleine jüdische Gemeinschaft um Jerusalem und eine sehr viel größere in Mesopotamien, bei der Stadt Babylon. Es waren Nachkommen der Juden im Exil, die von den Babyloniern in die ‚Babylonische Gefangenschaft‘ geführt worden waren. Die Ankunft der Römer in den ersten Jahrhunderten zu Beginn unserer Zeitrechnung hatte schwerwiegende Folgen. Eine Anzahl jüdischer Aufstände führte dazu, dass die Römer die Juden als gefährliche Feinde von Ruhe und Ordnung in ihrem Reich ansahen. Gleichzeitig entstanden in der Zeit viele neue jüdische Gemeinschaften in Dutzenden größeren und kleineren Städten. Meistens waren es ‚echte‘ Juden, die sich dort niedergelassen hatten, dazu Bekehrte und ‚Gottesfürchtige‘: Menschen, die ursprünglich keine Juden waren und sich auch nicht streng an die jüdischen Gesetze hielten, aber sehr interessiert am jüdischen Monotheismus waren. Diese auffallende Expansion fand in Arabien statt, vor allem entlang der Westküste. In den Quellen tauchen die Namen jüdischer Städte und Stämme auf, unter anderen die Stadt Yathrib (das spätere Medina) und natürlich Himyar. Auch hier ging es vermutlich um eine Mischung von ‚echten‘ Juden, Bekehrten und Gottesfürchtigen.

Im 2. Jahrhundert n. Chr. entstand im Römischen Reich eine andere Form des Monotheismus: das Christentum. Diese Religion wuchs viel schneller als das Judentum. Das lag nicht nur an den weniger strengen Geboten, sondern auch daran, dass die römischen Autoritäten die Christen nicht für eine große Gefahr hielten. Letztlich sollten auch die Christen dann und wann verfolgt werden, aber da war diese Religion schon nicht mehr einzudämmen, vor allem, nachdem Kaiser Konstantin 313 offiziell den christlichen Glauben anerkannt hatte. Ein Jahrhundert später hatten die klassischen römischen Götter ausgedient; praktisch das ganze Römische Reich wurde christlich. Und auch Mesopotamien, zu der Zeit das ökonomische Herz des Persischen Reiches, verwandelte sich in diesem Jahrhundert in ein christliches Bollwerk. Der Vormarsch des Christentums führte in Persien zu starken religiösen Spannungen, die dem Reich beinahe zum Verhängnis wurden.

Die Sassaniden, die ab dem Jahre 226 über das riesige Persische Reich herrschten, waren Anhänger des Zoroastrismus. Das war die Lehre von Zoroaster, der viele Jahrhunderte zuvor im Persien gelebt hatte. Zoroaster war kein strenger Monotheist gewesen, auch wenn er dem durchaus nahekam. Seiner Ansicht nach war die Welt ein ewiger Kampfschauplatz zwischen Gut und Böse, personifiziert in den Göttern Ahura Mazdao und Ahriman. Ahura Mazdao war mächtig, aber nicht allmächtig. Er musste Ahriman dulden. Aber, so hatte Zoroaster gesagt, in der kommenden Endzeit würde der endgültige Kampf ausbrechen zwischen den beiden und dann würde Ahura Mazdao siegen.

Der Zoroastrismus war die beherrschende Religion in Persien. Dort wurde Ahura Mazdao in vielen Tempeln verehrt, in denen ständig ein Feuer unterhalten wurde. Im ökonomischen Herzen des Reiches, in Mesopotamien, war nur eine Minderheit Anhänger dieser Religion, vermutlich nur die persische Regierungselite. Die Perser missionierten nicht; der Zoroastrismus war in ihren Augen eine exklusiv persische Religion, die Religion der Herrscher. Zugleich begriffen die persischen Könige sehr genau, dass der Wohlstand des Persischen Reiches abhängig war vom Landbau, Handel und Gewerbe in Mesopotamien und dass sie somit abhängig waren von ihren jüdischen und christlichen Untertanen. Sie, die Könige, mussten also einerseits Ahura Mazdao dienen und seine Priester in Ehren halten und andrerseits die religiösen Minderheiten für sich gewinnen. Die Vorläufer der Sassaniden, die Parther, hatten immer bewusst Abstand gehalten zu religiösen Fragen. Sie wollten die Könige aller Untertanen sein. Die Sassaniden jedoch strebten nach der Wiederherstellung von Persiens alter Glorie und ein wesentlicher Teil ihres ‚Wiederherstellungsprogramms‘ war die Erneuerung des Zoroastrismus. Diese Erneuerung musste erreicht werden durch den Bau oder Wiederaufbau von Feuertempeln und einer Reorganisation der Priesterklasse.

Der erste sassanidische Herrscher, König Ardaschir, übertrug diese Aufgaben dem Hohepriester Kerder (der während seines langen Lebens Ratgeber mehrerer persischer Könige sein sollte). Kerder sorgte für eine straffe Organisation, in der ein lokaler Feuerpriester, Mog, auf der untersten Stufe stand, darüber ein Geistlicher, der Mobad, und an der Spitze der Hohepriester des Persischen Reiches, der Dadvar. Der umfangreichen Priesterkaste wurden große Ländereien und andere Einnahmequellen übertragen, sodass sie im Laufe des Jahrhunderts zu einem Staat im Staate mit zunehmender Intoleranz gegenüber Juden und Christen wurde. Die Priester forderten dabei Unterstützung durch die Dynastie.

In dieser Zeit erstand ein neuer Prophet: Mani. Er wurde im Jahr 216 in der Umgebung der persischen Hauptstadt Ktesiphon geboren. Christlichen Quellen zufolge gehörten seine Eltern einer christlich-jüdischen Sekte an. Doch Mani ließ sich noch von anderen Strömungen inspirieren. Mesopotamien war zu der Zeit ein wahrer religiöser Schmelztiegel. Neben einer großen jüdischen Gemeinschaft und einer kleinen Gruppe von Christen kannte das Land eine große Anzahl von Anhängern verschiedener traditioneller Götter. Daneben gab es die Perser, die Ahura Mazdao verehrten, und dank des Handelsverkehrs mit Indien und Zentralasien hatte man auch Kenntnis vom Buddhismus. Mani schaute sich genau um und stellte fest, dass die Propheten, die Gott im Laufe der Jahrhunderte zu verschiedenen Völkern auf der Erde gesandt hatte, nur für größere Uneinigkeit gesorgt hatten. Moses, Christus, Zoroaster und Buddha: Mani zufolge waren sie alle echte Propheten gewesen, die alle die Botschaft des wahren Gottes offenbart hatten. Doch offensichtlich war die Botschaft nicht richtig überliefert oder nicht richtig begriffen worden, denn es waren vier verschiedene Religionen entstanden, deren Anhänger einander dazu noch regelmäßig bekämpften. Die Ursache war nicht, dass es ‚falsche‘ Propheten gewesen wären, sondern, dass beim Aufzeichnen ihrer Botschaft Fehler entstanden waren. Das wollte Mani wiedergutmachen. Er betrachtete sich selbst als den Propheten, der auf vollkommen klare und damit endgültige Weise Gottes Wort offenbaren und festhalten würde. Er war der Nachfolger aller vorangegangenen Propheten. In einer seiner Schriften, Shabuhragan, sagt er deutlich:

„Weisheit und [gute] Taten sind der Menschheit immer von Zeit zu Zeit von den Botschaftern Gottes gebracht worden. So wurden sie in einer Epoche nach Indien von dem Botschafter Buddha, einer anderen den Persern durch Zoroaster, in einer anderen dem Westen durch Jesus gebracht. Daraufhin ist diese Offenbarung herabgesandt, die Prophetie dieses letzten Zeitalters, durch mich, Mani, den Botschafter der Wahrheit von Gott.“

Manis Lehre war eine Synthese von zoroastrischen, monotheistischen und buddhistischen Elementen. So verkündete er, der Kosmos sei der ewige Kampfschauplatz zwischen Licht und Dunkelheit. Jeder müsse sich einsetzen zur Befreiung des Lichts aus dem Griff der Dunkelheit, indem er gute Werke verrichtete und seinen, Manis, Vorschriften folge. Dieser Kampf fände auch in jedem Menschen statt: Die Seele des Menschen sei ein Funke des Guten, der im Leib gefangen sei. Wer dem Guten helfen wolle, sollte sich lieber keine Kinder anschaffen. Das war eine schwere Forderung, daher teilte Mani seine Anhänger in zwei Gruppen. Er gründete eine Elite von ‚heiligen Auserwählten‘, die als Mönche lebten und nach ihrem Tod direkt in den Himmel kamen. Daneben gab es die Menge der ‚Zuhörer‘, die der Lehre weniger streng folgen mussten. Sie würden durch die Verrichtung guter Werke, indem sie beispielsweise Mahlzeiten für die Auserwählten bereiteten – was die Gruppe selbst nicht durfte, weil man Licht vernichtete, wenn man tötete –, letztlich auch in einem nächsten Leben zu den Auserwählten gehören können.

Da die ihm offenbarte Religion alles Gute aus allen Religionen kombinierte, betrachtete Mani sich selbst, wie er in seiner Schrift Shabuhragan sagt, als das „Siegel der Propheten“, was in etwa meint, als den Propheten, der alle vorangehenden Offenbarungen bestätigt und zusammengefügt (und die Fehler, die sich eingeschlichen haben, korrigiert) hat. Wahrscheinlich betrachtete er sich selbst als den jüdischen Messias, den zurückgekehrten Zoroaster und dazu den reinkarnierten Buddha in einem, nicht allerdings den wiedergekehrten Christus. Der sollte nämlich erst am Ende der Zeiten kommen und die waren noch nicht angebrochen – auch wenn es nicht mehr lange dauern würde. Aber die Christen sollten ihn doch akzeptieren als Botschafter Gottes, denn, so schrieb er, Jesus hatte sein Kommen angekündigt. Er war nämlich der von Jesus prophezeite Paraklet. Jesus hatte gesagt: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten. Und ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. Er ist der Geist der Wahrheit“ (Joh 14,15–17). Und: „Das habe ich zu euch gesagt, während ich noch bei euch bin. Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“ (Joh 14, 25–26).

Das griechische Wort parákletos bedeutet so viel wie Tröster, Helfer. Der offiziellen christlichen Lehre nach wies Jesus damit auf den Heiligen Geist, doch Mani zufolge war er, Mani, der Paraklet, derjenige, der alles erklären würde. (Wir werden noch sehen, dass die Araber später denselben Bibelvers benutzen würden, um Christen deutlich zu machen, dass Jesus die Ankunft eines arabischen Propheten angekündigt hatte.)

Mani ging gründlich vor. Er schrieb nicht nur viel, sondern errichtete auch eine kirchliche Organisation, die der christlichen Kirche vergleichbar war. Auch sandte er Missionare in alle Windrichtungen aus. Einer von ihnen, Mar Ada, verkündete seine Lehre im Römischen Reich und hatte dabei beträchtlichen Erfolg. Mani selbst unternahm auch lange Reisen, vor allem in den Osten. König Schapur I. (reg. 240–272), der Nachfolger König Ardaschirs I., wurde aufmerksam auf ihn und bestellte ihn an seinen Hof. Mani erschien und sagte ihm, er wolle seine neue Religion gern im gesamten Persischen Reich verbreiten. Der König fragte ihn genau aus und gab dann seine Zustimmung. Diese ‚königliche Genehmigung‘ ist für Mani sicher von großer Hilfe gewesen. Warum Schapur ihn unterstützte (und nicht sofort aus dem Weg räumen ließ), ist unklar geblieben. Vielleicht hoffte er, durch Mani die Macht der zoroastrischen Priester einzuschränken. Doch ist es ebenso möglich, dass er als König, der über ein Reich mit vielen Religionen herrschte, ehrlich interessiert war an Manis Versuch einer religiösen Synthese. Schapur war ein mächtiger Herrscher, der sehr erfolgreich gegen die Römer kämpfte. Er wollte das Persische Reich modernisieren und deportierte deshalb Tausende Handwerker, darunter viele Christen, aus den eroberten Gebieten im Westen in die östlichen Teile seines Reiches. Dadurch und dank seiner toleranten Haltung gegenüber christlichen Ketzern stieg die Anzahl der Christen und Juden in seinem Reich beträchtlich. Schapur begriff dabei, dass er mehr tun musste, als Juden und Christen in Ruhe zu lassen, wenn er die Einheit seines Reiches erhalten wollte. Vielleicht träumte er von einer umfassenden, übergreifenden königlichen Religion, die für alle Völker in seinem Reich annehmbar war.

Doch der Manichäismus stieß auf heftige Gegenwehr im Persischen wie auch im Römischen Reich. Kerder und seine Priester sahen in Mani eine starke Bedrohung. Nach dem Tode Schapurs konnten sie seinen Nachfolger, Bahram I., dahingehend beeinflussen, Mani ins Gefängnis zu werfen. Dort muss der Prophet um 277 gestorben sein. Der neue Führer der Manichäer, der Archegos mit dem aramäischen Namen Mar Sisin (im Griechischen Sisinnios), wurde um 290 ermordet. Dieser Mord war das Startzeichen für eine systematische Verfolgung der Manichäer im Persischen Reich.

Inzwischen wuchs auch im Römischen Reich der Widerstand gegen die neue Religion. Im Jahre 302 erließ der römische Kaiser Diokletian ein Dekret mit harten Maßnahmen gegen Christen und Manichäer. Diese Maßnahmen wurden 313 von seinem Nachfolger Konstantin teilweise rückgängig gemacht, doch gegen die Manichäer blieben sie in Kraft. Durch diese Verfolgungen schrumpfte die Zahl der Anhänger Manis ständig; die neue Religion setzte sich vielfach nur im Untergrund fort. Die Nachfolger Konstantins hatten ein wachsames Auge auf diese ‚Form der Ketzerei‘. In den Codex Theodosianus (429–438) wurde ein Gesetz aufgenommen, demzufolge den Führern einer Gruppe von Manichäern, die insgeheim zusammengekommen waren, eine schwere Buße auferlegt wurde. Die Häuser, „in denen diese gottlose Lehre verkündigt wird“, müssten enteignet werden. In Asien dagegen sollte der Manichäismus noch eine Zukunft haben. Um das Jahr 800 herum war der Manichäismus sogar Staatsreligion im Königreich der Uiguren.

Manis Versuch, zu einer universellen religiösen Synthese zu kommen, eine für jeden akzeptable Wiederherstellung der einzigen, wirklichen, göttlichen Offenbarung, war gescheitert. Die Zukunft lag bei den beiden Staatsreligionen: dem Zoroastrismus im Osten und dem Christentum im Westen. Die Religionen zweier geschworener Feinde. An dem Ort, wo die beiden einander gegenüberstanden, am Oberlauf des Euphrat, entstand ein explosives religiöses Gemisch. Syrien wurde zum Zufluchtsort für die Monophysiten (auch ‚Jakobiten‘ genannt), eine Strömung, deren Mitglieder im Jahr 451 auf dem Konzil von Chalkedon zu Ketzern erklärt wurden. Sie entwickelten im Laufe des 6. Jahrhunderts eine eigene kirchliche Organisation, parallel zu der von römischen Kaisern unterstützten diophysitischen Kirche. Jenseits der Grenze, in Mesopotamien, das unter persischer Herrschaft stand, lebten nicht nur viele Juden, sondern auch große Gruppen Nestorianer, Anhänger einer christlichen Strömung, die im Jahre 431 auf dem Konzil zu Ephesos zu Ketzern erklärt worden waren. Sie sollten ihrerseits auf der persischen Seite der Grenze eine eigene kirchliche Organisation gründen, an deren Spitze der Katholikos stand, der seinen Sitz in der persischen Hauptstadt Ktesiphon hatte.

Auch wenn die christliche Welt zutiefst gespalten war, so brannten all die verschiedenen Strömungen darauf, ihren wahren christlichen Glauben bis an die Grenzen der bekannten Welt zu verkünden. Und sie hatten damit bemerkenswerten Erfolg. Missionare und Prediger reisten bis an die Küsten des Persischen Golfs und weiter nach Indien und Sri Lanka. Sie zogen nach Zentralasien, bis zum Balkan und nach Südrussland, reisten in den Jemen und an die afrikanische Küste und fuhren den Nil hinunter bis nach Äthiopien. Um das Jahr 340 bekehrte König Ezana von Aksum sich zum Christentum. Etwa vierzig Jahre später schworen seine Erzfeinde, die Himyariten, ihren traditionellen Göttern ab und bekehrten sich jetzt ihrerseits zum Judentum. Eine große Anzahl arabischer Stämme, vor allem in Ost- und Zentralarabien, bekehrte sich zum Christentum. Eine solche Bekehrung war übrigens keine einfache Angelegenheit; sie bedeutete das Loslassen aller von den Vorfahren verehrten Götter. Doch das Christentum mit seinem gewaltigen Expansionsdrang, seinen alten Traditionen und, nicht zu vergessen, seinem eindrucksvollen Kultus von Märtyrern und Säulenheiligen, die viele Wunder verrichten konnten, übte große Anziehungskraft aus. Einen Durchbruch zu Beginn des 6. Jahrhunderts bedeutete die Bekehrung des wichtigsten arabischen Königreichs der Ghassaniden zum monohysitischen Christentum. Die Ghassaniden werden wenig Interesse an theologischen Unterschieden gehabt haben. Ihnen ging es darum, von jetzt an denselben Glauben zu haben wie die Mehrheit der Einwohner Syriens, sodass der Handelsverkehr reibungsloser verlaufen konnte. Sicher spielte dabei auch eine Rolle, dass die monophysitische Kirche unabhängig war von der zentralen kaiserlichen Macht. Wenn sie sich für die diophysitische Kirche entschieden hätten, wären sie dem Patriarchen und dem Kaiser von Konstantinopel unterworfen gewesen. Jetzt entschieden sie sich bewusst für ein eigenes ‚arabisches Christentum‘. Die Ghassaniden entwickelten sich zu treuen Stützen der monophysitischen Kirche.

Die Bekehrung all dieser Stämme, vor allem der mächtigen Ghassaniden, muss für viele Araber ein Zeichen gewesen sein, dass der arabische Polytheismus auf dem Rückzug oder zumindest ernsthaft bedroht war. Der einzige traditionelle Gott, der noch einige Zukunft zu haben schien, war der männliche al-Lah, „Gott“. Inschriften aus der Zeit vor dem Aufkommen des Islam zeigen nämlich, dass die Araber, die sich zum Judentum oder zum Christentum bekehrt hatten, ihren ‚neuen‘ Gott auch als al-Lah bezeichneten und dass die Heiligtümer, die diesem Gott geweiht waren, von den Bekehrten in Ehren gehalten wurden. Al-Lah/Gott bildete somit eine Brücke zwischen dem traditionellen Polytheismus und dem aufkommenden Monotheismus.

Der Überlieferung zufolge beschlossen die Quraischiten, nachdem sie Herrscher über Mekka geworden waren, die Kaaba wieder aufzubauen. Das Heiligtum soll sich in einem schlechten Zustand befunden haben. Es standen nur noch ein paar armselige Mauern. Die Quraischiten beschlossen, dass diese zuerst abgebrochen werden mussten, aber niemand wagte es, den ersten Schlag zu tun. Die Angst war zu groß, dass diese Entscheidung falsch war und der göttliche Zorn sie treffen würde. Schließlich fasste einer von ihnen, al-Walid ibn al-Mughiera, Mut und schlug mit seine Spitzhacke auf eine der Mauern. Es passierte nichts. Daraufhin wagten es die anderen auch und gemeinsam machten sie weiter, bis sie an den Fundamenten angelangt waren. In dem Augenblick (so die Überlieferung) gab Gott ihnen ein Zeichen. Durch ein Erdbeben ließ er sie wissen, dass sie weit genug gegangen waren.

Beim Wiederaufbau waren die Aufgaben auf die verschiedenen Clans verteilt. Der Bau verlief in großer Harmonie, bis es Zeit wurde, den Schwarzen Stein wieder in die Mauer des Heiligtums einzufügen. Die Arbeiter blickten sich an: Wer sollte diese Aufgabe übernehmen? Da die Bauleute nicht zu einer Entscheidung kamen, baten sie den jungen Mohammed um Rat (der, so heißt es, gerade vorbeikam). Mohammed sagte, dass sie den Stein in einen Mantel legen und alle vier Baugruppen einen Zipfel halten müssten. So könnten sie den Stein gemeinsam befördern. So geschah es und dadurch leisteten am Ende alle Clans ihren Beitrag zum letzten, wichtigsten Teil des Baues.

Die Geschichte vom weisen Rat des jungen Knaben Mohammed ist natürlich nicht mehr als eine fromme Legende. Doch lehren uns diese und andere Überlieferungen, dass die Kaaba in jedem Fall älter ist als der Islam. Kein Gläubiger oder Fachmann zweifelt daran. Ein wichtiger Teil des Heiligtums ist der genannte Schwarze Stein, al-Hadschar al-Aswad, der (zur jetzigen Zeit) in einer Ecke des Bauwerks eingemauert ist. Er erinnert an andere ‚heilige Steine‘, die in Tempeln anderswo im Nahen Osten verehrt werden und von denen es heißt, sie stammten vom Himmel. Nach Ansicht einiger Leute soll es sich um Meteoriten handeln. Auch der Schwarze Stein könnte ein Meteorit gewesen sein, aber das wurde nie untersucht.

Die Mekkaner behaupteten, die Kaaba sei von Abraham wieder aufgebaut oder gebaut. Diese Vorstellung hat sich so um 570 durchgesetzt. Ibn Ishaq berichtet nämlich, dass in Mekka eine religiöse Bewegung entstanden war, al-Hums, die ‚zurück zu Abraham‘ wollte und Rituale rund um die Kaaba wieder aufleben ließ. Er schreibt:

„Die Kureisch hatten, ich weiss nicht ob vor oder nach dem Elephantenjahr, den Hums aufgebracht und geltend gemacht. Sie sagten nämlich: ‚wir sind die Nachkommen Ibrahim’s, die Männer der Ehrfurcht, die Verwalter des Tempels, und die Bewohner Mekka’s, kein Araber hat gleiche Rechte mit uns, noch gleichen Rang, keiner ist so anerkannt wie wir, drum stellet Nichts so hoch wie das was innerhalb des heiligen Gebiets sich findet, sonst werden die Araber die Ehrfurcht vor euch verlieren, und sagen, sie haben Dinge ausserhalb dem heiligen Gebiete wie die innerhalb desselben verehrt.‘“

Die Geschichte der Hums steht in völligem Gegensatz zur ‚spannenden‘, übertriebenen ‚heidnischen‘ Vorstellung von den religiösen Praktiken rund um die Kaaba aus der Zeit vor der Entstehung des Islam. Es wird davon berichtet, wie die Kaaba in der Zeit der Dschahiliya von Hunderten Götzenbildern umgeben war und die Kaaba selbst ein Heiligtum für den abscheulichen Gott Hubal war. Es wird die Existenz einer Zurück-zu-Abraham-Bewegung entworfen, die den Haram um die Kaaba herum reinigen wollte und daher durchaus als eine Art Vorläufer des Islam angesehen werden kann. Die Geschichte schildert eine allmähliche Evolution der mekkanischen religiösen Vorstellungen vom Polytheismus zu einer Art Monotheismus. Ein solches Bild klingt zwar etwas weniger spektakulär, dafür aber realistischer als die unwahrscheinliche (wenngleich zugegebenermaßen sehr hübsche) Geschichte vom Propheten Mohammed, der, als er nach Mekka einzog, mit seinem Stab auf Hunderte bis dahin inbrünstig angebetete Götzenbilder wies und sie dadurch pulverisierte.

Was wissen wir von den Hums? Ibn Ishaqs Darstellung ihrer Auffassungen ist zweifellos unvollständig, aber es ist deutlich, dass die Anhänger der Hums (was so viel bedeutet wie: die Starken, die Strengen) behaupten, die Quraischiten seien einzigartig unter den Arabern gewesen. Sie stünden hoch über den anderen Stämmen. Das hing nicht nur damit zusammen, dass sie Söhne Abrahams waren, denn das waren alle Araber, wie es die Bibel sagte (Gen 25,12–18). Die Quraischiten entliehen ihren besonderen Status der Tatsache, dass sie dem priesterlichen Stamm der Araber angehörten. Sie waren die Bewacher der Kaaba, des Tempels des Gottes von Abraham. Verteilt über Arabien, gab es viele Gott geweihte Heiligtümer, doch al-Hums zufolge war die Kaaba das einzig echte, das heißt: das älteste. Ibn Ishaq macht einige kryptische Bemerkungen über den Haram. Die Mekkaner sollten ihm, so meinte er, mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen als dem Außengebiet, denn andernfalls würden die anderen Stämme den Haram für ‚unbedeutend‘ halten. Diese vage Bemerkung über die ganz besondere Bedeutung des Haram von Mekka kann eigentlich nur auf eine Art interpretiert werden: Die Hums waren der Meinung, dass nur dort der mekkanische Gott verehrt werden durfte, und wiesen die anderen arabischen Götter von sich. Und sie waren der Meinung, die Quraischiten als auserkorene Söhne Abrahams müssten innerhalb des Haram bleiben und nur den Gott Abrahams verehren. Alle Araber, die zur Pilgerfahrt nach Mekka kamen, durften den Haram betreten, um den Gott Abrahams zu verehren; für die anderen Götter mussten sie im Außengebiet bleiben.

Daneben verboten die Hums bestimmte Rituale. Ibn Ishaq zufolge waren sie der Meinung, dass sie den Berg Arafat nicht mehr besuchen sollten, vielleicht, weil er eine Alternative zur Kaaba war und unklar blieb, was er mit Gott zu tun hatte. Von nun an sollten andere Araber zu dem Berg gehen:

„So hörten sie auf, in Arafa zu verweilen, und von dort nach Mina zuziehen, während sie doch einsahen und bekannten, dass es heilige Plätze sind, nach denen man wallfahren soll, und dass der Glaube Abraham’s es erfordere. Sie sahen gern, dass alle Araber nach Arafa kamen, und dann nach Mina zogen, doch sagten sie: ‚wir sind die Männer des Heiligthums [Alhums], uns ziemt es nicht, es zu verlassen und etwas Anderes eben so zu verehren.‘“

Ibn Ishaq macht es den Hums zum Vorwurf, dass sie den Arafat nicht besuchen, weil er seiner Meinung nach durchaus aus der Zeit Abrahams datiert. Dies schreibt er, weil Mohammed später die Pilgerfahrt nach Arafat wieder hat zu Ehren kommen lassen, sei es auch auf eine alternative Art: Arafat wurde der Ort, an dem Gläubige Steine nach dem Teufel werfen.

Ibn Ishaqs Darstellung von der Auffassung der Hums lässt sich auf logische Weise erklären. Wenn sie die Kaaba als das einzige echte Heiligtum Gottes ansahen, musste es in ihren Augen auch das älteste Heiligtum sein. Dann war das Gebäude von Abraham oder – noch älter – von Gott selbst erbaut worden. Dann datierte die Kaaba also aus der Zeit der Schöpfung und hatte einst mitten im Paradies gestanden. Es ist unklar, ob die Hums diesen Schluss schon gezogen haben; im Koran und in anderen Überlieferungen taucht diese Vorstellung aber auf. Nach Ibn Ishaq gab es auch eine Überlieferung, nach der die Quraischiten eine Inschrift im Fundament fanden, nachdem sie die letzten Mauerreste der Kaaba abgetragen hatten. Die konnten sie nicht lesen, doch ein eilig herbeigeholter Jude las für sie, Gott habe die Kaaba selbst erbaut. Al-Tabari, dem wir einen großen Teil von Ibn Ishaqs Sira verdanken, erzählt eine weitere schöne Geschichte von Adam, der auf der Suche nach dem Paradies und der Kaaba über die Erde zog. Seinen Fußspuren entsprang Leben. „Überall, wo er stehenblieb, entstand bebautes Land; und jeder Ort, an dem er vorbeiging, wurde trockene Wüste.“ Es ist ein schöner Hinweis auf den ‚Pilgerpsalm‘ 84.

Wenn Abraham, der Stammvater der Araber, der Erbauer der Kaaba war, hatten sich seine Nachkommen also von Mekka aus über die Halbinsel verbreitet. Pilger, die Mekka besuchten, mussten sich daher auf die Rückkehr zu einem Stadium des ursprünglichen, reinen Arabers vorbereiten. Das lässt sich an den Forderungen ablesen, die den Pilgern von den Hums gestellt wurden:

„Dann giengen sie [die Hums] noch weiter und sagten: ‚Die Pilger, welche Speisen aus unheiligem Gebiete in das Heilige mitbringen, dürfen sie nicht geniessen, auch sollen sie, wenn sie den Tempel [die Kaaba] umkreisen, nur im Gewande der Hums es thun, und wenn sie kein solches finden, sollen sie ihn nackt umkreisen‘, und wenn Jemand sich zu vornehm dünkte, um den Tempel nackt zu umkreisen, so musste er, wenn er sein Gewand beibehielt, es nach dem Umkreisen wegwerfen, und weder er noch ein Anderer durfte es mehr berühren, und die Araber nannten es Allaka (das Weggeworfene).“

Diese Vorschriften (keine Nahrung mitbringen; vorgeschriebene Gewänder kaufen) klingen wie schlaue kommerzielle Maßnahmen, hatten zweifellos aber auch eine religiöse Bedeutung. Was durften die Pilger denn dann innerhalb des Harams (während der heiligen Monate war das ganz Mekka und Umgebung) essen? Darüber sagt Ibn Ishaq nichts. Doch der Koran deutet an, dass der Haram mit dem Paradies zu vergleichen sei und dass die Pilger das Gleiche essen mussten wie Adam und Eva. Deren Nahrung hatte aus Früchten bestanden. (Adam und Eva sollten erst nach dem Essen von „verbotenen Früchten“ und der Vertreibung aus dem Paradies Feldfrüchte anbauen und Tiere töten.) Das war vielleicht die „reine“ Nahrung, die an die Pilger verkauft wurde. Im Koran gibt es dazu Hinweise. Nachdem Adam das geweihte Haus wieder aufgebaut hatte, bat er Gott:

„Unser Herr, siehe, ich habe von meinen Nachkommen einige angesiedelt in einem unfruchtbaren Tal bei deinem Heiligtum, unser Herr, auf dass sie das Gebet verrichten. Mach du, dass Menschenherzen sich hin zu ihnen neigen, und schenke ihnen Früchte für den Lebensunterhalt, vielleicht sind sie ja dankbar.“

(Sure 14,37)

Gott schenkte Abrahams Nachkommen Früchte. An anderer Stelle weist Gott auf den Schutz hin, den er innerhalb des Haram bietet, und auf die Früchte, die man von ihm erbittet:

„Gaben wir ihnen denn nicht Macht über ein sicheres Heiligtum, für das Früchte aller Art gesammelt werden – als Versorgung von uns? Doch die meisten von ihnen haben kein Wissen.“

(Sure 28,57)

Außer der Nahrung gaben die Mekkaner (oder die Leute von Hums) offenbar auch angemessene Kleidung. Welche Kleidung ist das? Ibn Ishaq schweigt darüber. Vielleicht wusste er es nicht. Aber wir können versuchen, es zu erraten. Denn: Was trugen Adam und Eva im Paradies? In der christlichen Tradition wird (nach Genesis 2,25) meistens gedacht, dass sie nackt herumliefen. Doch in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung waren jüdische und christliche Sachverständige sich darin einig, dass so etwas unangemessen sei und dass Adam und Eva in strahlenden, göttlichen Gewändern einhergingen. Diese göttlichen Gewänder verloren sie jedoch gleich nach dem Sündenfall. Danach waren sie nackt und mussten sich mit Blättern bedecken. Nachdem sie aus dem Paradies verjagt worden waren, versah Gott Adam und Eva mit neuer Kleidung, wörtlich „mit Haut“ (Gen 3,21). Diese zweite göttliche Kleidung ist problematisch; der Vers legt nahe, dass Adam und Eva Kleidung aus Tierhaut bekamen, aus Leder also. Aber Gott sollte dem Menschen erst nach der Sintflut erlaubt haben, Tiere zu töten (Gen 9,2). Aus dem Grund dachte man, dass Gott die ‚Haut‘-Kleidung aus Baumrinde, Wolle oder Federn gemacht hatte. Denn dann brauchte kein Tier getötet zu werden. Baumrinde stellt man sich nicht angenehm vor und Wolle war unwahrscheinlich, weil es noch keine Schafherden und keine Hirten gab. Kurz, ein Federkleid wurde als die wahrscheinlichste Variante angesehen. Im Koran gibt es folgende Bemerkung zur Kleidung von Pilgern:

„Ihr Kinder Adams! Wir haben Kleidung auf euch herabgesandt, die eure Blöße decke, und Federn. Doch das Kleid der Gottesfurcht, das ist besser.“

(Sure 7,26)

Diese ist eine der vielen problematischen Passagen im Koran. Riisch bedeutet Federn, aber die ersten Korankommentare, nicht vertraut mit der theologischen Diskussion über Gottes ‚Haut-Kleidung‘, begriffen nicht, warum dort ‚Federn‘ stand, und dachten sich andere Interpretationen aus. Doch Federn, das ist gut möglich und zeigt, dass die Mekkaner (oder die Leute der Hums) tatsächlich dachten, ‚ihre‘ Kaaba habe im Paradies gestanden. Der obige Vers hängt mit einer folgenden Passage in derselben Sure zusammen, in der von passender Kleidung in einem Gebetsort die Rede ist:

„Ihr Kinder Adams! Tragt euren Schmuck bei einer jeden Anbetungsstätte, und esst und trinkt, seid jedoch nicht verschwenderisch! Siehe, er liebt nicht die Verschwender. Sprich: ‚Wer hat Gottes Schmuck verboten, den er für seine Knechte hervorgebracht hat, und die guten Dinge von den Lebensgütern?‘“

(Sure 7,31–32)

Gott gebietet Pilgern, ihre normale, keine verschwenderische Kleidung („Schmuck“) zu tragen, und weist ein Verbot [der Hums] zurück, normale Kleidung zu tragen. Denn die Pilger wurden ja gezwungen, besondere Kleidung oder ein Kleidungsstück zu kaufen, was vielleicht an ein ‚Federkleid‘ erinnert oder zumindest so genannt wurde. (Die Frage ist, inwieweit Pilger sich daran hielten. Drohungen, sie müssten andernfalls nackt herumlaufen, oder die Anweisung, ihre Kleider hinterher zu verbrennen, klingen nicht sehr realistisch. Spätere Autoren behaupten wahrscheinlich aufgrund dieser Passage, dass Pilger zur Zeit der Dschahiliya nackt um die Kaaba liefen – aber das klingt noch unwahrscheinlicher.)

Die Auffassung, die Kaaba sei das älteste Heiligtum auf der Erde und die Quraischiten nähmen als Bewacher des Heiligtums einen besonderen Platz ein, klingt viele Male im Koran auf. Der Prophet hat dies alles nie infrage gestellt. Die Quraischiten brauchten nicht zu fürchten, diesen einzigartigen Status und Gottes Schutz zu verlieren, wenn sie beschließen würden, dem Propheten zu folgen:

„Sie [die Mekkaner] sprechen: ‚Wenn wir mit dir der Leitung folgen, dann werden wir aus unserem Lande fortgerissen.‘ [Gott antwortet:] Gaben wir ihnen denn nicht Macht über ein sicheres Heiligtum, für das Früchte aller Art gesammelt werden – als Versorgung von uns? Doch die meisten von ihnen haben kein Wissen.“

(Sure 28,57)

Die Mekkaner wurden jedoch gewarnt. Sie waren der Gewohnheit verfallen, ‚Gefährten‘ zu verehren, und Gott würde sie dafür strafen. In Sure 16 finden wir eine Parabel über eine Stadt (die nur Mekka sein kann), die einst sicher war und ihren ‚Lebensunterhalt‘ ‚von allen Seiten‘ empfing, doch wegen ihres Unglaubens mit Hunger und Angst bestraft wird:

„Gott prägte ein Gleichnis: Eine Stadt, die sicher war und wohlbehütet, deren Versorgung zu ihr kam in Fülle aus jedem Ort. Da ward sie undankbar gegen die Wohltaten Gottes, und Gott ließ sie fühlen das Kleid des Hungers und der Furcht – für das, was sie vollbrachten. Da kam zu ihnen ein Gesandter aus ihrer Mitte, doch nannten sie ihn einen Lügner. Da raffte die Strafe sie hinweg, da sie Unrecht taten. Esst nun von dem, womit euch Gott bedachte, als erlaubt und gut. Danket für die Gnade Gottes, sofern ihr ihn verehrt!“

(Sure 16,112–114)

Die Hums-Reformbewegung war sehr erfolgreich. Ibn Ishaq zufolge gelang es ihr, die Macht über die Kaaba an sich zu ziehen, und das blieb so bis zur Ankunft des Islam:

„So blieb es, bis Gott Mohammed sandte, da offenbarte er ihm […] die Gesetze und Gebräuche der Pilgerfahrt […].“

Wenn das stimmt, dann müssen die Quraischiten diese Bewegung sehr schnell willkommen geheißen haben. Daraus kann man schließen, dass die Pilger, die Mekka besucht haben, nicht unter ihren Vorschriften zu leiden hatten. Zwar beachteten die Quraischiten die anderen Götter nicht, ließen sie aber in Ruhe. Allerdings durften sie nur im ‚Außengebiet‘ verehrt werden, wohin die Quraischiten nicht kommen durften – jedenfalls nicht, um dort etwas zu verehren. Zumindest berichtet Ibn Ishaq nichts von Angriffen der Hums auf die Heiligtümer anderer Götter. Gleichzeitig tolerierte die Bewegung wahrscheinlich, dass die Mekkaner drei „Töchter Gottes“ verehrten. Darüber beklagt sich Gott im Koran. Er beklagt sich aber kein einziges Mal über die Anwesenheit von Hubal in oder auf der Kaaba und auch nicht über die Vielzahl anderer Götter rund um die Kaaba, dafür aber über die Verehrung der „Gefährten“. In den wenigen Passagen, in denen er sich entrüstet, geht es um „Töchter“.

Die Hums vertraten demnach keine rein monotheistische Religion. Aber ihre Reformen waren doch ein deutlicher Schritt in die Richtung einer ausschließlichen Verehrung Gottes. Sie erkannten an, dass der Gott der Kaaba derselbe war wie der Abrahams, doch sie waren keine Juden oder Christen mit Heiligtümern weit entfernt im Norden. Die Hums entschieden sich für ihr eigenes Heiligtum, das älteste und wichtigste Heiligtum auf der Erde, so alt wie die Menschheit. Und Mekka war demnach die älteste Stadt Arabiens, die „Mutter der Städte“, wie sie im Koran genannt wird. Die Araber hatten sich von Mekka aus über ganz Arabien ausgebreitet. Und eigentlich müssten sie alle einen einzigen Gott verehren, in Mekka, wo die priesterlichen Quraischiten lebten, die auserwählten Führer der Araber. Das bedeutet, dass für die Hums alle anderen arabischen Heiligtümer, in denen welcher Gott auch immer angebetet wurde, nur minderwertige Kopien der Kaaba waren. Wir sahen es in der Beschreibung des Heiligtums, das der Göttin al-Lat in Taʾif geweiht war. Das kommt auch in einer anderen Geschichte bei Ibn Ishaq zum Ausdruck.

„[Die Quraisch] sagen, dass die Anbetung der Steine von den Söhnen Ismaels begann, als Mekka zu klein für sie wurde und sie mehr Raum [um zu beten] im Land haben wollten. Jeder, der die Stadt verließ, nahm einen Stein aus dem heiligen Gebiet mit, um ihn zu verehren. Dort, wo er sich niederließ, stellten sie ihn aufrecht hin und liefen drum herum, wie sie um die Kaaba gelaufen waren. Das führte dazu, dass sie Steine anbeteten, die ihnen gefielen oder die Eindruck auf sie machten.“

Wann begannen die Hums eine größere Rolle zu spielen? Ibn Ishaqs Bemerkung („ich weiss nicht ob vor oder nach dem Elephantenjahr“) legt nahe, dass diese während des Überfalls des himyaritischen (christlichen) Führers Abraha gewesen sein muss, also im Jahr 550. Das klingt durchaus wahrscheinlich. Drohende Katastrophen führen häufiger zum Aufflammen religiöser Bewegungen. Die Rettung Mekkas kann anschließend zu einem Wiederaufleben der Verehrung des eigenen Gottes geführt haben. Einige Dutzend Jahre zuvor hatten die Christen das jüdische Königreich Himyar zerstört; Gott stand in diesem Fall aufseiten der Christen. Der Untergang Abrahas bewiese wieder, dass Gott im Kampf zwischen Christen und Mekkanern die Seite Mekkas und der Kaaba gewählt hatte. Ein deutlicherer Beweis der Bedeutung des Heiligtums war kaum denkbar.

Es gibt möglicherweise noch einen anderen Grund für den Aufstieg der Hums. In derselben Zeit, der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts, betrachteten sich die Ghassaniden als Beschützer des Monophysitismus. Es ist deutlich, dass sie diese christliche Strömung zum Christentum für alle Araber erheben wollten. Vielleicht war die Entstehung al-Hums eine Reaktion auf diese Entwicklung. Beide, Ghassaniden und Hums, betonten, dass es mit dem arabischen Polytheismus vorbei war und dieser der Auffassung weichen musste, dass die Araber von Abraham abstammten. Die Frage war: Welche Religion gehörte dazu? Wie sollte der arabische Monotheismus aussehen? Der Fall der Ghassaniden um das Jahr 590 machte ihren Versuchen, den Monophysitismus zur arabischen Religion zu erheben, ein Ende. Von dem Augenblick an waren die Mekkaner wahrscheinlich die einzigen Araber mit vergleichbarem Anspruch. Wenn sie Gott in der richtigen Weise verehrten, würde er sie gegen die Gewalt des persisch-byzantinischen Krieges beschützen, wie er es im Jahr des Elefanten getan hatte. Nicht jeder aber war davon überzeugt.

Mohammed

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