Читать книгу NEUE MOBILITÄTSFORMEN: Autonome elektromobile Beherbergung - Marco Olomi - Страница 11
Оглавление1. Einleitung
1.1 Erkenntnisinteresse und Problemstellung
„Gibt es eine Akzeptanz für zukünftige nutzenbringende Beherbergungskonzepte mit vollautonomer Elektroautomobilität?“
Diese Generalfrage ist eng verknüpft mit der allgemeinen infrastrukturellen und gesellschaftlichen Entwicklung im Rahmen des globalen digitalen Wandels, wie er derzeit zu beobachten ist. Die weitreichende Bedeutung der Elektrifizierung und Autonomisierung im Straßenverkehr ist angesichts der stark wachsenden Städte und Agglomerationen, aus sicherheitsrelevanten Verkehrsaspekten, aufgrund der zunehmenden Internationalisierung wie auch der verbesserten individuellen Mobilität unbestritten. Dabei entwickelt sich die Mobilität von einem reinen Transportmedium hin zu einer Dienstleistungsinstanz. Kurz: Die Nutzer*innen folgen nicht mehr dem Produkt, sondern das Produkt folgt bzw. passt sich den Bedürfnissen der Nutzer*innen an. Somit rückt die leistungsbestimmende Mobilität immer mehr in den Vordergrund. Im Zuge dieser Digitalisierung, Elektrifizierung und Autonomisierung der Mobilität entwickeln sich neue Wirtschaftsbereiche sowie neue Produktions-, Markt- und Wettbewerbsstrukturen. Diese machen es notwendig, auch Beherbergungsdienstleistungen für die Nutzer*innen neu zu überdenken, disruptive Sprünge zu erkennen und eine leistungsbestimmte mobile sowie innovative Wertschöpfung zu entwickeln. Diese Vervielfältigung der Optionen (vgl. Gross, P., 1994) umfasst mobile hybride Aufenthaltsorte und -formen wie klassische Übernachtungs- und Aufenthaltsdienstleistungen sowie Arbeits-, Konferenz- und Meetingplattformen als potenziell neue Beherbergungstypologie. Trotz dieser Diversifizierungsnotwendigkeit diskutieren die korporativen Akteure (vgl. Scharpf, W. F. 2000, S. 100-102) vorwiegend den technologischen Fortschritt und die wirtschaftlichen Auswirkungen auf ihr Kerngeschäft und weniger die gesellschaftlichen Implikationen und Potenziale zukünftiger mobiler Beherbergung. Auch wenn die Nutzung vollautonomisierter Fahrzeuge im urbanen Straßenverkehr noch ein Zukunftsbild ist, könnte der technologische Fortschritt dazu führen, dass sich das Nutzerverhalten und damit das Verhalten zur Beherbergung an sich in der Gesellschaft grundlegend verändert.
1.2 Ziel und Relevanz der Arbeit
Somit stellt sich folgende Frage: Gibt es eine Akzeptanz für zukünftige nutzenbringende Beherbergungskonzepte mit vollautonomer Elektroautomobilität? Diese Frage gilt es mit dieser Masterarbeit für Deutschland zu klären. Wobei diese Fragestellung durchaus weltweite Betrachtung finden sollte, was jedoch nicht Ziel dieser Masterarbeit ist. Tourismusverbände und insbesondere die Reise- und Hotelbranche machen deutlich, dass sowohl eine Auseinandersetzung mit als auch eine ganzheitliche Betrachtung der autonomen elektromobilen Beherbergung noch kaum Beachtung findet. (vgl. Die Zukunft des Tourismus 2030, Szenarien für den Tourismus in Bayern 2040) Für eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Thema entstehen auch erst allmählich robuste empirisch Beiträge, die die Auswirkungen der autonomen Elektromobilität auf die Beherbergungswirtschaft und in Folge auf die Gesellschaft zusammenhängend betrachten (vgl. Fraunhofer IAO: FutureHotel Building 2052; Trendstudie 2b AHEAD: Die Zukunft der Economy-Hotellerie; German Convention Bureau: Future Meeting Space; Centre for Transport and Logistics (CTL): Automated Vehicles and the Rethinking of Mobility and Cities). Dies rückt die ‚Akzeptanz‘ in den Vordergrund, d.h. ob sich die Nutzer*innen und die korporativen Akteure (vgl. Scharpf, W. F. 2000, S. 100-102) vorstellen können, Szenarien und Visionen autonomer elektromobiler Beherbergung zu akzeptieren und damit eine völlig neue Beherbergungstypologie zu etablieren. Die zurzeit verfügbaren Studien zur Akzeptanz durch Nutzer*innen beschäftigen sich hauptsächlich mit den Erwartungen an die autonome Mobilität (vgl. Kyriakidis, M. et al., 2015; Payre W. et al., 2014; Fraedrich, E., 2017; Continental AG, 2018). Dagegen ist die Akzeptanzfrage bezüglich einer autonomen elektromobilen Beherbergung, welche sich nicht nur auf eine Unterkunft zum Aufenthalt oder Übernachten beschränkt, sondern als Synonym für eine Bandbreite von Möglichkeiten steht (vgl. Unterkapitel 2.1.3), die sowohl bei Nutzer*innen als auch bei den korporativen Akteuren (vgl. Scharpf, W. F. 2000, S. 100-102) Anklang findet, noch völlig offen und nicht geklärt. Somit soll diese Masterarbeit ein Beitrag dazu leisten, den Diskurs zur mobilen autonomen Beherbergung unter Expert*innen anzuregen. Es ist zu diskutieren, ob und in wieweit die autonome elektromobile Beherbergung an Bedeutung gewinnt, ob und welche Fundamente für einen Einsatz in der Gesellschaft und in der Wirtschaft gelegt werden müssten oder wie bestehende Strukturen sich verändern, wenn das Verhalten des Fortbewegens im Allgemeinen und in der Beherbergung im Besonderen sich durch die autonome Elektromobilität verändern. Ziel ist es daher, mit dieser Arbeit die Antwort auf die Frage ableiten zu können, ob es unter Expert*innen eine Akzeptanz/Nicht-Akzeptanz für zukünftige nutzenbringende Beherbergungskonzepte mit vollautonomer Elektromobilität gibt, um hiermit die Grundlage für weitere empirische Studien zu legen, die sich mit der Frage nach der Akzeptanz anhand einer handlungspraktischen Komponente beschäftigen.
1.3 Forschungsdesign zur Beantwortung der Fragestellung
Die elektrifizierte autonome Mobilität fand in den letzten Jahren und findet auch aktuell etwa in den forschenden Bereichen, in verkehrspolitischen Diskursen und auch in der Öffentlichkeit durch technologischen Fortschritt immer mehr Aufmerksamkeit und Dynamik. (vgl. Agora Verkehrswende; Plattform Urbane Mobilität; Forschungsagenda nachhaltige urbane Mobilität) Vor diesem Hintergrund ist die Arbeit nicht als Monografie im Sinne einer Abhandlung über einen einzelnen Gegenstand, also ein einzelnes Werk oder ein spezielles Problem (vgl. Hiller, H., 1980, S. 200) zu betrachten. Vielmehr hängt es von der Akzeptanz der unterschiedlichen gesellschaftlichen Akteure ab, ob es überhaupt zu einer neuen diversifizierten Beherbergungstypologie mit ihren unterschiedlichen Facetten auf Basis der elektrifizierten autonomen Mobilität kommen kann. Somit soll diese Arbeit explorativ aus empirisch sozialwissenschaftlicher Sicht mit Hilfe der qualitativen Zukunftsforschungsmethode Real Time Delphi1 (vgl. Gordon, T. J., Pease, A., 2006) als Online-Expertenumfrage und aus den Akzeptanzmodellen von Rogers (Rogers, E. M., 2003) und Kollmann (Kollmann, T., 1998) sowie dem Verfahren zur Messung persönlicher Einstellungen nach Likert (Likert, R., 1932) gewonnenen Einschätzungen zur Einstellungs- und zur Innovationsbestimmung dazu beitragen, Transparenz über weiteren möglichen Handlungsbedarf im Segment der autonomen elektrifizierten mobilen Beherbergung zu bringen. Die hier formulierte Akzeptanzfrage macht es darüber hinaus notwendig, „(…) verschiedene disziplinäre Perspektiven und Wissensstände sinnvoll zusammenzuführen.“ (Schüll, E. et al., 2017, S. 16). Vor diesen Hintergrund befassen sich die Thesen und Szenarien transdisziplinär (vgl. Waag, P., 2012, S. 22) mit den Perspektiven und Theorien aus der Zukunftsforschung, der Trendforschung, der Mobilitätsforschung und der Hotel-, Geschäftsreise- und Tourismusforschung. Somit wird erreicht, dass „Perspektiven, Theorien und Herangehensweisen verschiedener Fächer und Disziplinen auf fruchtbare Weise miteinander vernetzt werden.“ (Schüll, E. et al., 2017, S. 16) Auf diesem Weg sollen mit der Transdisziplinarität außerwissenschaftliche Probleme bearbeitet und hierfür unter anderem außerwissenschaftliche Akteure als Subjekte in den Forschungsprozess eingebunden werden (vgl. Waag, P., 2012, S. 22). Dabei wird nicht die ganzheitliche Betrachtung des Forschungsgegenstands in der jeweiligen Disziplin an sich vorgenommen. Die Transdisziplinarität soll eher dafür sorgen, eine ergänzende Teilansicht zu ermöglichen und ein einheitliches Verständnis herbeiführen. Somit befassen sich die Thesen und Szenarien, die als normativer Rahmen im Sinne richtungsweisender bzw. kompetitiver (vgl. Duden, o.J.: Normativ) Grundlage der Bewertung angenommen werden, im Rahmen der qualitativen Expertenumfrage des Real Time Delphi und welche im Vorfeld zu dieser Masterarbeit erarbeitet wurden, eben mit diesen jeweiligen Theorienansätzen der unterschiedlichen Disziplinen und im Weiteren mit dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen.
1.4 Wissenschaftliche Einordnung der Arbeit
Die vorgelegte Studie ist für die Sozialforschung als Sammelbegriff relevant, da sich sowohl die Hypothesen und Szenarien als auch die Ergebnisse auf die Phänomene des gesellschaftlichen Zusammenlebens der Menschen beziehen (vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, o. J.: Sozialwissenschaften). So kann etwa angenommen werden, dass der Einsatz von autonom fahrenden elektrisch angetriebenen Beherbergungseinheiten Auswirkungen auf die Lebensweisen der Menschen hat. Auch wenn die Technik und der Einsatz strenggenommen völlig losgelöst von sozialwissenschaftlichen Disziplinen erfolgen kann, setzt sich dennoch immer mehr eine interdisziplinäre Perspektive auch in den technischen Fachrichtungen mit dem Einbezug anderer Disziplinen durch, um eine erfolgreiche Implementierung autonomer Mobilität zu erreichen (vgl. Maurer et al, 2015, S. 656). Vor diesem Hintergrund „(…) besteht eine besondere Notwendigkeit zur Diskussion von gesellschaftlichen Aspekten.“ (Gasser et al. 2015, S. 21), um auch die Auswirkungen der elektromobilen autonomen Mobilität und damit auch eine neue Form der Beherbergung zu identifizieren.
1.5 Angewandte Forschungsdesigns
1.5.1 Real Time Delphi mit Likert-Ordinalskala
Als Student der Zukunftsforschung liegt es nahe, die Zukunftsforschungsmethode Real Time Delphi für eine Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes zu nutzen. Neben weiterer Umfragesoftware wie etwa Risk Assessment and Horizon Scanning (RAHS, www.rahs-bundeswehr.de), Surveylet (www.calibrum.com) oder auch Expertsight (www.expertsight.com), hat sich das online basierte Real-Time Delphi von Edelphi (www.edelphi.org) für diesen Zweck als benutzerfreundlichstes herausgestellt. Im Unterkapitel 3.1ff wird skizziert, wie am Ende 20 Thesen und ihre Szenarien mit Hilfe der induktiven Kategorienbildung angelehnt an die zusammenfassende Inhaltsanalyse (vgl. Mayring P., 2015, S. 13, 69) im Rahmen einer Projektarbeit für die Expertenumfrage zustande gekommen sind. Diese wurden dann in das online basierte Real Time Delphi zur weiteren Bearbeitung aufgenommen (vgl. 3.2ff). Mit der Auswahl dieser Zukunftsforschungsmethode wird eine qualitative Einschätzung darüber ermöglicht, welche Ansichten Expert*innen über einen noch nicht konkreten, vagen und zukunftsbezogenen Sachverhalt haben (vgl. Häder, M., 2009, S. 32). Ziel ist es, diesen Sachverhalt zu vertiefen, neue Aspekte aufzunehmen oder auch bisherige potenzielle Zukunftsstrategien aufzugeben. Die Zeiteffizienz (vgl. Gerhold, L., 2019, S. 102) im Vergleich zu einem klassischen Delphi wie auch die unmittelbaren Diskussions- und Feedbackmöglichkeiten (vgl. Cuhls, K., 2009, S. 207-221; Aengenheyster, S. et al., 2017, S. 15-27), die eine Änderung eigener Meinungen im Laufe des Zeitfensters zulassen, sind weitere Vorteile des Real-Time Delphis. Die Methode der Zukunftsforschung folgt der gleichen Grundidee wie das konventionelle Delphi-Verfahren, jedoch entfällt die Unterteilung in zwei Befragungswellen. Gleich nach dem Beginn wird die Plattform für die beteiligten Expert*innen in einer Weise freigeschaltet, dass alle Expert*innen von Anfang an die Kommentare der anderen Expert*innen lesen können. Dabei wird den Expert*innen die Entscheidung überlassen, wie oft sie sich einloggen und die eigenen Beurteilungen überarbeiten. Den Grundstein des Real Time Delphis hin zu einer anerkannten Forschungsmethode legten Gordon und Pease 2006 mit der Veröffentlichung „RT Delphi: An efficient, „round-less“ almost real time Delphi method” (Gordon, T., Pease, A., 2006). Dieser stand im Zusammenhang mit einer Studie für die Defence Advanced Research Projects Agency (DARPA) mit dem Auftrag, Abstimmungsprozesse von Entscheider*innen und den Expert*innenmeinungen zu beschleunigen. Ziel war es, „(…) rapid decisions in tactical situations (…)” (Gordon, T., Pease, A., 2006, S. 322) (etwa: schnelle Entscheidungen in taktischen Situationen. Übersetzung durch den Verfasser) herbei zu führen. Die Real Time Delphi Methode fand insbesondere in dem global agierenden ‚The Millennium Project, global future studies & research‘ Anwendung. Es handelt sich dabei um eine von Gordon mitgegründete Denkfabrik, in der es als Echtzeit-Delphi für Vorausschau- und Politikstudien, die im Rahmen des Millennium-Projekts durchgeführt wurden, eingesetzt wurde (vgl. http://www.millennium-project.org/about-us/). Das von Gordon immer weiter entwickelte Real Time Delphi etablierte sich als Zukunftsforschungsmethode, worauf auch die zahlreichen Varianten der Methode hinweisen (vgl. Zio de, S. et al., 2017: Real time spatial Delphi; Kloker S. et al., 2017: Social real time Delphi; Cuhls, K., et al., o.J.: Bohemia, a Dynamic argumentative Delphi survey). Die Likert-Ordinalskala (vgl. Likert, R., 1932) zur Messung der Einstellung der Expert*innen als mehrstufige Antwortskala innerhalb der einzelnen Thesen und Szenarien des Real Time Delphis, unterstreicht die Einstellungsbildung durch die zusätzliche Bewertung der jeweiligen Wahrscheinlichkeiten (vgl. Unterkapitel 3.4.1). Die Einstellungen der Expert*innen zu den formulierten Szenarien und Thesen werden dabei in der Summe gemessen. Innerhalb des Real Time Delphis wurde dazu durchgängig mit Ordinalskalen mit minimalen und maximalen Ausprägungen ‚Sehr Unwahrscheinlich (--)‘, ‚Sehr Wahrscheinlich (++)‘ und für die englische Version ‚very improbale <> highly probable‘ sowie den Teilausprägungen ‚unwahrscheinlich/improbable (-)‘, ‚unentschlossen/undecided (0)‘, ‚wahrscheinlich/probable (+)‘ gearbeitet. Ziel war es, mit der Darstellung der Gesamtheit der Einstellungsausprägungen auf den Ordinalskalen diese methodisch messbar zu machen. Die automatisch im Real Time Delphi generierten Quartile und Mediane wurden bei den Bewertungen nicht mit herangezogen. Diese dienen vielmehr als Orientierungspunkte für die Betrachter*innen. Zur Auswertung sind ausschließlich die Anzahl der Teilnehmer*innen und die jeweiligen Ausprägungen in den Thesen / Szenarien im Einzelnen und insgesamt relevant.
1.5.2 Akzeptanzmodelle nach Rogers und Kollmann
Rogers verfolgt mit seiner „Diffusion of Innovation Theory“ (Rogers, E. M., 2003) die Erfassung der Akzeptanzebene für eine Innovation durch die Kategorien Wissen, Überzeugung, Entscheidung, Implementierung und Bestätigung entlang eines Innovationsentscheidungsprozesses. Der Begriff der Diffusion aus der Innovations- und Diffusionsforschung beschreibt den Prozess der räumlichen und zeitlichen Ausbreitung einer Innovation (vgl. Haas, H. D., o. J.). Rogers verwendet ihn in der Annahme, dass sich Innovationen erst allmählich verbreiten. Er geht davon aus, dass die Zustimmung oder Ablehnung einer Innovation durch ein Individuum ein zeitlicher sozialer Ablauf ist (Vgl. Rogers, E. M., 2003, S. 168). Dabei hängt es zum Teil von den Innovationseigenschaften, den Individuen und der Kommunikation ab, wie schnell und in welchem Umfang die Innovation akzeptiert wird. Dieses Akzeptanzkonzept beinhaltet das Suchen und das Verarbeiten von Informationen sowie die Bestätigung oder auch die Reduzierung von Vor- oder Nachteilen, die eine Innovation mit sich bringt (vgl. ebd., S.172). Die Verbreitung von Innovationen ist für Rogers selbst ein gesellschaftlicher Vorgang. Jedoch ist die individuelle Wahrnehmung einer Innovation zum Zwecke der Adoption ebenfalls für die Urteilsbildung von Bedeutung. Somit zielt sein Fünf-Phasenmodell (Abb.: 1), das den Entscheidungsprozess für oder gegen eine Innovation beschreibt, eben auf diese Meinungsbildungsebene der Individuen ab. Die wesentlichen Einflussgrößen bei Rogers sind dabei das Produkt bzw. die Innovation (vgl. Kollmann, T., 1998, S. 117), womit die Akzeptanz für die technologische Ausprägung einer Innovation im Vordergrund steht. Das Phasenmodell folgt einer hierarchischen Logik (vgl. Gaus, W., 2003, S. 75) und gliedert sich chronologisch zunächst in die Phasen ‚Wissen‘, welche die Information über die Innovation bzw. das Objekt beinhaltet wie auch die Information zu den Eigenschaften. Die Phase ‚Überzeugung‘ betrifft hauptsächlich die Meinungsbildung.
Abb. 1: Innovationsentscheidungsmodell nach Rogers (Schäfer, M., Keppler, D., 2013, S. 39)
Die Phase ‚Entscheidung‘ beschreibt die Voraussetzung zur Adoption oder Ablehnung der Innovation, während die Phase ‚Implementierung‘ die Feldeinführung einer Innovation beschreibt und die Phase ‚Bestätigung‘ die Bewertung bzw. die Überprüfung der Innovation nach einer Feldeinführung meint. Da die Implementierung und damit die praxisbezogene Beurteilung einer Innovation nicht Gegenstand dieser Arbeit sind, werden für die Auswertung des Real Time Delphis nur die Phasen 1 bis 3 (d. h. Wissen, Überzeugung und Entscheidung) herangezogen. Die Definition der Einstellungsakzeptanz von Kollmann (vgl. Kollmann, T. 1998, S. 92) mit ihren Phasen ‚Bewusstsein‘, ‚Interesse‘ und ‚Erwartung‘ (vgl. Abb.: 16), kann Rogers Phase der Überzeugung zugeordnet werden. Damit ergänzt sich Rogers kognitives, im Sinne von Verstand, geleitetes Phasenmodell (vgl. Kollmann, T., 1998, S. 51) mit der affektiven Einstellungsphase, die vor dem Kauf- bzw. Übernahmezeitpunkt als prozessbedingte Zwischenakzeptanz steht (vgl. ebd. S. 92).
Hierzu konnotiert Kollmann, dass die Aspekte der bedarfs- und problemorientierten Nutzung der Innovation als Einflussdeterminanten bei der klassischen Adoptionstheorie (etwa bei Rogers. Anmerkung des Verfassers) vernachlässigt werden. (vgl. Kollmann, T., 1989, S. 93) Somit geht Kollmann davon aus, dass die gefühlte affektive Bewusstseinsbildung für das Objekt zu Gunsten einer technisch-sachlichen kognitiven Bewusstseinsbildung im Sinne von Rogers vernachlässigt wird. Daher wurde die Überzeugungsphase mit der Einstellungsphase von Kollmann ergänzt. Mit der Ergänzung tritt somit eine vorwiegend gefühlsmäßige bedarfs- und problemorientierte Komponente (vgl. ebd., S. 51, 93) für noch nicht existente (Objekt-) Innovationen hinzu, die es ermöglicht, etwaige gefühlsgeleitete innovationsgestaltende Aussagen zu erfassen (vgl. ebd., S. 96) und auszuwerten. Ein großer Vorteil des Akzeptanzmodells nach Rogers ist es, dass es sowohl auf Mikroebene des Individuums angewendet werden kann, als auch als Diffusionsmodell auf breiter sozialer Systemebene (vgl. Karnowski, V., Kümpel, A., 2016, S. 99-101).
1 Unterschiedliche Schreibweisen finden sich in der Literatur: RT Delphi (Gordon und Pease 2006) Real-Time, Real time, real-time Delphi (u. a. Geist 2010, Ginatzy et al., 2011, Gordon 2009). (vgl. Gerhold, L., 2019, S. 102)