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5. Schulzeit…einem Hammerstart folgt eine schwere Zeit…

Wie würde sich ein Kind entwickeln, welches den Vater oft unter körperlichen Schmerzen zusammenbrechen sieht, welches lernen muss, das die eigene Wahrheit von den älteren als Lüge gesehen wird und nicht geglaubt wird und im Gegenzug glauben sie sich gegenseitig ihre eigenen Lügen. Wie entwickelt sich ein Kind, welches schmerzhafte Erfahrungen mit Gewalt im Kindergarten erfahren musste oder regelmäßig häuslicher Gewalt ausgesetzt ist. Für eine Zeit entwickelte ich mich nicht gerade positiv. Ich begann mich zu verändern. Ich wurde zunehmend verstörter. Einerseits immer verschlossener und eingeschüchterter und zurückgezogener und andererseits immer rüpelhafter und aggressiver seiner Umwelt gegenüber. Aber woher kam das. Ist es etwa das " Bockig-sein-Alter", wo ein Kind lernen und verarbeiten muss, dass es nicht immer nach seinem Kopf geht oder es alles bekommen kann was es will, dies aber nicht akzeptieren möchte, oder hatte meine Seele jetzt schon in dem jungen Alter unter den Schlägen und den häuslichen Umständen gelitten. Bis heute habe ich keine Ahnung. Man will ja auch nicht jemand verurteilen oder irgendwen irgendeine Schuld zuweisen.

Es kam der Tag, an dem meine Eltern eine blendende Idee hatten. Sie beratschlagten wie sie wohl mein Benehmen in die für sie richtigen Bahnen lenken könnten. Sie stellten fest, dass meine Mutter einen Bruder hatte, welcher ein in der DDR, sehr erfolgreicher Judoka war. Sie waren der festen Überzeugung, dass das doch bestimmt auch für mich etwas sei. Sie meinten: " Da wird ihm Disziplin beigebracht, Kampfsport bildet und formt einen guten Charakter und Respekt anderen gegenüber. Austoben kann er sich dort auch und dann wird er wenigstens ein bisschen ruhiger und ist nicht mehr so hyperaktiv. Da müssen wir uns weniger Sorgen um ihn Machen. Ja und aufgeräumt ist er auch und wir müssen uns einen Nachmittag weniger kümmern und haben mehr Zeit für uns." So wurde es dann beschlossen. Im Nachhinein muss ich sagen, war das für mich eine richtig, richtig gute Entscheidung. Im Übrigen, hat mir dieser Sport wirklich bei meiner Charakterbildung geholfen, mein Selbstbewusstsein gestärkt und mir respektvollen Umgang anderen gegenüber, den richtigen Umgang mit Lob und Tadel, sowie, trotz dass es ein Einzel- also Mann gegen Mann-Sport ist, Teamgeist und Begeisterung und Anerkennung wenn einer besser ist beigebracht. Aber ich war immer noch manchmal rüpelhaft und aggressiv. Das ging auch in der Schule so weiter. Vielen gleichaltrigen war ich im Intellekt etwa gleich, im Fleiß und der Ordnung und Sorgfalt und Akribie meilenweit unterlegen dafür in Aggressivität und Gereiztbarkeit sowie Ungehorsam um einiges voraus. Und so war ich bestimmt kein einfacher Mitschüler in meiner Klasse. Vieleicht fiel es mir ja gar nicht schwer mit mich mit anderen anzufreunden aber den anderen fiel es vielleicht schwer sich mit so einem wie mir anzufreunden. Sie kannten ja nicht die Umstände, die Hintergründe oder die Abgründe in meiner Seele oder meine Gefühle warum ich so war.

Warum ich manchmal der lustige Klassenkasper und witzige Clown war, der hinter dieser Maske nur seinen eigenen Schmerz und seine eigene Verletzlichkeit versteckte oder warum manchmal dieser aggressive miese Kotzbrocken war mit dem niemand etwas zu tun haben wollte. Ich kannte die Gründe ja selber auch nicht. Es fiel mir sehr schwer dies zu akzeptieren. Ich litt unter dieser Situation, kam überhaupt nicht damit klar. So war ich nicht nur bei einigen Mitschülern gebrandmarkt als der Depp über den man sich im besten Falle mal lustig macht, falls man ihn überhaupt einmal beachtet, sondern auch bei den Lehrern. Bei denen war ich abgestempelt als der unmögliche Schüler bei dem man nicht so gern in die Klasse geht, um dort Vertretungsunterricht zu machen. Aber ich hatte gerade am Anfang meiner Schulzeit nach einem schweren Unfall, ein richtig tolles Hammererlebnis, welches ich den Mitschülern in meiner Klasse und vor allem meiner damaligen Klassenleiterin Frau Kurt zu verdanken habe....

Es war Sonntag, der zwölfte April 1981. Ein wunderschöner warmer sonniger Frühlingstag, nach einem langen harten Winter. Ich bin gerade in eine neue Schule gekommen, weil wir umgezogen sind. Unsere alte Wohnung war zu klein. Wir waren mittlerweile eine fünfköpfige

Familie. In unserer Stadt wurde ein neues Wohngebiet gebaut mit Schule und Kaufhalle und

Spielplätzen und Kindergarten mit Kindergrippe und so weiter. Wir waren bei meinen

Großeltern zu Besuch. Diese wohnten unweit dieses Neubaugebietes. Ich nutze das schöne Wetter um in diesem Jahr die ersten Runden mit dem Fahrrad zu drehen. Das Fahrrad bekam ich von meiner Schwester. Sie hatte ein neues Klapprad bekommen und so bekam ich in der Zwischenzeit ihr altes. Ich fuhr so ein bisschen vor dem Haus, wo meine Großeltern wohnten umher. Es war eine verkehrsberuhigte Wohngebietszone. Ich fuhr ganz unbeschwert und sorglos umher, als ich urplötzlich ein richtig laut aufheulendes Motorengeräusch. Es war unglaublich laut und erschreckend. Man hörte, dass da jemand mit dem Gas eines Mopeds vom Typ Simson S50 spielte und zwar so heftig das sich das anfängliche Knattern überschlug und sich in ein wirklich lautes Heulen verwandelte. Von der sonntäglichen Ruhe war nichts mehr zu spüren. Dann sah und hörte man wie das Moped losfuhr. Ich war total erschrocken und durch das laute Motorengeräusch so eingeschüchtert, das ich nicht wusste wohin und in Panik geriet. Ich drehte mich um, denn das ohrenbetäubende Motorengeheule kam aus der Richtung hinter mir. Es wurde immer lauter und ich wurde immer panischer und ängstlicher. Ich fühlte mich durch die hohen Bordsteinkanten wie gefangen auf dieser kleinen

Vorhausstraße. Ich war irgendwie in dieser ausweglosen Situation unbeholfen. Der Mopedfahrer musste mich gesehen haben, denn es war eine total übersichtliche und kerzengerade Straße und ich war ganz allein. Auf der Straße war auch kein anderes Hindernis, welches eventuell den Fahrer hätte irritieren können. Ich dachte mir ich muss hier irgendwie wegkommen, denn das Moped näherte sich unheimlich schnell. Es war aus zu schließen, dass die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 30km/h eingehalten wurde. Da ich mich mit dem Fahrrad so ziemlich in der Mitte der Straße befand und mit dem Rad nicht so reaktionsschnell und etwas behäbig und bewegungseingeschränkt war, versuchte ich mit Armraushalten anzudeuten, dass ich die Straße in einen angrenzenden Zugangsweg verlassen wollte. Ich drehte mich ängstlich um, um zu sehen wo das Moped ist, da sah ich es scheinbar direkt auf mich zurasen. Ich war geschockt und vor Schreck zur Salzsäule erstarrt. Ich war wie gelähmt konnte mich nicht mehr rühren. Das Moped hielt voll auf mich zu und machte keinerlei Anstalten mir auszuweichen oder anzuhalten oder mir ein Zeichen zugeben, dass mir keine Gefahr droht. Ein brutal lauter Knall, den ich bis heute nicht vergessen habe, beendete das laute Motorengeräusch und es war für einen Augenblick absolute Stille. Man konnte fast sagen Totenstille. Der Augenblick währte nicht lang und wich einem lauten jämmerlichen und apathischen Geschrei. Das Moped und der Fahrer, ich erinnere mich sogar noch an seinen Namen, Steffen O., lagen ca. zehn Meter entfernt von mir. Ich weiß nicht was ihn geritten haben muss, einfach so in ein Kind hinein zu rasen. Vielleicht wollte er mich nur erschrecken oder beeindrucken und angeben. Keine Ahnung, aber jedenfalls hatte er mich voll erwischt. Die Wucht des Aufpralls war so groß das der Stahlrahmen des Fahrrads gestaucht und total verbogen war. Jetzt könnte man meinen was war dann erst wohl mit mir passiert. Ich hatte mir das Schien- und Wadenbein gebrochen. Das war glaub ich Glück im Unglück. Ich schrie wie am Spieß, denn die Schmerzen waren brutal und aus irgend einen Grund fiel ich nicht in einen Schmerzschock, sondern spürte die ganze Zeit den kompletten Schmerz. Das Geschrei war so laut, dass man wahrscheinlich nicht einmal einen Notarzt telefonisch rufen musste, wahrscheinlich hätte er es auch so gehört. Auf jeden Fall war es so laut, dass fast alle Fenster der Bewohner des Häuserblocks aufgingen und die Leute interessiert und neugierig herausschauten. So auch meine Großeltern und da mein Großvater ein Ausgebildeter und stadtbekannter Sanitäter und Sanitäterausbilder war, lief er sofort heraus und wusste was zu tun war. Er leistete Erste Hilfe und schiente mir das Bein. Es war ein geschlossener Bruch, daher bis auf die Schürfwunden kaum Blut. Die Verletzung an meinem Bein sah aus wie eine Sprungschanze, weil der Knochen zwar rauspießte aber die Haut nicht durchdrang. Dann kam doch der Notarzt. Ich wusste wirklich nicht ob den jemand gerufen hat oder ob er wirklich durch mein Geschrei verständigt wurde. Ich schrie immer wieder das ich nicht sterben wolle und auch nicht ins Krankenhaus. Ich bekam auch noch mit, dass mein Großvater dem Unfallverursacher seine enorm große Hand angeboten hat. Aber nicht um ihn zu beglückwünschen sondern um sie in seinem Gesicht zu verewigen. Das tat er aber nicht. Mein Großvater war voll Herr der Lage und hatte sich und das Geschehen unter Kontrolle. Das war zehn Tage vor meinem Geburtstag. So also musste ich meinen siebten Geburtstag im Krankenhaus verbringen. Meine Eltern und Verwandten kamen mich besuchen und brachten mir die ganzen Geschenke mit ins Krankenhaus. Es waren sehr viele Bastelsachen und verschiedenste Baukästen. Ich liebte es Dinge zusammen zu bauen und zu konstruieren. Ich war aber auch eines von drei Geschwistern und hatte gelernt zu teilen und bei den unzähligen Kinderpatienten auf der Kinderstation des Krankenhauses, war Spielzeug Mangelware also stellte ich es mit zur Verfügung und es wurde dankend angenommen. Und eines kann ich sagen, mir als ein Kind der damaligen Zeit, war ein gemeinsames Spielen und Lachen mit anderen Kindern wichtiger und schöner als wie ein "Ichgetue“ und "Meinegesage“, so wie es heute teilweise ist. So war der Krankenhausaufenthalt gar nicht mehr so schlimm und für mich kurzweiliger, weil ich Freunde zum spielen hatte und ich hatte auch eine gute Tat getan und anderen Freude bereitet. Aber nicht nur ich war kameradschaftlich. Zu der Zeit war es eigentlich an der Tagesordnung so zu sein. In diesen Genuss durfte ich bald kommen, denn es kam die Zeit nach dem Krankenhaus und irgendwie musste ja auch mal die Schule weitergehen. Eigentlich lies meine Verletzung ein zur Schule gehen nicht zu. Mein Bruch war etwas komplizierter und ich hatte ein halbes Jahr einen sogenannten Liegegips. Aber meine Klassenlehrerin an der neuen Schule hatte etwas, was heute allgemein nicht so oft zu finden ist, ein Herz. Außerdem hatte sie noch etwas, was vielen Lehrern heute fehlt, einen Bildungsauftrag, welchen sie sehr ernst nahm. Sie hatte den Ehrgeiz, uns Kindern etwas beizubringen und keinen zurückzulassen. Für sie gab es keine Looser. Sie tat alles dafür, dass jeder von uns das Klassenziel erreicht und keiner auf der Strecke bleibt. Das tat sie auch bei mir. Sie legte jeden Tag zwei andere Schüler fest, welche mir dann den Lernstoff des jeweiligen Tages und die Hausaufgaben brachten. Das tolle daran war, weil sie jeden Tag ein anderes Schülerpaar auswählte, fiel die Last nicht auf einen einzelnen zu, welcher mich dann hassen könnte und somit das Klassenklima verschlechtern würde und dadurch, dass jeder einmal dran war, lernte auch jeder, einem schwächeren zu helfen. Das förderte nicht nur positiv den Charakter, sondern auch den Teamgeist und Zusammenhalt in unserer Klasse. Sie selbst nahm sich selbstverständlich nicht außen vor und besuchte mich regelmäßig, nicht nur um zu schauen wie es mir geht und ob die anderen Schüler mir die Schulaufgaben auch wirklich brachten. Nein, sie nahm sich die Zeit und schrieb mit mir, zu hause bei mir, alle Klassenarbeiten und Leistungskontrollen. So verpasste ich eigentlich nichts vom Stoff und konnte trotz der widrigen Umstände in die nächste Klasse mit versetzt werden. Man kann das gar nicht genug würdigen oder wertschätzen, was diese tolle Frau und Lehrerin eigentlich für mich gemacht hat. Die ganze Freizeit, die sie geopfert hat und die ganze Mühe, welche sie investiert hat, war enorm. Dafür bin ich ihr und unserer Klasse bis heute wirklich und echt dankbar. Das werde ich ihnen nie vergessen. Frau Kurt hätte es auch einfacher haben können, denn sie musste das alles nicht unbedingt für mich machen. Aber sie hat den für sie, für ihre Klasse und wahrscheinlich sogar für ihre Familie unbequemeren Weg gewählt. Das hätte mit Sicherheit nicht jeder Lehrer und nicht jede Schulklasse für mich gemacht. Denn es war nicht nur so, dass ich unbeliebt war bei jüngeren und gleichaltrigen Mitschülern sondern auch bei Lehrern. Weil ich nicht immer ganz so einfach war oder ganz so einfach zu verstehen war. Ich war der Sonderling, der bei den älteren Schülern ein beliebtes Mobbingopfer war. Ich war nicht nur kleiner und schwächer wie sie, sondern auch durch Schläge und Tritte, die sie mir verpassten, so eingeschüchtert, dass ich mich gar nicht getraute solche Vorfälle irgendwem zu melden oder geschweige denn, mich zu wehren. Und wenn ich solche Vorfälle einem Lehrer oder der Schulleitung gemeldet hätte, man hätte mir doch e nicht geglaubt. Schließlich war ich ja der Sonderling, der Lügner, der Rüpel oder der sich gern prügelt. Es war ja zu dem auch noch einfach jemanden anderes eine Lüge zu glauben, als wie meine komplizierte Wahrheit. So wie zum Beispiel bei diesem Vorfall. Ich war so etwa in der dritten Klasse. Der Unterricht an diesem Tag war schon vorbei. Ich besuchte die Hortbetreuung, welche direkt vor Ort in unserer Schule stattfand. Ich musste dahin, weil meine Eltern beide in Vollzeit berufstätig waren und ich da optimal aufgehoben und unter Beobachtung war. Außerdem wurde darauf geachtet, dass die Hausaufgaben erledigt wurden. Der Hort war auch schon vorüber. Ich war beim Umziehen wie immer sehr langsam und mal wieder der Letzte. Es war ziemlich leer im Schulgebäude. Alle waren augenscheinlich schon nach Hause gegangen. Ich glaub, dass nicht einmal mehr Lehrer oder Horterzieher beziehungsweise Betreuer noch da waren. Ich schlenderte so ziemlich unbefangen und sorglos durch den langen Schulgang zum Ausgang der Schule. Plötzlich hörte ich hinter mir ein " Ey, das ist doch der klaa Richter, Hey Richter bleib stehen." Ich war ein bisschen verwirrt und dachte mir: " Was wollen die den Von mir? " Es waren Olaf M., Sven Erik S. und ein Paar ihrer Freunde. Sie waren alle mindestens zwei, drei, vier Jahre älter wie ich und mir anscheinend nicht gerade wohlgesonnen. Dann spürte ich, das mich irgend etwas am Weitergehen hinderte. Sven Erik hielt mich, von hinten, am Schulranzen fest. Es war schon echt mutig von denen, einen um einige Jahre jüngeren Mitschüler von hinten anzugreifen. " Ey Lenin, Du Kommunistensau. Dein Vater ist doch der Lenin" vernahm ich von einen von ihnen. " Ich heiße nicht Lenin und mein Vater auch nicht. Ich weiß auch nicht mal was eine Kommunistensau ist. " erwiderte ich. " Halt´s Maul! " entgegneten sie mir, dann hatte ich die erste Schelle von hinten sitzen. " Hey, hört auf! Ich hab euch doch gar nichts getan." Daraufhin zog mich einer von ihnen am Ranzen, von hinten zu Boden. Ich hatte keine Chance. Dann trat mir einer von ihnen auf die Hände. Ich schrie laut auf. "Halt bloß die Fresse, Kommunistensau. Dein Vater ist doch der Lenin, der Parteisekretär. Ihr seit doch alles solche Schweine. Du griegst gleich eine in die Fresse wenn du dein Maul nicht hältst"

Patsch, da hatte ich auch schon eine Faust im Gesicht. Ich rief weinend, aber laut, dass sie mich in Ruhe lassen sollten. Irgendwie konnte ich mich in einen kleinen Gekampel hochwurschteln und aufrappeln. Dann schubsten sie mich hin und her und zwar immer einer zum anderen. Jeder war einmal dran. Dann entbrannte in mir so etwas wie Wut und Zornesmut. Ich schrie" Lasst mich in Ruhe! Ich kann Judo und wenn ihr mich nicht in Ruhe lasst, dann werde ich mich wehren und ich melde das". Sie lachten nur höhnisch und schubsten mich weiter hin und her. Dann packte mich Sven Erik und sagte zu mir: " Was willst du denn Richterlein, he, was willst Du denn?" Das kam mir bisschen komisch vor, dass er mich fragte, was ich wollte. Dabei hatten die doch angefangen. Als er mich so fest hielt packte, mich der Mut der Verzweiflung. Ich fasste in mit einem kräftigen Griff und warf ihn mit einem " Harai-goshi", einer Judotechnik, wo der Angreifer seinen Gegner am

Oberkörperkragen mit den Händen fixiert und in einer Drehbewegung und einem Fußfegen, außen über die Hüfte zu Boden wirft. Ich war wie im Rausch. Einmal so im Kampfmodus drin, hielt ich ihn mit einer Festhalte fest, bei der ich meinen Arm um seinen Hals schlang und zudrückte und mit dem anderen Arm hebelte ich seinen Arm, den ich aus der Wurfbewegung immer noch festhielt, über mein Bein. Der Überraschungsmoment war kurz auf meiner Seite und Sven Erik klopfte mir versöhnlich auf den Rücken und sagte: " Is scho gut Richterlein". Ich lies von ihm ab und dachte, das es jetzt vorbei ist und ich überraschenderweise noch mal glimpflich davon gekommen bin. Was für ein Fehler. Im nächsten Augenblick schlugen die anderen, wie ein Rudel Wölfe was sich über ein Lamm hermacht, auf mich ein. Ich war ihnen hilflos ausgeliefert und kassierte endlose Schläge und Tritte. Nur Sven Erik beteiligte sich nicht an dieser einseitigen und nicht gerade unter fairen Kräfteverhältnissen stehenden Schlägerei. Er sagte irgendwann: " Hey, hört auf! Es reicht, der hat schon genug ". Wow, das fand ich respektvoll mir gegenüber und hätte mir irgendwie meine Würde gelassen. Just in dem Moment, traf mich die Faust von Olaf im Gesicht und ich schwank mit dem Oberkörper nach hinten. Dann versetzte er mir mit seinem Knie einen heftigen Treffer in der

Magengegend. Ich bekam keine Luft mehr und konnte nicht atmen, geschweige dem schreien oder mich irgendwie wehren. Ich lag schmerzgekrümmt und um Luft ringend am Boden. Das hatte gesessen. Ich konnte nicht mal um Hilfe schreien. Sie leisen mich hilflos, einfach so am Boden liegend, zurück. Nicht einmal Sven Erik,, der wenigstens versuchte, mir respektvoll meine Würde zu lassen, half mir. Sie drehten sich nicht einmal nach mir um. Ich glaube ich geriet bei ihnen schon wieder in Vergessenheit, denn ich hörte wie sie sich über die Fußballspiele des letzten Wochenendes unterhielten. Das und so ähnliche Geschehnisse passierte mir öfters. Ich glaube zwar nicht, dass sie es taten, weil sie eventuell Neonazis waren, die keine Kommunisten mögen aber es fühlte sich für mich so an und eines kann ich sagen, auch in unserer so perfekten und geliebten DDR, gab es damals schon Neonazis und das nicht wenige. Es gab viele Menschen, die das System in der DDR nicht mochten, ich war ja selbst mit vielen Dingen kritisch und nicht einverstanden. Deshalb auch beäugte mich die Lehrerschaft oft missmutig, aber so etwas hatte weder mit Kritik an Lenin, am System oder mit Neonazis zu tun. Sie taten das aus Spaß und lange Weile und ich glaube, außer vielleicht Sven Erik, sie waren einfach nur böse und hatten Spaß daran andere zu quälen und drangsalieren. Ich vermute auch, sie glaubten somit Anerkennung von den anderen aus ihrer Clique zu bekommen. Ja Anerkennung, das hätte ich zu der Zeit auch gern mal gehabt. Vielleicht habe ich auch deshalb es in manchen Situationen ähnlich gemacht und manchmal einfach so aus Spaß die Schlägerei mit einem Schwächeren oder Gleichaltrigen gesucht, aus irgendwelchen fadenscheinigen Gründen oder auch nur so aus langer Weile oder Spaß oder im Glauben einen Lacher von anderen zu bekommen, die da drum herum standen in den Situationen. Lacher bekam ich schon ab und zu mal, aber Anerkennung? Die blieb aus. Vielleicht aber auch gerade deswegen, weil ich mich halt auch ab und zu wie ein Arsch verhalten habe, worauf ich nicht gerade stolz bin. Vielleicht habe ich mir auch so ein paar Sympathien mir gegenüber verspielt, dass wo ich eh nicht so viele davon hatte. Weil bei den meisten Menschen in unserer Bevölkerung waren, egal ob man dem System wohlgesonnen war oder nicht, Arschlöcher unbeliebt. Denn die der Großteil von uns, die wir in der DDR aufgewachsen sind hatte Herzblut, Humor, eine gute Seele und war kameradschaftlich und hilfsbereit anderen gegenüber. Das war das was uns eigentlich auszeichnete. Wir taten es, so wie meine Großmutter es mir immer geraten hatte. Wir versuchten wenigsten ein keines bisschen Mensch zu sein. Das ist eine Charaktereigenschaft die uns sogenannten Ossis von dem Großteil der heutigen Generation unterscheidet. Mensch sein und Herzblut.

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