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4 Pohrer redet!
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s ist noch früh, gerade mal halb sechs. Anton wird noch zum AKH fahren, um Dr. Pohrer zu sprechen. Dem muss er auf den Zahn fühlen. Pohrer hat ihm nicht alles gesagt, was er wissen sollte. Warum?
Es ist dunkel, als er aus dem Spital kommt. Franz Fohrer sitzt im Mercedes und liest eine Abendzeitung. Er merkt nicht, dass Anton kommt. Erst als der die Tür hinten öffnet, faltet er die Zeitung hastig zusammen.
„Pardon Herr Kortner! Ich habe Sie nicht kommen hör‘n. Wie geht ’s ‘m Annerl?“
„Schon gut, Herr Fohrer. Eine Autotür werde ich schon noch öffnen können. Ja, der Frau Milisçek … wie geht es ihr eigentlich? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Sie liegt wie ein kleiner Igel zusammengerollt in ihrem Bett und lässt nichts an sich ran. Aber warum ‚Annerl‘?“
„Oh, ich kenn‘ sie schon lange. Ihr Vater hat auch bei uns g‘arbeitet. Erst als Hilfsarbeiter und dann, als er langsam besser Deutsch konnte, hat er sich immer weiter hochg‘arbeitet. Das war ein ganz ein Kluger! Zum Schluss hat er die Arbeit g‘macht, die später der Magister Anzgrund g’macht hat.
Er hat mich immer g‘fragt, was er lesen könnt‘, zum Deutschlernen und ich hab‘ meine Frau selig g‘fragt. Ich hab ’s ja nicht so mit dem Lesen, aber sie hat viele Bücher g’habt und sie hat mir dann immer wieder a paar Bücherl mit‘geben. Am Anfang war‘n es Kinderbücher, welche, die noch in einfach‘m Deutsch g’wes’n saan. Später war‘n es dann Kriminalromane, die er gerne g‘lesen hat und zum Schluss hat mei‘ Frau g‘sagt, ‚jetzt gibst du ihm mal eins von Thomas Mann‘ sie hat aufg‘passt, wie es mit seinem Deutsch voranging und ich hab ihm den Zauberberg mitg‘bracht. Wissen S’, i hab da amal reing’schaut und schnell wieder zug‘macht. Das war mir zu schwer. Aber der Ivo Milisçek, der hat g‘nickt, als ich es ihm geb’n hab und g‘sagt, dass er ‘s schon in seiner Sprache g‘lesen hätt. A Lehrer war der in saaner Heimat.“
„Sagen Sie, hat er auch Bücher für die Anna bei Ihnen ausgeliehen?“
„Ja, eins wollt‘ er immer wieder hab‘n, weil ’s die Anna so gern g’habt hat.“
Anton wird ganz aufgeregt. Hat er womöglich einen Schlüssel zu Anna gefunden?
„Welches war das, wissen Sie das noch?“, fragt er hastig.
„Ja, ich denk‘ grad nach. Mir fällt ’s gleich ein. Am Anfang hat er immer was daraus zu mir g’sagt. ‚Mit‘m Herzl sieht ma gut!‘, des fällt mir ein, aber welches Buch war ‘s?“
„‚Der kleine Prinz‘ von Antoine de Saint-Exupéry oder?“
„Richtig! Des war ’s ,Da klaane Prinz‘ hat ’s g‘heissn. Das hat ihm gut gefallen und wir hab‘n ’s ihm dann g’lassen für ’s Annerl.“
„Vielen Dank, lieber Herr Fohrer. Sie haben mir sehr geholfen. Können Sie bitte morgen fahren und mir das Buch besorgen. Ich will der Anna daraus vorlesen, wenn ich sie morgen wieder um vier Uhr besuche.“
„Des mach ich, Herr Ingen … Kortner. Morgen, wenn S’ einsteig‘n werd ich ’s hab’n. Also soll ich morgen um halba viere parat sein?“
„Ja, wenn Sie das könnten, wär es schön. Ich meine, wenn man Anna an alte Dinge erinnert, die ihr gut getan haben, vielleicht beginnt sie dann bald wieder zu reden und aus ihrer Abwehr herauszukommen.“
„Des is a gute Idee, Herr Kortner. Sie mach‘n sich viel Müh‘ mit ’m Annerl!“
‚Bin ich zu bemüht? Womöglich geht ‘s morgen durch den Betrieb, dass ich mich an die Anna ranmache oder so ähnlich?‘
„Na, das ist doch selbstverständlich. Außerdem hab ich erfahren, dass die Frau Milisçek sich bestens mit der Logistik bei Pohrer auskennt und jetzt, wo der Herr Magister nicht mehr ist, brauche ich sie besonders.“
„Ah so maan S‘ des, Herr … Kortner.“ Franz tut sich schwer damit, den Titel wegzulassen. Anton meint, dass er gerade wissend in den Innenspiegel gelächelt hätte.
Na und! Er wird ‘s schon für sich behalten, bei seiner Chauffeursehre.
Sie fahren schweigend weiter. Auch am AKH fährt Franz Fohrer auf den Hof, soweit es ihm möglich ist, um an das Gebäude heranzukommen, wo Dr. Pohrer liegt.
Anton weiß, wo dessen Zimmer ist und diesmal ist er aus dem Auto raus, bevor Fohrer zu ihm kommen kann.
„Lassen Sie mal, Franz. Ich bin schon ein großer Junge!“, sagt Anton, aber er sieht, dass Fohrer sich ärgert. Er wird ihm zukünftig seinen Willen lassen.
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Als er in das Krankenzimmer von Dr. Pohrer tritt, sitzt der gerade an dem kleinen Tischchen und streicht sich ein Brot. Es ist Zeit für das Abendessen, früh wie in allen Krankenhäusern. Es riecht im Flur nach Früchtetee, Salami und schlechtgelüftetem Schlafzimmer, so wie es in allen Krankenhäusern riecht, wenn das Abendbrot ausgeteilt wird.
„Setzen Sie sich, Herr Diplomingenieur! Soll ich Ihnen einen Tee oder einen Kaffee bringen lassen?“
Anton will schon verneinen, doch da fällt ihm ein, dass es vielleicht insgesamt entspannter wirkt, wenn sie beide bei einem Tässchen Tee reden.
„Ja gerne! Ein Tee wär schön.“
„Ist Earl Grey recht oder lieber ein Darjeeling?“
„Oh, kann man das hier bestellen? Ich kenne in Krankenhäusern nur Schwarztee, Pfefferminz-, Kamille- oder Früchtetee.“
„Hier auf der Station legen sie großen Wert darauf, dass man sich wohlfühlt. Der Chefarzt meint, dann geht es schneller mit der Genesung. Ich glaub, er hat recht. Und man zahlt ja auch ordentlich dafür.“ Er lacht und drückt auf einen Knopf, der nun orange leuchtet.
Es dauert nur eine halbe Minute und eine bezaubernde, blonde Schwester kommt ins Zimmer.
„Was darf ’s sein, Herr Doktor?“
„Der Herr möchte einen Tee! Welche Sorte war ’s gleich, Herr Diplomingenieur?“
„Ein Earl Grey wäre perfekt! Danke!“
„Bring ich Ihnen sofort.“
Und richtig, schon kurz darauf kommt die hübsche Schwester mit einem Tablett zurück, auf dem eine chinesische Porzellankanne und eine Tasse mit Untertasse und Teelöffel ist.
„Soll ich das Sieb schon herausnehmen oder soll er länger ziehen?“
„Nein, bitte nehmen Sie es heraus.“
Sie macht es, gießt ihm was in die Tasse und geht. Nun können sie endlich einsteigen in das ernste Gespräch, das Anton führen will.
„Bitte entschuldigen Sie, wenn ich gleich mit der Tür ins Haus falle, aber mir brennt da was auf den Nägeln, Herr Doktor.“ Anton nippt an der Tasse … „Mhm, der Tee ist aber gut! Wissen Sie, dass mir Tee in Hotels – vor allem Earl Grey – immer besser schmeckt, als wenn ich ihn zuhause trinke? Ich weiß nicht, wie das kommt.“
„Doch, doch, das geht mir auch so, aber nun mal raus damit. Was brennt Ihnen auf den Nägeln?“
„Ich hatte heute unangenehmen Besuch. Sie wissen noch, dass im Zusammenhang mit den Entführungen der Frau Perlgruber und mir Nachrichten zugeleitet wurden, in denen für heute Besuch angekündigt wurde?“ Pohrer nickt. „Eigentlich dachten wir, dass sich das nach dem Polizeieinsatz und der Befreiung der Entführten erledigt hätte. Umso größer war mein Erstaunen, als ich heute vom Mittagstisch zurückkam und ein SUV mit ukrainischem Kennzeichen auf Ihrem Parkplatz stand.“
Pohrer wird blass und fahrig. Man sieht ihm die Nervosität an, die sich blitzartig eingestellt hat.
„In Ihrem Büro saß ein Herr Kowaljow selbstherrlich auf Ihrem Stuhl hinter Ihrem Schreibtisch. Er hat mir sehr bestimmt gesagt, dass ich in Kürze den Einstieg der Pohrer AG in ein längerfristiges Geldwäschesystem mit zu organisieren hätte. Ich sag ‘s gleich, Herr Dr. Pohrer, bei sowas bin ich raus. Ich hab mein Berufsleben mit Ach und Krach auf ehrliche Weise hinter mich gebracht. Da werde ich nicht kurz vorm Ende auf solche Illegalitäten einsteigen. Hat Kowaljow recht, wenn er behauptet, dass er über die Stimmenmehrheit bei Pohrer verfügt?“
Pohrer hat Schweiß auf der Stirn. Er knetet seine Hände und scheint nach Worten zu suchen.
„Wissen S’, Herr Diplomingenieur, nix wird so heiß ‘gessen, wie ’s gekocht wird. Sie kennen doch sicher auch diesen Spruch. Hängen S‘ mich bitte nicht hin. Wenn Sie hinwerfen, steh ich ganz allein da. Ich such‘ eine Lösung für das Problem, das könn‘ S‘ mir glaub‘n!“
Will er sich einschmeicheln, wenn er jetzt so ein wenig österreichischer spricht als sonst oder bringt ihn die Angst dazu?
„Ich entnehme Ihren Worten, dass Kowaljow tatsächlich recht hat?“
„Erinnern Sie sich an meinen Stimmungsumschwung im Panhans? Sie sprachen mich damals darauf an und boten mir Ihre Hilfe an.“ Anton nickt.
„Das war unmittelbar nach einem sehr ärgerlichen Gespräch mit dem Anzgrund. Er sagte mir, dass er ein Angebot für seine 2% Anteile an den Pohrer-Aktien bekommen hätte, die er vor Jahren von mir als Incentive erhalten hatte. Ein Angebot, das ein Mehrfaches des tatsächlichen Werts betrüge. Er stellte mich vor die Wahl, ihm dieses Paket für den Angebotspreis abzunehmen oder er würde an Kowaljow verkaufen.“ Jetzt regt sich Pohrer fürchterlich auf, „Dieser vermaledeite Kriegsgewinnler. Er wusste ganz genau, dass die Lage bei uns angespannt ist und ich nehme an, dass er auch wusste, dass ich ihm den Preis nicht zahlen konnte. Er grinste hämisch und sprach noch hämischer davon, dass ich doch sicher eine ‚schwarze Kasse‘ hätte, aus der ich das Geld leicht beschaffen könnte.“
„Und! Hätten Sie gekonnt?“ Anton ist nicht überzeugt von dem, was er da gerade hört.
„Aber bitte, Herr Diplomingenieur. Ich dachte, wir vertrauen einander. Nein! Klipp und klar, nein! Auch ich habe noch nie etwas Illegales gemacht. Das ist nicht mein Stil. Es beleidigt mich ein wenig, dass Sie so nachfragen.“
„Tut mir leid, aber dieses Gespräch hätten Sie früher von sich aus mit mir beginnen sollen oder?“
„Ja, ich gebe Ihnen ja recht, aber wären Sie dann bei der Stange geblieben?
Ach, was soll’s? Nun ist es passiert und ich hoffe, Sie helfen mir, wie Sie es angeboten haben.“
„Wie gesagt, ich helfe Ihnen gerne, solange alles auf legaler Basis bleibt, ansonsten bin ich weg, jedenfalls, was die Interimsgeschäftsführung angeht. Als externer Berater stehe ich Ihnen weiter zur Verfügung, aber wollen Sie einen Berater mit diesem Hintergrundwissen?“
„Was würden Sie mir denn in meiner Lage raten, Herr Diplomingenieur Kortner?“, stößt Pohrer nun bissig hervor. „Mir steht das Wasser bis zum Hals. Der Kowaljow hat die knappe Mehrheit und kann sowohl Sie als auch mich aus dem Betrieb schmeißen. Dann war es das und die Geldwäsche kommt mit einem anderen Vorstand in Gang.
Ich hatte beabsichtigt, drin zu bleiben, denn nur von innen kann ich gegensteuern.“
„Aber mit Geldwäsche machen wir uns strafbar. Die ist kein Kavaliersdelikt.“
„Ja, Sie haben recht!“, sagt Pohrer langgezogen, als wollte er sagen, ‚das weiß ich auch und es stört mich genauso wie Sie‘, „aber noch ist es nicht so weit und bis dahin fällt uns schon was ein.“
„Uns wird nichts einfallen. Entweder wir machen dabei mit oder nicht. Ich glaube nicht, dass so ein bisschen Geldwäsche strafbefreiend wäre. Das einzige was mir einfällt wäre, dass wir zum Schein mitmachen, aber vorher an entsprechender Stelle auf die Machenschaften des Herrn Kowaljow aufmerksam machen.“
„Und dann? Was passiert dann? Der Kowaljow sitzt in Kiew und wickelt die illegalen Geschäfte ab und wir berichten bei der Abteilung für Wirtschaftskriminalität, dass wir dabei mitwirken. Was hätten die davon? Letztendlich ist der Vorstand der AG verantwortlich und nur der wird zur Rechenschaft gezogen.
Ich weiß auch keinen Rat, aber eines weiß ich, wenn ich bei Pohrer aussteige und dem Kowaljow meine Anteile verkaufe, werde ich nichts mehr ändern oder verhindern können und gemacht wird sie dann erst recht, die Geldwäsche.
Tun S’ mir den G’falln, Herr Diplomingenieur, machen S’ noch a kleine Weile mit. Vielleicht fällt uns was ein, bevor es dann wirklich zur ersten Illegalität kommen soll. Ich hatte Ihnen doch etwas anvertraut, als mich die Rettung abgeholt hat. Wissen S’ das noch? Ich mein, da könnt man was draus machen.“
„Sie sprechen“, Anton schaut sich um und senkt die Stimme, „die Sache mit dieser Frau an? Aber es war nicht diese Frau, die mir die Daumenschrauben ansetzen will, es war ein Mann, namens Kowaljow. Punkt, aus, fertig!“
„Die Frau gibt ’s und sie wird Sie irgendwann kontaktieren. Glaub‘n S’ mir das! Wenn wir die so oder so für unsere Zwecke in den Griff bekommen, dann gibt es eine Chance. Sie ahnen nicht, wie mächtig sie ist! Und sie hat irgendwie einen Narren an Ihnen gefressen.“
Anton grübelt. Er ist weder überzeugt, noch will er Pohrer hängenlassen. Pohrer hat recht, solange sie drin sind im Geschäft, solange können sie es beeinflussen, mehr oder weniger und Kowaljow machte auch so komische Andeutungen, von wegen höheren Orts wäre eine wichtige Person, die ihre schützende Hand über Anton hielte. Meinte er auch diese Frau?
„Lassen Sie mich überlegen, Herr Dr. Pohrer. Aber eins steht fest, sobald das erste krumme Ding laufen soll, werde ich mich verabschieden.“
„In Gott’s Namen ja, aber solange halten wir den Ball in der Luft. Wir schaffen das. Sie werden sehen.“
Anton verabschiedet sich. Er hat einiges zu überlegen. Das, was Pohrer über diese rätselhafte Frau sagt, kann er nur glauben oder nicht. Er weiß viel zu wenig von der ganzen Chose. Wenn er beziehungsweise sie eine Chance haben wollen, muss er tiefer einsteigen und die Zusammenhänge besser kennen. Wie kann ihm das gelingen?
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Auf dem Innenhof des AKH nimmt Anton das Handy raus und ruft Herrn Prokopeç an. Immer wenn er bisher nicht weiter wusste, hatte ihn ein Gespräch mit dem alten Herrn wenigstens beruhigt oder ihm gar eine neue Idee zum Weitermachen gebracht.
„Grüß dich Karl, wie geht es dir?“ Seit einem denkwürdigen Treffen im Café Goldegg, bei dem auch Grit dabei war, sagen die drei ‚Du‘ zueinander trotz des Altersunterschieds. Sie sind Kampfgenossen!
Dem Karl geht ‘s darum zu erfahren, wie und warum seine Tochter Mizzi gestorben ist, der Grit, warum ihr Sohn entführt wurde und ob es noch einmal passieren kann und Anton will wissen, ob es Sissi war, die ihn gerettet hat vor über einem Jahr und wie er an ihr oder Anna alles gutmachen kann, was er Sissi schuldet.
„Oh Anton, du wirst ’s nicht glauben, aber grad hab ich an dich gedacht und an Grit. Mir geht ‘s gut, aber jeden Tag wird ‘s schlechter. Das Alter macht mir zu schaffen. Warum rufst du an?“
„Hast du Zeit für mich? Dann komm ich zu dir und wir reden wieder, was meinst du?“
„Klar, passt! Aber da musst du nicht fragen. Du kannst jederzeit zu mir kommen. Ich bin so gut wie immer hier in meinem Erker und schaue der Zeit zu, wie sie im Takt meiner Standuhr Sekunden auf den Boden tropfen lässt. Kommt Grit auch?“
„Ich weiß nicht. Ich bin gerade erst auf die Idee gekommen, dich zu besuchen. Ich werde sie anrufen und wenn es klappt, dann bringe ich sie mit. Bis nachher Karl.“
„Baba, ich freu mich!“
Anton ruft sofort weiter an, diesmal Grits Handy. Sie ist schnell und antwortet nach dem ersten Rufzeichen. Atemlos und aufgeregt.
„Oh Anton, schön, dass du anrufst. Ich bin in Sorge. Der Leon schwirrt irgendwo rum und ich weiß nicht, ob nicht wieder was mit ihm passiert ist.
Bist du böse, wenn ich jetzt das Gespräch beende, weil ich will, dass mein Handy frei ist?“
„Nein, nein, ich werde gleich den Karl besuchen und er und ich wir fragen uns, ob du mit uns zusammen sein willst. Ich würd dich auf dem Weg abholen. Was meinst du?“
Grit druckst rum. Sie ist hin und her gerissen. Sie will auf Leon warten, aber sie will auch gerne mit Anton und Karl reden. Sie meint auch, dass es nötig wird, sich auf neue Störungen und Gefahren vorzubereiten. Dieses Protzauto mit dem ukrainischen Kennzeichen auf Pohrers Parkplatz bedeutet nichts Gutes.
Anton merkt, dass sie sich nicht entscheiden kann. „Pass auf, ich fahre jetzt zu dir. Es war doch Würtzlerstraße 27 oder? Da werd ich so in zwanzig Minuten sein. Du kommst kurz runter und sagst entweder ab oder fährst mit. Okay?“
„Ja gut, aber es ist Nummer 24, hörst‘? Bis in zwanzig Minuten. Sei mir nicht böse, aber …“
„Nein, ist schon klar. Es ist dein Sohn und du machst dir berechtigte Sorgen. Bis gleich. Ich fahr los. Baba!“
Er hat die Gespräche auf dem Innenhof geführt und ist dabei stehengeblieben. Chauffeur Franz Fohrer steht schon da und hält ihm die Tür auf.
„Danke Franz. Zuerst geht ‘s in die Würtzlerstraße 24 und danach nach Penzing.“
„Jawohl, Herr Kortner! Wie geht ‘s ‘m Cheef?“
„Dem geht es wohl recht gut. Jetzt wo Sie es sagen, ich hab ihn gar nicht nach seinem Befinden gefragt. Ich hatte eine dringende geschäftliche Frage.“
„Ach so, na ich fahr mal los.“ Er steigt auch ins Auto und schon bald sind sie auf dem Weg.
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Karl Prokopeç ist wieder fit, als wäre er zehn Jahre jünger geworden. Immer wenn er mit seinen neuen Freunden Grit und Anton zusammen ist, spült es ihm die richtigen Hormone und Botenstoffe ins Blut. Er ahnt, wie es ihm ginge, wenn er täglich mit seiner Tochter Mizzi hätte zusammen sein können.
Gut, dass er heute zwei Flaschen Zweigelt, Brot und Käse gekauft hat, auch wenn sie schwer in seinem Einkaufswagen lagen, als er ihn die Treppe raufschleppen musste.
Er steht pfeifend in der Küche und spricht mit Mizzi: „Merkst‘, Mizzi, wie ‘s mir wieder gut geht? Der Anton kommt und vülleicht die Grit auch. Willst ned amal mit eana red‘n?“
„Des wird sich ned ausgeh‘n, Papatschi. Sie ham mir erlaubt, mit dir zu red‘n. Da bin ich schon froh drüber. Aber mit dene zwa werd‘ i ned red‘n dürf‘n. Aber du kannst eana sag‘n, was ich dir g’sagt hab‘!“
„Gut, aber lieber wär mir schon, du tät‘st auch mit eana red‘n. Die halt‘n mi für deppat, waasst. Wer kann schon mit a Tot‘n red‘n?“
„Des waaß der Anton g’nau. Die Sissi hat mir g‘sagt, dass sie mit ihm g’red‘t hat, als er auf‘m Zentralfriedhof an ihr‘m Grab war. Sag ihm das! Wirst scho sehn, wie er dir glaabt!“
„Du red‘st a mit da Sissi? Geht ‘s ihr gut da, wo ihr saad?“
„Klar, geht ‘s uns gut. I hab‘ mal was g’lesn von am deutschen Autor und da war sein Held scho fast tot und im Koma. Den ham s’ zuruckg’holt und da hat er sei‘m Freind g’sagt, dass eam da durch ‘n Kopf g‘gange is‘: ‚Endlich Frieden! Wie schön es hier ist! Hätte ich das gewusst, wäre ich schon früher gekommen!‘“
„Du Mizzerl, dann komm‘ ich auch bald, was maanst?“
„Na, na, bleib du noch a bisserl da unten bei die Mönschn und helf‘ ‘m Anton. Dann hilfst‘ auch mir und der Sissi.“
„Da hab i no a Aafgabe, des is recht! Baba, Mizzerl!“