Читать книгу Radfahren im Triathlon und Einzelzeitfahren - Marcus Baranski - Страница 8
ОглавлениеZEITFAHREN WIRD OFT ALS DIE HÄRTESTE ALLER RADSPORTDISZIPLINEN BEZEICHNET. NATÜRLICH NIMMT DAS JEDE NISCHE GERN FÜR SICH IN ANSPRUCH. WAS SOLL ALSO DARAN SO HART SEIN, DASS MAN ALLEIN UND NICHT IM FELD UNTERWEGS IST? SICH NICHT GEGEN KONKURRENTEN AM BERG DURCHSETZEN UND AM ENDE NACH 100 KILOMETERN ODER MEHR IM SPRINT BESTEHEN MUSS, WENN ALLE EIGENTLICH SCHON STEHEND K. O. SIND? WARUM WIRD DAS ZEITFAHREN OFT ALS DIE »STUNDE DER WAHRHEIT« BEZEICHNET?
Du ahnst es schon, es liegt daran, dass man beim Zeitfahren sowie im Triathlon und Duathlon auf dem Rad allein mit sich selbst unterwegs ist und am Ende eine Zeit steht, die man folglich auch ganz allein zu verantworten hat. Bei den Ritten auf dem Aero-Lenker gewinnt der Sportler gegen die Uhr, den inneren Schweinehund und seine Konkurrenten, bei dem objektiv alles am besten passt: Neben der Form und dem richtigen Material gilt das besonders für die Aerodynamik und eben auch das richtige Mindset. Du musst aus dir das Letzte rausholen, aber so dosiert, dass es bis als Punktlandung ins Ziel reicht. Nichts wäre dabei unterwegs einfacher, als ein paar Tritte auszulassen, damit die Beine und Lunge nicht mehr so brennen. Ganz vorn landet allerdings immer der Kandidat, der sich am besten motivieren und am meisten quälen kann. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das nicht immer derjenige ist, der auf dem Papier der Stärkste ist oder die größten Wattzahlen mitbringt. Sondern ebender Sportler, bei dem am Tag X alles passt: die Form, das Material und die richtige Einstellung.
Um dieses Gesamtpaket geht es in diesem Buch. Egal, ob du Radsportler oder Triathlet bist, du wirst in den folgenden Kapiteln lernen, was dich deinem Ziel näher bringt, schneller unterwegs zu sein. Welche Schrauben lohnt es sich zu drehen, und warum ist das so? Dabei geht es nicht immer nur um die Schrauben am Rad, sondern eben auch um die an dir als dem Motor. Schließlich bringst erst du die Leistung ins System ein. Weil du aber »nur« Mensch und eben nicht Maschine bist, geht das zu einem ganz wesentlichen Teil auch bei dir im Kopf über die Bühne. Die gute Nachricht lautet: Auch den kann man entsprechend vorbereiten. Weil ich das immer wieder von Anfängern und Breitensportlern höre, die schnell abgeschreckt sind wegen des vermeintlichen Aufwandes – all das Feintuning kann man natürlich als Raketenwissenschaft betreiben. Ab einem gewissen Punkt geht es wirklich ins Marginale, beim Material allerdings so richtig ins Geld. Aber alles kann und nichts muss. Gerade am Anfang sind die Basics nämlich mit wenig bis gar keinem finanziellen Aufwand verbunden. Die Verbesserungen, die du zu Beginn deines persönlichen Optimierungsprozesses erreichen wirst, sind so groß und so einfach zu erreichen wie später nie wieder. Ein Beispiel: Weil du mit dem Körper der größte Windfang bist, geht alles Richtung einer ersten Positionsoptimierung vergleichsweise schnell und in großen Schritten. Das Verhältnis von Aufwand – zeitlichem und finanziellem – zu Verbesserung ist anfangs grandios.
Das lohnt sich immer noch nicht für dich, weil du so langsam unterwegs bist? Irrtum, gerade dann sparst du durch Tuning an dir und deinem Material effektiv noch mehr an Nettozeit in Minuten ein. Anders als der erfahrene Athlet, der mit 45 Stundenkilometern nur noch daran feilt, ein paar Sekunden herauszuschlagen. Also trau gerade du als Hobbysportler dich da einfach mal ran!
Aber auch für den ambitionierten Piloten, der sich bereits in solchen Sphären fortbewegt, ist hier dann richtig viel nerdiger Inhalt an Bord. Keramiklager, gewachste Ketten und Latexschläuche sowie CdA-Werte oder deine »normalized power« sind Begriffe, über die du dich stundenlang unterhalten könntest? Dann wirst auch du hier abgeholt, und zwar eher für Tage als nur für Stunden, auch wenn im Ergebnis nachher nur ein paar Sekunden dabei herauskommen. Vielleicht sind es ja genau die, die dir beim letzten Mal zum Sieg gefehlt haben.
Zugegeben, wenn speziell das Zeitfahrmaterial nicht so viel zum Tüfteln und Testen hergeben würde – sei es nur für eine halbe Sekunde auf einen Kilometer bei Tempo 50 –, ich weiß nicht, ob ich mich dann so in diese Disziplin verliebt hätte. Nebenbei bemerkt: Solche »Marginal Gains« dann beim nächsten Wettkampf in petto zu haben, setzt auch psychisch noch ein paar Watt und Sekunden mehr frei, glaub mir!
Wo wir beim Thema Zeit sind: Ich fahre schon den Großteil meines Lebens Rad, irgendwie immer auf Zeit. Das war früher beim BMX-Rennen und gegen die Gegner so, heute geht es auf dem Aero-Lenker in erster Linie gegen die Uhr. Die Tüftelei, wie man unterwegs noch ein paar Sekunden gutmachen kann, wird dabei realistisch betrachtet auch nie vorbei sein. Grund eins: Das Material entwickelt sich ständig weiter. Nicht ohne Grund nimmt der Bereich Radtuning hier ein so umfangreiches Kapitel in Anspruch. Daneben entwickelt sich die Sportwissenschaft immer weiter, und was an Know-how bis vor ein paar Jahren noch den Profisportlern vorbehalten war, ist jetzt schon Allgemeinwissen bei den Amateuren und Agegroupern. Grund zwei: Es ist ja so, sind wir doch mal ehrlich, dass man mit der Leistung eigentlich nie so richtig zufrieden ist, wenn man erst mal mit der Jagd nach den Sekunden begonnen hat. Selbst nach einem guten Rennen fange ich spätestens nach ein paar Tagen an zu überlegen, was da noch besser hätte laufen können. Ähnlich wie der Surfer, der ewig auf der Suche nach der perfekten Welle ist.
Auf dem Level bewegst du dich (noch) nicht? Dir kommt es einfach darauf an, dem Wind ein Schnippchen zu schlagen und – ob nun im Wettkampf oder im Training – schnell unterwegs zu sein? Du möchtest als Triathlet nach dem Radsplit einfach noch fit genug für einen richtig guten Lauf sein? Oder einfach nicht so grausam einbrechen wie beim letzten Ironman, als du nach 180 Kilometern im Sattel beim anschließenden Marathon eingegangen bist? Dann bist du hier richtig: Du wirst dich in diesem Buch wiederfinden und jede Menge Nutzen daraus ziehen können, indem du die für dich relevanten Tipps und Kniffe umsetzt. Egal, auf welchem Niveau und in welcher Disziplin – du als Leser kannst deine Lernkurve mit den folgenden Kapiteln nämlich massiv abkürzen, indem du meine Fehler der letzten 20 Jahre gar nicht erst machst. Das gilt neben solchen »Hard Facts« wie allem rund um das Thema Material auch für die Bereiche Training und Regeneration, die richtige Ernährung sowie die klassischen Fails, die aus Nervosität beim Wettkampf gern gemacht werden, selbst von den Besten der Welt.
Für dich gut zu wissen: Wie bei jedem Berufstätigen gibt es bei mir noch eine Menge anderer Dinge, denen ich mich neben meinem Hobby rund ums Rad widmen darf, kann und muss. Deshalb ist mein Zeitbudget hierfür auch beschränkt auf ein paar kostbare Stunden in der Woche. Als Konsequenz bin ich immer auf die größtmögliche Effektivität im Training aus, inhaltslose Trainingseinheiten, sogenannte Junk Miles, absolviere ich schon seit Jahren nicht mehr. Dass man auch mit zeitlich begrenztem Budget massive Verbesserungen erreichen kann und nicht immer 100 Kilometer auf dem Tacho stehen müssen, das musste ich erst mal lernen. Wie wenig da reicht, zumindest in zeitlicher Hinsicht, das zeige ich dir im Kapitel »Training«. Schon mal vorab: Das findet bei mir nicht nur auf dem Rad statt.
Ich habe dieses Buch bewusst so geschrieben, dass die Kapitel aufeinander aufbauen, aber du kannst es nach dem ersten Lesen häufiger wieder zur Hand nehmen und einzelne Themenbereiche vertiefen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man sich nach der Lektüre von Ratgebern auf ein paar bequeme oder gerade angesagte Themen fokussiert und andere erst mal wieder in den Hintergrund treten. Sich diesen dann aber nach ein paar Monaten noch mal zu widmen macht die Sache meist erst rund. Eins noch vorab: Ist das erste Grund-Setup gefunden, wird es mit dem Schnellerwerden auf die Schnelle nichts mehr, Geduld und im wahrsten Sinne des Wortes Erfahrung gehören hier dann dazu.
Mit der Brechstange wird das erst recht nichts, vor allem wenn es um die körperliche Komponente beim Training und speziell Aerodynamik und Sitzposition geht. Du hast ein bisschen Zeit mitgebracht? Prima, dann lass uns mal loslegen.
Der Baranski
im Sommer 2021