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Kapitel 4

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Familienkuscheln

Jede Party ist glücklicherweise irgendwann auch mal wieder vorbei.

Es dämmert längst, als sich die letzten Gäste mehr oder weniger torkelnd von unserem Grundstück schleichen. Manche sind selbst dazu viel zu groggy und suchen sich einen mehr oder minder gemütlichen Schlafplatz unter unserem Apfelbaum oder auf den Biergarnituren.

Wir beobachten das langsame Versiegen der allgemeinen Partystimmung von unserer sanft wippenden Hollywoodschaukel aus und ich bin nur froh, dass Henrik sich dazu erbarmt, die Musikanlage auszuschalten und einige Bierflaschen in die Kästen zu räumen.

Ich bin so müde, ich will nur noch in mein Bett. Und mir ein paar Elfen, Feen und Mainzelmännchen herbeizaubern, die sich mit strukturiertem Ordnungswahn über das Chaos in unserem Garten hermachen und mir beim Aufwachen ein blitzblank aufgeräumtes Zuhause präsentieren.

Oder die mir zumindest die Telefonnummer einer hoch belastbaren Reinigungsfrau einflüstern, die ich am kommenden Tag mit dieser Aufgabe betrauen kann, ohne mich später für deren „Burnout-Syndrom“ verantwortlich fühlen zu müssen. Auf dem Weg ins Haus kommt mir Johnny entgegen.

Ein bisschen wankend, ein wenig zerzaust und nicht mehr ganz so glücklich strahlend wie zu Beginn seiner Feier.

„Na, junger Mann, so also fühlt es sich an, gerade die Verantwortung für den hoffentlich noch sehr langen Rest Deines erwachsenen Lebens aufgebürdet zu bekommen“, flüstere ich ihm zu.

Johnny hängt sich bei mir ein. Gemeinsam gehen wir ins Haus. Ich gehe ins Bad, Johnny folgt mir.

„Hey, Großer, was ist los? Ich muss Dir wohl nicht mehr die Zähne putzen, oder?“

Mein Sohn hockt sich auf den Klodeckel und seufzt herzzerreißend.

„Mama, ich fühle mich total verarscht.

Ich dachte immer, es muss was Tolles passieren, wenn man plötzlich 18 wird. So was Spektakuläres wie – wie – wie zum Beispiel tausend Sternschnuppen am Nachthimmel oder eine spirituelle Erscheinung oder ein Plopp im Kopf, mit dem sich tausend Türen zu tausend neuen Erkenntnissen öffnen.

Aber neee.

Nichts davon ist passiert.

Die Leute haben sich die Hucke voll gesoffen, ich habe morgen einen schrecklichen Kater und Juliana hat sich komplett gedrückt.

Ne Sprachnachricht hat sie geschickt.

Küsschen und Glückwunsch und ‚Wir sehen uns dann‘.

Ich hab‘ mir da von der blöden Kuh echt mehr erwartet.“

Jetzt tut mir mein Sohn plötzlich leid.

Ein moralischer Zusammenbruch sollte doch wohl nicht das Ende dieser Party sein. Ich meine, wir haben hier ein ganzes Wochenende lang so viel Radau gemacht, dass wir die Nerven der Nachbarn überstrapazierten und wir haben hier mehr Entertainment auf die Beine gestellt als die jährliche Dorfkirmes auf dem Marktplatz. Das muss doch für irgendwas gut gewesen sein.

„Tja, eine der tausend erwarteten Erkenntnisse, auf die Du heute nacht gewartet hast, ist vielleicht diejenige, dass es oft die kleinen Hoffnungen sind, die eine große Bedeutung haben“, sinniere ich so in meiner weinseligen Müdigkeit. „Ich meine, dass Dir Juliana heute abend wichtiger gewesen wäre als die vielen Schul- und Vereinsfreunde, die mit Dir Spaß hatten.“

Ich nehme John in den Arm, und ausnahmsweise lässt mein großer Junge das sogar mal zu, ohne sich wie ein Aal zu winden.

„Du solltest Dir anhören, welche Entschuldigung Juliana hat. Und wenn es wirklich eine dumme und zickige Ausrede ist, dann frage Dich, ob der erwachsene große John weiterhin in die gleiche Göre verschossen sein muss wie der unreife kleine Johnny.“

Johnny blinzelt mich mit feuchten Augen an und drückt mir einen Kuss auf die Stirn.

„Mama, wenn Du was getrunken hast, ist ein Sigmund Freud an Dir verlorengegangen.“ Johnny schleicht sich aus dem Badezimmer davon, damit ich die Gelegenheit bekomme, das inzwischen reichlich zerflossene Makeup aus meinem Gesicht zu wischen und den sauren Weingeschmack mit Zahnpasta wegzuschrubben.

Als ich wenige Minuten später auch ins Schlafzimmer komme, liegt Johnny mit ausgestreckten langen Beinen und mit geschlossenen Augen in der Mitte des großen Ehebettes. Henrik sitzt neben ihm und wuschelt durch seine blonden Haare.

„Mama, komm! Familienkuscheln!“ nuschelt Johnny.

Ich breche in Tränen aus.

Das hat meine Milchnase zum letzten Mal gesagt, als sie noch auf der Grundschule war.

Johnny fängt an zu schnarchen, Henrik und ich nehmen uns über unseren schlafenden Sohn hinweg in den Arm.

„Früher hat er nach Milch oder Kakao oder Gummibärchen gerochen. Jetzt hat er eine mörderische Fahne“, kichert Henrik.

„Früher war er traurig, weil sein Fußball kaputtgegangen ist, heute wegen seiner kaputten Beziehung“, füge ich hinzu.

Ich kann nicht einschlafen.

Der Film ist noch nicht zu Ende.

Ein Film, der bisher 18 Jahre lang ohne Werbepausen lief und dessen Szenen mich schon den ganzen Abend lang begleiten.

Und es gibt noch so viele heftige und bunte Ereignisse, die sich jetzt mit fast schon schmerzhafter Gewalt aus den teils verstaubten und teils fast vergessenen ordentlichen und unordentlichen Schubladen meines Gehirns herauszwängen und danach schreien, sich von mir noch einmal ganz genau betasten, bestaunen und berühren zu lassen.

Kein Gedanke an Schlaf. Johnnys Kindheits-Karussell dreht sich und dreht sich und dreht sich…


J o h n n y

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