Читать книгу Verdammter Sex - Margaret A. Farley - Страница 33

Seit langer Zeit wissen wir, dass die Bedeutung der Vergangenheit in irgendeiner Weise in der Gegenwart steckt und die Bedeutung der Gegenwart zumindest teilweise in der Zukunft. Ganz unabhängig davon, ob es irgendwelche großen Narrative gibt oder geben sollte oder ob es möglich ist, Geschichte objektiv zu erzählen: Dieser kurze historische Abriss der Sexualmoral wird sich für alles Folgende als nützlich erweisen. Was ich in diesem Kapitel nachgezeichnet habe, ist unvollständig, Gegenstand der Interpretation und der Revision bedürftig. Eine eklatante Auslassung (MacKinnon kritisierte sie bereits bei Foucault) betrifft die Gewalt gegen Frauen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass dieses Thema nicht viel Aufmerksamkeit erfahren hat, obwohl die vorherrschende Ungleichheit der Geschlechter in jeder Tradition und Epoche evident ist.

Dieses Kapitel bietet also nur die sprichwörtliche »Spitze des Eisbergs«. Und doch liefert es sowohl Material als auch einen historischen Rahmen – beides wird meinem Versuch, eine moderne Sexualethik zu erarbeiten, zugutekommen. Die Fragen, vor denen wir heute stehen, sind nicht vollkommen neu (obwohl sie auch nicht einfach alt sind), und sie sind gewiss mindestens genauso komplex, wie sie es in der Vergangenheit waren. Es sind immer noch jene »großen Fragen«, welche die Antike fasziniert, Gläubige in den verschiedenen religiösen Traditionen bekümmert und moderne Spezialisten beschäftigt haben. Gründe zur Vorsicht gibt es genug – wie nicht zuletzt der Blick in die Geschichte deutlich gemacht haben sollte. Aber historische Perspektiven befreien und bereichern uns auch, denn sie halten das Gespräch über die Jahrhunderte offen.