Читать книгу Psychische Störungen bei Säuglingen und Kleinkindern - Margarete Bolten - Страница 44
2.4 Verlauf und Folgen von Schlafstörungen im Säuglings- und Kleinkindalter
ОглавлениеIn einer Studie von Goodlin-Jones et al. (2009) hatten 29 % der untersuchten Kinder vorübergehende (bei einem oder zwei Terminen) und nur 2 % persistierende, schwere Einschlafstörungen (bei drei oder mehr Terminen). Ähnlich verhielt es sich in Bezug auf die Durchschlafstörungen. Während 33 % aller Kinder intermittierende Durchschlafstörungen aufwiesen, waren die Probleme nur bei 3 % der Kinder persistierend. Aus diesen Ergebnissen kann gefolgert werden, dass bei einem erheblichen Anteil der Säuglinge und Kleinkinder die Symptomatik fluktuierend und nur von kürzerer Dauer ist, während bei einer kleinen Subgruppe die Störung persistierend verläuft. Cook et al. (2020) fanden jedoch deutlich höhere Prävalenzzahlen für persistierende Schlafstörungen im ersten Lebensjahr. Bei 19,4 % der untersuchten Kinder waren die Schlafstörungen sehr stark ausgeprägt und persistierten über das gesamte erste Lebensjahr hinweg. Solche schweren persistierenden Schlafstörungen waren sowohl mit präpartalen als auch mit postpartalen mütterlichen Depressionen, Ängsten und mit häuslicher Gewalt assoziiert.
Zu beachten ist aber auch, dass Schlafstörungen einen Risikofaktor für weitere psychische Auffälligkeiten sind – sowohl internalisierender wie externalisierender Art (Reid, Hong, & Wade, 2009). Die Autorinnen erforschten an einer kanadischen Stichprobe von 2–3-Jährigen, welche longitudinal bis zum Alter von 6 Jahren untersucht wurden, den Zusammenhang zwischen Schlafproblemen und Verhaltensauffälligkeiten. Kleinkinder, welche mit 2 bis 3 Jahren Ein- und Durchschlafprobleme hatten, wiesen auch häufiger internalisierende und externalisierende Verhaltensprobleme im Verlauf des Vorschulalters auf. In einer prospektiven Längsschnittstudie fanden Sadeh et al. (2015), dass eine geringe Schlafqualität mit 12 Monaten dabei deutlich mit einer beeinträchtigten Aufmerksamkeitssteuerung und Verhaltensproblemen im Alter von 3–4 Jahren assoziiert war. Auch in einer Studie von El-Sheikh et al. (2007) waren Schlafstörungen mit emotionalen und Verhaltensproblemen (internalisierenden als auch externalisierenden Störungen) assoziiert, jedoch waren diese Zusammenhänge für die internalisierenden Störungen stärker ausgeprägt. Dabei waren Schlafqualität und -dauer sowohl in Bezug auf die Einschätzungen der Eltern als auch der Lehrerinnen hinsichtlich kindlicher Verhaltensauffälligkeiten, aber auch kognitiver Leistungsfähigkeit prädiktiv.
Bei Schulkindern zeigten sich infolge von experimentell induzierten Schlafdefiziten deutlich erhöhte Konzentrationsprobleme und eine Reduktion der kognitiven Leistungsfähigkeit (Fallone, Acebo, Seifer, & Carskadon, 2005; Sadeh, Gruber, & Raviv, 2003). In einer Studie von Cao et al. (2018) wiesen 3–6-jährige Kinder mit Schlafstörungen ein deutlich höheres Risiko für ADHS Symptome ( Kap. 3, Komorbiditäten). Eine verzögerte Bettgehzeit (OR = 2.50), verlängerte Einschlaflatenzen (OR = 1.76), kein Mittagsschlaf (OR = 1.57) und Schlafstörungen gesamt (OR = 4.57) waren deutlich mit der Wahrscheinlichkeit assoziiert, dass ein Kind ADHS Symptome aufwies. Andersherum reduzierte eine längere Gesamtschlafdauer nachts (> 8.5 h) das Risiko für ADHS Symptome (OR = 0.76).
Neben den langfristigen Auswirkungen, welche Schlafstörungen auf das Verhalten eines Kindes haben können, muss auch beachtet werden, dass schwerwiegende Schlafstörungen im Säuglings- und Kleinkindalter oftmals mit einer erheblichen Belastung der Eltern einhergehen (Honaker & Meltzer, 2016). Insbesondere wenn schwere Schlafstörungen nicht behandelt werden, zeigen sie eine Tendenz zur Chronifizierung und Persistenz ins spätere Kindesalter. Auch Hemmi, Wolke und Schneider (2011) wiesen in ihrer Metanalyse darauf hin, dass Regulationsstörungen, bei denen Kinder mindestens in zwei regulativen Bereichen (z. B. Schlaf und Schreien) als Säuglinge auffällig waren, das Risiko für spätere internalisierende und externalisierende Störungen erhöhten.
Ausgeprägte Schlafstörungen im Säuglings- und Kleinkindalter können also negative Folgen für die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit, aber auch für soziale Kompetenzen und andere Funktionsbereiche haben. Entsprechend sollten Schlafstörungen im Säuglings- und Kleinkindalter frühzeitig diagnostiziert und behandelt werden, um das Persistieren solcher Verhaltensprobleme zu verhindern und weitere Folgeerkrankungen zu vermeiden.