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2.5 Epidemiologie der Fütter- und Essstörungen

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Eltern oder andere Bezugspersonen berichten ihrem Kinderarzt häufig von Ernährungs- bzw. Fütterungsschwierigkeiten, obwohl in den meisten Fällen keine körperliche Beeinträchtigung oder Auffälligkeiten gefunden werden. So untersuchten beispielsweise Esparo et al. (2004) eine spanische Population (N =851) 3–6-jähriger Kinder mittel des Early Childhood Inventory-Parents Checklist und fanden bei 5 % ein medizinisch nicht relevantes Fütter-/Ernährungsproblem. Milano, Chatoor und Kerzner (2019) gehen sogar davon aus, dass zwischen 25 und 50 % aller normal entwickelten Kinder zumindest vorübergehende Ernährungsschwierigkeiten aufweisen. Die meisten Ernährungsprobleme der frühen Kindheit lösen sich von selbst auf oder benötigen nur eine minimale Intervention (z. B. in Form einer Ernährungsberatung). Manche Probleme sind Folge einer Fehlinterpretation kindlichen Verhaltens (z. B. von Hungersignalen) bzw. Folge allgemeiner Erziehungsprobleme. Einen Überblick über häufige Fütter- und Essprobleme bei 2,5 Jahre alten Kleinkindern gibt die Arbeit von Wright und Kollegen (2007). In dieser Untersuchung berichteten 20 % der befragten Eltern von Essproblemen. Von den untersuchten Kindern aßen 49 % sehr selektiv, 39 % bevorzugten Getränke gegenüber fester Nahrung, 18 % hatten sehr wenig Interesse am Essen, 18 % wehrten das Gefüttertwerden ab und 4 % verweigerten jegliche feste Nahrung. Sehr ähnliche Zahlen für häufige Ernährungsschwierigkeiten im Kleinkindalter fanden auch Reau et al. (1996). Folgende Schwierigkeiten bei der Ernährung ihres Kleinkindes berichteten die befragten Eltern: »Bei den Mahlzeiten nicht immer hungrig« (52 %), »Möchte Mahlzeit nach wenigen Bissen beenden« (42 %), »Picky Eating« (35 %) und »Sehr starke Vorlieben für bestimmte Nahrungsmittel« (33 %).

Brown et al (2016) untersuchten in ihrem systematischen Review die Prävalenzen für selektives Essverhalten (»Picky Eating«). Dabei fanden sie, begründet durch unterschiedliche Definitionen, eine große Varianz in den Prävalenzraten. Diese lagen zwischen 5.8 % und 59 %. Die »Food Neophobie«, also die Weigerung unbekannte bzw. neue Nahrung zu essen, wurde am häufigsten berichtet. Hier lagen die Prävalenzraten bei 40 % and 60 %. Auch Mascola, Bryson und Agras (2010) fanden in ihrer prospektiven Längsschnittstudie hohe Prävalenz- und Inzidenzraten für das »Picky Eating«. Je nach Alter des Kindes lagen die Prävelenzen zwischen 13 % und 22 %. Die Inzidenzraten nahmen mit höherem Alter ab.

Diese häufigen, vorübergehenden, aber durchaus belastenden Probleme müssen von schweren klinisch manifesten Ess- und Fütterstörungen, die bis zu 10 % aller Kinder betreffen, abgegrenzt werden. So gibt beispielsweise Skovgaard (2010) die Gesamtprävalenz von schweren Fütterstörungen mit 1–3 % der dänischen Kinder im Säuglings- und Vorschulalter an. De la Osa, Barraza und Ezpeleta (2015) fanden zudem eine deutliche Altersabhängigkeit dahingehend, dass die Prävalenzzahlen für Fütterstörungen nach DSM-IV im Verlauf des Vorschulalters sanken. Die Versorgungsprävalenz, d. h. die Rate von Kindern, die in Kliniken vorgestellt wurden, variiert stark nach lokalen Zuweisungs- und Selektionseffekten. In einer Zusammenfassung von 1 083 Kindern an sechs internationalen Zentren hatten 4 % der untersuchten Kinder eine Fütterstörung nach dem Internationalen Klassifikationssystem für das Vorschulalter (Diagnostic Classification of Mental Health and Developmental Disorders of Infancy and Early Childhood, DC:0-3) – mit einem Range von 0–12 % in den individuellen Zentren (Emde & Wise, 2003). Equit et al. (2011) untersuchten 299 Kinder im Alter von 0-5;11 Jahren (mittleres Alter 3;9 Jahre), welche in einer kinderpsychiatrischen Klinik vorgestellt wurden. Von diesen Patienten erhielten 10,4 % die Diagnose einer Fütterstörung nach DC:0-3R und 9,7 % nach ICD-10. Die gleiche Arbeitsgruppe untersuchte 1 019 Vorschulkinder im Zusammenhang mit der Schuleingangsuntersuchung. Dabei gab die Hälfte (53 %) der befragten Eltern an, dass ihre Kinder ein sehr selektives Essverhalten an den Tag legten, etwa ein Viertel (26 %) verweigerte neue Lebensmittel.

Zur Prävalenz der Störung mit Vermeidung oder Einschränkung der Nahrungsaufnahme (ARFID) nach DSM-5 gibt es nur wenig Forschung. In nicht-klinischen Studien wurden zwischen 13 % und 22 % der 2–13jährigen mit selektivem Essverhalten, einem Subtypus der ARFID, identifiziert (Mascola et al., 2010). Eine weitere Studie identifizierte mit validierten Fragebögen bei 7.3 % der untersuchten 5–7jährigen Kinder ein sehr selektives Essverhalten und bei 1.7 % sehr langsames Essverhalten mit schlechtem Appetit (Micali et al., 2011). Zu ähnlichen Zahlen kommen auch Eddy et al. (2015). Auf der Basis von insgesamt 2 231 medizinischer Akten erfüllten 1 % der 8 bis 18-jährigen Kindern und Jugendlichen die DSM-5 Diagnose ARFID.

Rommel et al. (2003) fanden bei 86 % der untersuchten Kinder mit Fütterstörungen (N =700) mindestens eine begleitende pädiatrische Grunderkrankung, welche zumindest teilweise zur Entstehung und Aufrechterhaltung der Fütterstörung beitragen könnte. Zum Beispiel haben Kinder mit Lebensmittelallergien oder Erkrankungen des Oesophagus bzw. des gastrointestinalen Traktes ein besonderes Risiko für die Entwicklung einer Fütter- bzw. frühkindlichen Essstörung (Haas, 2010). So zeigten die Mehrzahl (93,9 %) der untersuchten Kinder mit einer eosinophilen gastrointestinalen Krankheit (EGID) zumindest zeitweise beeinträchtigende Verhaltensweisen wie z. B. Aufstoßen und Erbrechen oder Überempfindlichkeiten gegenüber bestimmten Nahrungsmitteln. Fütterstörungen im eigentlichen Sinne hatten 16,5% der Kinder mit EGID. Bei 21% traten außerdem Gedeihstörungen auf und 69,7% der Kinder benötigten professionelle Unterstützung in Form einer Esstherapie (Mukkada et al., 2010).

Psychische Störungen bei Säuglingen und Kleinkindern

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