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VORWORT

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Die Corona-Krise hat viele Probleme verschärft, in meinem Leben und im Leben der meisten Frauen. „Jetzt hast du Zeit, dich um deine Kinder zu kümmern“, sagte mein Chef zu Beginn des ersten Lockdowns 2020 und schickte mich in Kurzarbeit. Nachdem ich seit Jahren ohnehin, typisch Frau, in Teilzeit bin, wollte ich gerne weiterhin zweimal pro Woche arbeiten gehen. Sollte ich aber nicht. Der Satz meines Vorgesetzten, der mit Sicherheit gut gemeint war – denn wir alle wissen, dass die Betreuung eines drei- und eines sechsjährigen Kindes zeitintensiv ist –, setzte Enttäuschung und Wut frei, die sich in den vergangenen Jahren in mir aufgestaut hatten.

Als ich vor sechs Jahren zum ersten Mal Mutter wurde, musste ich schmerzhaft feststellen, dass die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen noch längst nicht erreicht ist. Während ich Sätze wie „Was, du arbeitest schon wieder?“ oder „Wow, du hast aber einen tollen Mann“ hörte, weil ich ein paar Wochen nach der Geburt eine Veranstaltung moderierte, wurde mein Partner weiterhin als das gesehen, was er war: als berufstätiger Mann, der ganz gut verdiente und gerne arbeitete. Ach ja, und vor Kurzem hatte er auch noch ein Kind bekommen. Gratulation! Ich hingegen wurde auf meine Mutterrolle reduziert. Von der Gesellschaft und von mir selbst. Tief verankerte Rollenbilder und Geschlechterstereotype sprangen mich aus dem Hinterhalt an und brachten mich ins Wanken. Dass ich mein halbes Leben darauf hingearbeitet hatte, eine erfolgreiche Journalistin und Moderatorin zu werden, zählte offenbar nicht mehr. Wichtig war, dass ich stillte, mein Baby zum Durchschlafen bringen konnte und die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen zeitgerecht absolvierte. Von alldem hing neuerdings mein Wert ab. Dass mich das überforderte, ist klar. Denn während ich für meinen Beruf ein Studium abgeschlossen und mehrere Kurse und Auslandspraktika absolviert hatte, fand ich mich jetzt plötzlich in einem Job wieder, für den ich überhaupt nicht ausgebildet war. Nicht einmal einen Crashkurs konnte ich vorweisen.

O.K. So geht es wahrscheinlich den meisten Frauen. Denn in so etwas wie die Mutterrolle wächst man schließlich hinein. Wie es genau funktioniert, sagt einem der weibliche Instinkt, und ein bisschen Überforderung gehört halt dazu. Was war und ist also mein Problem? Das werden sich einige jetzt vielleicht fragen. Und tatsächlich habe ich mir diese Frage auch oft gestellt und die Antworten erstmal bei mir selbst gesucht. Was, verdammt nochmal, war los mit mir? Warum erfüllte mich das Muttersein nicht? Warum war ich unzufrieden und wollte mehr vom Leben? Dass mein Problem kein individuelles, sondern ein gesamtgesellschaftliches war, wurde mir erst in vollem Ausmaß bewusst, als ich im Frühling 2020 zu einer Klischeehausfrau im Stil der 1950er-Jahre mutierte, während mein Mann zu Hause im Arbeitszimmer saß und weiterhin seinem Beruf nachging. Im Gegensatz zu mir wurde er nicht gefragt, ob er aufgrund fehlender Kinderbetreuung im Lockdown vielleicht weniger arbeiten möchte. Denn im dritten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts sind Kinder nach wie vor Frauensache. Es sind die Frauen, die vorrangig zu Hause geblieben sind – freiwillig oder gezwungenermaßen, weil sie aufgrund von Teilzeitarbeit ohnehin weniger verdienen und generell in schlechter bezahlten Jobs zu finden sind. Die Corona-Krise hat zu einem Backlash geführt und deutlich gemacht, wo es in Sachen Gleichberechtigung immer noch hakt. Sie hat gezeigt, warum es nach wie vor wichtig ist, lautstark für Feminismus einzutreten und echte Chancengleichheit zu fordern. Warum wir den Frauenbewegungen der vergangenen Jahrzehnte dankbar sein müssen, uns aber keineswegs auf deren Errungenschaften ausruhen dürfen. Warum Frauen immer noch genug Gründe haben, unangenehm und wütend zu sein.

Auch ich bin oft wütend, was auf den folgenden Seiten immer wieder deutlich wird. Aber mein Ärger ist nicht die Hauptmotivation für dieses Buch, das übrigens auf dem gleichnamigen Podcast basiert, den ich im Zuge meiner Kurzarbeit gestartet habe. Meine Wut ist vielmehr der Stein, der alles ins Rollen gebracht hat. Der dazu geführt hat, einen Dialog mit Männern zu suchen. Denn Männer sind Teil des Problems und genauso Teil der Lösung. Gleichberechtigung kann – und davon bin ich überzeugt wie von wenig anderem – nur gelingen, wenn die Mehrheit mitmacht. Es ist ein bisschen wie bei der Corona-Pandemie und dem Impfen: Durch eine möglichst schnelle und hohe Durchimpfungsrate wird das Problem zwar nicht vollständig behoben, die Situation jedoch entspannt. Ein Dialog kann also ein Anfang sein. Gespräche können uns weiterbringen.

Aber warum „Frauenfragen“, und was sind diese überhaupt? Nun, als Journalistin gehört es zu meinen Hauptaufgaben, Fragen zu stellen, und dabei ist mir ziemlich rasch klar geworden, dass Männer anders gefragt werden als Frauen. Start-up-Gründer werden zu ihren Visionen befragt, Schauspieler dazu, wie sie ihre Rolle angelegt haben, und Politiker, welche Pläne sie haben, um die Arbeitslosigkeit einzudämmen. Fragen zu ihrer Kleidung und ihrem Aussehen sowie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bekommen Männer eher selten gestellt. Und wenn, dann nur explizit im dazu passenden Kontext. Bei Frauen sind ihr Äußeres und familiäre Verpflichtungen automatisch Thema. Selbst vor indiskreten Fragen nach ihrer Intimbekleidung und dem Zeugungstag ihres Kindes bleiben sie nicht verschont. Beispiele dafür gibt es zahlreiche. Einige davon werde ich in diesem Buch anführen. Außerdem erzählen 33 bekannte österreichische Frauen aus den unterschiedlichsten Branchen und Generationen von ihren Erfahrungen mit „Frauenfragen“.

Natürlich könnten Politikerinnen, Schauspielerinnen und Unternehmerinnen sexistische Interviewfragen einfach ignorieren. Doch gerade für diejenigen, die erst am Anfang ihrer Karriere stehen, ist das nicht immer so einfach. Immerhin ist die mediale Berichterstattung Teil ihres Erfolges. Manchen werden diese geschlechtsspezifischen Unterschiede womöglich erst nach und nach bewusst. Andere wiederum denken, es sei „part of the game“. Aber nur weil etwas immer schon so war, heißt es nicht, dass es auch immer so bleiben muss. Als Journalistin sehe ich es als meine Verantwortung, zu positiven Veränderungen in der Welt beizutragen. Zu informieren, aufzuklären, zum Nachdenken anzuregen. Es zumindest zu versuchen. Dabei kann es helfen, neue Blickwinkel einzunehmen und sich in andere Lebensrealitäten hineinzufühlen. Und genau das mache ich mit meiner „Frauenfragen“-Gesprächsreihe, die ich zwischen Sommer 2020 und Frühling 2021 im Rahmen meines Podcasts geführt habe. Also, eigentlich nehme nicht (nur) ich eine andere Perspektive ein, sondern es tun dies vor allem die von mir befragten österreichischen Promi-Männer. Deren in den folgenden Texten angegebenes Alter ist übrigens jenes, das sie zum Zeitpunkt des Interviews hatten.

Elf dieser oftmals sehr persönlichen und unterhaltsamen Gespräche sind in diesem Buch zusammengefasst. Ich habe Männer aus den unterschiedlichsten Branchen und Generationen getroffen, die in der Gesellschaft kulturellen, politischen und finanziellen Einfluss haben. Die meisten haben Kinder, leben in einer Beziehung und alle sind in ihrem Beruf äußerst erfolgreich. Ich habe ihnen die Fragen gestellt, die normalerweise Frauen in Interviews zu hören bekommen. Es sind banale Fragen zu ihrer Kleidung, ihrem Aussehen und der Angst vor dem Alter. Und es sind gesellschaftspolitisch äußerst relevante Fragen zur Vereinbarkeit von Familie und Karriere, zu moderner Vaterschaft und Frauenquoten. Denn obwohl klassische „Frauenfragen“ immer wieder (zu Recht!) kritisiert werden, sind sie im Grunde Gesellschaftsfragen. Sie betreffen uns alle, nur werden sie Männern eben nicht gestellt. Doch es ist längst überfällig, dass auch sie darüber nachdenken, warum etwa Väter, die sich um ihre Babys kümmern, mancherorts als Weicheier gelten, und wie es sein kann, dass Frauen für gleiche Arbeit teilweise weniger bezahlt bekommen. Oder warum ein Tag vollgefüllt mit Meetings mehr wert ist als einer, den man mit der Betreuung der Kinder oder der Pflege von Angehörigen verbringt. Denn je mehr Männer über diese Themen in der Öffentlichkeit sprechen, desto mehr werden diese Themen auch mit ihnen verknüpft, und desto normaler wird es, dass auch Männer Väter mit Familienpflichten sein können. Und das könnte doch insgesamt einen positiven Effekt haben.

Weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass viele Männer sich mit Feminismus immer noch schwertun, habe ich für meine Gespräche einen spielerischen Ansatz gewählt. Auch um dem Ganzen die Schwere zu nehmen und beim Diskutieren und gemeinsamen Denken ein bisschen Spaß zu haben. Es gehört sowieso viel mehr gelacht! Und um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, habe ich die Klischees auch gleich ausgereizt und die Männer in ein frauentypisches Setting eingeladen – mit Teelicht, Prosecco und „Frauenpower“-Tee. Für das Gespräch auf Augenhöhe gab es das amikale „Du“ und für den typisch männlichen Spieltrieb drei Joker: den Nein-Joker, mit dem eine Frage komplett verweigert werden konnte, den Richtungswechsel-Joker, mit dem ich die unliebsame Frage beantworten musste, und den klassischen Telefon-Joker. Kleiner Spoiler vorweg: Die Hilfsmittel wurden kaum eingesetzt. Wer alle Fragen ohne Einsatz eines Jokers beantworten konnte, bekam zum Schluss einen Preis – zum Beispiel Schokolade, ein Entspannungsbad oder eine Handcreme. Applaus, wie ihn zu Beginn der Corona-Pandemie die Pflegekräfte und andere in systemrelevanten Berufen Tätige – also vorrangig Frauen – bekommen haben, stand ebenfalls zur Auswahl.

Herausgekommen sind sehr offene Gespräche, die die persönlichen Ansichten und individuellen Lebensrealitäten meiner Interviewpartner widerspiegeln. Und die verdeutlichen, in welch unterschiedlichen Welten Männer und Frauen heute immer noch leben. Nichts davon hat Anspruch auf Allgemeingültigkeit, liefert aber eine gute Grundlage für weitere Gespräche und Gedanken zum Thema. Nachdem ich die Befürchtung habe, dass der Feminismus auch in 100 Jahren noch Relevanz haben wird, kann es nicht schaden, sich möglichst viele Perspektiven anzuschauen, möglichst vorurteilsfrei zuzuhören, sich anzunähern und offen zu bleiben. Das habe ich mit „Frauenfragen“ versucht. Denn, wer weiß schon so genau, wo der Weg zur Lösung liegt? Vielleicht genau dort, wo man ihn nie vermutet hätte.

Frauenfragen – Männer antworten

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