Читать книгу Frauenfragen – Männer antworten - Mari Lang - Страница 9
ARMIN ASSINGER
ОглавлениеIch bin nervös. Nicht weil ich gleich mit einem der beliebtesten Showmaster des Landes über klassische Frauenthemen sprechen werde, sondern weil ich ein Mischpult, zwei Mikrofone und einen Haufen Kabel vor mir liegen habe, die ich richtig zusammenstecken muss. Aus diesem Wirrwarr soll ein Aufnahmegerät werden, das meine und Armin Assingers Worte in den Computer hineinspielt. Ich habe mehr als zehn Jahre beim Radio gearbeitet, das heißt, ich bin es gewohnt, Interviews aufzunehmen. Doch damals saß immer ein Techniker ein paar Türen weiter und kam herbeigeeilt, wenn es in meinem Kopfhörer plötzlich zu rauschen begann. Das habe ich nun davon, dass ich mich nie so richtig für Technik interessiert habe, denke ich, während ich laut fluchend an den Reglern des Mischpults drehe. Irgendwann schaffe ich es, dass alles so angeschlossen ist, wie es gehört, und wir können loslegen.
„‚Frauenfragen‘ heißt das?“, fragt Armin Assinger, nachdem ich die Begrüßungsworte gesprochen habe. „O.K., das wird interessant.“ Man sagt immer, Frauen würden, wenn sie für Interviews oder als Expertinnen für Podiumsdiskussionen angefragt werden, zuerst einmal zögern. „Ich weiß nicht, ob ich die Richtige für das Thema bin“ und „Vielleicht gibt es ja noch jemanden, der besser geeignet ist“, sind gängige Antworten.
Männer hingegen sagen meist zu und fragen erst dann, worum es eigentlich geht. Genau wie Millionenshow-Moderator Armin Assinger, dem ich das Konzept meiner Gesprächsreihe im Vorfeld am Telefon erklärt habe. Gut, vielleicht hat er es auch einfach vergessen, vermute ich, während er mir einen Prosecco einschenkt. Meinen Hinweis, dass ich hier ja arbeiten muss, wischt er mit den Worten „Geh her. Is jo wurscht“ in seinem unverwechselbaren Kärntner Dialekt einfach weg. Und so nippe ich bereits am Vormittag an einem Glas Prosecco und fühle mich dabei wie früher, als mir ältere Typen in Bars Getränke spendiert haben, die ich gar nicht wollte. Ich lächle irritiert und bin froh, dass ich zumindest beim „Frauenfragen“-Gespräch den Fahrplan in der Hand habe und das Setting vorgeben kann.
Der ehemalige Skirennläufer und ich sitzen in einem schmucklosen Besprechungsraum einer IT-Firma im Zentrum von Wien, in der ich die meisten meiner Interviews aufzeichne. Sie gehört einem guten Freund, und ich habe mich auf Anhieb in dieses Büro verliebt. Klare Linien, keine Schnörkel. An der Wand hängt ein Whiteboard, auf dem Diagramme und eine Menge Pfeile aufgemalt sind. Auf dem Regal links neben der Glastür stehen ein paar verkümmerte Kakteen und daneben liegt eine Kiste mit Überresten von Weihnachtsschmuck. Es ist Sommer. Keine Bilder an der Wand, keine liebevoll drapierten Deko-Objekte, nichts, was auch nur im Entferntesten an eine typisch weibliche Wohlfühlatmosphäre erinnern könnte. Im Aufenthaltsraum gibt es außerdem einen riesigen Billardtisch. Genau diese testosterongetränkte Umgebung schmücke ich nun mit meinen „Frauenfragen“. Und der Kontrast könnte kaum größer sein. Auf dem Tisch stehen typische Frauengetränke auf kleinen gehäkelten Deckchen. Eine Kerze in der Mitte verströmt Vanilleduft.
Ich erkläre die Spielregeln, rolle meinen „roten Teppich“ aus und frage Armin Assinger nach seiner Kleidung, seiner Körperpflege und ob er Angst davor hat, demnächst von einem jüngeren Kollegen ersetzt zu werden. Ich wähle bewusst plakative Fragen, die die Lebensrealität von Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, widerspiegeln sollen. Ohne irritiert zu sein, spricht der 56-Jährige ausführlich über die banalsten Themen und freut sich, dass ich ihn als fit und gutaussehend bezeichne. „Normalerweise geht es nur um den Beruf – wie geht es mit der Millionenshow weiter, oder wo sehen Sie sich in zehn Jahren. Deine Fragen sind eine angenehme Abwechslung“, meint er gut gelaunt. „Außerdem waren ein paar schöne Komplimente dabei.“ Ich lerne: Wer es nicht gewohnt ist, ständig auf sein Äußeres reduziert zu werden, und sich seiner Leistungen sicher sein kann, empfindet Bemerkungen zum Aussehen als wohltuend und erfrischend. Also nicht das Sprechen über Mode, Make-Up-Routinen und Diäten per se ist das Problem, sondern die Tatsache, dass man darauf beschränkt wird. Und das passiert in der Regel halt nur Frauen. Ich erinnere mich daran, wie ich Armin Assinger kennengelernt habe. Es war 2012 bei der Pressekonferenz des ORF zur Präsentation einiger neuer Fernsehsendungen. Mein Reportageformat „Mein Leben“ wurde vorgestellt und Assingers Dokusoap „A-Team“, in der er gemeinsam mit Juristen, Bauprofis und anderen Fachleuten Menschen aus der Patsche helfen sollte. Ich weiß noch, dass ich die ganze Präsentation hindurch schwitzige Finger hatte und hoffte, auf meiner Bluse würden keine Schweißflecken entstehen. Eine rote Bluse und eine weiße Jacke. Das hatte ich an diesem Tag an. Ich stand inmitten von Journalist*innen und dem Publikumsliebling Assinger, und eine meiner größten Sorgen war, ob meine Kleidung eh O.K. aussah. Selbst als moderne, feministische Frau, als die ich mich sehe, ist das Kleinmachen und Reduzieren auf das Aussehen an der Tagesordnung. Es ist in mir einprogrammiert wie das zweite X-Chromosom. Als ich Assinger dann übrigens wieder traf – kurze Zeit später, zur Aufzeichnung der „Promi-Millionenshow“ in Köln –, unterhielten wir uns über Sport. Ein Thema, das mit Männern immer geht. Ich erinnere mich noch daran, dass er mir ausführlich schilderte, wie er sich auf seinen Dienstreisen fit hält. Durch Berglaufen im Stiegenhaus eines Hotels zum Beispiel. 50-mal rauf in den 15. Stock und wieder runter. Ich war beeindruckt. Was Assinger an dem Abend anhatte, weiß ich nicht mehr. Ist bei Männern im Grunde ja auch egal. Selbst am Red Carpet, wo Oberflächlichkeiten und der Kleidungsstil Programm sind, werden Männer zu ihrem Können befragt.
Nachdem ich die klassischen Rote-Teppich-Fragen mit Assinger also abgehandelt habe, bringe ich ein Thema aufs Tapet, das mir persönlich extrem wichtig ist: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ganz klar ein Frauenthema. Denn während erfolgreiche Frauen mit Kindern ständig dazu befragt werden, können erfolgreiche Männer zehn Kinder haben, ohne dass es irgendjemanden wundert. Erst unlängst wurde das im Wahlkampf zur deutschen Bundestagswahl 2021 deutlich. Die Kandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, die zwei kleine Kinder hat, wurde prompt gefragt, wie sich Kinder und das Kanzleramt denn vereinbaren lassen. Ihre Kontrahenten, Armin Laschet und Markus Söder, die ebenfalls, wenn auch bereits ältere, Kinder haben, wurden das nicht gefragt. Zumindest sind wir mittlerweile aber so weit, dass diese einseitige Fragestellung viele irritiert und auch Einzug in die mediale Berichterstattung gefunden hat. Denn müssten wir nicht vielmehr fragen, welche veralteten Strukturen wir verändern müssen, damit Mütter, wenn sie wollen, jeden Job der Welt machen können? Genauso wie die meisten Väter ja auch.
Armin Assinger jedenfalls hat mit seiner Ex-Frau Bettina, von der er seit 2014 geschieden ist, zwei Kinder. David ist mittlerweile 26 Jahre alt, Fiona 21. Genau in dem Jahr, als sein Sohn zur Welt kam, beendete der ehemalige Skirennläufer seine aktive Karriere. Man könnte meinen, der perfekte Zeitpunkt, um sich voll und ganz der Vaterrolle zu widmen. Doch Assinger, der damals noch bei der Gendarmerie war, konzentrierte sich lieber auf seine zweite Karriere als Kommentator von Skirennen im Fernsehen und den Wechsel in die Unterhaltungsbranche. Nur logisch also, dass seine Frau Bettina ihren Job in einer Bank aufgab. Sie kehrte auch nie wieder dorthin zurück. „Es war nicht notwendig, dass sie weiterarbeitet. Wir haben auch so ein schönes Leben gehabt.“ Klingt nachvollziehbar. Wer will schon, wenn er auch so ein schönes Leben haben kann, einem öden Brotjob nachgehen, denke ich, als Assinger von seinen ersten Jahren als Vater erzählt. Und irgendwo in mir drinnen spüre ich auch ein bisschen Neid. Also, sehr, sehr tief in mir drinnen, dort wo die kleine Prinzessin sitzt, die als Kind immer wieder gehört hat, dass „reich heiraten“ eine gute Option wäre und vor allem zu einem glücklichen Leben führt. Weil ich hier aber mitten in einem feministischen Gespräch bin, in dem ich Männer für Gleichberechtigung sensibilisieren und ihnen Paroli bieten will, ignoriere ich das kleine Mädchen schnell wieder und widme mich meinem Gesprächspartner, der dabei ist, das „schöne Leben“ näher zu beschreiben. „Wir haben bald die Assinger-Firma gegründet, in der meine Frau für die Administration zuständig war – die leidige Büroarbeit, Abrechnungen und Ähnliches. Und sie hat natürlich auch den Haushalt gemanagt.“ Siehst du, der Prinz ist doch keine Lösung, rufe ich der Prinzessin in mir noch schnell zu, bevor ich mir das Gesagte noch einmal auf der Zunge zergehen lasse. Kinder, Hausarbeit und leidige Bürotätigkeit. Die Karriere des Mannes pushen. Zu Hause alles managen. So schaut also ein schönes Leben aus. Ja, es mag Frauen geben, die damit kein Problem haben und die in der Rolle der Hausfrau und Mutter voll aufgehen. Denen ihre finanzielle Unabhängigkeit und ihr gesellschaftlicher Status nicht so wichtig sind. Die ihre Selbstentfaltung nicht im Job suchen. Aber warum ist das so? Weil sie, wie ich, als kleine Mädchen durch Stereotype gelernt haben, dass das ihre Bestimmung ist? Weil sie keine Alternativen sehen? Oder wie Assinger es formuliert: „Meine Ex-Frau ist aus einem eher konservativen Haus aus Tirol, und somit war das überhaupt kein Thema zu der Zeit.“ Aber das ist doch unfair, platzt es aus mir heraus. Dass man als Mann beides haben kann, Kinder und Karriere, und dass Frauen sich immer entscheiden müssen. Der Showmaster schaut mich mit einer Mischung aus ernstem und erstauntem Blick an. Ein Blick, den er manchmal auch aufsetzt, wenn Kandidat*innen in der Millionenshow eigenartige Herleitungen für Antworten finden. Gleichzeitig umspielt ein Lächeln seine Lippen. Er denkt kurz nach und sagt dann: „Mein Gott, nein, warum soll ich das unfair finden? Das war halt so. Wir waren da gleichgeschaltet, auch von der Einstellung her, und somit war das O.K.“ Ich merke, dass es rein auf der persönlichen Ebene wohl eher schwierig werden wird, Assinger zum Nachdenken zu bewegen.
Sein Privatleben wurde rund um seine außereheliche Affäre, die 2007 aufflog, ausgeschlachtet. Der Boulevard hat sich wie eine Hyäne auf seine Ehe und die darauffolgende Scheidung gestürzt. Warum also soll er mit mir in den Dialog gehen, wenn ich ihm vorwerfe, es sich als Ehemann und Vater zu leicht gemacht zu haben? Warum sollte überhaupt jemand zum Nachdenken angeregt werden, wenn ihm Vorwürfe um die Ohren geschmissen werden? Ich bin alt genug, um kapiert zu haben, dass das so nicht funktioniert. Also schwenke ich um auf die Strukturen, die es Frauen in dieser Welt schwer machen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Ich sage, dass wir eine gesellschaftliche Verantwortung hätten, damit in Zukunft niemand mehr aufgrund seines Geschlechts benachteiligt wird, und dass es doch wünschenswert wäre, dass Männer mehr für ihre Kinder da sein können. Dass auch sie unter dem Patriarchat leiden und sich aufgrund von Rollenzuschreibungen gar nicht voll entfalten können.
Assinger sitzt mir in einem schwarzen Ledersessel gegenüber und hört gespannt zu. Zum ersten Mal in unserem Gespräch verlässt ihn der hemdsärmelige Schmäh, und er wird nachdenklich. Ich höre es in seinem Kopf rattern, als er nach Worten ringt: „Ja, da hast du wohl recht. Du öffnest gerade eine Seitentür in meinem Hirn. Über all diese Themen habe ich bisher noch nie so bewusst nachgedacht.“ Diese Offenheit überrascht mich und gleichzeitig macht sie mich fassungslos. Wie kann es sein, dass ein 56-Jähriger das Thema Gleichberechtigung noch nie auf dem Radar hatte? Wie kann es sein, dass es spurlos an ihm vorübergegangen ist, dass Frauen in vielen Belangen benachteiligt sind? Und warum hat er nicht versucht, mehr Zeit in Familie und Kinder zu investieren? Als könnte er meine Gedanken lesen, sagt Assinger rechtfertigend: „Es hätte sicher mehr sein können. Aber ich komme eben auch aus einer Sportart, wo du in gewisser Weise eine Egosau sein musst. Einzelsportler sind ja auch Egoisten, und wenn du dann aufhörst, kannst du den Schalter nicht komplett umlegen und sofort ein Teamplayer werden. Das muss man einem auch ein bisschen nachsehen.“
Muss man das wirklich? Vieles, das Armin Assinger sagt, kann ich ihm tatsächlich nachsehen. Von seiner Warte aus betrachtet, kann ich viele seiner Aussagen und Entscheidungen nachvollziehen. Aus einer privilegierten Sicht, und die hat man als Mann zweifellos, redet es sich aber auch leicht. Aus einer privilegierten Sicht nimmt man viele Ungerechtigkeiten gar nicht wahr. Oder vielleicht will man sie auch nicht wahrnehmen, um das angenehme Gefühl nicht zu trüben. Denn wie kann es einem als Vater gut gehen, wenn man weiß, dass die eigene Tochter sich ihre Lebensträume aufgrund ihres Geschlechts vielleicht nicht erfüllen wird können? Dass sie sich zwischen Kind und Karriere entscheiden wird müssen und dass sie eines Tages weniger verdienen wird als der eigene Sohn? Wie kann man das nicht höchstgradig ungerecht finden? Aber wahrscheinlich ist das wie mit vielen Dingen im Leben. Der dunkelhäutige Nachbar ist eh ganz nett, aber alle anderen Schwarzafrikaner sind Drogendealer. Der nette Obdachlose vor dem Supermarkt kann sicher nichts für sein Schicksal, aber alle anderen sind selbst schuld. Und die eigene Tochter wird es dann schon nicht so schwer haben, auch wenn Frauen generell benachteiligt sind. Wahrscheinlich ist das eine Art Selbstschutz, den wir Menschen eingebaut haben, um die vielen Ungerechtigkeiten in der Welt nicht spüren zu müssen. In Bezug auf die Gleichberechtigung ist dieser Schutzmechanismus aber fatal. Denn wie soll sich etwas ändern, wenn Gleichberechtigung immer nur als individuelles Problem gedacht wird? „Was bräuchte es denn, damit die Welt eine gleichberechtigtere wird?“, will ich von Assinger wissen. Weil er darauf keine Antwort hat oder weil ihm das Thema langsam auf die Nerven geht, greift er zu einem der drei Joker, die ich ihm am Anfang des Gesprächs ganz in Millionenshow-Manier präsentiert habe. Er legt die rosafarbene Richtungswechsel-Karte vor mich auf den Tisch und schaut mich herausfordernd an. Ich schaue auf die zwei Pfeile, die ich mit den Filzstiften meiner Kinder draufgemalt habe, und finde das plötzlich alles ziemlich absurd: Muss man im Jahr 2020 wirklich noch so über Gleichberechtigung diskutieren? Offensichtlich schon.
Wie es meine Spielregeln also vorgeben, beantworte ich jetzt die Frage. „Es gibt so vieles, das sich ändern müsste“, sage ich, und dass ich mit den „Frauenfragen“-Interviews einen kleinen Teil dazu beitragen möchte. Außerdem müssten Frauen endlich genauso viel verdienen wie Männer und in alle beruflichen Ebenen vordringen können. Wenn es sein muss, auch mit einer gesetzlich geregelten Quote. Das Wort Quote löst bei Assinger, wie übrigens bei vielen Menschen, große Emotionen aus. „Muss das wirklich mit Zwang sein, dass, wenn ein Mann und eine Frau sich bewerben, automatisch die Frau genommen wird? Dann sind doch wieder die Männer diskriminiert, und das wollen wir ja auch nicht“, sagt er, fügt dann aber noch hinzu, dass er Quoten prinzipiell schon ganz gut findet. Natürlich will ich nicht, dass Männer diskriminiert werden. Wer will das schon ernsthaft? Aber kann man nicht über eine faire Aufteilung sprechen, ohne dass gleich der Angstschweiß ausbricht? Ohne dass man gleich eine Notrufnummer für den diskriminierten Mann einrichten muss? Eine Studie des Weltwirtschaftsforums aus dem Jahr 2020 besagt übrigens, dass, wenn es in Sachen Gleichberechtigung in dem Tempo weitergeht, es noch 100 Jahre dauern wird, bis Frauen und Männer tatsächlich gleichgestellt sind. Die Rede ist von gleichgestellt, nicht bessergestellt. Also kein Grund zur Panik! Assinger bleibt trotzdem skeptisch. Auch als ich über den Gender-Pay-Gap spreche, also die Tatsache, dass Frauen nach wie vor weniger verdienen als Männer. „Dass Frauen so viel weniger verdienen als Männer, muss man schon differenziert sehen. Zum Beispiel im Staatsdienst, bei den Beamten. Da ist die Bezahlung ja schon angeglichen worden.“ Jetzt ist der ehemalige Skirennläufer so richtig in Fahrt. Gerade bei den Beamten sei es manchmal nicht fair, dass Frauen, die zum Beispiel weniger Dienstjahre vorweisen können, nur aufgrund ihres Geschlechts bevorzugt werden. Und dass man sich generell anschauen müsse, wie viele Menschen in Österreich überhaupt erwerbstätig sind und wie viele davon dann Beamte sind. Ich frage mich, ob er mir jetzt tatsächlich erklären will, dass es den Gender-Pay-Gap gar nicht gibt. Dass er vielleicht nur eine Erfindung von uns ach so aufgeklärten Feministinnen in der Stadt ist. Die Zahlen sagen jedenfalls etwas anderes: Im Jahresdurchschnitt 2019 gab es, laut Statistik Austria, 4.355.000 Erwerbstätige, ungefähr gleich viele Frauen wie Männer. Davon waren rund 200.000 Beamt*innen. Obwohl im öffentlichen Dienst gleichwertige Arbeit unabhängig vom Geschlecht gleich bezahlt wird, verdienen auch Beamtinnen im Schnitt weniger als ihre männlichen Kollegen. Das liegt u.a. daran, dass auch hier Frauen eher in Teilzeit arbeiten und weniger in Führungspositionen zu finden sind.1
In Sachen Gleichberechtigung gibt es also definitiv noch viel zu tun. Darauf einigen sich Assinger und ich nach gut eineinhalb Stunden, die wir bereits in diesem nüchternen Besprechungsraum sitzen, am Prosecco-Glas nippen und über „Frauenfragen“ diskutieren. Als wir thematisch bei der Frauenquote in der Unterhaltungsbranche ankommen, schlägt der Showmaster plötzlich die Hände zusammen und meint: „Do is a Gössn.“ Da ist eine Gelse. Ich kann keine sehen und mir beim besten Willen auch nicht vorstellen, wie ein Insekt in diesem klinisch sauberen Zimmer überleben könnte. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass Assinger mit dieser Nebensächlichkeit ablenken will. Dass es ihm unangenehm ist, über Themen zu sprechen, in denen ihm die Expertise fehlt. „Du hast mich heute wirklich am falschen Fuß erwischt, weil ich ja nicht gewusst habe, worüber wir reden werden. Deswegen kann man nicht jede Aussage von mir für bare Münze nehmen. Mir ist bewusst, dass das Thema ein sehr sensibles ist, und ich will ja auch niemanden vor den Kopf stoßen.“
Vor den Kopf gestoßen werden Frauen in der Unterhaltungsbranche aber immer wieder. Oder wie ist es zu erklären, dass die meisten großen Unterhaltungssendungen im Fernsehen von Männern präsentiert werden? Und wenn Frauen vorkommen, sie häufig nur als Co-Moderatorinnen fungieren dürfen, oder wie eine Schweizer Zeitung über Michelle Hunziker bei „Wetten, dass ..?“ geschrieben hat, als „schönster Sidekick der Fernsehgeschichte“2? Wie ist es zu erklären, dass der Programmdirektor der ARD 2020 in einem Interview meinte, er finde keine Frau für die Showunterhaltung, und dafür berechtigterweise heftige Kritik erntete? Und warum wurde auch die Rate-Sendung „Die Millionenshow“, die bereits in über 100 Ländern ausgestrahlt wurde, weltweit hauptsächlich von Männern moderiert? Als Barbara Stöckl im Jahr 2000 in Österreich die Moderation der Quizsendung übernahm, war sie weltweit die einzige Frau für dieses Format. Mittlerweile haben einige Fernsehstationen nachgezogen, doch immer noch sind Frauen als Quizshow-Moderatorinnen die Ausnahme. „Jemand in führender Position hat mal gesagt: Quiz ist Männersache“, ergänzt Assinger. In Bezug aufs Moderieren geben ihm die Fakten recht. Wenn man sich jedoch anschaut, wie viele Frauen in der Millionenshow bereits die Millionen-Frage geknackt haben, stimmt die Aussage nicht mehr. Denn seit Beginn der Ausstrahlung der Sendung im ORF sind bisher fünf Frauen und zwei Männer mit der Million nach Hause gegangen. Vielleicht könnte man daraus jetzt auch wieder etwas Schlaues ableiten, denke ich, verkneife mir dann aber, es laut auszusprechen. Anders als Armin Assinger, der geradeheraus sagt, was er sich denkt. Und so meint er gegen Ende unseres Gesprächs: „Jetzt fängt es langsam an, unbequem für mich zu werden, weil du auf diesem Thema so herumreitest, und ich merke, wie wenig Gedanken ich mir im Laufe der letzten Jahre dazu gemacht habe. Aber kommendes Wochenende bin ich allein, und da werde ich sicher darüber nachdenken.“ Kaum hat er den Satz beendet, muss er auch schon los zu seinem nächsten Termin. Denn wenn der Kärntner einmal in Wien ist, ist sein Zeitplan dicht gedrängt. Lässig wirft er sich seine Jacke über, nimmt seinen kleinen Rollkoffer und eilt zum Ausgang. Bevor die Tür zufällt, dreht sich Assinger noch einmal um, winkt freundlich und ruft: „Bis bald, Marilein.“ Und damit wird mir einmal mehr bewusst, wie viel in Sachen Gleichberechtigung tatsächlich noch zu tun ist.