Читать книгу Intertextualität und Parodie in Ovids Remedia amoris - Maria Anna Oberlinner - Страница 10

3.1 Ein Intertextualitätskonzept für philologische Heuristik

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Im 1985 erschienenen Sammelband „Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien“ gibt Pfister einen konzisen und umfassenden Forschungsbericht über die Genese und Weiterentwicklung des Konzeptes Intertextualität, an den er Überlegungen zu einem heuristisch nutzbaren Intertextualitätsbegriff anschließt.1

Während der Terminus selbst von Julia Kristeva in den 1960er Jahren2 maßgeblich geprägt wurde, hat er seinen Ausgangspunkt bei Michail Bachtins Definition der „Dialogizität“3 (im Rahmen seiner Dichotomie von Monologizität und Dialogizität), der sowohl eine kulturgeschichtliche/-philosophische als auch eine sprachbezogene Dimension eignet;4 sie ist bei ihm also noch nicht als ein rein literarisches Phänomen zu betrachten.5 Bei Kristeva findet sich in Anknüpfung an und in abgrenzender Fortführung von Bachtin eine erste konkrete Definition des Begriffs Intertextualität, da sie festhält, dass ein Text als „Mosaik von Zitaten“ zu verstehen sei.6 Sie operiert zudem mit einem „total entgrenzte[n] Textbegriff“, unter den sie „jedes kulturelle System und jede kulturelle Struktur“ subsumiert.7 Diese Art von Intertextualität macht alles zu einem lesbaren Text und damit auch alles zu einem intertextuell durchdrungenen Textgewebe.8

In den auf diese Etablierung des Begriffs folgenden Jahrzehnten, in denen sich Kristeva selbst von ihrem Konzept entfernte,9 erfuhr der Intertextualitätsbegriff zahlreiche Modifizierungen, die sich zwischen den Ex­tremen des sehr weiten, poststrukturalistischen und eines engeren, strukturalistischen oder hermeneutischen Verständnisses, „in [dem] der Begriff der Intertextualität auf bewußte, intendierte und markierte Bezüge zwischen einem Text und vorliegenden Texten oder Textgruppen eingeengt wird“10, bewegen. Pfister versucht, einen ‚Weg der Mitte‘ zwischen den beiden Polen zu gehen, indem er einen eigenen Kriterienkatalog „zur Skalierung von Intertextualität […] [und] zur typologischen Differenzierung unterschiedlicher intertextueller Bezüge“11 definiert. Dabei unterscheidet er von den quantitativen Kriterien, welche die Bedeutung von intertextuellen Phänomenen an der numerischen Häufigkeit festmachen,12 sechs qualitative Kriterien. Während die Referentialität (1) die Intensität bezeichnet, mit der sich ein Text ‚aktiv‘ auf einen anderen bezieht, bezeichnet die Kommunikativität (2) den „Grad der Bewußtheit des intertextuellen Bezugs beim Autor wie beim Rezipienten“.13 Beide Aspekte finden sich, wenn man sie auf die Remedia bezieht, beispielsweise in den bereits zitierten Versen 43f. und 71f.: So spricht die ovidische Persona an diesen Stellen direkt an, dass die Kenntnis der Ars beim Leser vorausgesetzt wird.

Ein solches Kommunikativitäts-Merkmal, welches das Subjekt nicht nur beim Lese-, sondern auch beim Schreibprozess in den Mittelpunkt stellt, tritt aber grundsätzlich in Konflikt mit Textuntersuchungsverfahren, die Vermutungen zur Intentionalität eines (historischen) Autors – auch wegen der Unmöglichkeit einer heuristisch gesicherten Aussage – nicht zulassen und sich auf Erkenntnisse, die beim Lektüreprozess gewonnen werden, beschränken.14 Der Nutzen dieses Ansatzes besteht aber darin, dass man intertextuelle Beobachtungen so nicht einer gewissen Beliebigkeit und Willkür anheimgibt und dass Untersuchungen so nicht zur bloßen Suche nach Parallelstellen werden.

Auch Broich geht von bestimmten Markern als „Intertextualitätssignale[n]“15 aus, die auf beabsichtigte, messbare und für den neuen Text relevante und bedeutsame Intertexte hinweisen können, wobei er aber auch die Rolle des Rezipienten und seine Wahrnehmungsfähigkeit berücksichtigt:16 Marker liegen etwa vor, wenn andere literarische Texte „physisc[h]“ oder in Gesprächen o. ä. Gegenstand eines anderen Textes werden oder Figuren aus anderen Texten „leibhaftig auftreten“ („Markierung im inneren Kommunikationssystem“).17 Häufig finden sich aber die Formen von Markern, die in Verbindung mit Pfisters Kommunikationskriterium stehen und die auch für die intertextuelle Untersuchung der Remedia amoris bedeutsam sind, wenn nämlich nicht die Figuren innerhalb eines Werkes, sondern die Rezipienten des Textes die Anspielungen wahrnehmen. Beispielhafte Marker hierfür sind Zitate, explizite Nennung einer Quelle in Fußnoten, die Übernahme eines Titels oder Untertitels im Fall von Parodien oder Travestien, die Adaption von Mottos, Vor- und Nachworten („Markierung in Nebentexten“)18 sowie das Zitieren und Anspielen auf Namen, Stillagen, Handlungen o. ä. nicht in Paratexten, sondern im Haupttext selbst („Markierung im äußeren Kommunikationssystem“).19 Als Markierung im Haupttext kann, wenn man die Terminologie auf Ovids Werke und andere antike Texte anwendet, etwa die transformierende Übernahme des horazischen Exegi monumentum-Bildes gelten, das Ovid als Schlusspunkt in seine Remedia übernimmt; dabei kann Ovid einen Leser annehmen, der diese Anspielung erfasst. Und wenngleich der Beginn von Amores 1, 1 (Arma graui numero) dem Motto nachgestellt ist, können die ersten Worte doch als programmatische Adaption der vergilischen Eposformulierung Arma uirumque cano (Aen. 1, 1) gelten und somit den Broich’schen Markierungstypen zugeordnet werden.

Über die genannten Aspekte der Referentialität und Kommunikativität hinaus definiert Pfister vier weitere Kriterien für die Skalierung von Intertextualität. Dazu zählen die Autoreflexivität (3), wenn also die Intertextualität selbst auf einer Metaebene innerhalb des Textes reflektiert wird, und die Strukturalität (4), welche die „syntagmatische Integration der Prätexte in den Text“ bezeichnet.20 Hierzu kann man m. E. etwa rechnen, dass die didaktische Strukturierung aus ἔργα καὶ ἡμέραι, des hesiodischen Archetyps, als Folie für Lehrgedichte im Allgemeinen und wie auch für Vergils Georgica für Ovids Remedia im Speziellen dient.21 Auch die Selektivität (5), welche beschreibt, wie „pointiert“ ein Prätext einbezogen wird, und letztlich die Dialogizität (6), der zufolge bei „stärker[er] […] semantischer und ideologischer Spannung“ zwischen Text und Prätext Intertextualität deutlicher erfahrbar wird, werden von Pfister angeführt.22 Besonders der letzte Aspekt verweist bereits darauf, dass die Parodie ein der Intertextualität verwandtes Phänomen ist, da eine Spannung, wie Pfister sie aufgebaut sieht, auch als Merkmal für parodierende Texte gelten kann.

Als prominenter Systematisierungsversuch ist zudem Gérard Genettes Ausdifferenzierung der „Transtextualität“ zu nennen.23 Dabei berücksichtigt er in seinen fünf Unterkategorien24 sowohl die Bezüge eines Textes auf einzelne Texte als auch diejenigen auf Genres, was als Unterscheidung von „Einzeltext- und Systemreferenz“ auch für Pfister und Broich bei der Beschreibung von Intertextualitätsphänomenen zentral ist. Denn die intertextuelle Referenz auf einen konkreten Prätext, sei es vom selben oder von einem anderen Autor,25 ist grundsätzlich vom Verweis auf ganze Gattungen, auf „Textkollektiva […] und sie strukturierenden textbildenden Systemen“26 zu unterscheiden, auch wenn beide Phänomene zugleich in einem Text präsent sein können. Diese Differenzierung ist für die aktive Textarbeit an Ovids Remedia ebenfalls wichtig, da ich die intertextuelle Bezugnahme Ovids auf einzelne Texte und dabei gleichzeitig auch auf Gattungsvorbilder, etwa diejenigen der (horazischen) Satire oder des Lehrgedichts im Allgemeinen, untersuche. Auch für die Frage, welche Mechanismen zur Konstituierung einer Gattung beitragen, können – je nach Perspektive einer literarischen Epoche – Überlegungen zur Intertextualität herangezogen werden. Wenngleich aus moderner Sicht Genres oft hauptsächlich auf „eine[m] Code, eine[m] Satz von Regeln und Konventionen, eine[r] Gattungsgrammatik“ basieren und keine „feingesponnene[n] Netze von Beziehungen“27 darstellen, ist die Bedeutung intertextueller Phänomene, wie Ulrich Suerbaum (1985) betont, stärker hervorzuheben. Im Rahmen seiner „[g]eneralisierende[n] Hypothesen“, die er für reihenbildende Detektivgeschichten formuliert, hält er fest, dass erst durch „lineare Intertextualität“, die Anknüpfung an eigene Texte sowie Werke fremder Autoren, oder auch „perspektivierende Intertextualität“, bei der es weniger um konkrete Zitate als um globale Referenzen auf ein ganzes ‚Textsystem‘ geht, Gattungen geschaffen würden.28 Dabei nähmen aber die Bedeutung und der Umfang der expliziten intertextuellen Bezüge auf Einzeltextebene ab, je weiter sich eine Gattung bereits etabliert habe.29

Wenngleich diese Hypothesen für Texte des 18. und 19. Jahrhunderts aufgestellt sind, lassen sie sich doch mit der antiken Sicht auf Gattungen und der Frage nach ihrer Konstituierung verknüpfen.30 Für grundsätzliche Überlegungen, was Gattungen überhaupt sind und welchen Problemen man bei einer allgemeingültigen Definition begegnet, kann ich exemplarisch auf Volks (2002) Monographie verweisen, in der sie die Themen Gattung im Allgemeinen und in der Antike sowie besonders die didaktische Poesie ausführlich erörtert.31 Ich referiere im Folgenden einige ihrer Beobachtungen hierzu knapp und gehe dabei auf die Verbindung von Intertextualität und Genre im Fall des Lehrgedichts, das einen der wichtigsten generischen Ankerpunkte der Remedia amoris ausmacht, ein.

Auch in der Antike gab es, wie Volk ausführt, ein Bewusstsein für literarische Gattungen, wenngleich diese oft mehr in einer „common sense“-Form verstanden und weniger intensiv theoretisch fundiert wurden.32 Dabei teilte man sie vor allem nach metrischen Gesichtspunkten ein; es gab aber auch Unterscheidungen nach dem Primat des Inhalts und des ‚Prototypen‘.33 Gattungs-Reflexionen fänden sich zudem in metapoetischen Textpassagen, welche die (Nicht-)Zugehörigkeit eines poetischen Textes zu bestimmten Genres thematisieren können,34 oder bei den Theoretikern Platon und Aristoteles35 (der anknüpfend an seinen Lehrer besonders stark formalistische Kriterien ablehnt).36 Am Beispiel der didaktischen Poesie offenbare sich dabei „[t]he difference between the communis opinio about genre and the methods of distinguishing different types of poetry employed by such theorists as Plato and Aristotle […]“37. Während durch die hexametrische Gestaltung allgemein eine Zuordnung zur Epik vorgenommen wurde, artikulierte, so Volk, Aristoteles – via negationis – insofern einen Unterschied zu dieser Gattung, als das Lehrgedicht nicht nur des Mimesis-Kriteriums für das Epos entbehre, sondern nicht einmal Poesie darstelle.38 Die sich hier bereits abzeichnende Wahrnehmung der didaktischen Poesie als einer eigenen Gattung erfuhr Konkretisierungen etwa im Tractatus Coislinianus, der „direkt auf Aristoteles reagiert“39, und später in Diomedes’ Ars grammatica (4./5. Jd. n. Chr.), die in der platonischen Tradition zu verorten ist.40

Sieht man von den spärlichen theoretischen Zeugnissen ab, kann man jedoch durch konkrete Textarbeit an didaktischen Werken ‚implizite Poetiken‘ herausarbeiten.41 Denn diese weisen, wie Volk zeigt, gemeinsame, für die Gattung Lehrgedicht als konstitutiv zu betrachtende Merkmale auf – „(1) explicit didactic intent; (2) teacher-student constellation; (3) poetic self-consciousness; and (4) poetic simultaneity“.42 Dass sich das didaktische Genre sukzessive aus einem „didactic mode“ heraus entwickelt hat43 und von Hesiod und Empedokles bis hin zu Manilius ein offensichtlich immer konkreteres Gefüge aus didaktischen Bausteinen aufzuweisen beginnt, bestätigt den von Suerbaum beschriebenen Intertextualitätsprozess einer Gattungsgenese im Allgemeinen. Im weiteren Sinne intertextuelle Prozesse spielten demnach auch für das Lehrgedicht als Genre eine wichtige Rolle.

Hier soll Intertextualität aber nicht zur Erklärung der Gattungsgenese eingesetzt werden, sondern zur Untersuchung, welchen Einfluss Gattungssysteme – auch in der Konkretisierung durch bestimmte Textkorpora – und Einzeltexte auf die Remedia amoris haben. Bevor ich meinen Arbeitsbegriff von Intertextualität konturiere, ergänze ich meine Ausführungen noch um die zentralen Ergebnisse der aufschlussreichen Studien von Hinds (1998) und Edmunds (2001), da sie ihre Ausführungen mit lateinischen Textstellen illustrieren und sich kritisch-reflektiert mit intertextuellen Theorien klassischer Philologen (etwa Barchiesis, Contes, Farrells, Thomas’) auseinandersetzen.44

Bei Hinds und Edmunds bilden zwei Themenbereiche einen Schwerpunkt, die Edmunds als die zwei grundlegenden Probleme der Intertextualitätsdiskurse sieht: Diese betreffen sowohl die Frage nach der Autorintentionalität – von Hinds als „fundamentalism“45 bezeichnet – und die Frage nach dem Status des Textes an sich als auch die Rolle, welche der Leser für die Konstitution des Textes spielt.46 Hinds versucht, was ihn mit Pfister vergleichbar macht, einen Mittelweg zu finden, der zwischen dem vielen Lesern intrinsischen Verlangen danach, vom Autor bewusst gesetzte Anspielungen zu entdecken, und einem weiten Begriff der Intertextualität zu verorten ist; letzterer besteht in einer Annäherung an den Bereich der „zero-interpretability“47, der praktisch aber kaum vorhanden sei48 und das Feld für weitere Beobachtungen zu bisher vernachlässigten Anspielungen öffne.49 Aus einer Erweiterung der Bezugstexte ergibt sich aber die Problematik, die darin besteht, dass die Unterscheidung von allusion, quasi ‚Einzeltextreferenzen‘, und Topoi, die eine „intertextual tradition as a collectivity“50 hervorrufen (Hinds bezieht sich auf Contes Gegenüberstellung von modello-esemplare und modello-codice),51 zwangsläufig verschwimmt.52 Hinds zeigt jedoch, dass ein Topos und eine Anspielung auf einen konkreten Text gleichzeitig möglich sein können53 – eine Beobachtung, die auch für Ovids intertextuelles Vorgehen zutreffend ist. So ruft Ovid bei seinen Hinweisen darauf, dass langes klagendes Sprechen über die Geliebte und mangelndes Schweigen zu vermeiden sei (siehe meine Ausführungen in Kapitel 4.3.2.4), den Topos „that an angry tongue is a proof of love“54 auf. Gleichzeitig spielt er aber in einer Allusion, einer markierten Einzeltextreferenz, auch auf Catull. 83 und 92 an, in denen die Verbindung aus dicere, tacere und mangelnder emotionaler Indifferenz paradigmatisch repräsentiert wird. Letztlich verbindet Hinds eine die Autorsubjektivität (und die Ausrichtung auf einen impliziten Leser) berücksichtigende mit der für ihn zentralen leserorientierten Perspektive, bei der durch den Akt der Rezeption erst die Bedeutung des Textes konstituiert wird.55 Für die Analyse der Remedia ist der auf den Leser ausgerichtete Ansatz beispielsweise insofern wichtig und anwendbar, als Ovid durch die intentional primär-naive Lesart der Lesbia- und Juventius-Zyklen die instabile Haltung der Catull’schen Persona sichtbar macht. In der Art, mit der diese Figur zu einem Negativbeispiel für die Schüler der Remedia wird, verleiht Ovid dem Intertext der Carmina somit neue Bedeutung.

Noch stärker auf den Leser ist Edmunds fixiert, der in ihm die Intertextualität überhaupt erst lokalisiert:56 Intertextuelle Anspielungen würden erst beim Lesen erschaffen, ohne dass sie vorher ‚a priori‘ bestünden oder eine „linguistische oder semiotische Basis“ hätten“57; es gebe also auch keine im Text zu lokalisierenden Marker.58 Auch wenn Edmunds grundsätzliche Autorintentionen, besonders in lateinischer Dichtung, nicht verneint, problematisiert er die Sicht, Anspielungen auf die Dichterfigur zurückzuführen.59 Vielmehr werde Intertextualität durch den Sprecher bzw. die Persona eines Gedichts „aktiviert“, und zwar im Leser selbst.60 Das Problem, das sein leserbasierter Ansatz mit sich bringt – so führe es zu Unsicherheit bei der Bestimmung intertextueller Bezüge –, löst Edmunds dadurch, dass er die Entscheidungshoheit über die „validity of a reading“ bei der zuständigen, kritischen „interpretive community“, bei lateinischer Dichtung den klassischen Philologen, sieht.61 Obwohl ich die Rolle des Lesers z. B. für die genannte Catullrezeption ebenfalls als wichtig erachte, erscheint mir Edmunds’ Position teils zu extrem. Denn die Referenz Ovids manifestiert sich deutlich in lexikalisch markierten Anspielungen, die zugleich einen überprüfbaren Beleg für den intertextuellen Bezug darstellen.

Edmunds’ Definition von Intertextualität besteht darin, dass sich in einem target text (T1) quotations62 (Q1, mit Q2 als Quelle) von Wörtern eines source text (T2) finden, wodurch der context des quoted text (C2) einen neuen context (C1) erhält.63 Es gebe drei Arten, auf die eine quotation (Q1) den Kontext des ursprünglichen Textes (C2) hervorrufen könne: Durch die Erweiterung des Kontextes in C1, durch eine „continuous relation between C1 and C2“ und durch Parodie, „in which T1 repeats or closely follows a particular T2“.64 In dieser Hinsicht ist Edmunds für meine Untersuchung wesentlich, da Parodie als intertextuelles Phänomen für Ovids Umgang mit Lukrez, Horaz und Catull in seinen Remedia amoris zentral ist.

Die moderne Intertextualitätstheorie ist jedoch nicht der einzige literaturtheoretische Rahmen für die Textarbeit. Da für die Beschreibung der Beziehung eines Textes zu Prätexten, auch für die Bezugnahme späterer Autoren auf Werke ihrer Vorgänger (etwa in der „Sukzessionsreihe Ennius – Lukrez – Vergil – Ovid – Lukan – Statius“)65 bereits Begriffe wie Imitation, Anspielung, Adaption und ae­mulatio etabliert sind,66 muss nach dem spezifischen Nutzen der Intertextualitätsforschung, die grundsätzlich mit diesen traditionellen philologischen Analyseinstrumentarien vereinbar ist, gefragt werden.67 Ihr Vorteil besteht nun darin, dass bestimmte Assoziationen mit den aus der antiken Rhetorik und Poetik überlieferten und angewandten68 Termini imitatio und aemulatio keine Gültigkeit haben. Denn sie implizieren in der Rezeption durch moderne Literaturkritik oft eine als vorbildlich geltende Textvorlage und können dazu führen, dass man literarische „Nachahmer“ tendentiell zu „Epigonen“69 herabsetzt, während bei der Intertextualitätsforschung verstärkt die Selbstständigkeit der Textproduktion und ihre neue Interpretation der bestehenden literarischen Tradition akzentuiert und untersucht werden.70 Dabei sollte man aber nicht vergessen, dass sich aus antiker Sicht Originalität und die formale und stoffliche Nachahmung mit folgender ‚nacheifernder Überbietung‘, die auf eine bewusst eigene Leistung verweist,71 nicht ausschließen.72 Römische Literaturproduktion fußte auch im Selbstverständnis der Zeit auf der „kreative[n] m[imesis] (imitatio) der Autoren“, bei der „schöpfendes Nacheifern […] bis zum Wettstreit gesteigert wird (aemulatio).“73 Die explizit in der Antike reflektierten Begriffe imitatio und aemulatio sind also insofern nicht zu übergehen, als sie fundamentale intertextuelle Phänomene beschreiben.74 Der modernere Begriff der Intertextualität denotiert dabei die Bezugnahme eines Textes auf einen anderen, oder sogar den Dialog, in den ein Text mit einem zweiten treten kann. Imitatio und aemulatio bezeichnen die konkreten Formen dieser Referenzen, etwa die (überbietende) Nachahmung einzelner Worte, Motive, Topoi, Strukturen etc.75 Die Ergänzung und Erweiterung der antiken Termini mit dem neueren literaturkritischen Begriff bringt – neben der grundsätzlichen ‚Offenheit‘ der Intertextualitätsforschung – zusätzlich den Vorteil, dass parodietheoretische Überlegungen in diese Forschungsperspektive eingegliedert werden können. Eine Arbeitsdefinition von Parodie ist meinen Ausführungen deshalb vorangestellt.

Intertextualität und Parodie in Ovids Remedia amoris

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