Читать книгу Intertextualität und Parodie in Ovids Remedia amoris - Maria Anna Oberlinner - Страница 14
4.1 Ovids parodistische Inversion von Lukrez’ philosophischem Lehrgedicht
ОглавлениеZum ersten Mal greifbar wird die intertextuelle Bezugnahme auf Lukrez’ Diatribe gegen die Liebesleidenschaft im Finale von De rerum natura liber 4 (Lucr. 4, 1058–1191) bei der Frage danach, wann der Heilungsprozess am besten einzuleiten sei (vgl. V. 79–134), also noch in der Einleitung zu Ovids tractatio.1
Weitaus deutlicher treten diese Parallelen jedoch innerhalb der ‚ars agendi‘ der Remedia zu Tage (vgl. V. 135–488). Im Folgenden belege ich die These, dass sich die Weisungen des lukrezischen praeceptor wie eine intertextuelle Klammer um die ersten Vorschriften Ovids legen, bevor dieser in der Aufforderung zur Selbsttäuschung die epikureische Basis von De rerum natura invertiert und praecepta vorstellt, die kontrapunktierend über Lukrez hinausgehen.2 Dass es legitim ist, Lukrez als einem der ‚Archegeten‘ der Gattung Lehrgedicht eine Wirkung auf Ovids Text zuzuschreiben und De rerum natura als Anknüpfungspunkt für die Remedia zu untersuchen, sehe ich in zweierlei Hinsicht begründet. Zum einen ist der Einfluss des Hexameteropus auf die Literatur der augusteischen Zeit im Allgemeinen vielfach spürbar.3 Zum anderen erwähnt Ovid, als einziger Dichter seiner Zeit, Lukrez namentlich,4 und zwar als sublimis Lucretius in am. 1, 15, 23 und trist. 2, 423–428. Dabei ist besonders das vierte Buch des didaktischen Prätextes für die intertextuelle Referenz relevant.