Читать книгу Salvatore - Ein Mafioso sucht das Glück - Mariana Boscaiolo - Страница 10
ОглавлениеLa Mamma
„Salvatore, was ist denn mit dir? Magst du was essen?“
Mamma Pulvirenti hat Mehl auf den großen Küchentisch gestreut. Geduldig paniert sie Arancini alla Mozzarella.
„Ich hasse diese sizilianischen Mehlkugeln, das weißt du genau“, schimpft Salvatore. „Wieso machst du sie immer wieder?“
„Weil der Padre sie liebt, ganz einfach. Aber kein Problem, ich mache dir gerne eines deiner Lieblingsessen.“ Schon schwenkt sie ein paar frische Teigwaren in einer Pfanne mit Butter und Salbei. Ein angenehmer Duft strömt durch die Küche. Salvatore sitzt dennoch ratlos am langen Tisch. Er stützt mit einer Hand seinen Kopf ab und stochert mit der anderen in seinen Nudeln.
„Sag mal, ihr hattet vor kurzem wohl wieder einen eurer Rachefeldzüge gegen die Pappalardo. Der Padre war recht euphorisch. Ich kenne ihn und dich zu gut, Salvi! War es schlimm? Was ist denn das für eine Beule auf deiner Stirn?“
„Schlimm? Es war schrecklich, wir mussten einen um‘s Eck bringen! Sergio hat es erledigt. Danach bin ich mit dem Kastenwagen und dem Toten auch noch die Böschung runter. Gut, dass die Brüder mich rausgeholt haben, sonst könntest du ab heute deine Salbeinudeln allein essen.“
„Ach Salvi, du bist einfach zu sensibel für dieses Geschäft!“
„Wem sagst du das, Mamma, ich bin irgendwie anders, ich muss endlich hier raus. Mein eigenes Ding machen.“
Die Mamma wischt sich die feuchten Hände an der Schürze ab, setzt sich neben Salvatore und streicht sanft über seine Beule.
„Salvatore“, sagt sie leise. „Du bist wirklich anders. Aber du warst damals unser Retter!“
„Was redest du denn da?“ Salvatores hellgrüne Augen blicken auf und sein Blick trifft direkt in ihr Herz.
„Ich denke, ich sollte es dir endlich sagen.“
„Was verschweigst du mir denn, Mamma?“
„Damals dachten wir, ich könnte keine Kinder bekommen. Das ganze Dorf tuschelte und spottete schon. Es gab keinen Nachfolger für die Cosa Nostra. Eine solche Schande! Da fanden wir eines Tages eine kleine Tragetasche vor unserem Haus. Darin ein Baby und ein Zettel:
„Ich weiß, dass ihr euch ein Kind wünscht. Bitte kümmert euch um ihn.“
Das Kind warst du. Du trugst ein Goldkettchen mit einer Madonna und deinem Geburtsdatum. Sonst nichts.
Der Padre und ich forschten lange nach, wer deine Mutter oder Eltern sein könnten. Wir fanden sie nie. Letztlich nahmen wir dich auf und waren uns einig: Dich schickte ein Engel! Du warst die Rettung. Der Opa und der Padre hatten ja Beziehungen, machten alle Papiere. Wir ließen dich auf Salvatore, Retter, taufen und zogen nach Palermo. Von da an warst du unser Sohn. Keiner weiß hier etwas davon. Später wurde ich dann ja doch noch schwanger, mit Gianni und Sergio.“ Salvatore legt betont langsam die Gabel ab und fasst an die Madonna an seiner Halskette. Sie fühlt sich seltsam heiß an.
„Wie bitte? Und das erzählst du mir jetzt? Nach 36 Jahren? 36 Jahre bin ich im Mafia-Milieu und gehöre gar nicht hierher? Jetzt wird mir einiges klar!“
Mit Wucht stößt er den leeren Teller weg. Der zerbricht auf dem harten Terracottaboden in 1000 Scherben.
„Salvatore, du musst einfach dazu stehen! Wir wollten nur dein Bestes!“, ruft die Mamma.
„Porca miseria! Mein Bestes? In dem ich morden und erpressen muss? Ihr schickt mich ja direkt zur Hölle!“ „Salvi, geht es dir nicht gut hier? In Palermo hast du doch alles: Autos, Frauen, Geld, und eines Tages wirst du der Nachfolger vom Padre.“
„Niemals! Ihr habt mich nur benutzt. Nie durfte ich mich entfalten. Ich bin nur eure Marionette!“
Er steht auf und blickt auf die kleine Mamma im schwarzen Kleid mit Schürze hinunter.
Sie zittert.
„Wieso hast du mir das erst heute gesagt, Mamma?“, flüstert er.
„Ich weiß es nicht. Es ergab sich nie die Gelegenheit. Ich hatte wahrscheinlich Angst, wie du reagierst. Es weiß auch fast niemand, Salvatore, nur der engste Familienkreis. Nicht mal deine Brüder ahnen etwas.“
„Brüder? Ich muss jetzt erstmal raus hier, raus an die Luft! Ciao!“
Die Mama sackt auf einen Holzstuhl und dreht nervös an den Kugeln ihres Rosenkranzes. Es war ihr nicht völlig klar, was sie da ausgelöst hatte.
*
Wie benebelt setzt sich Salvatore unter einen der knorrigen Olivenbäume im blühenden Garten und starrt Löcher in die warme Abendluft. Trotz mancher Vorahnung ist diese plötzliche Gewissheit zu viel für ihn. Es ist, wie wenn er gerade schwerelos durch‘s All taumelt. Alle ihm vertrauten Planeten scheinen sich endlos weit von ihm zu entfernen.
Er weiß nicht mehr, wie viele Minuten vergangen sind.
Irgendwann greift er instinktiv nach seinem Handy und ruft seinen besten Freund Enzo an. Enzo ist Schönheitschirurg am anderen Ende der Stadt.