Читать книгу Die katholische Kirche im Pressediskurs - Marianne Franz - Страница 47

5.2 DiskursanalysenDiskursanalyse in der Linguistik

Оглавление

Die DiskurstheorieDiskurstheorie hat die Linguistik und hier im Besonderen die TextlinguistikTextlinguistik nachhaltig beeinflusst. Davon zeugt auch der Titel des von Warnke 2007 herausgegebenen Sammelbands „Diskurslinguistik nach Foucault“. Darin wird versucht, „den theoretischen Stand der gegenwärtigen Diskurslinguistik“ in Folge der „Rezeption der Foucault’schen Diskurstheorie in der Linguistik“ zu beleuchten (Warnke 2007c: VII). Dennoch hatte die germanistische Linguistik anfangs mit der Rezeption Foucaults gezögert. Aufgenommen wurde sie zunächst von der Historischen SemantikSemantik, die die historische Entwicklung von Wortbedeutungen untersucht. Vor allem Busse erweiterte ab den 1980er Jahren dieses ursprüngliche Anliegen der Historischen Semantik um die DiskursebeneDiskursebene (Wortbedeutungen als vom Diskurs bestimmt) und zielte auf die Analyse der „Geschichte der Bedingungen der Möglichkeiten sprachlicher Äußerungen“ (Busse 1987, zitiert nach Warnke 2007: 8).1 Diese Spielart der DiskursanalyseDiskursanalyse wird mancherorts auch „(Korpus-)Linguistisch-Historische Diskursanalyse“ genannt (z.B. bei Keller 2004: 22).

In der TextlinguistikTextlinguistik dauerte es etwas länger, bis der Untersuchungsgegenstand „Diskurs“ Akzeptanz fand. Erst ab den 1990ern begannen manche Linguisten die Frage zu stellen, wie diverse Themen von der Gesellschaft behandelt werden, und beschrieben Diskursstränge zu Themen wie Rassismus und Vorurteile. Heinemann führt die dahingehend engagierten germanistischen LinguistInnen Siegfried Jäger oder Ruth Wodak an, VertreterInnen der sogenannten Kritischen DiskursanalyseDiskursanalyse (KDA) bzw. Critical discourse analysis (CDA), auf die ich noch zurückkommen werde (vgl. Heinemann 2005: 26).

Im Sammelband „Methoden der Diskurslinguistik“, herausgegeben von Warnke und Spitzmüller, wird die Diskurslinguistik als „Erweiterung text- und soziolinguistischer Perspektiven“ beschrieben (Warnke/Spitzmüller 2008c: VII.), deren Aufgabe es ist, „Sprache als Teil sozialer Praktiken der Wissensgenese und Wissensformation“ (Warnke/Spitzmüller 2008b: 16) zu untersuchen.

„Es geht also bei der methodischen Umsetzung der Diskurslinguistik um eine sprach- und wissensbezogene Analyse, die die Produktionsbedingungen und Wirkungsmechanismen spezifischer medialer Umgebungen und die Interessen der Diskursteilnehmer als Untersuchungsgegenstand ernst nimmt.“ (Warnke/Spitzmüller 2008b: 17)

Warnke und Spitzmüller sehen eine weitere Aufgabe der foucaultschen DiskursanalyseDiskursanalyse in der Analyse von Machtstrukturen, wobei Macht hier nach Foucault nicht im Sinne von repressiver „Mächtigkeit einiger Mächtiger“ zu verstehen ist, sondern als „komplex[e] strategisch[e] Situation in einer Gesellschaft“ (Foucault 1997, zitiert nach Warnke/Spitzmüller 2008b: 18). Analyse von Machtstrukturen kann oder muss sich sogar auch in der Beschreibung sozialer Strukturen und Dynamiken äußern, die in den Diskursen einerseits abgebildet, andererseits von ihnen auch geschaffen werden.

In der Entwicklung der noch jungen germanistischen Diskurslinguistik haben sich zwei Lager herausgebildet, die sich zwar jeweils auf Foucault berufen, nichtsdestoweniger jedoch so unterschiedliche Ansichten und Zugangsweisen zur DiskursanalyseDiskursanalyse haben, dass sie quasi getrennte Wege gehen und keine Zusammenarbeit stattfindet (Warnke/Spitzmüller 2008b: 19). Die Rede ist von der bereits von Heinemann erwähnten Kritischen Diskursanalyse sowie von der in der Tradition der Diskurssemantik stehenden linguistischen Diskursanalyse. Der dem Anschein nach gravierende Unterschied der beiden liegt in der Ausrichtung der Diskursanalyse. Die Kritische Diskursanalyse (KDA) hat ganz offen die Kritik herrschender Machtstrukturen zum Ziel, wovon die linguistische Diskursanalyse dezidiert Abstand nimmt. Letztere bezieht Position gegen WertungenBewertung in der Analyse und hält eine derartig wertende und kritisierende Vorgehensweise sogar für unwissenschaftlich. Diese Richtung der Diskurslinguistik sieht die Aufgabe der Wissenschaft in der Deskription (und nicht in der Kritik). Die geforderte Analyse der diskursiven Machtstrukturen bleibt in der Diskursbeschreibung verhaftet. Trotzdem plädieren Warnke und Spitzmüller, deren Zugang der deskriptiv linguistischen Diskursanalyse zuzuordnen ist, für einen Austausch zwischen den beiden Lagern, den sie als profitabel einschätzen (vgl. Warnke/Spitzmüller 2008b: 19). Sie finden aber, dass „explizite Gesellschaftskritik […] kein primäres Ziel der Diskursanalyse“ oder „die alleinige Aufgabe der Diskurslinguistik“ sein soll (Warnke/Spitzmüller 2008b: 22). Die Aufgabe der performanzorientierten Diskurslinguistik besteht in der Beschreibung sprachlicher Oberflächenphänomene (Warnke 2007b: 13). Es geht hier um die „Strukturierung kognitiver Schemata in Äußerungsroutinen“, um die „Beschreibung von Wissensarchitekturen“, etwa die „RekonstruktionRekonstruktion des Identitätsdiskurses“, immer auf der Suche nach sprachlichen Mustern (vgl. Warnke/Spitzmüller 2008b: 22). Warnke und Spitzmüller stellen ein Ebenenmodell vor (Diskurslinguistische Mehr-Ebenen-Analyse, DIMEAN), das weniger ein Leitfaden für die Durchführung einer Diskursanalyse ist, als vielmehr dabei helfen soll, diskurslinguistische Gegenstände erst einmal zu finden bzw. abzugrenzen. Das Modell besteht aus einer intratextuellen (u.a. Analyse der Mikro- und Makrostruktur des Textes), einer Akteurs- (Analyse der Handelnden hinter dem Text) und einer transtextuellen Ebene (diskursorientierte Analyse). Die transtextuelle Ebene ist die eigentliche Ebene, auf der Diskursanalyse stattfindet, auch wenn dieser die Analyse der beiden anderen Ebenen vorausgehen muss. Dabei gibt es zahlreiche Möglichkeiten bzw. Gegenstände diskursorientierter Analysen: Intertextualität, Schemata (Frames/Scripts), diskursschematische Grundfiguren, Topoi, Sozialsymbolik, indexikalische Ordnungen, Historizität, Ideologien/MentalitätenIdeologie (s. a. Welt- und Wertvorstellungen), allgemeine gesellschaftliche und politische Debatten. Die verschiedenen Aufsätze des Sammelbandes von Warnke und Spitzmüller widmen sich einigen dieser diskursanalytischen Gegenstände (vgl. Warnke/Spitzmüller 2008b: 23–43).

Der deskriptiven Diskurslinguistik stehen die inzwischen zahlreich gewordenen Spielarten der KDA bzw. CDA gegenüber, die sich in ihrem theoretischen Unterbau, ihrer Methodologie und ihren Forschungsschwerpunkten unterscheiden, aber ein gemeinsames Ziel verfolgen: Egal ob die Duisburger Schule um Siegfried Jäger, die Wiener Schule um Ruth Wodak oder die englische Variante um Norman Fairclough (ein Vorreiter in dieser Hinsicht ist auch der Niederländer Teun van Dijk) – das erklärte Anliegen ist es, Machtstrukturen aufzudecken und Gesellschaftskritik zu üben. Manche Varianten wollen auch dezidiert die Gesellschaft verändern; bei diesen liegt das Ergebnis der DiskursanalyseDiskursanalyse in „Verbesserungsvorschlägen“.2

Nach Jäger (2009: 25) ist DiskursanalyseDiskursanalyse im Grunde per se kritisch, weil sie „verdeckte Strukturen sichtbar macht (die man dann kritisieren kann oder auch nicht)“. Doch „kritisch“ im engeren Sinn wird sie erst, „wenn sie mit begründeten moralisch-ethischen Überlegungen gekoppelt wird“. Die Kritische Diskursanalyse nach Jäger (vgl. Jäger 2010a: 34) widmet sich gesellschaftspolitischen Themen wie Migration, Rassismus, Rechtsextremimus, Krieg und Frieden, Kriminalität u.a. Der Wiener (diskurs-historische) Ansatz „lehnt die Vorstellung ‚wertneutraler Wissenschaft‘ ab, versteht sich also als ‚anti-objektivistisch‘“ (Reisigl 2007, Absatznr. 17), und untersucht die Zusammenhänge zwischen Sprache, Diskurs und Geschichte, zwischen Geschichte, Politik und Sprache oder Diskurs, Sprache und Identität oder auch institutioneller Kommunikation. Dabei werden Themen behandelt wie Nationalsozialismus, Antisemitismus, Rassismus, sexistischer Sprachgebrauch, nationale Identitätskonstruktion oder auch Identitätskonstruktion in der EU (vgl. Reisigl 2007).

Für die Analyse in der vorliegenden Arbeit wurde die Methode der Kritischen DiskursanalyseDiskursanalyse nach Jäger gewählt, deren zentrale Eckpunkte im folgenden Abschnitt abgesteckt werden.

Die katholische Kirche im Pressediskurs

Подняться наверх