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4.2 Aktuelle Tendenzen der Pressetextsorten-Entwicklung

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Die Pressetextsorten, die hier so prototypisch beschrieben werden, sind in der Praxis in vielen Mischformen anzutreffen. Aktuell tendieren die Textsorten immer mehr dazu, sich zu vermischen, so dass nach Burger (2005: 224) „in allen Medien heute nicht mehr klar zu unterscheiden ist zwischen ‚informationsbetonten‘Pressetextsorten, informationsbetonteund ‚meinungsbetonten‘Pressetextsorten, meinungsbetonte Texten, insbesondere zwischen Bericht und Kommentar“Kommentar. Auch Straßner stellt eine derartige Tendenz fest:

„Wird das von den Alliierten oktroyierte Gebot der Trennung von Fakten und Meinung in der Berichterstattung der großen Politik, Wirtschaft etc. schon weitgehend ignoriert, so verschwindet es quer durch die Sparten, um im Feuilleton völlig aufgehoben zu werden. Berichte über Kulturereignisse enthalten fast immer explizite WertungenBewertung, explizite.“ (Straßner 2000: 35)

„Die Fakten- und Meinungstrennung ist ebenfalls aufgehoben bei Hintergrundsberichten, bei denen die Aktualität zurücktritt, um einem ausführlichen Erwägen der Gründe für ein Ereignis und dessen Folgen Raum zu lassen.“ (Straßner 2000: 38)

Nichtsdestoweniger wird in journalistischen Handbüchern immer noch die Trennung zwischen dem sachlichen, neutralen Bericht und dem subjektiven, meinungsbetonten KommentarKommentar gefordert – eine unsinnige Forderung, wie bereits Bucher 1986 feststellt: Es sei eine Fiktion, über etwas zu berichten, ohne dazu einen Standpunkt zu haben (vgl. Bucher 1986, zitiert nach Burger 2005: 224). Es gibt keine reinen Faktendarstellungen.

„Wenn im Journalismus dennoch weitherum noch die Trennungsnorm vertreten wird, dann ist das gemeint als eine Frage der Gewichtung, auch der formalen Gestaltung. Im KommentarKommentar wird explizitBewertung, explizite die persönliche Meinung des namentlich Unterzeichnenden erkennbar, und der Kommentar bedient sich anderer stilistischer Mittel als der Bericht.“ (Burger 2005: 225)

Die Vermischung der Textsorten scheint in der Boulevardpresse stärker zu sein als in der Qualitätspresse. In vielen Tageszeitungen wird die Trennung zwischen Bericht und KommentarKommentar weiterhin kultiviert und auch grafisch gekennzeichnet. Dennoch nehmen „auch in den Zeitungen, die formal die Trennungsnorm klar befolgen, die Berichte immer mehr den Charakter von Mischformen [an]“ (Burger 2005: 225).

Die Entwicklung der Pressetextsorten ist geprägt von der Konkurrenz von Qualitäts- und Boulevardpresse einerseits und von der Konkurrenz mit den elektronischen Medien andererseits (vgl. Burger 2005: 206). So ist eine Tendenz der Pressetexte hin zu Multi-Texten oder Cluster-Texten zu registrieren, die Ähnlichkeiten mit den Hypertexten der elektronischen Medien aufweisen. Pressetexte werden zunehmend multimedial und enthalten neben Texten auch Fotos und Grafiken. Dabei können Fotos ähnliche Funktionen wie Texte haben und beispielsweise wertende Botschaften enthalten, die jedoch oft unbemerkt bleiben (vgl. Burger 2005: 232; siehe dazu auch BildanalyseBildanalyse der vorliegenden Arbeit in Abschnitt 12).

Außerdem wird die Linearität von Pressetexten (in der MeldungMeldung perfektioniert) immer mehr aufgebrochen. Texte werden nicht mehr von vorne nach hinten, sondern nicht-linear gelesen. Die traditionelle Struktur des komplexen Lang-Textes wird aufgelöst in ein Cluster von zusammenwirkenden einzelnen Teil-Texten: Modular aufgebaute Kurz-Texte verbinden sich mit Infografiken und Fotos (vgl. Burger 2005: 233). Nichtsdestoweniger ergeben die verschiedenen Bausteine dank verbaler und optischer Strategien ein Ganzes (vgl. Burger 2005: 236):

„Vom Rezipienten her gesehen ist das Produkt, der TEXT, ein Angebot, bei dem er sich beliebig ‚bedienen‘ kann. Dadurch wird der Rezipient definitiv von der ‚Ganzlektüre‘ eines Textes weggeführt hin zu einer selektiven Lektüre, die sich die für die individuellen Interessen geeigneten Teil-Texte herausgreift. Aus der Perspektive der elektronischen Hypertext-Struktur ist hier ein zumindest analoges Rezeptionsverhalten des Zeitungslesers angestrebt: Der Leser stellt sich ‚interaktiv‘ seinen eigenen individuellen Text zusammen, jeder einzelne Leser folgt dem eigenen individuellen ‚Lesepfad‘.“ (Burger 2005: 237).

Sprachlich ist eine Verschiebung des Verhältnisses Mündlichkeit und Schriftlichkeit hin zur Mündlichkeit festzustellen (siehe dazu auch Abschnitt 3.1.2).

„Zwar beharren zahlreiche Textsorten der Abonnementpresse noch auf Schreibweisen, die stark an der Schriftlichkeit orientiert sind (insbesondere die auf Agenturmaterial basierenden Texte), doch ist in der Boulevardpresse und vielen Sektoren der sonstigen Presse eine zunehmende Hinwendung zu stärker oralen Formen zu registrieren.“ (Burger 2005: 206).

Für Österreich stellt Burger – im Gegensatz zu Deutschland – außerdem eine „Homogenisierung des Pressestils in Richtung Boulevardpresse“ fest (Burger 2005: 207).

Die katholische Kirche im Pressediskurs

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