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3.1.1 Mediale Kommunikationsbedingungen

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Nach Sager (2001: 202) ist die Linguistik „die Wissenschaft von der medialen Kommunikation“. Dieses „medial“ versteht er weder als „massenmedial“ noch als „materielle Trägersubstanz“, sondern plädiert für einen differenzierteren Medienbegriff (vgl. 2001: 202f. und 207). Medien sind als ein „vermittelndes Mittleres“ nicht nur Informationsträger, sondern auch „eine konstruierend konstitutive Instanz“. Darunter ist zu verstehen, dass Medien auch Wirklichkeit bzw. Wirklichkeitszugänge schaffen (siehe dazu Abschnitt 2.4.1). „In diesem Sinne bietet das MediumMedium immer mehr als die bloße Aussage über die Welt“ (Sager 2001: 207). Der linguistische Forschungsgegenstand birgt mediale Kommunikation in allen Formen, „die eine Gemeinschaftsherstellung über thematische Einlassungen darstellen“ (Sager 2001: 208). Sager versucht die Vielfalt der Formen bzw. Medien zu entflechten, sie nach bestimmten Kriterien zu klassifizieren und damit den linguistischen Kommunikationsbegriff bzw. die Kommunikationsbedingungen zu erhellen (vgl. 2001: 222). Er unterscheidet nach:

 Medientypen: (1) performative (vorführende, vor Ort rezipierte) Medien (z.B. gesprochene bzw. geschriebene Sprache, Gestik, Rauchsignale) und (2) deponierte (abgelegte, zur Verfügung stehende) Medien (z.B. Zeitung, Plakat, Film) (vgl. 2001: 212f.);

 Medienstufen: (1) Organisationsmedien (hinsichtlich der Presse wäre dies der Verlag), (2) Distributionsmedien (Zeitung), (3) Präsentationsmedien (TextMedientext, Grafik, Foto) und (4) Signifikationsmedien (gesprochene oder geschriebene Sprache, Piktografie) (vgl. 2001: 217f.);

 Mediendimensionen: (1) Medienstatus (Zeitung: technische Hervorbringung – Druck), (2) Medienzugang (Zeitung: vermittelter Zugriff – Papier), (3) Medienausrichtung (Zeitung: hauptsächlich monologische Wirkrichtung – ohne Reaktionsmöglichkeit), (4) Präsentationsart (Zeitung: mobiler Rezeptionsraum – transportabel), (5) Präsentationsform (Zeitung: deponierte materielle Manifestation des Mediums – als statische Konfiguration zur Rezeption abgelegt), (6) Rezeptionsart (Zeitung: manifeste Organisation des Rezeptionsvorgangs – ortsfester Rezeptionsvorgang, Bewegung nicht notwendig), (7) Rezeptionsform (Zeitung: linearer und flächiger Abtastprozess des Rezipienten – eindimensionaler TextMedientext, zweidimensionales Bild), (8) Zeitverhältnis (Zeitung: zeitliche Relation zwischen Produktion, Vorführung und Rezeption – zeitversetzte Produktion und Rezeption der Zeitung) (vgl. 2001: 221).

Die Sprache eines Mediums passt sich seinem Typ, seiner jeweiligen Stufe sowie seinen verschiedenen Dimensionen an.

Weitere medienspezifische bzw. institutionelle Kommunikationsbedingungen, die die Sprache der Medien beeinflussen und die „für eine sprachwissenschaftliche Analyse der Medienkommunikation […] von Bedeutung“ sind, sind bei Bucher angeführt (1999a: 216):

 Mehrfachautorenschaft: Pressetexte haben eine „mehrschichtige Urheberschaft“, indem sie verschiedene Quellen aufweisen (Agenturmeldungen, Dokumente, Texte, Äußerungen, Bilder von Agenturen, Pressefotografen, Privatpersonen u.a.). Weiters werden Artikel oft mehrfach überarbeitet und formatiert (vgl. 1999a: 216).Kommentar

 Mehrfachadressierung: Die Zielgruppe von Medientexten ist sehr breit gefächert. Im Fernsehen spricht man bei manchen Angeboten von inneren und äußeren Kommunikationskreisen. Teilnehmer des inneren Kommunikationskreises einer Talk-Show wären der Moderator, die eingeladen Gäste sowie das Live-Publikum. Teilnehmer des äußeren Kommunikationskreises wären die Zuseher zu Hause. In der Zeitung zeigt sich die Mehrfachadressierung beispielsweise in der Leseransprache im Editorial; implizitBewertung, implizite auch „in der thematischen Differenzierung des Medienangebots nach Themen, Ressorts, Darstellungsformen sowie in den verschiedenen Orientierungshilfen, die eine selektive Mediennutzung unterstützen sollen“ (1999a: 217). Bei Burger findet man hier den Terminus „diachrone Intertextualität“, d.h., der MedientextMedientext bezieht sich auf vorhergehende Texte, z.B. Agenturtexte, Gespräche usw. (vgl. 2005: 72–89).1TextsortePressetextsorten

 Präsentierte Kommunikation:Mediensprache (s. a. Pressesprache) Die technische Übertragung der medialen Kommunikation wirkt ebenfalls auf die Mediensprache ein. Pressetexte werden im Rahmen der Möglichkeiten des Mediums „Papier“ erstellt und in ihrer Darstellungsform und Länge an die Layout-Vorgaben angepasst (vgl. Bucher 1999a: 217f.).

Daneben formuliert Bucher (1999a: 218f.) sechs medienspezifische Kommunikationszusammenhänge:

 Redaktionelle Kommunikationszusammenhänge: In der Presse wirkt die Art der Recherche, der Produktionsbedingungen oder der NachrichtenselektionNachrichtenselektion auf die verwendete Sprache ein.

 Periodische Kommunikationszusammenhänge: Die Erscheinungsperiodizität des Mediums beeinflusst die Themenentwicklung und die zum Einsatz kommenden Textsorten; z.B. sind in Tageszeitungen im Vergleich zu Wochen- und Monatszeitschriften nur wenige Hintergrundreportagen zu finden.

 Konstellative Kommunikationszusammenhänge: Herausgebildete Konstellationsformen wie Bericht-Kommentar-Sequenzen, Abfolgen von Ankündigungs- oder Aufmachungsmeldung und Vertiefungsbericht; modulare Clustertypen aus Berichten, InterviewsInterview, Hintergrunddatenkästen, Bildern oder Grafiken erbringen im Rahmen eines Informationsangebotes verschiedene Informationsleistungen und ermöglichen den RezipientInnen eine selektive Lektüre.

 Dialogische Kommunikationszusammenhänge: Dazu gehören in der Presse InterviewsInterview oder dialogische Sequenzen monologischer Beiträge mit Anknüpfungs- oder Wiederaufnahmeäußerungen (z.B. Gegendarstellungen oder Kommentar-Gegenkommentar-Sequenzen).

 Intermediale Kommunikationszusammenhänge: Medien stehen nicht isoliert da, sondern sind Teil eines Mediengeflechts bzw. Teil der öffentlichen Kommunikation; Medien beeinflussen sich gegenseitig, Themen werden bestimmt, übernommen usw.

 Anschlusskommunikationen der RezipientInnen: Reaktionen der RezipientInnen auf Medienbeiträge, z.B. in Form von Leserbriefen, geben Aufschluss über ihre Themendeutungen, ihre Wissenserweiterung oder ihre Qualitätsansprüche.

Neben diesen Strukturen beschreibt Bucher (vgl. 1999a: 219–222) vier Organisationsprinzipien von Medientexten, die gleichzeitig verschiedene sprachwissenschaftliche Forschungsfelder repräsentieren:

 Sequenzmuster und Darstellungsformen: Journalistische Handlungen folgen einer bestimmten Abfolge, so etwa in Form verschiedener Pressetextsorten, in Form modularer Cluster verschiedener Texte und Bilder oder in bestimmten sprachlichen oder auch bildlichen Mitteln (in Kommentaren kommen z.B. bestimmte Argumentations- und Bewertungsmuster vor.

 Sprachliche Ausdrücke und Äußerungsformen: Die sprachlichen Mittel der verschiedenen sprachlichen Ebenen (Lexik, Syntax, Stilistik) hängen von der jeweiligen journalistischen Aufgabe, vom jeweils abzuhandelnden Thema bzw. vom jeweiligen Verwendungszusammenhang und damit von der jeweiligen Funktion der Aussage oder des Medientextes ab. Will sich ein Journalist vom Berichteten abgrenzen, kann er dies mithilfe syntaktischer Mittel (z.B. Konjunktiv, Modalverben) ausdrücken. Will er Informationsschwerpunkte setzen, markiert er dies mithilfe der Wortstellung. Besonders augenscheinlich sind die syntaktischen und lexikalischen Mittel der Schlagzeilen (Nominalisierungen, Ellipsen, Metaphern, Komposita), die mehrere Funktionen erfüllen sollen. Auch je nach journalistischer Aufmachungsform wird auf andere sprachliche Mittel zurückgegriffen: In Kommentaren werden verstärkt Konjunktiv, Adjektive und Modalverben verwendet.

 Wissensaufbau und Wissenskonstellation: Texte werden verfasst, indem bestimmtes Wissen bei den RezipientInnen vorausgesetzt wird (ersichtlich z.B. an Hintergrundinformationen in zusätzlichen Infokästen; oder an ironischen Formulierungen, die nur auf Basis eines gemeinsamen Wissens von Journalist und Rezipient verstanden werden können). Auch das Verständnis von Texten hängt vom Wissensstand der RezipientInnen ab und kann daher unterschiedlich sein. Die Zielgruppenorientierung einer Tageszeitung kann rekonstruiert werden, indem das vorausgesetzte Wissen analysiert wird. Innerhalb einer Tageszeitung kann z.B. ein Kommentar auf dem in einem Bericht vermittelten Wissen aufbauen.

 Thematische Strukturen: Aufschlussreich ist die Analyse der thematischen Strukturen eines Mediums (behandelte Themen, Themenprofile, Themenkarrieren, thematische Schwerpunkte, Textgestaltung im Sinne des Themenmanagements, z.B. durch Überschriften, Vorspann, Anreißermeldungen, Inhaltsverzeichnisse, Themenüberblicke …).

 Strategische Prinzipien und Informationspolitik: Nicht zuletzt verfolgt jedes MediumMedium eine gewisse Informationspolitik, um ein bestimmtes Informationsziel zu erreichen. Das ist erkennbar an der thematischen Struktur (welche Themenbereiche oder Sichtweisen werden ausgeblendet?), an gleichgerichteten Kommentaren bzw. BewertungenBewertung, aber auch an textsortenspezifischen Aufbaumustern (z.B. Prinzip der umgekehrten Pyramide des Berichts). Hierher gehört wohl auch die Trennung zwischen Bericht und Kommentar oder die Vorliebe einer Zeitung für bestimmte Textsorten (z.B. ReportagenReportage in Aujourd’hui en France, siehe Abschnitt 10.4.2)Pressesprache (s. a. Mediensprache).

Dieser Abschnitt hat gezeigt, wie viele verschiedene Faktoren auf die Sprachverwendung in den Medien einwirken. Die Komplexität der Einflussfaktoren bedingt auch die Komplexität der Mediensprache. Es kann daher allenfalls die Rede von Tendenzen der Sprache eines Mediums bzw. einer Textsorte eines Mediums sein. So auch, wenn es um die Besonderheiten der Pressesprache geht.

Die katholische Kirche im Pressediskurs

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