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2Weibliche Konstruktion heute

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In unseren Tagen haben sich die Debatten in neuer Weise entfaltet, der Einzug der Frauen in die kulturellen, wissenschaftlichen und politischen Institutionen bleibt nicht ohne Folge.

Als Werk von nachhaltiger Wirkung sei hier Judith Butlers „Das Unbehagen der Geschlechter“ herausgegriffen. Butler verwendet den Begriff der Performativität ähnlich wie John L. Austin, der Sprache auch von der Seite des Sprachhandelns untersucht hat. Er bezeichnete Sprechakte als „performative“ Sprechakte, die das, was sie benennen, gleichzeitig in Kraft setzen. Worte als „performative Akte“ beschreiben nicht in erster Linie, sondern vollziehen und stellen Wirklichkeit her: „Ich erkläre euch zu Mann und Frau.“ ist ein explizit performativer Sprechakt, man kann jedoch auch Sätze wie den Satz „Der Animismus ist tot“ als performatives Sprachhandeln begreifen. Sprache erzeugt und konstruiert demnach Wirklichkeit, wie z. B. die Aussage „Es ist ein Junge“ einem bezeichneten Körper eine Kategorie wie etwa Geschlecht zuordnet. Performativität erzeugt durch das wiederholte Zitieren von Normen und durch Berufung auf Autorität, bzw. durch die wechselseitige Verstärkung innerhalb einer Gruppe die Wirkung von Materialität, und kann daher nicht als einzelner, absichtsvoller Akt verstanden werden, sondern vielmehr als eine sich ständig wiederholende und zitierende Praxis. Auf dieses machtvolle Sprachhandeln auch im persönlichen engen Bereich werde ich später noch zurückkommen.

Laut Butler erzeugen Sprechakte durch diese Praxis des Sprachhandelns eine Wirklichkeit, verschleiern gleichzeitig aber ihre Geschichtlichkeit und ihren Bezug auf Konvention.

In ihrem Buch „Das Unbehagen der Geschlechter“ meint Judith Butler, dass Frauen nicht als Gruppe mit gemeinsamen Merkmalen und Interessen anzusehen sind, da ethnische, kulturelle, klassenspezifische Differenzen zwischen Frauen von übergeordneter Bedeutung wären, was sicher teilweise wichtig ist. Außerdem wäre das binäre System männlich-weiblich ein Konstrukt, das die Auffassungen des Patriarchats verfestige. Dem stünden die feministischen Forderungen nach Gleichheit grundsätzlich entgegen. Sie versteht also die Zuschreibung von männlich und weiblich als performative Akte, die Materialität erst durch die Machtverhältnisse im Patriarchat erhielten, beruft sich auf prinzipielle Gleichheit über das kulturgeschichtlich geformte ‚gender’ hinaus bis in das biologische Geschlecht „sex“ hinein und macht dem Feminismus den Vorwurf, unter Berufung auf ein besonderes Weibliches die patriarchalen Begriffe zu übernehmen, umzukehren und zu verhärten. Butler formuliert also, dass Körper durch die Macht genormter, stets wiederholter, intensiver Sprechakte performativ erzeugt wurden und werden. Sie fragt sich, wie ein Körper, eine Identität oder ein Subjekt besondere Bedeutung erlangen kann, das Andere dabei jedoch ausschließt. Butler meint, dass Ursache dafür eine gesellschaftliche Vorstellungsmatrix sei, die von binärer Körperdifferenz ausgeht. Die Unterwerfung unter diese verlange, dass andere, nicht einzuordnende Formen von Körpern verworfen werden. Das Verworfene seien nicht lebbare Möglichkeiten des sozialen Lebens, die aufgrund ihrer Ausschließung das Subjekt konstituierten. Zurückgewiesene, nicht lebbare Körper würden zur Bedingung derjenigen, „die sich mit der Materialisierung der Norm als Körper qualifizieren, die ins Gewicht fallen.“ (Körper von Gewicht, S. 40) Was an machtvollen Interventionsmöglichkeiten bliebe, sei Performativität als die Macht des Diskurses, Wirkungen durch ständiges Wiederholen hervorzurufen. Real betreibt sie dieses Intervenieren als radikale Dekonstruktion des Gegensatzpaares männlich-weiblich an und für sich.

Kritikerinnen wie Seyla Benhabib dagegen postulieren, das weibliche Selbstgefühl sei viel zu wenig entfaltet, als dass eine solche Position wahrhaft wirksam werden könnte.

Gegen die Theorie Butlers möchte ich einbringen, dass die menschliche wie schon die tierische Gesellschaft auf zweigeschlechtlicher Fortpflanzung beruht. Es ist anzuerkennen, dass an der Erschaffung von Nachwuchs nicht nur ein Körper, sondern zwei voneinander unterschiedliche Körper beteiligt sind. Meiner Meinung nach muss Gender nicht rigid, sondern fließend gedacht werden. Wären die Gendergrenzen durchlässiger, wären Geschlechtsumwandlungen nicht nötig, da dadurch die Anerkennung der Anatomie als Schicksal erfolgt.

Im Wesentlichen bewegt sich die Debatte heute weiterhin im Widerstreit von Egalitätstheorem(Gleichheit von Mann und Frau) und dem auf Geschichte zurückgreifenden Differenztheorem (Unterschied zwischen Mann und Frau). Für mich ist klar, dass beides richtig ist. Einerseits gibt es selbstverständlich die Gleichheit zwischen Mann und Frau als Menschen, aber mit unterschiedlicher Geschichte und andererseits gibt es ihre Unterschiedlichkeit als Geschlechtswesen, die für die Reproduktion der Gattung sorgen. Das Problem in der Geschichte des Feminismus mit der Theorie von der Verschiedenheit der Geschlechter beruht darauf, dass vielfach daraus eine Diskriminierung der Frau erfolgt ist. Aber nicht hierarchisierend …“kann man sehr wohl die wirklichen Besonderheiten jedes Geschlechtes anerkennen, ohne deswegen zuzulassen, dass diese Unterscheidung automatisch zur Ungleichheit und zur Diskriminierung im Bereich von Status und Rolle führen.“(Thibault in: Sullerot/Thibault, a.a.O., S.225)

Neu ist, dass die Debatte um den Begriff der Geschlechterdifferenz weit auszugreifen beginnt und sich mit der Frage nach dem Naturbegriff, der Frage nach dem Begriff des Anderen, sowie mit der Frage nach dem Begriff des Subjekts verknüpft, wie dies in der männlich dominierten Geschichte der Philosophie schon seit der Antike der Fall ist.


Frauen und ihr Erbe

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