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III. Das Ende der Convivencia von Christen, Juden und Muslimen Zwei Modelle von Religionspolitik
ОглавлениеWestgotisches Modell
Aus der spanischen Geschichte standen den Katholischen Königen zwei Modelle für den Umgang mit religiösen Minderheiten zur Verfügung: das katholisch-westgotische und das islamische. Das erste Modell wurde nach der Bekehrung Königs Rekared zum katholischen Glauben 589 beim III. Konzil von Toledo praktiziert und ist im Liber Iudiciorum (654) enthalten. Die Juden werden als Untertanen christlicher Fürsten betrachtet, gegen die Kirche und Krone Zwangsgesetze erlassen können. Dazu gehörten auch die Vertreibung der bekehrungsunwilligen Juden sowie die strenge Kontrolle der Bekehrten, die für immer im Schoße der Kirche bleiben sollten.
Islamisches Modell
Mit den Arabern kommt 711 das islamische Modell nach Spanien. Zur Erklärung der Expansion des Islam innerhalb eines Jahrhunderts von Südfrankreich bis an die zentralasiatischen Grenzen Chinas dient neben religiösen und politischen Gründen gewiss auch das kluge Vorgehen der Eroberer. Juden und Christen wurden „toleriert“, sofern sie sich der islamischen Herrschaft vertraglich unterwarfen, die Grund- und Kopfsteuern zahlten und bestimmte Einschränkungen in Kauf nahmen, wie etwa den Verzicht auf missionarische Expansion, auf den Bau neuer Kulthäuser und den Aufbau neuer Strukturen. Bei Mischehen hatte die Religion des muslimischen Teils Vorrang. Wenn in einer jüdischen oder christlichen Ehe ein Teil zum Islam konvertierte, konnte diese aufgelöst werden. Bekehrungen aus dem Islam zum Christentum oder Judentum wurden als Apostasie, als Abfallen vom Glauben, mit dem Tod bestraft. Im Übrigen konnten Christen und Juden in eigenen Quartieren leben und sich weitgehend selbst verwalten, sofern sie mit dem islamischen Recht nicht in Konflikt gerieten. Dieses Modell ist zwar nicht frei von Spannungen (viele Juden und Christen haben immer wieder das islamische Spanien verlassen, weil sie sich dennoch eingeschränkt fühlten), stellt aber einen religionsrechtlichen Fortschritt gegenüber dem westgotischen Modell dar und erlaubt die Gestaltung einer asymmetrischen plurireligiösen Gesellschaft mit einer dominierenden Staatsreligion und zwei geduldeten Religionen.
Spanien als Sonderfall
Mit der Eroberung Toledos 1085 übernimmt der kastilische König Alfons VI. (1072–1109) das islamische und nicht das westgotische Modell. So können vom Ende des 11. bis Ende des 13. Jahrhunderts christliche Könige in Kastilien und Aragón einen Teil der muslimischen Bevölkerung halten und vom jüdischen Exodus aus dem Spanien der Almoraviden und Almohaden oder aus dem Europa der Kreuzfahrerzeit profitieren. Der Kodex Las Siete Partidas, entstanden unter Alfons X., nennt Synagogen und Moscheen „Häuser des Gebets“, die unter dem Schutz der Krone stehen, und begrüßt die freiwilligen Bekehrungen zum Christentum beim gleichzeitigen Verbot von Zwangsbekehrungen. Es geht darum, wie Juden und Muslime „unter Christen zu leben haben“, was ihnen dabei erlaubt und verboten sei, denn das Zusammenleben sei zu eng geworden. Aus diesem Grund markieren einige Gesetze die Grenzen des Zusammenlebens deutlich (Verbot von gegenseitigen Hausbesuchen, von gemeinsamem Baden, von christlichen Hausmägden und -knechten in den Häusern von Juden und Muslimen). Auf dieser Grundlage wird das christliche Spanien des Hochund Spätmittelalters zu einem Sonderfall im damaligen Europa. Während andere Länder im Schatten des Kreuzfahrergeistes dabei sind, sich der Juden zu entledigen (1290 werden sie aus England vertrieben, 1394 aus Frankreich) und kaum Muslime unter sich kennen, leben im christlichen Spanien Juden, Muslime und Christen in enger Nachbarschaft, und die Christen übernehmen dabei vieles von der orientalischen Lebensart. Es ist das Zeitalter, für das Américo Castro von der Convivencia (Zusammenleben) der drei Kulturen und Religionen spricht. Diese soziale Ordnung gilt diesseits der Pyrenäen als skandalös. Die hispani werden an den europäischen Höfen und in Rom als schlechte Christen, eine Mischung aus Juden, Christen und Mauren betrachtet.
Ende des 15. Jahrhunderts stehen die Katholischen Könige vor der Alternative, für ihre Religionspolitik das restriktive westgotische oder das tolerantere islamische Modell zu wählen. Sie werden zwischen beiden schwanken, bis sie sich ab 1502 ganz für das westgotische entscheiden.