Читать книгу Unerfüllte Träume einer jungen Liebe - Marie-Claire de Bergér - Страница 25

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Eine Bergtour zum Munt Pers

Die beiden hatten ihre Bergsteigerkluft angezogen. Diether nahm außerdem einige Reepschnüre mit und sie zogen für alle Fälle einen Klettergurt an. Dabei befestigte Diether bei Ulli und sich selbst einen Schraubkarabiner. Sie nahmen auch die Skistöcke von Urs mit, denn damit konnten sie besser über den Felsenweg aufsteigen.

Beide traten ins helle Morgenlicht. Wie ein Silberberg sah der eisgepanzerte Piz Palü mit seinen drei gipfelartigen Pfeilern in der Morgenhelle aus. Ein wahres Eldorado für den Kletterer Diether. Uschi schaute ihn mit liebevollem Blick an, den er ebenso zärtlich erwiderte. Als ob er sagen wollte: „Schau Schatz, dafür lohnt es sich, auf diese Bergspitzen zu klettern, und das ist der Grund, warum ich es tue.“

„Kleines, was hältst du vom Biancograt am Piz Bernina?“, fragte er sie nun aufmunternd. Uschi schaute auf diese ausgeprägte Himmelsleiter, wie ihr Bergkamerad aus München diesen Grat respektvoll betitelte, ehe sie Diether eine Antwort gab. „Wenn ich mit dir dort hinaufsteigen sollte, dann nur mit Urs als Bergführer. Denn der kennt den Grat wie seine Westentasche. Außerdem ist er Heeresbergführer der Schweizer Armee.“

Da ihr Weg zwischen Talstation und dem oberen Berninatal lag, das heißt in der Nähe des Diavolezza-Sees, stiegen sie zu Fuß auf dem parallel laufenden Steig in einer Dreiviertelstunde zur Diavolezza-Hütte auf. Der Aufstiegsweg, der im oberen Teil stellenweise über Firn führte, war riskant, deswegen auch die Mitnahme der Reepschnüre. Den Pickel hatte Diether wohlweislich am Rucksack festgemacht, falls dieser Weg ihnen gefährlich werden sollte. Die Höhe betrug hier oben an der Diavolezza-Hütte stolze 2973 Meter. Von dort folgten sie dem gut angelegten Weg. Sie wanderten immer südlich unter dem Grat zum weit zurückliegenden Gipfel des Munt Pers, der 3207 Meter hoch war. Ein grandioser Ausblick! Zwei Stunden lagen hinter ihnen, sie waren oben angelangt. Man schaute auf den Morteratschgletscher und auf die umliegenden Bergriesen. Um eine Zeit lang oben zu verweilen, suchten sie sich einen windgeschützten Platz. „Berg Heil, Uschilein“, „Berg Heil, Dietherle“, wünschten sie sich gegenseitig. Und dann bekam er seinen wohlverdienten Gipfelkuss.

Der Munt Pers war ein Aussichtsbalkon für das Morteratschgebiet. Man hatte den schönsten Ausblick in den nahen Tschierva-Kessel und sah den Piz Tschierva, einen Gipfel, den man ohne große Schwierigkeiten besteigen konnte. Uschi las gerade aus dem Berg- und Kletterführer von Walther Flaig vor und erzählte Diether, was der Autor darin aufgezeichnet hatte. Er bezeichnete die Berninagruppe als Festsaal der Alpen. „Meinst du, Großer, wenn wir einige kleinere Besteigungen in Erwägung ziehen, dass das nicht Training für den Biancograt wäre?“, fragte Uschi nachdenklich.

„Ja, das wird schon so sein, Liebes, denn dies sind ringsumher allesamt Dreitausender, der Piz Bernina ist der einzige Viertausender der Ostalpen. Natürlich wäre das für dich und mich ein absolutes Training für diesen Berggipfel“, erklärte Diether ernst.

Sie packten ihre Sachen zusammen und nahmen Abschied vom Gipfel des Munt Pers. Langsam schritten sie bergab, die Skistöcke waren dabei eine große Hilfe. Nach einer Stunde Gehzeit kamen sie wieder bei der Bergstation der Diavolezza an, weiter verlief der Steig abwärts. So, wie sie heraufgestiegen waren, kehrten sie zur Berghütte zurück. Sie hatten eine wunderbare Bergfahrt erlebt, an die sie sich sicher noch lange erinnern würden.

Frohgemut kamen sie in der Jagdhütte an. Mariele trafen sie in der Diele. Die freute sich, dass die jungen Leute wohlbehalten ihre Tour beendet hatten. Urs kam hinzu und fragte sie, wie ihnen die Route am Munt Pers gefallen habe.

„Man kann sie gut gehen, es ist heuer wenig Schnee dort oben. Und es ist ein großartiger Aussichtsberg in der Berninagruppe“, berichtete Diether.

„Weißt Urs, diese Dreitausender, die hier rundum in dieser Berggruppe stehen, sind ja die reinsten Übungsberge für den Biancograt, meinst du nicht auch?“, fragte Ulli neugierig.

„Da kannst du recht haben, Mädel, denn dieser Grat hat es in sich und man muss eine gute Kondition haben, Prinzessin, um diese lange Route zu bewältigen. Denn nach dem Eisgrat kommt der Gipfel des Piz Bianco zuerst, dann ein Felsengrat, der auf den Piz Bernina führt“, erklärte Urs den aufmerksam zuhörenden jungen Leuten. „Wenn ihr noch mehr über diesen Berg hören wollt, dann erkläre ich euch die Normal-Route auf diesen wunderbaren Gipfel.“

„Wäre schön, wenn du uns etwas mehr darüber berichten würdest, Urs“, bat Diether den Freund.

„Gut, setzt euch mal in Ruhe hin, dann erzähle ich euch Näheres über die Besteigung des einzigen Viertausender der Ostalpen. Meine erste Frage an dich, Diether, warst du schon oben?“

„Nein, bis jetzt bin ich noch nicht auf dem Gipfel gewesen, nur auf den Piz Palü“, erklärte Diether.

Urs fuhr mit seiner Erzählung fort: „Um 3 Uhr morgens geht es mit der Stirnlampe am Helm von der Tschierva-Hütte weg in die Felsen. Es ist besser, so früh am Morgen aufzubrechen. Zu einem späteren Zeitpunkt sind Karawanen von Menschen unterwegs und treten die sonst noch gefrorenen Steine los. Frühmorgens ist noch alles festgefroren und es gibt weniger Steinschlag. Oben in der Scharte der Fuorcla fängt der Grat an, dann steigst du in den Himmel. Unter dem Wächtengrat kletterst du bis zur ersten geraden Stelle, dann wechselt die Gratseite, einmal rechts, dann auf den linken Grat, dann ein erneuter Aufschwung. Es ist ein Auf und Ab bis zum Piz Bianco. Als Nächstes kommt der Felsengrat mit verschiedenen Felstürmchen, manche werden umgangen oder man muss dazwischen durchsteigen. Wieder andere werden umklettert, dahinter begangen oder auch davor überklettert. Geradeso, wie die Route auf den Piz Bernina verläuft, kommt der Gipfel in Sicht, die Luft wird knapper, der Atem wird kürzer, sobald man in die Viertausender-Zone kommt. Dann stehst du plötzlich auf dem Gipfel. Erschöpft, aber glücklich. Es wird eine Pause eingelegt, um neue Energien zu tanken. Du kannst den gleichen Weg zurück, doch wegen der vielen Nachfolger, denen du ausweichen musst, ist es besser, wenn man den leichteren Abstieg über den Spallagrat des Piz Scerscen hinuntersteigt. So kommt man in den Bereich der Marco e Rosa-Hütte. Es ist es am besten, dort einzukehren und ein bis zwei Tage auf dieser Hütte zu übernachten. Dann verkraftet man diese lange Bergtour gesundheitlich besser“, berichtete Urs den beiden, die gespannt zugehört hatten. Nach Abschluss dieser Erzählung läutete das Telefon in Urs Büro. Ärgerlich ob dieser Störung nahm er den Hörer ab und meldete sich: „Hier Leutnant Sutter!“

„Hier ischt Uerli Unterwalden. Urs, wie hätt ihn uffgenommen und mit dem Heli abgefloge zur Air Base nach Pontresina. Er war fescht gefrore, so kalt ischt es oben gewese. Du muscht ihn noch angucke, dann geht’s nunter ins Spital und zum Pathologen in die Pathologie, hoascht verstande?“

„Jo i hab verstande, Uerli, bis gleich uff der Basis, salü!“ Urs legte den Hörer auf und zog seine Uniformjacke an. Er sagte mit einem Kuss Lebewohl zu Mariele, drückte Ulli an sich und gab Diether die Hand. Zuletzt kam Fee an die Reihe und er sagte zu ihr: „Du kannst die drei mit ins Fextal nehmen, die Gefahr ist vorbei!“ Vor Freude küsste ihn Felicitas, sie juchzte laut auf.

„Mei, Urs, was ist passiert?“, ließ sich die Baronin vernehmen.

„Wir bargen einen Toten am Biancograt, der zweite Mann, er wollte mit Sicherheit zur Marco e Rosa-Hütte. Er hat es ohne Hilfsmittel nicht geschafft, deswegen muss ich mich sputen. Uerli holt mich mit dem Heli oben an der Bergstation ab. Wir fliegen erst nach Chur und dann nach Bern ins Hauptquartier, Meldung machen. Mein Schatz, ihr könnt also wirklich alle mit Fee ins Fextal und im Chalet Paradiso die Ferien vollenden. Ihr könnt meinen Landrover nehmen. Wenn ihr dorthin fahrt, bitte die Hütte abschließen und sichern und den Schlüssel mitnehmen. Ist alles klar? Dann gute Fahrt ihr Lieben, salü Schatz, Kusshand Prinzessin, Diether, mach es gut, Fee, pass auf sie auf.“

„Au revoir, mon ami“, rief Felicitas hinter ihm her.

Und fort war er! Er hinterließ ein verdattertes Mariele, eine traurige Uschi und einen erstaunten Diether. Die Gräfin aber war glücklich, dass es zurück ins Tal ging. Dort konnte sie nach Herzenslust ihre Freunde verwöhnen. Diether war perplex über den abrupten Abschied seines neuen Freundes. Mariele bemerkte Diethers Enttäuschung und sprach: „Nun gut, so ist er eben, die Pflicht kommt für ihn immer an erster Stelle. Diether, ich muss Sie nun etwas Wichtiges fragen: Meinen Sie es Ernst mit meinem Patenkind Ursula?“

Diether stand plötzlich auf, schaute die Baronin traurig an und fragte sie: „Wie können Sie mir so eine Frage stellen?“

Uschi schaute ihre Patentante ganz konsterniert an und blickte voller Entsetzen von einem zum anderen. „Warum fragst du das, Mariele?“

„Weil wir alle vier noch heute ins Fextal übersiedeln. Felicitas wird froh sein, wenn sie wieder zu Hause ist. Diether, haben Sie noch Semesterferien?“

„Ja, noch bis Mitte Oktober, dann muss ich zurück nach Wien. Frau Baronin, mein Auto steht immer noch in Chräbel an der Talstation der Rigi Scheidegg.“

„Es wird kein Problem sein, Ihren Wagen hierher zu bekommen. Ich schicke Klaus Andermatten dorthin, der wird den PKW ins Fextal bringen lassen, denn dort dürfen nur Autos hineinfahren, welche einen gültigen Fahrausweis für dieses Tal besitzen. Dort wohnen im Sommer etwa hundert Menschen, die ein Ferienhaus besitzen wie Fee. Sollten Sie aber nicht mitfahren wollen oder können, muss ich annehmen, dass Sie es nicht ernst mit meinem Mündel meinen“, äußerte sich die Baronin.

Diether war schockiert. Dass sie ihn nur auf die Probe stellen wollte, wusste er nicht. Darum antwortete er etwas ärgerlich: „Zweifeln Sie an meiner Ehrlichkeit? Sehe ich aus wie ein Betrüger oder wie ein Schwindler oder vielleicht gar ein Schnorrer, der sich hier nur satt essen wollte? Habe ich mein Wort gebrochen oder habe ich Ulli schlecht behandelt? Bekommen Sie jetzt Gewissensbisse, dass Sie mich eingeladen haben?“

„Sag amoal, Mariele, bist narrisch g’worden, so mit Diether zu reden oder bist du wütend, dass Urs abgehauen ist und zur Einheit zurück musste? Ja Kruzifix, halleluja, was fallt dir denn auf einmal ein, mit meinem zukünftigen Mann so zu reden! Das heißt, wenn er mich nach dieser Anschuldigung überhaupt noch will. Auch wenn ich erst sechzehn Jahre alt bin, weiß ich doch schon, ob ich mit meiner großen Liebe zusammenbleiben will oder net. Du hast wohl vergessen, dass deine liebe Freundin Pia von Hartenstein, meine Mutter, als sie so alt war wie ich jetzt, meinen Vater kennengelernt hat. Das war, so weit ich mich erinnern kann, auch Liebe auf den ersten Blick, das weiß ich von Großmama von Giebel, die mir das alles erzählt hat. Herrschaftszeiten noch amoal, dös musst nun amoal gesagt sein“, schimpfte Uschi empört. Sie stand sogar auf, platzierte sich hinter Diethers Stuhl, legte beide Hände auf seine Schultern und sagte feierlich: „Wir bleiben zusammen, gell, Dietherle, nichts wird uns trennen.“

„Es sei denn, Frau Baronin, mir passiert ein Unglück in den Bergen, dann kann ich mein Versprechen nicht einlösen, denn das ist höhere Gewalt. Mein Wort halte ich trotzdem, wir Bergsteiger haben ja einen besonderen Schutzengel, gell, Schatz“, erklärte er, nahm Ullis Hände und küsste sie zärtlich.

„Ist recht so, das wollte ich nur von euch hören. Ich war nicht besonders nett zu Ihnen, Diether, aber ich habe Sie auf die Probe stellen wollen, um herauszufinden, wie ernst Sie es mit Ursula meinen.“

Diether wurde rot. „S…Sie h…haben mich nur auf die Probe gestellt? Und ich bin darauf reingefallen, dabei hätte ich das eigentlich wissen müssen“, grinste Diether wieder versöhnt. Mariele hatte keinen Zweifel mehr an der Aufrichtigkeit von Diethers Worten.

Unerfüllte Träume einer jungen Liebe

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