Читать книгу Unerfüllte Träume einer jungen Liebe - Marie-Claire de Bergér - Страница 30
Vorbereitungen für den Festabend
Оглавление„Liebe Fee, liebe Freundin meiner Mutz, hast du auch über meine und Diethers Garderobe nachgedacht?“
„Natürlich, meine Kleine, Diether passt in den Smoking meines ersten Mannes Alain, der hatte ungefähr seine Größe. Ich habe alles mitgebracht, du kannst die Abendkleider nacheinander anprobieren.“ Beide gingen in einen kleinen Raum, in dem die Wäsche des Chalets aufbewahrt wurde. Dort hatte die Gräfin acht Gala-Roben auf den Ständer gehängt. Sie war fleißig gewesen und hatte die noch langen Roben auf Ullis Körpergröße kürzen lassen.
„Schau mal, da ist zunächst das royalblaue Kleid, ein himmlisches Etwas, das vorzüglich zu deinen blonden Haaren passt. Hier habe ich eine smaragdgrüne Robe mit Spitzenoberteil, gleichfalls schulterfrei. Ein kleines Schwarzes mit Perlenkette, langen, weißen und schwarzen Handschuhen, das ist très chic. Auch dieses weinrote Samtkleid im Hemdenblusenstil mit Schärpe.“
„Feelein, diese hellblaue Samtbluse mit Stehbundkragen und der schwarze Seidenhosenrock sind wunderbar“, rief Ulli entzückt.
„Dieses Kleid ist was ganz Apartes: ein schwarzes, schulterfreies Abendkleid mit weißem, abgesetzten Seidenoberteil und in Biesen gelegt, sogar mit einer schwarzen Seidenrose zum Anstecken. Nun habe ich hier eine cremefarbene Seidenbluse mit Spitzenstreifen im Tunika-Stil eingefasst, die harmonisiert mit der Seidenhose“, fügte die Gräfin hinzu und lachte über Ursulas erstauntes Gesicht.
„Mein Gott, die sind ja alle so prachtvoll! Wo hast du denn auf die Schnelle all die herrlichen Gesellschaftskleider her?“, fragte Uschi erstaunt.
„Mein liebes Kind, ich war auch einmal so schlank wie du und hatte die gleiche Kleidergröße“, erklärte die Gräfin Bellheim lächelnd. „Doch wenn man älter wird und in die Vierziger kommt, schmeckt das Essen besser und jetzt habe ich leichte Speckröllchen.“
„Aber Felicitas, bei deiner Größe fallen deine gerollten Seitenlendchen gar nicht auf“, sprach Ulli gekonnt entrüstet.
„Du meinst es gut mit mir, chèrie, aber ich bin daran gewöhnt, komme ganz gut damit zurecht“, behauptete Felicitas.
„Sind wir nun fertig?“
„Ich glaube nicht, wir müssen ja noch die Reihenfolge der Abendroben bestimmen. Was für eine Robe du bei welchem Lied anziehen wirst“, bemerkte die Freundin von Ullis Mutter.
Zu jedem Kleid hatte Ulli die passende Stola und lange Abendhandschuhe und zu jedem Lied die passende Garderobe. Es klopfte und Diether trat in die Wäschekammer. Uschi hatte gerade das schulterfreie royalblaue Samtkleid anprobiert. Er erstarrte vor Staunen. „Schatz, in dem Blauen siehst du aus wie ein Engel, das schulterfreie Abendkleid mit der Seidenschärpe und der Stola … darin schaust du einfach umwerfend aus!“, freute sich Diether. In dem Augenblick war er stolz auf seinen kleinen Goldschatz.
Die Gräfin war selbst entzückt über Ursulas Aussehen. „Ich werde dir dann auch beim Make-up behilflich sein“, bemerkte sie.
Ulli probierte der Reihe nach die anderen Roben an und Diether ahnte bereits, wie sehr Uschi in diesen Abendkleidern die Gäste erfreuen würde. Verträumt schaute er sie an und seufzte: „Wie schön du aussiehst!“
„Nun Diether, du musst den Smoking auch anprobieren, damit wir wissen, ob dieser dir auch passt. Sonst müssen wir im Verleih nachfragen. Normalerweise müsste er dich kleiden, Fee meinte ja, der Anzug würde dir passen“, sprach Uschi nachdenklich zu ihm. Er zog den Abendanzug an, die beiden Damen meinten nur: „Superb!“
„Der sitzt gut und ist auch nicht zu eng. Kannst du dich darin bewegen, wenn du am Flügel sitzt und spielst?“, fragte Uschi aufmerksam.
„Alles bestens, sitzt gut und engt auch nicht ein“, meinte er schmunzelnd bei Urschels sorgenvollem Blick.
„Dann haben wir ja alles geklärt“, sagte die Gräfin erleichtert, nahm den Smoking und die dazugehörigen Dinge und begab sich in ihr Boudoir.
Diether und Ulli kleideten sich wieder um und sie fragte: „Meinst du, wir könnten nach dem Abendbrot noch etwas proben? Am besten das Schubertlied, das mir noch nicht so geläufig ist?“
„Warum nicht, je mehr wir üben, desto besser klingt es.“ Nach diesen Worten gingen sie ins Esszimmer. Marie-Theres hatte dort den Tisch für die Abendvesper gedeckt. Jetzt erst bemerkten die zwei, dass ihr Magen knurrte. Sie nahmen das Abendbrot ein und begaben sie sich wieder ins Musikzimmer. „Ihr habt’s aber eilig!“, rief die Baronin hinter ihnen her.
„Ja, liebe Patentante, wir wollen noch etwas üben.“ Und weg waren sie. Diether setzte sich an den Flügel, machte ein paar Fingerübungen und spielte einige Takte des Flohwalzers. Dann spielte er den Schubert an und Uschi sang die Melodie des Ständchens. Dazu schaute sie aufmerksamer in die Noten und merkte sich dadurch die Pausenzeichen. Dadurch verteilte sich der Text, der unter den Noten stand, und so konnte man das Lied besser interpretieren. „So Schatz, du hast jetzt den richtigen Rhythmus des Stückes gefunden. Wahrscheinlich hast du das Ständchen vorher zu langsam gesungen“, lobte Diether sie.
Es klopfte, die Gräfin erschien auf der Bildfläche und erfreute sich sofort an Ursulas Gesang. Freudig klatschte sie Beifall. „Aber warum ich euch störe, ich brauche eine Programmfolge, damit ich weiß, welches Kleid du anziehen musst.“
„Klar, Fee, ich schreibe dir den Ablauf unserer Gesangs- und Klavierdarbietungen auf. Jedes Lied, Klavierstück und Arie, was auch immer, von wem und aus welcher Oper oder Operette, ist dir das recht so?“
„Sehr gut, meine Kleine, wenn du das so für mich auf einen Zettel notierst, dann werde ich bei der Ansage vor dem Mikrofon nichts Falsches ablesen.“
„Wir werden für Ursula und die Gäste auch eine Pause einplanen, und zwar von etwa dreißig Minuten, Frau Gräfin“, betonte Diether. Und während die Gräfin kurz nach draußen entschwand, ergänzte er seine Sorge um Uschi: „Kleines, du musst nämlich an deine Stimme denken, denn die ist ja noch nicht ausgebildet. Dazwischen wirst du immer wieder leichte Stimmübungen einbauen und Flüssigkeit zu dir nehmen. Am besten wäre Champagner, der trocknet den Hals nicht aus.“
„Du sagst es, Schatz, so ein Schluck ist dann auch angebracht“, meinte Ulli schmunzelnd.
„Wäre euch in den kleinen Pausen etwas Champagner recht?“, flötete Fee, die mit einem Tablett in den Musiksalon zurückkehrte.
„Kannst du Gedanken lesen, Fee, darüber haben wir gerade gesprochen, bevor du hereinkamst“, grinste Ulli verschmitzt.
„Eine Frage noch, Frau Gräfin: Haben wir alle Noten?“, ließ Diether verlauten.
„Hier ist der Schlüssel zum Notenschrank, es sind keine Partituren vergessen worden, Diether, die sind alle dort drin.“ Mit diesen Worten überreichte Fee ihm den Schrankschlüssel.
Unterdessen hatte Diether Fee ein großes Blatt gegeben, auf dem er die bereits erwähnten Gesangsstücke notiert hatte. Felicitas warf einen Blick darauf und war begeistert über den Inhalt desselben: „Respekt, mes amies, Respekt, was ihr euch da vorgenommen habt ... Diese Werke sind bemerkenswert und ich glaube, dass der Abend für euch beide unvergesslich werden wird, ebenso für meine Gäste. Aber für Sie, lieber Diether, wird es schwierig, denn Sie haben hier Ihr Herz verloren. Ihre Seele ist halb bei Ulli und halb in Wien. Ich weiß, wovon ich spreche, oh, dieser Herzschmerz! Habe all das selbst erlebt. Wollt ihr überhaupt meine Geschichte hören?“
„Natürlich, Feelein!“, sagte Ulli leise.
„Also, mein Mann Alain war ein Künstler durch und durch, ein begnadeter Pianist ersten Ranges. Heimlich haben wir in Luzern geheiratet, aber ich durfte seinem Werdegang nicht im Wege stehen, so wollten es die Eltern. Ein Wunderkind war er, man nannte ihn den zweiten Liszt. Dann begab er sich auf eine Tournee nach Südamerika und in die US-Staaten.“
„Was war mit dir, Fee?“
„Ach, Ullikind, ich blieb in der Schweiz und kaufte dieses Haus für uns. Ich wollte uns ein Nest bauen, eine Heimat schaffen, wohin er immer zurückkehren konnte. Ich ging dann nach der Matura auf die Hotelfachschule. Damit ich das Hotel meiner Familie übernehmen konnte, weißt du?“
„Du hast Alain nie wieder gesehen?“
„Ab und zu, wenn er in der Schweiz gastierte, dann lebte er mit mir in dieser Villa. Doch Alains Vater, Géneral le Blanc und ein Marquis, gab mir zu verstehen, dass Alains Künstlerlaufbahn vorginge. Er hätte keine Zeit für eine Ehefrau oder gar ein Kind. So sprach sein Papa wütend zu mir. Ich widersprach ihm aufs Heftigste und sagte: Monsieur Marquis, wir sind verh... Da schnitt er mir das Wort ab und meinte: Papperlapapp, ist sicher nicht gültig! Er drehte sich auf seinen Hacken herum und verschwand auf Nimmerwiedersehen“, erzählte die Gräfin traurig und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
„Mein Gott, Fee, das ist ja furchtbar, das tut uns unendlich leid.“
„Zum Glück für mich war in dieser schlimmen Zeit Tobias Aufdenmatten mein Verwalter. Er hat sich rührend um mich und mein Seelenheil gekümmert. Es scherte ihn gar nicht, dass ich eine Gräfin war, nein, im Gegenteil, das war ihm ganz egal. Er liebte mich so, wie ich war. Nach der Annullierung meiner Ehe mit Alain, die vom Marquis ausging, heirateten wir in St. Moritz in unserer Kapelle hier. Nur musste ich wegen des Onkels in Ungarn den Geburtsnamen behalten. Das machte Tobias nichts aus, nur wenn ich etwas Dienstliches oder Dokumentarisches unterschrieb, hatte ich immer mit einem langen Namen zu unterschreiben. Als dann Florian geboren wurde, war unser Glück perfekt.“
„Liebe Fee, das Schicksal hat es besonders gut gemeint mit dir. Aber von der anderen Geschichte mit Alain habe ich nichts gewusst. Mutz und Mariele haben mir nie etwas darüber erzählt.“
„Dies konntest du nicht wissen. Deshalb, Diether, gehen Sie nicht so viel alleine in die Berge, vor allem auf jene, denen sie körperlich nicht gewachsen sind. Es tut auch der jungen Liebe nicht gut, wenn ihr zwei zu lange voneinander getrennt seid. So, Kinder, ich lasse euch allein, ihr müsst noch viel üben. Salut, ihr zwei Hübschen.“ Weg war sie und hinterließ einen sehr nachdenklichen Diether und eine ebenso sorgenvoll dreinblickende Ursula von Giebel.
„Ach, Bub, was wird nur aus uns werden, wenn du nach Wien zurückkehrst?“, schluchzte Ursula laut auf.
„Kimm, Kleines, da werde ich mir schon was einfallen lassen und darüber haben wir bereits gesprochen. Nicht weinen, Schatz. Gib mir einen Kuss, damit du auf andere Gedanken kommst.“ Das tat sie dann auch und schon versiegten ihre Tränen. „So, nun beginnen wir!“
Er schlug ein paar Akkorde an und Uschi begann mit Stimmübungen: die Tonleiter rauf und runter. Dadurch wurde sie lockerer und entkrampfter. Nach ungefähr fünfzehn Minuten tönten Chopins Melodien durch den Raum: In mir klingt ein Lied. Sie sang dieses kleine Liebeslied, das aus einem alten Film stammte, mit einer leichten Grazie in der Stimme, sodass man den Eindruck gewann, in ihr würde wirklich Chopins Weise nachklingen.
Hinter ihr klatschte plötzlich Urs in die Hände und sprach ganz überrascht: „Uschikind, wenn du so singen wirst, liegt dir der Ballsaal im Hotel zu Füßen.“
„Ach, Urs, du bist ein Schmeichler“, meinte sie verschämt. „Aber wenn du zuhören möchtest, dann setz dich hier still auf einen Stuhl und mucks dich nicht, Herr Leutnant!“
„Ich bin ganz brav und lausche dem Gesang“, antwortete Urs. Diether begann aufs Neue und spielte einige Takte des Schubertlieds, das Ulli singen wollte. Er spielte ein kleines Vorspiel, gab Uschi ein Zeichen und sie begann: „Leise flehen meine Lieder …“
Ulli war zum Heulen zumute. „Diether, ich weiß nicht, ob ich das Lied singen werde.“
„Kleines, wenn’s net geht.“ Er stand auf und gab ihr zum Trost ein Busserl. „Wenn du es nicht singen möchtest, wird es aus der Liste gestrichen“, entschied er. „Jetzt machen wir weiter mit Mozart, dann wird es dir leichter ums Herz, mein Schatz! Hast du die Noten?“
„Ja Liebster, habe ich“, murmelte Uschi leise.
„Schlafe, mein Prinzchen, schlaf ein!“ Sie sang dieses Wiegenlied wie eine Mutter, die an der Wiege ihres Kindes saß und diese hin- und herbewegte.
„Kleines, was hältst du davon, wenn die Gräfin uns eine Puppenwiege oder auch eine größere ausleiht? Sie hat so etwas bestimmt auf dem Speicher. Diese Wiege könnten wir auf die Bühne stellen und du hockst dich auf einem Schemel davor und bewegst das Ganze hin und her!“
„Ich werde Fee fragen.“ Nach diesen Vorschlägen spielte Ullis Freund ein paar Takte von Caro mio ben. „Diether, das möchte ich später singen, wir proben zuerst Largo, das ist schwieriger, dieses muss ich gründlicher üben.“
Diether stellte sich die Händelpartitur auf den Klavierständer und begann das Vorspiel. „Nein Schatz, diese Weise brauche ich nicht, nur das eigentliche Lied, okay?“ Er hatte verstanden und Uschi zählte leise die Takte mit. Dann begann sie mit dem italienischen Text. „Diether, diese Schreibweise im Italienischen gefällt mir nicht, ich singe die schönen, deutschen Worte, die auch darunter gedruckt sind. Die passen besser zum Abendkonzert“, erläuterte Uschi.
„Da könntest du recht haben, wenn ich mir diese Silben hier auf der Partitur so ansehe“, entgegnete Diether.
„Spiele noch einmal den Auftakt der ersten Notenreihe, Schatz!“
„So, jetzt kommt der deutsche Wortlaut: Selige Ruh, Schatten, wie wiegst du mich. Das hört sich vielversprechend an.“
„Wir sind uns einig, ich singe den deutschen Satz, der unter den Notenreihen steht“, ließ Ulli sich vernehmen.
„Ja, so machen wir das!“, pflichtete ihr Diether bei.
Urs hatte den Proben eine Weile zugehört und war dann ganz still zu den Damen ins Wohnzimmer zurückgekehrt.
„Wir brauchen eine Pause, besonders deine Stimme. Es ist 22 Uhr.“
„Bub, du hast wie immer recht, ich merke doch schon langsam selbst, dass es Zeit ist aufzuhören!“
„Lass uns in den Wohnsalon gehen, die drei erwarten uns sicher schon.“
Die Baronin und die Gräfin unterhielten sich währenddessen über Ursulas tolle Naturstimme. Urs fand sie ebenfalls grandios und stimmte ihnen zu. „Es wäre eine Sünde, dieses Naturwunder nicht ausbilden zu lassen“, räsonierte er mit seiner tiefen Bass-Stimme. Als nun die beiden jungen Leute in den Wohnraum traten, verstummte das Gespräch.
„Was habt ihr denn so Geheimnisvolles über uns gesprochen, Mariele?“, fragte Uschi neugierig.
„Deine Patentante und Urs meinten, du solltest deine Naturstimme ausbilden lassen, das Stimm-Material dazu hast du nämlich“, antwortete die Gräfin.
„Und wer, bitt’ schön, soll das bezahlen? Mutz kann das nicht, dös geht fei net, gell, Fee!“, erwiderte Ursula.
„Bezahlen werde ich das, bin ja schließlich deine Patentante, Ursula. Du könntest hier in Bern auf die Musikschule gehen und bei uns wohnen. Das wäre ein Vorschlag.“
„Oder in Innsbruck die Musikschule mit mir zusammen besuchen!“, unterbrach Diether die Baronin aufgeregt. „Das Konservatorium nimmt auch begabte Schülerinnen und Schüler ohne Abitur auf, da du ja das Einjährige hast, brauchst du keine Matura.“
„Mit dir zusammen in Innsbruck, alter Schwede, das wäre das höchste Glück auf Erden!“, rief Ursula voller Entzücken aus. „Wo soll ich denn wohnen, das wäre die nächste Frage, Diether“, rätselte sie.
„Natürlich bei Peterl und mir im Bungalow, da werden die Holzers bestimmt nichts dagegen haben, Liebes“, erwiderte Diether, fröhlich gestimmt ob seiner Idee.
„Der dritte Gedanke wäre: Es bildet dich eine ehemalige, pensionierte Opernsängerin aus“, meinte Fee.
„Wer sollte das sein?“, fragte Uschi erregt.
„Frage doch einmal die Mutter deiner Freundin Kucki, die würde das garantiert bewerkstelligen“, bemerkte Marie-Theres.
„Liebe Tante, die Mutti meiner Freundin ist an der Münchener Staatsoper im festen Ensemble. Dazu öfter als Gast an der Wiener Staatsoper beschäftigt. Weitere Gastspiele in Salzburg, Linz an der Donau, Festwochen in Kärnten und so weiter. Ich könnte euch noch mehr davon aufzählen“, entgegnete Ulli.
„Wahrscheinlich weiß sie einen guten Rat, wie wir das anstellen können, dass du Unterricht bekommst“, fiel Felicitas ihr ins Wort.
„Wer weiß, wer weiß, meine Damen, es könnte sein, dass sie mit meiner Mutz hierher zum Abschiedsabend kommt, ist ja kein Ding der Unmöglichkeit! Alles ist drin!“
„Ursula, hast du wieder geträumt?“, fragte ihre Patentante sinnierend.
„Tja, wie man’s nimmt: Manchmal träume ich Bruchstücke und ein andermal fügt sich Bild an Bild. Das sind dann die erfreulichen Albträume“, antwortete Ulli ihrer Patentante. „Aber ich werde unter anderem für Diether singen, meinen Schatz, und nicht für so eine Trulla aus deinem Hotel, Fee.“
„Maidli, du hast recht, du singst für mich und nicht für die Gäste des Hotels Splendid. Die sind nur schmückendes Beiwerk, um dir zu applaudieren, dass du diese Lieder und Arien ihnen zum Gefallen und besonders mir zum Abschied zu Gehör bringen wirst“, fand Diether und küsste Uschis Hand liebevoll.
Mariele lobte Diether für seine lieben Worte und meinte zu Fee: „Nun mach doch nicht die Pferde scheu, du musst natürlich dem Publikum mitteilen, dass Ursula keine ausgebildete Sängerin ist, sondern eine reine Naturstimme besitzt, die ein gewisses klares Timbre hat. So und nicht anders ist die Situation, meine Liebe.“
„Ihr werdet doch jetzt nicht anfangen zu streiten, liebe Patentante. Felicitas muss, wenn sie uns beide ansagt, den Gästen das mitteilen, was du eben gesagt hast, und weiter nichts. Schluss, aus! Ja, Leit, wie ham wir’s denn, Saxefix noch amoal!“, so schimpfte Ulli lachend mit den beiden Damen. Die Herren feixten sich eins dabei und mussten ebenfalls zusammen mit Uschi lachen.
„Jetzt schlagt’s euch net die Köpf ein, ihr zwei Grazien. Wir werden diese Sache schon mit Pia regeln“, sagte Urs.
„Aber wenn du es dann geschafft hast, meine Kleine, mein Hotel ist in den besten Händen, dann begleite ich dich zu deinen Auftritten überallhin. Dann wirst du von mir so richtig betüddelt, was haltet ihr zwei davon, Ulli und Diether?“, ließ Fee sich vernehmen.
„Entschuldige Fee, nein, bitte nicht, da lasse ich mich lieber von meiner Freundin Christel Obermayer begleiten. Fee, du bist mir zu rappelig, tut mir leid.“
„Oh, und wo bleibe ich, Schatz?“, fragte Diether ganz ungeniert.
„Du bist dann mein Mentor, Betreuer und – mein Ehemann! Zufrieden, Herr Hofrat Marchart mit der zukünftigen Künstlerin?“
„Sehr! Meine Dame, sehr!“, rief Diether lachend. „Ma chérie, würde unsere liebe Gräfin sagen. Oh Pardon, Felicitas, wir wollten Sie nicht kränken.“
„Hast du auch nicht, mein Junge, ich kann zwar ein gutes Hochdeutsch, aber das ist, ihr wisst ja, ab und zu schwierig für mich und dann kommt meine französische Kinderstube durch. Ich weiß nicht, wieso, aber sie kommt, compris, mon amie?“ Das klang so drollig, dass alle lachen mussten.
Es wurde noch hin und her diskutiert und über manche Dinge palavert, bis Urs etwas anderes einfiel. „Ihr wollt doch nächstes Jahr auf der Rigi am Vierwaldstätter-See mit euren Freunden Urlaub machen?“
„Nein, Urs, im nächsten Jahr im Juli wollen wir mit Pia und Roland nach Schweden an den Mälar-See, den Urlaub im Ferienhaus verbringen. Dann werde ich Mitte Juli nach Zermatt fahren, da die Matterhorn-Nordwand auf meinem Programm steht, und vielleicht noch einige andere Bergfahrten.“
„Den Urlaub auf Rigi Klösterli werdet ihr dann ein Jahr später dort erleben, wenn ich richtig verstanden habe?“, fragte Urs erleichtert.
„Es sei denn, Ulli hat andere Pläne, was ich nicht glaube“, erwiderte Diether.
„Ich habe da gerade meinen Namen gehört, was war mit der Rigi. Oder vernahm ich da etwas Falsches?“
„Nein, du hast es schon richtig vernommen. Urs fragte, ob wir in den Ferien nächstes Jahr die Rigi bevölkern würden.“
„Also Urs, wir können erst 1960 an den Vierwaldstätter-See fahren“, erklärte Uschi.
„Kinderl!“, rief die Baronin dazwischen. „Wisst ihr eigentlich, wie spät es schon ist, es geht auf Mitternacht zu, wollt ihr net schlafen gehen?“
„Oh jegerl, Patentante, wir haben net auf die Uhr geschaut, gell, Diether. Kimm aufi, Bub, nun geht’s ab zum Matratzenhorchdienst.“ Die jungen Leute wünschten eine gute Nacht und stürmten die Treppe hinauf. Sie betraten zusammen Ullis Stüberl und schlossen leise die Türe hinter sich.
„Mein Gott, Schatz, vor lauter Proben sind wir nicht mal zum Schmusen und Küssen gekommen.“ Bei diesen Worten küsste er sie ausgiebig und zärtlich wie ein schmachtender Liebhaber.
„Ich habe eine ganz liebe Bitte, Diether! Würdest du heute Nacht bei mir im Zimmer übernachten in dem zweiten Bett, ja?“
„Warum, Schatzele?“
„Angst hab i, weshalb dös weiß i net, Bub.“
„Maidli! Da wirst du erst fragen müssen!“
„Quatsch, wer soll das denn erfahren?“, antwortete Ulli leise.
„Nun gut, ich hole meinen Pyjama und dann kimm i wieder, gell.“ Diether löste sich behutsam von ihr, schaute vorsichtig aus der Türe und sauste ins Nebenzimmer. Still holte er seinen Schlafanzug aus der Reisetasche und verschwand erneut in Uschis Zimmer. Ursula hatte das Nachtlicht eingeschaltet und wollte sich gerade entkleiden, als er wieder bei ihr erschien. „Madl, i geh ins Bad, in der Zwischenzeit bist fertig dann, gell“, entschuldigte er sich und begab sich dorthin.
Ursula zog sich für die Nacht aus und ihr Nachtzeug an. Seufzend legte sie sich ins Bett und deckte sich zu. Dann kam Diether aus dem salle de bain heraus und kroch ebenso unter die Bettdecke seines Lagers. Uschi schaute traurig zu ihm hinüber. „Schatz, es geht nicht, wir müssen tapfer sein, auf der Rigi holen wir alles nach, da kann uns keiner drein reden.“
Er rutschte zu ihr hinüber, nahm sie zärtlich in seinen Arm und meinte: „Kimm, wir knuddeln noch ein bisserl, Liebes.“
„I bin brav und du auch. Außer Küssen nichts gewesen, so kann man doch sagen, gell“, flüsterte Uschi.
Diether musste lachen. „Du Hexerl, du kloans, net locker lassen, gell.“ Er küsste sie erneut aufs Goscherl. Sie schmusten noch eine Zeit lang, und da beide müde waren, schliefen sie auch schnell ein.
Mitten in der Nacht erwachte Uschi mit einem lauten Schrei. Ein Albtraum hatte sie wach werden lassen. Diether schreckte hoch und fragte ganz entsetzt: „Madl, was is? Ist was mit dir?“ Er wusste nicht, was er noch zu ihr sagen sollte.
„Mein Gott, Diether!“ Ulli saß aufrecht auf der Bettkante. „Mutzi ist die Treppe runtergefallen! Oh mei, i muss dem Fritzerl oder der Rosi Bescheid geben und bei den Angermayers anrufen. Meine Mutter ist ja im Moment alleine daheim.“ Da Uschi ein Telefon auf dem Zimmer hatte, brauchte sie nicht hinunter in die Diele zu gehen. Sie nahm den Hörer ab und wählte die Null, um das Gespräch nach Deutschland aus der Schweiz anzumelden. Es dauerte nicht lange und es meldete sich das Amt in St. Moritz. Ursula gab die Telefonnummer ihrer Freunde durch. Dann dauerte es ein paar Minuten und sie hatte den Fritz mit verschlafener Stimme am Apparat: „Ja, hier Angermayer, wer ist da?“
„Fritzl, i bin’s, Uschi aus der Schweiz.“
„Ja Madl, was ist passiert?“
„Mei, Bua, i hab träumt, mei Mutterl wäre die Treppen nuntergefallen! Sie hat sich nimmer bewegt und du weißt ja, dass sie allein ist. Den Hausschlüssel habt’s ja. Fritz, gehst amoal nach ihr schauen, bitte.“
„Weißt Derndl, wie spät es ist?“
„Natürlich, Fritz, es ist ja auch eben erst geschehen.“
„Ja mei, Madl, dann leg i jetzt auf, i geh nüber und schau nach ihr. Gib mir doch dei Telefonnummer durch, dann ruf i zruck, gell.“ Uschi gab ihm die Nummer des Fernsprechapparates und legte dann auf.
„Oh mei, Diether, hab i a Angst! Wenn sie sich was getan hat, mei, dann muss i heimfahrn. Oh heiliger Judas Thaddäus, steh ihr bei!“ Die Tränen kullerten über ihre Wangen und sie schluchzte. Diether hatte sein Mädel in den Arm genommen und wie eine Mutter ihr Kind hin- und hergewiegt. Da klingelte nach langer Zeit endlich wieder das Telefon. Uschi nahm den Hörer ab und in der Aufregung meldete sie sich nicht mit Giebelmeyer, sondern: „Hier ist Baronesse von Giebel, Fritz! Was ist geschehen?“
„Ulli, net aufregen, i bin im Traunsteiner Krankenhaus. Bitt’ schön net erschrecken, Madl, deiner Mama geht’s den Umständen entsprechend. Es war ein Kreislaufkollaps, der sie hat stürzen lassen. Diagnose: Gehirnerschütterung und das linke Handgelenk ist gebrochen. Es ist ein komplizierter Bruch und muss operiert werden, darum muss deine Mutter eine Woche im Spital bleiben. Ich werde das Geschäft schließen, einen Zettel hineinhängen: Wegen Krankheit geschlossen. Ist dös in Ordnung, Madl?“
„Ja, natürlich, Fritz. Und schaut ihr zwei bitte ab und zu im Haus nach dem Rechten. Frag doch bitte deine Schwester, ob sie net die eine Woch in meinem Zimmer schlafen und nach den vielen Blumen auf dem Balkon schauen könnte.“
„Dös machen wir, Uschi, brauchst net heimkommen, dös hat dein Mutterl mir gesagt.“
„Hast ihr erzählt, was i wieder geträumt hab?“
„Ja, sie war zuerst erschrocken, aber dann doch dankbar dafür, dass du bei uns angerufen hast. Der Arzt hat mir erklärt, wenn sie noch länger dagelegen hätte, wäre eventuell ein Blutgerinnsel aufgetreten.“
„Fritz, ich kann dir nicht genug dafür danken, dass du nach meinem Mutterl geschaut hast. Servus Bub, pfüet di.“ Sie legte auf.
Diether hatte aufmerksam zugehört und fragte voller Neugierde: „Wer ist Fritz?“
„Ach Burli, das ist doch der Bruder meiner Freundin Rosel Angermayer, die wirst du beide kennenlernen, wenn wir auf der Rigi die Ferien verbringen werden.“
„Nun, was ist jetzt los bei dir daheim?“, fragte er voller Unruhe. Leise gab Uschi wieder, was Fritz ihr am Telefon berichtet hatte. „Was soll ich dazu sagen, du bist und bleibst für alle von uns der Schutzengel“, erwiderte er zärtlich.
„Bin ich das? Wenn ich über dich etwas träume und dich warne, solltest du auch auf mich hören, host mi, Bua?“, antwortete sie ruhig.
Er sah sie stillschweigend an und sagte dann nach einer Weile: „So Madl, jetzt machen wir das Licht aus und legen uns wieder hin zum Schlafen.“
„Gute Nacht, Bub, schlaf gut.“ Bei den letzten Worten löschte er die Lampe. Nach einigen Minuten hörte man nur noch die regelmäßigen Atemzüge der beiden.