Читать книгу Die Villen vom Traunsee - Marie-Theres Arnbom - Страница 14

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Die Bezeichnung Carl Wisgrills als »Zimmermeister« entspricht in keiner Weise der Realität, vielmehr begründet er ein Großunternehmen, das unter anderem alle Zimmermannsarbeiten des Wiener Carltheaters ausführt. Die Affinität zum Theater zeigt sich auch in anderer Beziehung: Am Carltheater wirkt als Kollege Johann Nestroys der berühmte Komiker Wenzel Scholz, dessen Nichte Emilie ebenfalls Schauspielerin ist und 1857 an das Wiener Burgtheater engagiert wird. Nur ein Jahr später bekommt sie eine Tochter, Marie – von Carl Wisgrill, dem Bauunternehmer, den sie jedoch erst nach der Geburt heiratet. Die Mutter zieht sich von der Bühne zurück – so wird es in diesen Jahren von einer verheirateten Frau erwartet.

In der Sommerfrische verbringt Marie Wisgrill viel Zeit mit der gleichaltrigen Melanie Lang – nicht ahnend, dass diese nach einigen Umwegen ihre Schwägerin werden wird. Doch noch ist es nicht so weit. Melanie heiratet 1878 den Wiener Hofjuwelier Heinrich Köchert, dessen Familie den Besitz Buchschacher in Altmünster erwirbt. Heinrichs Bruder Theodor hat es Marie angetan – 1881 heiraten die beiden: eine der vielen Ehen, die in der Sommerfrische gestiftet werden. Doch hält diese nicht lange, Marie heiratet vier Jahre später den Bruder ihrer Freundin Melanie, Edmund Lang. Durch Melanie kommt sie auch mit dem Komponisten Hugo Wolf in Kontakt.

»Aus einer Familie und einem Kreis hervorgegangen, der die vollendetste Kultur besaß, aus einem Geschlecht eigentümlich willensstarker Menschen, die durch ihre Begabung und Energie im Guten wie im Bösen hervorragten, selbst schön, reich begabt und von frühester Jugend an im beständigen Umgang mit bedeutenden Menschen, großen Künstlern, reichen Individualitäten jeder Art, entwickelte sie sich selbst zu einer ungewöhnlich stark ausgeprägten Persönlichkeit.« So schreibt der Schriftsteller Karl Federn in der Frauenrundschau über Marie Lang, die sich mit großer Kraft und Energie der Frauenbewegung widmet. Sie ist Mitbegründerin des Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins, des Ersten Wiener Frauenklubs und des ungemein umtriebigen Vereins Wiener Settlement, einer Wohlfahrtseinrichtung nach englischem Vorbild, die in einem Haus in Ottakring Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen betreut. Das Angebot reicht von einer Ausspeisung über Vorträge, Theateraufführungen, Turnen und Spiele bis zur Organisation von Ferienkolonien – ein großes Unterfangen, das von der Frauenrechtlerin Else Federn und vielen Mitstreiterinnen mit unbeirrbarem Enthusiasmus vorangetrieben wird. »Die Kinder lernen hier nachdenken, hier wird nichts nachgeplappert«,16 berichtet die große Sozialpädagogin Eugenie Schwarzwald. Das Ambiente kann sich sehen lassen: Marie Langs Freunde Josef Hofmann, Kolo Moser und Alfred Roller unterstützen die Ausstattung des Settlement-Hauses, das mit gespendeten Möbeln gemütlich eingerichtet wird.17


Marie Lang mit Tochter Lilith und Enkel Peter Oberndorfer


Marie Lang

Ihre Freundin Therese Schlesinger, Schwester des umfassend gebildeten und unkonventionellen Friedrich Eckstein, der ebenfalls Hugo Wolf unterstützt, und die große Frauenrechtlerin Rosa Mayreder beeinflussen das Denken der jungen Marie ebenso wie die engagierte Auguste Fickert, die ihr eine neue Welt erschließt: »das soziale Leben«.18 Und doch bleibt Platz für Konventionen, ist Rosa Mayreder doch gemeinsam mit Friedrich Eckstein Taufpatin von Maries Söhnen Heinz und Erwin.

Viele Schicksalsschläge muss Marie Lang ertragen: Ihr Sohn Heinz hat, noch nicht 20-jährig, eine Affäre mit der Schauspielerin Lina Loos, die jedoch zu ihrem Mann, dem Architekten Adolf Loos, zurückkehrt – Heinz nimmt sich daraufhin 1904 in England das Leben. »Ich dachte das Richtige zu tun, als ich ihn nach England schickte, um ihn in ein anderes Leben zu bringen, hätte ich ihn bei uns behalten, vielleicht – wer weiß?«19 Dieser Zweifel lässt Marie nie wieder los. Zwei Jahre später trifft sie ein weiterer Schicksalsschlag: Ihre Jugendfreundin Melanie stürzt sich 1906 aus dem Fenster und erliegt kurz darauf ihren Verletzungen.

Ihren Lebensabend verbringt Marie bei ihrem Sohn Erich Köchert auf dessen Besitz Gut Hollereck in Altmünster, wo sie 1934 stirbt. Ihre langjährige Weggefährtin und Freundin Rosa Mayreder berichtet von ihrem Ende: »Dort, in der Sonne des herrlichen Spätherbstes, im Anblick des wunderbaren Sees, erlosch diese hochgestimmte Seele, vom Tode, den sie im Sinne indischer Weisheit nicht als Ende menschlicher Existenz betrachtete, gütig, leidlos hinweggenommen. Marie Lang ist nahezu 77 Jahre alt geworden. Ohne ein Anzeichen nahenden Endes zu fühlen, setzte sie sich mit einem Buch auf eine Bank am Ufer, um ein Stündchen im Freien zu lesen. Als ihr Enkel sie holen wollte, war sie schon entschlafen, das Buch in der erkalteten Hand.«20

Die Villen vom Traunsee

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