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Weg 1 1 »Gott rächt.« Erich Wolfgang und Luzi Korngolds geliebter Höselberg Gschwandt bei Gmunden, Schlossberg 1

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»Es war am späten Nachmittag und bereits dunkel, als wir den ziemlich steilen Aufstieg, der durch ein Wäldchen führte, unternahmen. Als wir aus der Lichtung traten, lag auf dem Gipfel des Hügels das Gebäude vor uns: kein Schloss, sondern ein uralter, bezaubernd schöner, langgestreckter Bauernhof, auf dem ein vormaliger Besitzer, Fürst Sulkowski, an einer Seite ein Stockwerk samt kleinem Türmchen aufgebaut hatte. Wir arbeiteten uns durch den hohen, glitzernden Schnee voran. Vor dem alten Teil des Hauses stand die unvermeidliche große Linde, der ›Schlosshof‹ war umrahmt von schweren alten Tannen. Als hätten wir all das schon erlebt, gingen wir ›nach Hause‹: und als wir dann erst vor der eichenen Türe standen, in die die Jahreszahl 1769 eingekerbt war, und in das niedrige, mit gotischen Bögen überdachte Vorhaus eintraten, da waren wir zu Hause. Ein merkwürdig modriger Geruch von alten Mauern und altem Holz schlug uns entgegen, eine vertraute, anheimelnde Atmosphäre umgab uns. Noch bevor wir das ganze Gebäude mit seinen 18 Zimmern inspiziert, geschweige denn vom Kaufpreis gesprochen hatten, sagte ich leise zu Erich: ›Das gehört uns‹ – und er nickte, ebenso verzaubert wie ich. Zu dem Schloß gehörte auch eine richtige Hühnerfarm mit 2000 weißen Legehühnern. Die alten Stallungen standen leer. Nachbarn von links und rechts lieferten alle Lebensmittel: Milch, Butter, Speck und dunkles Bauernbrot.«2

Luzi Korngold hat wunderbare Erinnerungen an die erste Begegnung mit dem neuen Zuhause, das das Ehepaar am 25. Februar 1933 erwirbt – Luzi stammt aus der berühmten Familie Sonnenthal und ist mit Familie Löwenthal in Traunkirchen verwandtschaftlich verbunden, Erich Wolfgang, das einstige Wunderkind, kann bereits auf eine höchst erfolgreiche Karriere als angesehener und erfolgreicher Komponist und Dirigent zurückschauen. Beste Voraussetzungen, ein schönes und gediegenes Sommerdomizil mit Musik und Freunden zu beleben.

Das Gut Höselberg in Gschwandt, ein wenig abseits des Trubels in Gmunden gelegen, kann auf eine lange Geschichte zurückblicken und besticht durch wunderliche, auch gruselige Details: »Der niedrige Stuckplafond des Speisezimmers zeigte vier seltsame Embleme: ein Auge, ein Ohr, eine Axt und eine Faust – Gott sieht, Gott hört, Gott rächt, Gott straft. Jedesmal, wenn mein Blick auf die jahrhundertealten Ornamente fiel, überkam mich ein abergläubisches Unbehagen.«3 Dieses bewahrheitet sich auch.

»Da Korngold schon immer für Gmunden eine große Vorliebe empfunden und sich auch schon mehrmals bei Freunden und Bekannten in der Traunseestadt aufgehalten hatte, erwarb er 1933 das Schloss Höselberg in Gschwandt bei Gmunden. Im Jahre 1955 verkaufte das Ehepaar Korngold das Schloss an die Gemeinde Gschwandt.«4 Diese Mitteilung auf der Website des Musealvereins Gmunden ist zweifellos richtig. Dass die Korngolds jedoch nicht 22 Jahre durchgehend und friedlich die Eigentümer dieses schönen Anwesens sein durften, wäre vielleicht doch eine Erwähnung wert. Von diesen 22 Jahren verbringen sie gerade einmal fünf Sommer in ihrem Haus – dann sind sie nicht mehr erwünscht.

1937 komponiert Korngold in der Sommerfrische seine letzte Oper Die Kathrin, die im März 1938 an der Wiener Staatsoper uraufgeführt werden soll – doch dies kommt nicht mehr zustande. Erst am 7. Oktober 1939 ist das Werk erstmals zu hören – an der königlichen Oper in Stockholm unter der Leitung von Fritz Busch. Der Komponist kann nicht anwesend sein, die Reise vom weit entfernten Hollywood nach Stockholm ist zu aufwendig. Bereits im Herbst 1934 reisen die Korngolds erstmals für einige Monate nach Hollywood: Max Reinhardt vermittelt seinem alten Freund und Kollegen die Möglichkeit, die Musik Felix Mendelssohn Bartholdys zu seinem Sommernachtstraum-Film zu arrangieren. 1935 unterschreibt Korngold einen Vertrag mit Paramount Pictures und reist mit seiner Familie erneut nach Hollywood – nun kann er sich neuer Aufträge für Filmmusik nicht mehr erwehren und arbeitet parallel auch für Warner Brothers. Mit Riesenerfolg: 1936 wird er für die beste Filmmusik zu Captain Blood mit dem jungen Errol Flynn für den Oscar nominiert. Doch zieht es die Familie zurück nach Österreich: »Wir glaubten immer noch – mehr mit dem Herzen als mit dem Verstand, daß wir eine Heimat hatten, in die wir zurückkehren konnten, die wir nicht verlassen wollten«, erinnert sich Luzi Korngold. »Es war Selbstbetrug, eine holde Täuschung: das naiv-zuversichtliche ›Uns-kann-nichts-Geschehen‹ glücklicher Menschen. So träumten wir im Winter bei strahlender kalifornischer Sonne von unseren regenfeuchten Wiesen daheim.«5 Auch 1937 tritt Korngold die Reise nach Hollywood an – diesmal kehrt er mit einem Oscar im Gepäck nach Österreich zurück, für die Musik zum Film Anthony Adverse.


Erich Wolfgang und Luzi Korngold mit Freunden

Im Jänner 1938 erreicht ihn ein Telegramm mit der dringlichen Frage, ob er innerhalb von zehn Tagen in Hollywood sein könne, um die Musik zu Robin Hood zu komponieren. Korngold sagt zu und reist mit Frau und Sohn nach Le Havre, wo ihn das Schiff Normandie nach New York bringt. An Bord befindet sich auch der große Sängerstar Jan Kiepura, der eigentlich in der Uraufführung von Die Kathrin singen sollte. Am 4. Februar 1938 erreichen die Korngolds Amerika – nicht wissend, aber ahnend, dass dies die Rettung ist.

Sechs Wochen später gibt es Österreich nicht mehr. In Gmunden wachsen sofort die Begehrlichkeiten auf den Höselberg, doch so einfach können die Nazis den Besitz nicht enteignen, denn Erich Wolfgang Korngold versucht vorerst, den Besitz selbst zu verkaufen – der Vertrag ist aufgesetzt und unterzeichnet, doch muss er von der Vermögensverkehrsstelle bewilligt werden, denn Korngold gilt als Devisenausländer. Ein kompliziertes Verfahren, verstärkt durch die Inkompetenz der einzelnen Behörden. Als Käufer tritt Alfred Demelmayer auf, die Nazis ziehen natürlich Erkundigungen über ihn ein. »Der Angefragte ist kein Parteimitglied. Er war aktiver Heimwehroffizier in militanter Formation, scharfer Nazigegner und ist innerlich weiterhin Gegner der NSDAP, bedingt durch seine Ehe mit einer Halbjüdin. Er setzte in der Verbotszeit gleich seinem halbjüdischen Schwager Dr. Mayer-Gunthof eine Kopfprämie für jeden ergriffenen Nazi, war stets in Uniform und auch Mitglied der Vaterländischen Front. Der Genannte ist der Typus des Reichen, der für Volksgemeinschaft kein Verständnis hat. Bei der NSV und DAF ist er zwar Mitglied, spendet aber nicht seinen Einkünften entsprechend.«6 Fünf Tage später lehnt der Reichsstatthalter in Oberdonau die Bewilligung des Kaufvertrages erwartungsgemäß ab. Demelmayer legt Beschwerde ein und versucht, seine treue Gesinnung darzulegen – doch so ganz nehmen ihm das die Nazis nicht ab. Zu Recht, begründet er doch gemeinsam mit seinem Bruder die Widerstandsgruppe »Demelmayer« und setzt sich aktiv gegen die Nationalsozialisten zur Wehr.

1941 beschlagnahmt die Gestapo den Korngold’schen Besitz, am 18. April 1941 wird das Anwesen »für das Deutsche Reich – Reichsarbeitsdienst einverleibt«. Frauen, die den Reichsarbeitsdienst ableisten müssen, werden nun hier einquartiert.

1949 kommen Erich Wolfgang und Luzi Korngold erstmals wieder nach Österreich – der erste Weg in Österreich gilt dem Höselberg: »Da lag das liebe, alte Gmunden vor uns: der große Platz, die Schwäne am Seeufer, der Traunstein, der seine Spitzen in das hier so seltene Blau des Himmels zackte. Jedes Geschäft noch auf dem alten Platz, im Kaffeehaus noch der alte Ober – alles unverändert. Nur mussten wir im Hotel absteigen, denn in unserem Haus am Höselberg wohnten 40 DP’s (Displaced Persons), arme, vertriebene, heimatlose Menschen, die darauf warteten, nach Amerika, Kanada, Australien verschifft zu werden. So war das Wiedersehen mit dem verwahrlosten und heruntergekommenen Höselberg anfänglich sehr traurig. In jedem Zimmer vegetierte eine Familie, das Mobiliar bestand aus Kisten und dürftig zusammengetischlerten Betten. Von unseren Möbeln war kein einziges Stück übriggeblieben, die schöne, uralte eichene Haustür war aus der Wand gerissen und wahrscheinlich verheizt worden, der Stuckplafond durch einen Rohrbruch traurig zerstört – von den Emblemen nichts übrig als: ›Gott rächt.‹«7


Dieses Bild hängt bis heute im Büro von Korngolds Enkelin Kathrin in Portland/Oregon.

Die Rückstellung des Besitzes erfolgt mit Beschluss vom 12. Mai 1949 – doch verbringen die Korngolds keinen Sommer mehr in ihrem einstmals so schönen Besitz, sondern kommen nur noch ein einziges Mal nach Gmunden: »Erich hätte Europa nicht verlassen, ohne von seinem Höselberg Abschied zu nehmen.«8

In Portland/Oregon über dem Schreibtisch seiner Enkelin Kathrin, benannt nach der am Höselberg entstandenen Oper, hängt bis heute ein Foto des Höselbergs.

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