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I RABBINER UND SCHRIFTSTELLER

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Die Familie Hirschfeld

Zu kaum einer Familie habe ich eine so vielschichtige Beziehung wie zur Familie Hirschfeld. Doch wo beginnen? Vielleicht bei der Musik, die mich mein Leben lang begleitet. Victor Léon, Librettist der Lustigen Witwe, ist eine faszinierende und wahrlich nicht unumstrittene Persönlichkeit – gerade eine solche Polarität übt immer einen besonderen Reiz aus, denn es steckt etwas Außergewöhnliches dahinter. Dem nachzuforschen, erwies sich als wahre Detektivarbeit, die die historische Recherche spannend macht. Wer waren die Eltern dieses herausragenden Kindes, fragt man sich. Und stößt auf eine Dynastie von Rabbinern und Ärzten, denen die Bildung über alles ging. Wortgewaltige und streitbare Persönlichkeiten, die ihren Kindern eines auf den Lebensweg mitgaben: Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein. Eigenschaften, die diese Familie bis heute prägen.

Victor Léon hatte einen nebenehelichen Sohn, natürlich Victor genannt. Dessen Mutter war die erfolgreiche Soubrette Margit Suchy – und der Zufall (wenn es einer war) ließ mich Victor Suchys Großneffen heiraten. Dieser hatte das zweifelhafte Glück, in derselben Woche Geburtstag zu haben wie sein mehr als sechzig Jahre älterer Großonkel, aus praktischen Gründen wurde dieser immer gemeinsam begangen. Die Beziehung zu Victors Nachkommen ist dennoch innig – und Victor Léons Ururenkelin ist unser Patenkind.

Im Zuge meiner Recherchen für eine Operetten-Ausstellung im Österreichischen Theatermuseum lernte ich auch die ehelichen Nachkommen kennen und tauchte in die Familiengeschichte ein. Im Hause von Victor Léons Urenkel fand ich viele Schätze: ein Deckerl, bestickt mit einem Zitat aus der Lustigen Witwe, Fotos, Bücher und Libretti – und Erinnerungen, die lange Jahre verschüttet waren und nun wieder zum Vorschein kamen. Eine der wunderbarsten Freundschaften entstand daraus – ich habe das Gefühl, fast ein Teil dieser Familie zu sein.

Und dann fand ich per Zufall einen weiteren Nachkommen: einen Reverend in Nairobi, der mir das Foto seines Ururgroßvaters Maximilian Hirschfeld, Zahnarzt in Karlsbad und Meran, per E-Mail zusandte. Plötzlich wurde auch dieser Teil der Familie lebendig – und ich begab mich auf weitere Spurensuche: zuerst nach Augsburg in die jüdische Gemeinde, wo Jakob Hirschfeld Rabbiner gewesen war. Dann nach Schoßberg in der heutigen Slowakei, dem Geburtsort des »Urvaters«. Eine beeindruckende und zugleich traurige Reise in die Vergangenheit: Die Synagoge, von der alles seinen Ausgang genommen hat, ist eine Ruine, in der Tauben statt Gläubigen ihr Zuhause gefunden haben.

Ein Besuch in einer Wohnung in Pötzleinsdorf am Rande Wiens, wo ich selbst wohne, gab der Suche eine neue Facette: Dort lebten und arbeiteten die Geschwister Adele und Eugenie Hirschfeld, im Stockwerk darüber ihr Bruder Leo Feld. Sie empfingen Literaten wie Stefan Zweig und Felix Braun. Die heutigen Besitzer erlaubten mir einen Blick in die Wohnung, aber auch hinaus ins Grüne – ein Blick, der sich in den vergangenen hundert Jahren nur wenig verändert hat.

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