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Die Hausfrau: »Ein neuer Pfad der Journalistik«
ОглавлениеBereits 1877 ist Léon journalistisch tätig und redigiert Die Hausfrau. Blätter für Haus und Wirtschaft samt der Beilage Der Damensalon. Diese Zeitschrift, mag der Titel heute auch sehr altmodisch klingen, war eine Novität. »Ein solches Organ ist ein Bedürfnis der Zeit; und diese Lücke nach besten Kräften auszufüllen, das ist es – was wir wollen.«
Eigentümer der Zeitschrift Die Hausfrau ist Sigmund Popper, der auf eine recht bunte berufliche Laufbahn verweisen konnte: So taucht er als Wollhändler im ungarischen Holitsch auf, um dann die Branche zu wechseln und als Redakteur und Herausgeber des Bade- und Reise-Journals in Wien und ab 1877 Herausgeber und Verleger der brandneuen Zeitschrift Die Hausfrau mit der Beilage Der Damensalon aufzuscheinen. Dieses neue Blatt gibt er gemeinsam mit seinem Sohn Julius heraus, redigiert wird es von Victor Léon. Wie kommen diese Herren nun zueinander? Ganz einfach: Sigmund Popper ist mit Amalie Hirschfeld verheiratet, der Schwester von Victor Léons Vater Jakob, der ebenfalls als Autor dieser Zeitschrift beschäftigt ist: Aus seiner Feder stammen unter anderem »Rhapsodien über Erziehung«. Somit ist die ganze Familie vereint, denn ein weiterer Bruder Amalies, der Arzt Dr. Maximilian Hirschfeld, gibt als ärztlicher Ratgeber unermüdlich Tipps, so in seinen »Betrachtungen über den Kindergarten« in mehreren Fortsetzungen. Das Geschick der neuen Zeitschrift liegt also in den Händen von zwei Geschwistern, einem Schwager und zwei Cousins.
Eine journalistische Pionierleistung
Im ersten Leitartikel am 8. September 1877 erklären die Herausgeber, was sie mit dieser für die damalige Zeit eher ungewöhnlichen Zeitschrift wollen: »Wir wollen mit diesen Blättern ein Organ gründen für die Interessen der Hausfrau; zunächst und vorwiegend in Bezug auf Hauswirthschaft. Auf dem Gebiete der Haushaltung, in all den tausendfachen Einzelheiten, welche zusammen die Ökonomie des Familienlebens bilden, soll die ›Hausfrau‹ der Hausfrau mit Rath und Fingerzeig an die Hand gehen. Sie soll zeigen, wie man all die in der Haushaltung erforderlichen Gegenstände, seien es Consumartikel, seien es Einrichtungsgegenstände, seien es Mittel des Bedürfnisses, seien es die des Luxus – die ›Hausfrau‹ soll zeigen, wie man all diese Güter der häuslichen Ökonomie in bester Qualität und doch zu den billigsten Preisen sich anschaffen kann.«
Und weiter wird auf die Novität hingewiesen: »Wir betreten – wir wissen es – hiemit einen neuen, noch ungeahnten Pfad der Journalistik. Aber eben hierin liegt die Berechtigung, ja das Bedürfnis dieses Unternehmens, indem wir für eine Sphäre des menschlichen Lebens, die bisher über kein öffentliches Organ verfügte, und dessen sie doch so dringend bedarf, ein solches ins Leben rufen. Oder ist es nicht eigenthümlich, daß in einer Zeit, wo die Journalistik sich über alle Gebiete des Lebens ausdehnt, so alle Gebilde und Vereinigungen der menschlichen Gesellschaft, von Staat und Kirche bis hinab zu Sport- und Spielvereinen, in der Regel eine Zeitung zur Pflege und Vertretung ihrer Interessen haben – doch EIN Institut jedes öffentlichen Organes entbehrt! Ein Institut – das wichtigste unter allen, die Grundlage, auf der die ganze civilisierte Gesellschaft sich aufbaut – die Familie!«
Doch nicht nur praktischen Belangen will die neue Zeitschrift dienen, im Damensalon »werden die mannigfachsten schöngeistigen Gaben geboten werden, spannende und lebensvolle Erzählungen, wie überhaupt Dichtungen in Prosa, Poesie, Berichte über Literatur und Kunst, namentlich über Theater und Musik, Mittheilungen über Mode und was sonst die elegante Welt interessiert.« Hauptaufgabe soll sein, »literarische Producte von Damen zur Veröffentlichung zu bringen, sowohl von anerkannten hervorragenden Schriftstellerinnen, die uns auch bereits ihre schätzenswerthe Mitarbeiterschaft zugesagt, als auch Geisteserzeugnisse von aufstrebenden Talenten, wenn sie der Veröffentlichung würdig, so daß der Damensalon zur Förderung der Literatur in und aus den weiblichen Kreisen dienen wird.«
Drei Jahre zuvor hat Lina Morgenstern in Berlin die Deutsche Hausfrauenzeitschrift gegründet und somit eine Pioniertat geleistet. Sigmund Popper überträgt diese Idee nun auf Österreich und kann Lina Morgenstern auch als Autorin gewinnen. Sie engagiert sich besonders für die Einrichtung von Kindergärten und die höhere Bildung für Frauen. Sätze wie dieser aus dem Jahre 1877 haben nichts an Brisanz verloren: »In der Schule, wo Massen von Schülern einem Lehrer gegenüberstehen, kann nur bis zu einem gewissen Grade individuelles Eingehen stattfinden.«2
Victor Léon nützt das Forum dieser Zeitung natürlich auch für sich selbst: Er veröffentlicht Fortsetzungsnovellen wie Eine Liaison oder Gedichte wie Madonna und ist in jeder Ausgabe auch mit Theater-Causerien oder Leitartikeln präsent. Anlässlich der Hochzeit seines Cousins Julius Popper mit Marie Kohn im Jahre 1877 verfasst Léon am 24. November ein überschwängliches Jubelgedicht mit dem Titel Hochzeitscarmen:
Und wir, »Die Hausfrau«, Deine erste Favorite,
Sind eifersüchtig nun, fürwahr!
Wir kennen das! Und es scheint rar,
Bei der vielweiberischen Sitte,
Daß Du die gleiche Lieb’ uns noch wirst schenken,
Da Du Maria nun gefreit.
Und fast hätt’ es uns auch gereut,
Daß wir Dich mit dem Carmen hier bedenken!
Zwar wie’s behaupten böse Mäuler:
»Der Frauen zwei thun selten gut!«
Doch ohne Sorg! Und guten Muth!
Die »Hausfrau« stehet fest wie Marmelpfeiler.
1879 jährt sich der Hochzeitstag von Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth zum 25. Mal – für Victor Léon Anlass genug, das Dramatische Festgedicht Mein Österreich! auf Seite 1 der Hausfrau zu veröffentlichen. Die auftretenden Personen: Austria samt ihren Töchtern Hungaria, Bohemia, Istria und Bosnia. Ein sehr melodramatischer Verlauf: Bosnia sucht Hilfe, Istria antwortet: »Du strupp’ges garst’ges Ding! Wer bist Du?« In blumiger Gedichtform schildert Bosnia die Situation in ihrem Heimatland, wo »kein hurtig’ Dampfroß durch die Ebene jagt« und Moschee und Kirche einander feindlich sind: »Verarmt ist Alles; ohne Kraft und Muth.« Selbstverständlich verspricht Austria Hilfe und will »in Dein Land den Segen der Cultur, der Bildung bringen« und Bosnia zur Tochter wählen. In all ihren Unterschieden »in Sprach’, in Sitte und Gewohnheit« vereint Austrias Töchter ein Band: »Ein ganzes sind wir, wir sind Austria.« Doch die Dramatik steigert sich noch mehr, denn das wahre Band hat auch einen Namen: »Der Kaiser, Ritter ohne Tadel, ohne Fehl, die Kaiserin Öst’reichs schönstes Kronjuwel.« Und nun steuert das Gedicht seinem Höhepunkt zu, die Regieanweisung verheißt Folgendes: »Der hintere Vorhang öffnet sich; in bengalischer Beleuchtung erblickt man die bekränzten Büsten des Kaisers und der Kaiserin. Melodram: die Volkshymne.« Ein verheißungsvoller Ausblick auf Victor Léons kommende Operettenkarriere …