Читать книгу Mao und das Vermächtnis von Atlantis - Mario Klotz - Страница 30
Wea ist der Einbrecher!
ОглавлениеDer königliche Inspektor rang heftig nach Atem, als er bei der Gasse angekommen war. Doch es schien vergeblich gewesen zu sein. Der hinkende Mann war spurlos verschwunden. Die Seitengasse war in Wirklichkeit eine Sackgasse, von der keine Eingänge wegführten. ‚Wohin war der Mann verschwunden?‘, fragte sich der königliche Inspektor, doch fand keine brauchbare Antwort. Kopfschüttelnd suchte er alles ab, fand aber nichts!
Während der ganzen Kutschenfahrt, bis er vor der Schicksalshalle ausstieg, rätselte er vor sich hin, wie der Mann spurlos verschwinden konnte.
„Guten Morgen!“, grüßte ihn eine bekannte Stimme. Lan blickte sich um und erkannte Jos, den Neffen von Wik, und erwiderte den Gruß.
‚Armer Junge! Die Natur ist oft wirklich sehr erbarmungslos!‘, stellte er wieder einmal mitleidig fest, da er zum widerholten Male feststellen musste, dass die Gesichtszüge des Jungen wirkten, als wäre er nicht sehr intelligent, doch Lan wusste um die Klugheit von Jos. ‚Es könnte auch eines Tages ein Vorteil sein!‘, dachte Lan und lächelte dem Neffen aufmunternd zu, während er auf die Halle von Wik zuschritt. Es schien, als hätte der königliche Berater schon auf ihn gewartet und erkundigte sich ungeduldig: „Haben sie etwas Neues in Erfahrung gebracht?“
„Ja!“, antwortete Lan stolz und berichtete ihm von den letzten Ereignissen. Von der Hilfe des Archäologen und den Gedanken, mit denen es ihm endlich gelungen war, das Rätsel der Symbole auf der Venusmuschel zu knacken.
Auch Wik atmete erleichtert auf und erklärte: „Vorzüglich! Der Druck auf den König wird enorm groß, da die Unruhen immer stärker werden.
Daran ist unter anderem auch dieser Dämmerungseinbrecher schuld. Deshalb müssen wir alles in unserer Macht stehende unternehmen, um diesen Fall so schnell wie möglich abzuschließen.“
Plötzlich stürmte ein Diener in die Halle und unterbrach ihn: „Es tut mir leid, dass ich einfach so eingedrungen bin, aber vor der Tür stehen ein paar aufgebrachte Männer die unbedingt zu ihnen wollen. Sie behaupten, sie hätten den Einbrecher geschnappt!“
„Was!“, riefen die beiden Männer wie aus einem Munde und der königliche Berater forderte sie einzulassen. Lan war nun mehr als angespannt: ‚Wer hat den Langfinger erwischt?‘
Es waren insgesamt sechs Männer, die hektisch in den Saal drängten. Einer davon war Ano, der seine Stimme laut erhob und sprach: „Ach, der Inspektor ist auch hier! Sehr gut! Wir haben gestern auf dem Platz, an dem sich der Teufelsbrunnen befindet, unseren Unmut kundgegeben. Genau dort, wo wenig später der Einbrecher zugeschlagen hat.
Ich und einige Männer meiner Gruppe haben einen Jungen aus dem Armenviertel beobachtet und uns ist er sehr verdächtig erschienen. Er hat sich ständig umgesehen und wirkte sehr nervös. Und jetzt wissen wir auch den Grund für sein Benehmen: Er ist wenig später zurückgekehrt und ist eingebrochen!
Deshalb fordern wir von Ihnen, dass Sie ihre Leute ins Armenviertel beordern, um den Jungen zu suchen und ihn verhaften zu lassen. Dann kann endlich wieder Ruhe einkehrt. Auf uns ist eben Verlass, nicht wahr Jungs!“, und die anderen stimmten dem Giftzwerg lauthals zu.
Die Beschreibung, die Ano von dem Jungen abgab, passte genau auf Wea, stellte der königliche Inspektor besorgt fest. Doch ihm kam etwas seltsam vor und deshalb hakte er nach: „Woher wissen Sie eigentlich, dass in der Nähe von dem Teufelsbrunnen ein Einbruch verübt wurde? Die Tat wurde doch eben erst festgestellt.“
Der Giftzwerg sprang aufgebracht herum und brüllte: „Das hat mir vorhin meine Frau erzählt. Und da niemand etwas gegen diesen Verbrecher unternahm, haben wir selbst handeln müssen. Alles muss man selber erledigen. Alles!“
„Ich glaube jedoch nicht, dass es der Junge aus dem Waisenhaus war. Ich kenne ihn ebenfalls.“, verteidigte der königliche Inspektor Wea.
„Das sieht Ihnen auch wieder einmal ähnlich! Sie werden dafür bezahlt, den Verbrecher zu schnappen. Aber wir haben ihn überführt und nicht Sie, und nun wollen Sie ihn auch noch in Schutz nehmen. Das ist wieder einmal typisch! Oder abreiten Sie am Ende noch mit dem Jungen zusammen?!?“, beschuldigte Ano ihn aufgebracht.
Bevor Lan etwas erwidern konnte mischte sich Wik ein: „Das ist eine harte Anschuldigung und wenn Sie diese nicht beweisen können, so würde ich Ihnen raten, diese zurück zu nehmen.“
„Ach, Sie stecken doch alle unter einer Decke, typisch! Aber den Jungen können Sie nicht mehr beschützen. Wir sind mindestens sechs Zeugen, die den Bengel und sein auffälliges Verhalten beobachtet haben. Wenn der Jüngling nicht verhaftet wird, gibt es einen Aufstand, den Sie noch nie erlebt haben. Das schwöre ich Ihnen!“, brüllte der Giftzwerg außer sich und bekam einen knallroten Kopf.
„Nein, wir werden dieser Angelegenheit auf den Grund gehen! Ich werde meinen Männern befehlen, Sie zum Waisenhaus zu begleiten.“, gab der königliche Berater der Forderung von Ano nach.
„Aber…!“, wollte Lan protestieren, da er von der Unschuld des Jungen überzeugt war, doch bekam von Wik ein Zeichen still zu sein. Nachdem die Männer die Halle verlassen hatten, blickte der Berater zu dem königlichen Inspektor.
„Ich weiß, dass es nicht Wea war, doch ich konnte keine weiteren Unruhen provozieren. Wenn alles gut verläuft, erwischen Sie den Richtigen heute Abend und der Junge wird wieder frei sein.“, erklärte er sein Handeln.
Lan fand es dessen ungeachtet nicht richtig, auch wenn er die Vorgehensweiße von Wik verstand. Dennoch beschloss er den Jungen zu warnen und bat deshalb Wik, ohne einen Grund zu nennen, seine Männer kurz hinzuhalten. Der königliche Berater verstand sofort, was Lan vorhatte, atmete tief ein, seufzte und nickte zustimmend.
Obwohl Lan schon großen Hunger hatte und die Müdigkeit ihm zusetzte, nahm er sich keine Zeit zum Essen und Schlafen. So schnell wie möglich versuchte er das Armenviertel zu erreichen und Wea zu finden, bevor es die anderen taten.
Sein erster Weg führte ihn ins Waisenhaus. Das Gebäude wirkte genauso, wie der Ruf des Hauses war. Verwahrlost und verwildert!
Das Dach hatte viele größere Löcher, durch die der Regen bestimmt in das Innere drang. Der Holzverschlag unter dem Dachvorsprung hing zum Teil nur noch lose herab und drohte jeden Moment abzustürzen. Die einst gelben Wände waren grauschwarz. Auch der große Garten, der das Haus umgab und von einem hohen Zaun umrundet war, wirkte sehr verwildert. Die wildgewachsenen Bäume und Sträucher, die vertrockneten Blumen, der vermoderte Rasen und die kleine heruntergekommene Holzhütte im Garten, bescherten eher eine Gänsehaut als Erholung.
Vor dem Gebäude standen in einem engen Kreis drei Mädchen und drei Jungen auf einem Kiesweg und tuschelten miteinander. Lan freute sich schon, da er dachte, er habe den unschuldig Verdächtigen bereits gefunden, doch er hatte sich zu früh gefreut. Denn der Junge, den er sah, war nicht Wea. Dieser sah ihm nur verdammt ähnlich. Trotzdem schritt er auf die junge Gruppe zu und sprach sie an: „Guten Tag, Kinder!“
Die Mädchen wirkten schüchtern, die Jungen eher skeptisch, als sie den Gruß erwiderten. „Ihr wohnt doch bestimmt in diesem Haus?“, sprach der königliche Inspektor weiter. Die Kinder nickten nur stumm. „Kennt ihr Wea, ein Junge in eurem Alter? Er wohnt ebenfalls hier.“, erkundigte sich Lan, und als er die misstrauenden Blicke erkannte, fügte er schnell hinzu: „Er ist ein Freund von mir und ich muss ihn dringend sprechen!“
„Nein, wir kennen keinen Wea! Außerdem hat uns unsere Leiterin verboten mit fremden Menschen zu sprechen.“, antwortete einer der Jungs.
‚Ach ja? Warum?‘, wunderte sich der königliche Inspektor in seinen Gedanken und startete einen neuen Versuch: „Aber ich bin kein Fremder, sondern ein Freund!“
Doch keiner antwortete mehr. Dafür wurde die Tür geöffnet und eine streng wirkende Frau blickte ihn wütend an. Ihr langes, pechschwarzes Haar kräuselte sich angsterregend um ihre tiefen Furchen im Gesicht, während sie mit kreischender Stimme Lan anfuhr: „Wer sind Sie und was wollen Sie?“
„Guten Tag!“, erwiderte er erstmals freundlich, da er dieses schroffe Verhalten nicht für nötig hielt und diese Art, nebenbei bemerkt, hasste. Nun hob er zur Begrüßung seinen Hut und legte eine kurze Pause ein. Er wartete ab, ob die Frau ihre Haltung änderte. Als er die Hoffnung aufgegeben hatte, setzte er fort: „Ich suche Wea, einen Jungen, der bei ihnen wohnt.“
„Warum wollen Sie ihn sprechen?“, hakte die Frau wütend nach. Dem königlichen Inspektor kam der Verdacht, dass es sich bei der Frau um die Leiterin des Hauses handeln könnte und er musste vorsichtig sein, was er antwortete. Er überlegte, ob er sich als Inspektor vorstellen sollte, ließ es jedoch bleiben. Ano und seine Gefolgsleute sollten nicht erfahren, dass er hier war.
„Es ist sehr wichtig!“, wich Lan der Frage fürs Erste aus.
„Wer sind Sie eigentlich?“, ließ die Leiterin des Waisenhauses nicht locker.
„Nur ein Freund von Wea, und ich muss ihn dringend sprechen! Sofort!“, betonte Lan die Wichtigkeit und Hast.
„Der Junge ist nicht zu Hause, er hat sich abgemeldet.“, erklärte sie kurz und befahl unhöflich: „Und nun verschwinden Sie endlich, oder ich hole die königliche Wache!“
„Ich bin schon weg! Auf Wiedersehen!“, versicherte Lan, dabei fiel ihm ein Junge mit kurzen strubbligen, blonden Haaren auf, der bei der Eingangstür erschienen war und das Gespräch belauscht hatte. Als sich die beiden in die Augen blickten, deutete der Bursche aufgebracht auf die kleine Holzhütte im Garten.
Die Leiterin bemerkte, dass Lan an ihr vorbei starrte und drehte sich energisch um. Der Junge war jedoch bereits wieder verschwunden. Mit nachdenklichem Blick musterte sie Lan und erkundigte sich: „Was ist?“
Der königliche Inspektor hob die Augenbrauen, dachte kurz über den Burschen nach und meinte schließlich: „Nichts! Wünsche noch einen schönen Tag!“, drehte sich um und marschierte Richtung Ausgang.
Währenddessen spürte er in seinem Rücken den festen Blick der Leiterin und hörte, wie sie den Kindern befahl: „Wie oft muss ich euch noch eintrichtern, dass ihr nicht mit Fremden sprechen sollt?!? Gerade jetzt, in dieser schweren und schrecklichen Zeit. Und nun ab ins Haus!“