Читать книгу Irrungen, Wirrungen von Theodor Fontane: Reclam Lektüreschlüssel XL - Mario Leis - Страница 4
1. Schnelleinstieg
ОглавлениеIm Mittelpunkt des Romans steht ein Liebespaar: die Kleinbürgerin Magdalene (Lene) Nimptsch und der adelige Offizier Botho von Rienäcker. Ihre Liaison ist skandalträchtig, weil sie alles andere als standesgemäß ist. Das Liebespaar genießt ein paar Monate seine erotischen Abenteuer und sein Glück, aber dann trennt sich Botho von Lene, weil seine Familie finanziell bankrott ist und nur die Heirat mit seiner vermögenden Kusine Käthe von Sellenthin Rettung verspricht.
Botho könnte zwar auch eine Mesalliance, eine sogenannte Missheirat, mit Lene eingehen, aber er ist zu feige und fügt sich in die Gesellschaftsordnung ein, um seine Familie zu retten. Er Liebesverzicht verzichtet auf die Liebe seines Lebens: »Ob ich nun frei bin? … Will ich’s denn? Ich will es nicht.« (S. 158) Nicht die freie Entscheidung – die möglich war – und Zuneigung bestimmen sein Handeln, sondern Konventionen und ökonomische Zweckmäßigkeit: Botho will gar nicht frei sein, sondern sozial reüssieren. Sein Leben scheitert nicht an der Gesellschaft, sondern an seinem Unwillen, die durchaus mögliche, aber unbequeme Freiheit zu wählen. Schließlich heiratet er seine Kusine, die »[w]undervolle Flachsblondine mit Vergissmeinicht-Augen« (S. 52 f.). Sie ist die lebendig gewordene Kopie der gesellschaftlichen Konventionen, die sie perfekt mit ihrer oberflächlichen Art und ihren Redensarten verkörpert.
Die Heldin des Romans ist Lene. Sie bleibt realistisch, sie erwartet keine langfristige Beziehung oder gar Heirat, die ihr, so erklärt sie selbst, standesgemäß nicht zustehe. Aber sie liebt innig: »Wenn ich einen liebe, dann lieb ich ihn. Und das ist mir genug.« (S. 20) Als Botho sich von ihr trennt, bleibt sie tapfer und Lene ist authentisch und souverän authentisch, gleichwohl ist dieser Verlust traumatisch für sie, aber ihr gelingt es, sich wieder neu in die Gesellschaft einzugliedern: »Wenn man schön geträumt hat, so muss man Gott dafür danken und darf nicht klagen, dass der Traum aufhört und die Wirklichkeit wieder anfängt.« (S. 105) Sie heiratet schließlich Gideon Franke, einen braven und etwas kauzigen Mann, der aber untadelig ist und seine Prinzipien selbstbewusst vertritt.
Als Käthe die Heiratsannonce vorliest, die Lenes und Frankes Verehelichung kundtut, spöttelt sie über den befremdlichen Vornamen »Gideon«. Ihr geschockter Ehemann Botho erklärt daraufhin – im letzten Satz des Romans – seine zweideutige Bankrotterklärung: »Gideon ist besser als Botho.« (S. 180)